Konstruktive Gedanken über die Zukunft einer progressiven Linken

Uralter Thread, Entschuldigung. Ich grabe ihn aus aktuellem Anlass aus, weil in der kürzlichen Lage 304 genau dieses Thema aufkam, die Abwesenheit der Linken Parteipolitik im Bundestag.

Die Ausmaße der Querschlägerei von Sarah Wagenknecht habe ich vor 2 Jahren natürlich nicht vorhersehen können, aber das Gefühl, dass die LINKE sehr viel weiter links wirkt als ihr Parteiprogramm hatte ich damals wie heute.

Meine Frage an die Lage und alle Leser dieses Threads: Hat sich eure Meinung dazu in den letzten zwei Jahren verändert? Oder ist es in erster Linie Wagenknechts Aktionen die jetzt zu dieser Meinung führen?

Ehrlich gesagt sind es gerade Sahra Wagenknechts und Oskar Lafontains ausfälle gewesen, welche die LINKE für mich weit „rechter“ erscheinen lassen, als ihr Parteiprogramm den Anschein erweckt.

Denn das, was Wagenknecht und Lafontaine fordern bzw. gefordert haben, lässt sich noch am ehesten als „linker Patriotismus“ oder „linkskonservativ“ definieren, und das halte ich grundsätzlich generell für eine Querfrontbewegung, die den Bogen von ganz links nach ganz rechts spannen will. Generell vertreten die beiden noch ein Arbeiterbild, welches auf den Arbeiter im frühen 20sten Jahrhundert noch passte, aber den Arbeiter des 21sten Jahrhunderts einfach nicht mehr sinnvoll erfasst. Das ist nicht links, das ist rückwärtsgewandt.

Das linke Parteiprogramm ist insgesamt sehr progressiv, Wagenknecht und Lafontaine hingegen meines Erachtens in vielen Punkten nicht. Und gerade diese progressive Denkweise macht für mich den Kern des „links-seins“ aus, eben nicht konservativ und in alten Rollenbildern zu denken. Wenn Wagenknecht also lamentiert, dass diese bösen „Lifestyle-Linken“ mit ihrem „gendern“ von den „wirklichen Problemen“ im Sinne des Klassenkampfes ablenken würden (siehe Wagenknechts Buch „Die Selbstgerechten“) erweckt das für mich nicht gerade den Eindruck, als dass Wagenknecht die Speerspitze der „wirklich Linken“ innerhalb der Linken sei, sondern genau den gegenteiligen Eindruck.

Wenn man „links sein“ natürlich nicht mit „gesellschaftlicher progression“, sondern mit historisch linken Themen definiert (also „links sein = Klassenkampf“), kann ich auch verstehen, warum man zum gegenteiligen Ergebnis kommt und Wagenknecht als „linker als den Rest“ wahrnimmt.

Daher die Frage an dich:
Wie definierst du „links sein“ im Kontext der Linken?

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Für mich persönlich gibt es eine Grafik, die alle Probleme diesbezüglich aufzeigen kann:

Es gibt vermutlich schon Schnittmengen zwischen Linke, SPD und Grüne, es gibt in jeder Partei unterschiedliche Strömungen. So gibt es bei den Grünen einen grossen linken Flügel, es gibt aber auch die ehemaligen FDP/CDU Wähler in ihrer Mitte, die sich davon etwas Versprechen. Gebunden werden sie vom Thema Klimaschutz. Es gibt da immer noch die Müsli-Althippies (sorry für die Polemik, ich glaube es hilft dem Verständnis) aber mittlerweile halt auch Urbane Hipster, Startup Gründerinnen, Software Entwicklerinnen und so weiter. Es gibt bei den Grünen durchaus einen mittlerweile sehr starken wirtschaftsliberalen Flügel, der durchaus grossen Einfluss hat. Das Thema Ökosozialismus finde ich an der Stelle irgendwie ein Narrativ, weil ja irgendwie die Grünen aktuell (für mich persönlich gefühlt) die Pragmatiker sind - und bei den Grünen kaum jemand von Umverteilung spricht, wenn man mal das Klimageld rausnimmt.

Gleiches gilt für eine SPD. Wir haben einerseits die Kühnerts und Eskens, die klassische linke Politik machen und andererseits den Seeheimer Kreis, der in seinen extremeren Ausläufern eigentlich kaum noch als sozialdemokratisch bezeichnet werden kann und ebenfalls grosse Macht besitzt.

In der Linken gilt das auch, aber leider ganz extrem, denn trotz der verhältnismässig wenigen Mitglieder gibt es dort eine unfassbare Breite an politischen Themen und Meinungen. Wir haben einerseits „Kein Mensch ist Illegal“, Antifa, Kommunisten, andererseits Feminismus, LGBTI+, dann die „Ost-Linke“ die wiederum nach eigenen Regeln funktioniert. Wir haben weiter autoritäre Linke, Globalisierungskritiker und solche, die kriminelle Ausländer ausschaffen wollen. Jetzt ist die Frage wie man das zusammenfügen kann. Ich persönlich habe in jeder Wahl meines Lebens die Linke gewählt, weil sie mit ihrem kompletten Wahlprogramm meine persönlichen Meinungen am ehesten abdeckt. Das ist auch der Grund dafür, dass die Hufeisentheorie Schwachsinn ist.

Und jetzt möchte ich den Bogen zum Eingangsthema spannen:

Zieht man die Grenze des oben ersichtlichen politischen Kompasses neu und verzichtet mal auf die existierenden Parteien, könnte es durchaus eine Partei geben, die Mitglieder der Linken, der SPD und der Grünen sammelt und ihnen eine wirkliche Stimme gibt - aber selbst dort gäbe es wieder Flügel die sich miteinander kaum vereinheitlichen lassen. Ich glaube, dass es an der Zeit ist für eine solche neue Partei, aber die muss gegründet und effektiv aufgebaut werden.

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Hier sehe ich das Problem. Es gibt inzwsichen wahrscheinlich hundert Parteien die mit diesem Ziel gegründet wurden. Keine setzt sich durch. Wenn die LINKE auseinanderfällt besteht die Gefahrt, dass nichts in der Richtung nachkommt.

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Da bin ich ganz bei dir und ehrlicherweise finde ich einen Bundestag ohne linkes Korrektiv sehr dystopisch.

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