Kommunikative Katastrophen in Serie in Bezug auf "Impfen der Kinder und Jugendlichen"

Ein großes Feuerwerk der kommunikativen Vollkatastrophen wird ja gerade von allen Beteiligten, sowohl Bund als auch Ländern, um das heiß diskutierte Thema der Impfung von Kindern und Jugendlichen abgebrannt. Da es nicht danach aussieht, als würde das kommende Woche versiegen, sondern eher danach, als würde für kommende Woche mit der heute erwarteten Freigabe vom Comirnaty für die Altersgruppe 12-15 Jahre nochmals Öl ins Feuer gegossen werden, sehe ich hier ein potenziell ertragreiches Diskursfeld für die Lage, das geradezu um Einordnung, Rekapitulation der diversen Positionen der Beteiligten und rationale Schlussfolgerung bettelt.

Ich habe da selbst sicher nicht alles mitbekommen, was in dem Zuge in den letzten Tagen so durch die Medien ging, aber von dem, was ich mitbekommen habe, scheint sich die grundsätzliche Gemengelage so darzustellen:

  • Bund und Länder verspüren seit Langem wachsenden Druck, wieder normalen Schulbetrieb mit voller Präsenz stattfinden zu lassen
  • Infolgedessen haben sich sowohl Spahn als auch Ländervertreter dazu hinreißen lassen, vollmundige Versprechen bezüglich Impfkampagnen mit Ziel Kinder und Jugendliche abzugeben. Spahn versprach unter anderem „zusätzliche“ Impfdosen für Länder, die derartige Kampagnen fahren wollen (ohne zu überlegen, wo die herkommen sollen, und dass es aus medizinischer Sicht vielleicht nicht so sinnvoll ist, diese von den für die erwachsene Bevölkerung noch benötigten Dosen zu nehmen), und einige Länderchefs preschten daraufhin mit ambitionierten Kampagnen zu Impfungen in Schulen vor.
  • Allesamt sind sie voll in das Fettnäpfchen der sprachlichen Verbindung von „normalem Schulbetrieb“ und „Impfungen“ getreten, was ihnen jetzt gewaltig auf die Füße fällt. Allerorten wird gerade zurückgerudert, was die Paddel hergeben, nachdem man festgestellt hat, dass das mit diesen speziellen Kampagnen aus mehreren Gründen - wovon einer die Verfügbarkeit des Impfstoffs ist - nicht so einfach werden wird und die sprachliche Verquickung des Präsenzunterrichts mit Impfungen (selbst wenn sie nur rein sprachlich existiert und in der Praxis niemand zu keinem Zeitpunkt jemals beides hart aneinander koppeln wollte!) sich von der vermutlichen Intention der Förderung der Impfbereitschaft sowie der Präsentation eines Hoffnungsschimmers für den Schulunterricht (frei formuliert etwa „wenn erst mal alle geimpft sind, wird es auch kein Problem mehr sein, normalen sicheren Schulbetrieb zu machen, ihr könnt uns also glauben, wenn wir sagen, dass es bald wieder überall Präsenzunterricht gibt“) gerade in einen massiven politischen Bumerang wandelt, nämlich einer wahrgenommenen „Impfpflicht für den Zugang zur Schule“.
  • Potenziert wird das Ganze gerade noch durch aufkommende berechtigte Zweifel an einer schnellen Empfehlung der Impfung von Seiten der STIKO für alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von eventuellen Vorerkrankungen. Dieser Faktor allein schwebt im Moment wie ein Damoklesschwert über der Politik und zieht ihr gerade in einem selten beobachtbaren Maß die Hosen aus. Faktisch ist das meiner persönlichen Einordnung der Dinge zufolge eigentlich gar kein so großes Fass, denn auch ohne Empfehlung kann ja jeder seine Kinder eigenverantwortlich impfen lassen, sofern die Freigabe der EMA vorliegt, und letztlich liegt egal ob mit oder ohne Empfehlung die Impfung von Kindern fast immer in der Eigenverantwortung der Eltern (mit Ausnahme der Masernpflichtimpfung), die Empfehlung ist ja nüchtern betrachtet nur eine Hilfestellung für die Entscheidung. Allerdings wird der STIKO hierzulande von der allgemeinen Bevölkerung und infolgedessen auch von der Politik eine ungemein hohe Bedeutung zugestanden, nicht wenige scheinen deren Empfehlungen gar mit der Freigabe bzw. Nicht-Freigabe eines Impfstoffs zu verwechseln, wie sie die EMA eigentlich vornimmt, und das bringt die Politik, sollte die Empfehlung tatsächlich nicht zustande kommen, massiv in die Bredouille, vor allem in Bezug auf eingangs genannte vollmundige Versprechungen und das Verquicken von Impfungen und Präsenzunterricht. Denn während einzelne Eltern sich jederzeit recht problemlos trotz nicht vorhandener Empfehlung für die Impfung ihrer eigenen Kinder mit einem für deren Alter zugelassenen Impfstoff entscheiden können, ist es für einen Politiker schwer bis unmöglich, eine große Impfkampagne aufzuziehen, wenn für die zu impfenden Zielpersonen gar keine Impfempfehlung vorliegt.

Zu dieser Gemengelage dazu kommen dann noch einige verwirrende Medienmeldungen wie etwa diese der taz, der zufolge angeblich in der ersten Juniwoche bereits eine Million Dosen Comirnaty gezielt für Kinder und Jugendliche „zurückgehalten“ werden sollen:

Ich habe selbst gerade Schwierigkeiten, diese Info einzuordnen, denn ich finde in anderen Medien nirgendwo konkrete Bestätigungen dieser Information, außer dass es in der Tat für diese fragliche Woche einen Rückgang der Lieferungen an die Hausärzte von einer Million Dosen gibt. Den hatte ich aber gedanklich mit der von BioNTech angekündigten kurzfristigen Verschiebung von insgesamt 1,6 Millionen Dosen aus den ersten beiden Juniwochen in die letzten beiden Juniwochen in Zusammenhang gebracht und nicht mit einem Zurückhalten für Jugendliche (was keinen Sinn macht, wenn es gar keine gezielte Kampagne zu deren Impfung gibt). Allerdings gibt es dann wiederum Meldungen wie diese, in denen dieser Rückgang gezielt auf Kalenderwochen 23 und 24 terminiert wird, was eben nicht die KW 22 umfasst, um die es bei der „fehlenden“ Million auf die sich die taz bezieht geht:

Summa summarum werden wir mit dem Thema „Impfung der Kinder“ glaube ich noch die nächsten Wochen und Monate viel Spaß haben, und ich wäre sehr an einer ausführlichen Darlegung und Einordnung der Thematik in der Lage interessiert.

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So wie Du es beschreibst, klingt es schon einigermaßen irre. Da macht ein Spahn mal wieder vollmundige Versprechungen, ohne irgendeine Ahnung zu haben, ob die einlösbar sind - ich habe schon aufgehört zu zählen, wie er das schon gemacht hat. Die Erwartungshaltung, dass nun ganz schnell ganz viele Kinder geimpft werden, damit danach endlich wieder alles „normal“ ist, wurde dadurch natürlich extrem angefeuert. Das führt dazu, dass die Stiko sich schon dafür angreifen lassen muss, überhaupt ihren Job zu machen (Gesundheit - Hannover - Landesregierung für Impfmöglichkeit für Kinder - Gesundheit - SZ.de), nämlich den Stand der Forschung sorgfältig zu eruieren und dann eine Empfehlung abzugeben, wann und wo die Impfungen medizinisch sinnvoll sind. Dennoch werden sich viele Ärzt:innen, insbesondere Pädiater:innen vermutlich an dieser Empfehlung orientieren. Das heißt wir werden vermutlich haufenweise Konflikte haben zwischen Eltern, die ihre Kinder impfen lassen wollen und Ärzt:innen, die da eher zurückhaltend sind.
Hinzu kommt ja, dass die Freigabe der Priorisierung ohnehin schon genug Probleme schaffen wird, auch deren Ankündigung mehrere Wochen im Voraus natürlich die Erwartung schürt, dass im Juni alle endlich ihre Impfung kriegen - und wer mal Videos von der Eröffnnung eines Elektronikfachmarkts gesehen hat, weiß, wie „rational“ Menschen mit solchen Erwartungen umgehen. Dabei war die Regierung ja so „schlau“, das Ende der Priorisierung weder vom Stand der Impfungen abhängig zu machen (noch haben nicht mal 75% aller Ü60 eine Erstimpfung), noch an eine verlässlich höhere Anzahl verfügbarer Impfdosen zu koppeln. Das heißt auf Deutsch: Statt zuerst die zu Impfen, die wirklich ein höheres Risiko haben, heißt es jetzt wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Es gibt jetzt schon viele Hausärzt:innen, die langsam keinen Bock mehr haben auf die Kombination aus a) völlig unsicheren und kurzfristigen Impfstofflieferungen und in der Folge b) hohem organisatorischen Mehraufwand und c) Konflikten mit impfwilligen Patient:innen. Das wird natürlich noch lustiger, wenn noch ein paar Millionen Menschen mehr (die 13-15-Jährigen) in der gefühlten Schlange stehen und zudem noch Impfdosen an Betriebsärzt:innen gehen oder gar zurückgehalten werden Wenig Biontech-Impfstoff für Arztpraxen - Kritik an Verteilung | NDR.de - Nachrichten - Hamburg - Coronavirus.
Das wird wirklich ganz großes Kino!

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Das ist ein großes Thema. Als Vater von 4 schulpflichtigen Kindern hoffe ich sehnlichst darauf, dass eine Impfung von Kindern und Jugendlichen in diesem Sommer passieren kann. Auch wenn mir unverständlich ist warum die Eltern nicht eher dran sind… oder in eine Prio-Gruppe eingeordnet worden sind.

Drosten hatte im Podcast letzte Woche dazu erklärt, dass eine Impfung der Eltern die Schüler:Innen besser schützen würde und daher eigentlich sinnvoller als ein Impfung der Schüler:Innen selber wäre.

Mir ist es zur Zeit völlig unverständlich wie es (zumindest in Hamburg ab nächsten Montag) ein komplette Rückkehr zum Regelschulunterricht geben kann, ohne eine konkrete Impfperspektive! Weder für die Schüler:Innen noch der Eltern. Bei uns am Mittagstisch sitzen (überhöht theoretisch) alleine durch unsere Kinder täglich 120 potentielle Covid-Kontakte. Wir alle sind nicht geimpft.

Jede einzelne Schule bemüht sich zwar redlich irgendwie die Hygiene- und Schutzmaßnahmen umzusetzen. Diese bestehen aus Lüften (alle 20-Minuten), Maskentragen (den ganzen Schultag, jedenfalls in den Innenräumen) und Selbsttestung der Schüler:Innen (alle gemeinsam im Klassenraum). Momentan bin ich verwundert, dass die Infektionszahlen an den Schulen nicht höher sind…

Wir haben uns dazu entschlossen unsere Kinder vom Präsenzunterricht befreien zu lassen und sind damit in absoluter Minderheit. Sprich, das einzige Kind in der Klasse (eventuell mal zwei). Nebeneffekt: Ein total blöder bürokratischer Akt mit Antrag bei der Schulleitung, erklärende Gespräche mit Lehrer:Innen. Und am Ende heißt es, dass man eine „schulische Betreuung der Kinder, die im Homeschooling verbleiben leider nicht gewährleisten kann“. Die Schüler:Innen sollten sich „Paten aus der Klasse suchen, die ihnen die Hausaufgaben weiterleiten“.

Zum Glück sind es nur noch drei Wochen zu den Sommerferien…

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Hallo JottMoe,
ich muss ehrlich sagen, dass ich Deine Position nur schwer nachvollziehen kann. Du sagst ja selber, dass es in den Schulen, die Deine Kinder besuchen, vielfältige Schutzmaßnahmen gibt (Tests, Masken, Abstand, Lüften etc.). Gerade aufgrund der Tests dürfte es wohl inzwischen in keinem Bereich eine so geringe Dunkelziffer geben wie bei Schüler:innen - inzwischen ist ja auch klar, dass die Anstiege der Inzidenz in den entsprechenden Altersgruppen stark damit zusammenhing, dass bisher unentdeckte Fälle nun entdeckt werden. Schulen sind außerdem inzwischen darin geübt, bei einzelnen positiven Fällen gezielte Quarantänemaßnahmen zu treffen. Ich finde es daher keineswegs überraschend, dass größere Ausbrüche in Schulen eine Seltenheit sind.
Und Du sagst ja selber, dass die Zahlen niedrig sind. Dasselbe gilt auch für Länder (z. B. UK, Dänemark, Schweiz), in denen die Schulen wieder vollen Präsenzunterricht haben, und zwar relativ teilweise ohne Masken und Tests (was hier ja erst mal gar nicht geplant ist).
Meine Frage ist: Wenn es Schutzmaßnahmen gibt, die offensichtlich funktionieren, wenn es offensichtlich niedrige Fallzahlen und so gut wie keine großen Ausbrüche gibt, wovon soll dann bei Schulen die Gefahr ausgehen? Vor allem, wenn man sie mit den unbestreitbaren, sehr viel häufigeren und zum Teil massiven Schäden vergleicht, die Schulschließungen verursachen.
Dein Beitrag suggeriert m. E., dass sich diese Situation nur durch Impfungen ändern ließe. Genau das halte ich aber für falsch und gefährlich, weil es erstens davon ablenkt, dass dieses angebliche Dilemma von der Politik geschaffen wurde und auch von der Politik wieder gelöst werden muss und zweitens, weil Impfungen - gerade von Kindern - nicht dazu da sind, gesellschaftliche Probleme zu lösen, sondern ein medizinischer Eingriff sind, der nur nur einen konkreten medizinischen Nutzen gerechtfertigt werden kann.

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Hey, danke für die Antwort.

Die Maßnahmen in der Schule sind nicht ausgereift und nicht genug. Das ist kein Vorwurf an die Schulen, sondern an die Politik. Es fehlt an Konzepten und an Unterstützung.

Es gibt beispielsweise seit einem Jahr keine Lüfter. Es wird gelüftet, ja, alle zwanzig Minuten Fenster auf. Wenn es warm ist, ist das ok. Jetzt wird es grad wärmer.

Es gibt zuwenig Lehrkräfte um alternative Unterrichtskonzepte umzusetzen. Mischformen, die Entzerrung geben können.

Es gibt zuwenig Lehrkräfte um die Kinder zu unterstützen, die es nötig haben. Die es Zuhause nötig hatten. Es gab bei uns nie eine individuelle Abfrage der Eltern mit konkreten Angeboten seitens der Schule. Da diese gar keine Möglichkeiten dazu hatten. Bei uns ist das Homeschooling glücklicherweise super gelaufen, andere Familien hatten da große Probleme.

Ausreichender Abstand im Klassenraum ist in der Realität gar nicht möglich, das geben die Räume oftmals nicht her.

Den ganzen Schultag Maskenpflicht. Lernen unter den Umständen ist natürlich erschwert.

Die Testungen verhindern keine Ansteckung, sondern sind nur ein Monitoring. Ich kann mir also nicht sicher sein, dass mein Kind nicht einen Virus mit nach Hause bringt. Und wie gesagt, wir haben mehrere Kinder und an unterschiedlichen Schulen. Das sind vielzählige Kontakte. Im übrigen sind das Selbsttestungen, besser als nichts, aber in der Art und Weise wie die durchgeführt werden zumindest nicht ideal.

Die ganze Schulsituation ist ebenfalls Druck und Belastung für die Kinder, weil konstant Leistungsdruck ausgeübt wurde. Es hieß beispielsweise, das wäre ein „verlorenes Jahr“, man müsste den „verpassten Stoff unbedingt aufholen“, etc.

Ja, Bildung ist wichtig. Aber offenbar zählt diese ausschließlich in Präsenz und in den klassischen Unterrichtsformen.

Mir ist schon klar, dass die sozialen Aspekte und Kontakte in der Schule wichtig sind! Diese könnte man jetzt auch gerne fördern. Das passiert aber nicht, denn es geht sofort wieder in den Regelunterricht, bloß schnell zurück zu „normal“.

Impfungen ja! Und zwar der Eltern! Wir sind in keiner Priogruppe, wir sind da irgendwie vergessen worden. Eine Impfung der Eltern würde die Schulkinder zum großen Teil abschirmen.

Impfungen der Kinder? Na, sicher. Sofern verträglich. Jeder von uns wird sich irgendwann eine Covid-Infektion einhandeln, das liegt halt in der Natur der Sache. Und da finde ich einen milderen Verlauf ohne Langzeitschäden die bessere Wahl.

Mir ist bewusst, dass diese Pandemie damit nicht vorbei ist und es auch in Zukunft weitere geben kann.

Nun hoffe ich zunächst, dass das nun gewählte Konzept der Öffnungen aufgeht und die Zahlen weiterhin sinken. Insbesondere an den Schulen.

Bei uns auf dem Land gibt es wenige Hausärzte die impfen. Viele sagten dass die Regelversorgung ihrer Patienten mit dieser Zusatzbelastung nicht mehr gegeben wäre.

Ich finde, dieser Kommentar trifft es ganz gut. Gefährlich und beschämend, dass jetzt der Wahlkampf die Impfkampagne bestimmt!

Ja, 50% der Eltern wollen ihre Kinder impfen lassen, aber solange der Impfstoff knapp ist, wären sie wohl selber besser zuerst dran!
Falscher Aktionismus jetzt macht nicht die Fehler der Vergangenheit ungeschehen.

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Ich finde den Kommentar nur so bedingt gut, denn er regt sich im Wesentlichen künstlich über eine Selbstverständlichkeit auf und tut so, als wäre es irgendwie verwerflich, wenn sich die Politik dieser Selbstverständlichkeit unterwirft, ohne auch nur einen Millimeter über diese hinauszugehen.

Selbstverständlich ist es so, dass 12-15jährige sich ab dem Ende der Priorisierung impfen lassen können - ganz genau wie jeder andere Bürger auch. Das ist nun mal das, was vollkommen automatisch passiert, wenn die EMA den Impfstoff für dieses Alter zulässt, und der Priorisierungszwang abgeschafft wird. Dass noch irgendjemand auf die Entscheidung der STIKO warten müsste, wie der Artikel es suggeriert, ist Unsinn. Das können Eltern der fraglichen Kinder natürlich individuell jederzeit tun, aber mit welchem Recht sollte man denn denjenigen, die ihre Kinder auch ohne deren Empfehlung impfen lassen wollen, diese Möglichkeit verwehren, wenn das Zeug doch zugelassen und die Priorisierung abgeschafft ist? Richtig: mit gar keinem!

Man könnte natürlich durchaus diskutieren, ob es nicht sinnvoller wäre, erst die Erwachsenen einigermaßen durchzuimpfen und dann die Kinder - also quasi eine Priogruppe 5 für die Kinder einzuführen. Aus medizinischer Sicht dürfte es schwer werden, dagegen Argumente zu finden. Aber politisch ist das halt schwer durchzusetzen, und mit der fixen Terminierung jedweder Priorisierung am 7. ist der Zug dafür ohnehin längst abgefahren, eine tatsächlich nachrangige Impfung von Kindern qua amtlicher Anordnung ist dadurch unmöglich geworden. Es ist also alternativlos, obige Situation der Gleichrangigkeit einfach anzuerkennen und zu akzeptieren. Und viel mehr als das tut die Politik doch jetzt effektiv auch gar nicht. Es gibt keine Sonderimpfprogramme und keine Bevorzugung von Kindern (zumindest so weit ich aktuell sicher weiß gibt es weder das eine noch das andere), also nichts von dem, was wirklich völlig daneben wäre. Also worüber genau regt sich der Kommentar eigentlich auf?

Wenn es irgendwas gibt, worüber man sich tatsächlich aufregen könnte, dann ist es das jämmerliche Bild, das die Bundes- und Landespolitik mit der völlig erratischen Kommunikation abgibt und den teils absurden vollmundigen Vorankündigungen von Bund und Ländern, die jetzt auf eine knallharte Realität treffen und mal wieder unerfüllbare Erwartungen geweckt haben. Dabei geht es aber wirklich um das Geschwätz von gestern, nicht um den jetzt tatsächlich angekündigten Umgang mit der Impfung von Kindern und Jugendlichen.

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Also

  1. hätte die Politik die Priorisierung eben nicht einfach streichen dürfen, ohne über die Folgen nachzudenken und
  2. tut sie ja viel mehr, als alle Folgen zu akzeptieren. Spahn und andere machen ja Werbung für die Impfung der Kinder, mit dem Argument, dass dies den geordneten Schulbetrieb sichern soll.

Ich geb dir vollkommen Recht. Du bringst es auf den Punkt. Es sind nicht mal alle Priogruppen durch und Spahn macht Wahlkampf mit einer Pandemie. Und wenn ich Werbung für die Impfung von Kindern mache sollte ich auch den Impfstoff da haben und nicht alles wieder auf die Länder abschieben.

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Diese Aussage tut so, als hätten EMA und STIKO dieselbe Funktion, was aber nicht stimmt und m. E. gerade angesichts der Angriffe auf die Stiko, u. a. von Karl Lauterbach und Stephan Weil, eher Teil der vermaledeiten Kommunikation ist, als deren Kritik.
Zum Hintergrund: Analog zu Medikamenten bedeutet ja die generelle Zulassung eines Impfstoffes keine Entscheidung darüber, für welche Pesonen und bei welchen medizinischen Indikationen dieses auch sinnvoll eingesetzt wird. Das entscheiden in der Regel die einzelnen Ärzt:innen - und um denen ihre Entscheidung etwas zu erleichtern, spricht die STIKO bei Impfstoffen Empfehlungen aus. Natürlich sind diese nicht bindend, aber so zu tun, als sei das Votum der STIKO eigentlich überflüssig, geht m. E. an der Sache vorbei.
Die katastrophale Kommunikation der Politik besteht ja seit Dezember darin, immer wieder große Erwartungen in Sachen Impfung zu schüren, die dann regelmäßig daran scheitern, dass es entweder nicht genug Impfstoff gibt oder die Impfungen nicht das gewünschte Ziel (hier lassen sich nennen: Herdenimmunität. Ende der Pandemie oder absolute individuelle Sicherheit) bringen. Die Aufgabe der Priorisierung und die Ankündigungen einer „Durchimpfung“ von Kindern und Jugendlichen vor dem Beginn des nächsten Schuljahres sind nur zwei Beispiele hierfür.
Das fatale daran ist, dass diese Kommunikation der Impfungen und ihre teilweise Stilisierung zum „Heilsbringer“ nicht nur dazu geführt hat, dass keine anderen nachhaltigen Konzepte im Umgang mit der Pandemie entwickelt wurden, sondern dass den geschürten Erwartungen nun auch noch die notwendige wissenschaftliche Überprüfung zum Opfer fallen droht, für wen eine Impfung eigentlich mehr Nutzen bringt.

Diesen Eindruck wollte ich so nicht erwecken, sondern eher das genaue Gegenteil: die beiden Instanzen haben natürlich völlig unterschiedliche Funktionen, die sich in gewisser Weise ergänzen. Eines ist eine Gatekeeper-Instanz (EMA), und eine ist eher eine Form „Stiftung Warentest“ für Impfungen (STIKO).

Nein, das entscheiden im Normalfall nicht Ärzte, das entscheiden die zu impfenden Personen bzw. bei Kindern deren Erziehungsberechtigte. An die richtet sich auch die Stiko-Empfehlung, sie soll eine Hilfestellung sein für diese Entscheidung. Ärzte sind natürlich oft auch in die Entscheidung einbezogen und geben den zu impfenden Personen einen Rat für oder gegen eine Impfung (und um diesen Rat zu geben ziehen sie dann unter anderem auch wieder Veröffentlichungen der STIKO heran), aber ein Arzt hat kein Recht, einer Person einen für diese zu impfende Person freigegebenen Impfstoff aufzuzwingen oder andersherum ihn ihr vorzuenthalten (der Arzt kann sich natürlich raushalten und die Person nicht selbst impfen, das ist klar, aber dann kann die Person sich einen anderen Arzt suchen, der die Impfung vornimmt, das wiederum kann der erste Arzt nicht verhindern).

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Ok, dann habe ich Dich missverstanden, was die Rollen von EMA und STIKO angeht.

Mein Punkt war genau der, dass jede Ärzt:in für sich entscheidet, wen sie wann mit was impft. Natürlich entscheidet nicht eine Ärzt_in für alle anderen, daher läuft das bei der „freien Arztwahl“ de facto häufig auf dasselbe hinaus, aber „im Einzelnen“ - und nur davon schrieb ich ja - können Ärzt:innen sehr wohl sagen: X verimpfe ich an Y nur unter der Bedingung Z. Dazu gehört auch, dass Hausarztpraxen für sich entscheiden können, weiter zu priorisieren oder eben keine Kinder ohne Vorerkrankungen zu impfen. Das schnallen aber m. E. einige Patient:innen nicht, die sich in Arztpraxen danebenbenehmen, weil sie meinen, einen Anspruch darauf zu haben, dass eine von ihnen ausgesuchter Ärzt:in gefälligst zu tun hat, was sie wollen. Ähnlicher Unmut wurde ja auch hier im Forum schon geäußert und die entsprechenden Konflikte werden ab nächster Woche auf jeden Fall zunehmen. Darauf wollte ich hinaus.

Okay, dann habe ich dich wiederum hier missverstanden. Es ging nicht aus dem Text hervor, dass du das aus Sicht eines individuellen Arztes bzw. einer Ärztin betrachtest; aus der Sicht ist das natürlich so, dass die eine solche Entscheidung zu fällen haben, und es mag auch stimmen, dass die nicht froh über die Freigabe für Kinder ohne vorliegende uneingeschränkte STIKO-Empfehlung sind. Das macht ihnen das Leben natürlich eher schwerer.

Allerdings scheint mir der SpOn-Kommentar, um den es ursprünglich ging, die Sache nicht aus Sicht eines Arztes zu betrachten, sondern eher allgemein gesprochen zu sein mit Blick auf die gesamte Bevölkerung, und dann kommt halt schon wieder zum Tragen, dass die STIKO effektiv nicht die Instanz ist, die irgendwas zu sagen hat bei der Frage, ob Kinder nun geimpft werden oder nicht, sondern einzig die Eltern - und die EMA vorgelagert natürlich, denn einen Arzt zu finden, der ohne EMA-Freigabe impft dürfte enorm viel schwerer sein als einen zu finden, der einen freigegebenen Impfstoff auch ohne explizite Empfehlung der STIKO verimpft. Und das ist unter den jetzt gegebenen Umständen gut und richtig so; wenn etwas anderes gewollt worden wäre, hätte man die Priorisierung durchgängig beibehalten müssen, aber nachträglich diese nochmals wiederzubeleben, um „den Kindern nochmal richtig einen reinzudrücken“ würde…nun ja…genau diesen Eindruck hinterlassen.

Nochmal zwei deutliche Stimmen dazu;

Interview mit Thomas Mertens von der Stiko:

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Danke für die Beiträge. Spiegelt die ekelhaften Wahlkampfmethoden von unserem Ankündigungsminister Spahn wieder. Ich bin wirklich frustriert und ehrlich gesagt zur Zeit politisch abgestumpft. Wie kann man mit so viel Unfähigkeit solange durchkommen. Insgesamt finde ich es entsetzlich, wie viel Inkompetenz mittlerweile salonfähig ist in unserer Politik, siehe hierzu auch Altmaier, Karliczek und Scheuer.