Kommentar Elektroautos und Ökostrom

Hallo zusammen,

vorweg: ich bin ein großer Fan der Lage und höre fast jede Folge. Leider muss ich für die LdN 240 ein bisschen Kritik loswerden.

  1. Elektroauto:
    Allein der Besitz eines Elektroautos wird man noch nicht umweltfreundlich. Bei der Produktion fallen hohe Emissionen an (zB Tesla Model 3 75 kWh: 12750 kg CO2e) und erst bei einer gewissen Kilometerleistung wird die Gesamtbilanz besser als beim Verbrenner. Wenn man selten Auto fährt (wie im Beispiel in der Lage 1x im Monat) ist die Anschaffung eines neuen e-Autos im Vergleich zum Weiterbetrieb des alten Verbenners fragwürdig. Zudem fallen die Produktionsemissionen direkt am Anfang vor dem Kauf an und nicht über die Zeit des Betriebs, auch nicht ideal.

  2. Ökostrom:
    Die Einschätzung, dass man durch den Bezug von Ökostrom CO2-neutral ist, halte ich für falsch. Es gibt in Deutschland kein separates Netz für Ökostrom, man bezieht immer auch den Strom der konventionellen Kraftwerke und Erneuerbaren im Mix. Jede verbrauche kWh in Deutschland, die nicht durch Erneuerbare produziert werden kann, muss durch konventionelle Kraftwerke erzeugt werden. Das gilt für Ökostrom Tarife genauso wie für konventionelle Tarife. Daher sollte jede kWh (unabhängig vom Tarif) mit ca. 400g CO2/kWh (deutscher Strommix) berechnet werden.
    Mit der Einschätzung, dass Ökostrom klimaneutral ist, fällt zudem die Motivation Strom einzusparen weg, was ich sehr bedenklich finde.
    Auch der Ausbau der Erneuerbaren wird hauptsächlich durch die EEG Umlage finanziert, die meisten Ökostrom Verträge tragen hierzu wenig bei.

Das Thema CO2 Kompensation ist nochmal ein schwierigeres, da gibt es riesige Unterschiede, das zeigen allein die Preise: Climeworks 1000€/t CO2; Atmosfair 25€/t CO2
Die Produkte und der Nutzen, der dahinter steht ist sehr sehr SEHR unterschiedlich. Wer nur sein Gewissen beruhigen will…

In dem Sinne
Viele Grüße und einen schönen Sonntag
Eure climate_nerds

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Hallo Climate Nerds:
Zwei kurze Fragen zu Eurem Punkt 1.)

  • Habt Ihr der Übersicht halber auch einmal die CO2e Zahl für die Herstellung eines mit dem TeslaModel 3 75 kWh vergleichbaren Verbrenners?
  • Warum betont Ihr den Punkt das die Emission bei Anfang und nicht über den Betrieb anfallen? Ist das nicht relativ egal, weil das CO2 eh „für immer“ in der Atmosphäre bleibt? Also ja es macht natürlich einen Unterschied wenn es ein paar Jahre früher da ist, aber ich würde erwarten das bei den Effekten die wir hier reden das sehr marginal ist.

Hallo Hasenkoettel,

weitere Zahlen:
Toyota Prius 1.8l 2020 = 7000 kg CO2e
Mercedes C 220d = 8000 kg CO2e
kein neues Auto kaufen = 0 kg CO2e :wink:

CO2 bleibt nicht für immer in der Atmosphäre, es gibt natürliche CO2 Senken. Wenn die Menschheit aufhören würde CO2 zu emittieren würde die Konzentration wieder zurück gehen.
Es geht darum Zeit zu gewinnen um Technologien und Strategien zur CO2 Reduzierung und Speicherung voranzutreiben. Je früher die Emissionen anfallen, desto schneller wird die Lage verschärft und der Handlungszeitraum reduziert bzw. desto früher und heftiger fallen die negativen Effekte aus. Kauf und Betrieb eines Autos betreffen einen zeitlich relativ langen Zeitraum, daher ist das relevant.

Viele Grüße
Eure climate nerds

Hi climate Nerds,

ok voll, dann bin ich dabei:
Es ist klar: Wenn wir nur von CO2 her denken dann heißt es natürlich „kein individuelle Personenverkehr“ ist optimal.
Das wir da gesellschaftlich leider noch nicht sind ist auch relativ klar.
Man sieht in Deinen Zahlen glaub ich ganz gut das (wie so oft im Leben) es sinnvoll ist gebrauchte Objekte noch bis zum Ende durchzunudeln, gerade wenn man nicht Vielfahrendy ist
Wenn man aber vor der Entscheidung für einen Neuwagen steht kommen mir die Zahlen nicht so verschieden vor, da ist es vermutlich relativ klar das das E-Auto eine Co2-sinvolle Entscheidung ist, oder?

Zum zweite Punkt:
Ja klar, das grundsätzlich CO2 wieder aus der Atmosphäre entnommen wird, durch die Bekannten biologischen und chemischen Prozesse.
Aber hier ist ja der Punkt das die Menge in dem das passiert relativ konstant ist, und die Menge an CO2 die die Erde (inkl. dem was der Mensch dazupustet) größer ist als das was entnommen wird. Und solange das so ist (und die große Aufgabe ist es ja zu schaffen in einem annehmbaren Zeitraum zu schaffen dass da ein Gleichgewicht entsteht, besser wäre vermutlich eine kleine Umwucht in die andere Richtung) ist jedes Gramm CO2 das wir „zusätzlich“ in die Luft stossen Teil des den Treibhauseffekt treibenden Überschuss. Das meinte ich mit „für immer“.

Egal, mein Hauptpunkt war im Wesentlichen: Von der reinen Treibhauseffektwirkung würde ich denken dass es klüger ist:
Jahr 1: 10 t CO2
Jahr 2- Jahr 10: 1 t CO2
statt
Jahr 1-10 2 t CO2
weil im zweiten Szenario insgesamt 1 t mehr ausgestossen wird, und die selbst wenn irgendwann CO2 Neutralität erreicht ist erstmal in der Atmosphäre verbleibt und lange Zeit Treibhauseffekt relevant ist, während der „Zusätzliche“ Ausstoß in Jahr 1 im ersten Szenario schon nach 10 jahren durch die Einsparungen in den späteren Jahren (über) Kompensiert ist,

Moin,

ich schalte mich auch mal ein. :slight_smile:
Ich stimme den clima_nerds ihren Punkten zu. Möchte hier aber noch was ergänzen:

Und zwar zunächst die Haltbarkeit und „Reperatur“ /Austausch der Batterien von Elektroautos.
Hier sehe ich einen Punkt, der vielerseits übersehen wird. Eine solche Lithiumionen Batterie hält im Schnitt ca 10 Jahre. Eine Reperatur/ein Austausch ist extrem teuer und kostet ungefähr 15.000€ (ebenfalls mit Schwankungen). Automobilhersteller argumentieren hier wahrscheinlich (Mutmaßung) so, dass sich ein Neuwagen wirtschaftlich eher lohnen würde. Das hätte dann wieder einen viel höheren Autoverschleiß zur Folge, wenn man vergleicht, wie hoch die Lebenserwartung und -erhaltung von bisherigen Verbrennungsmotoren war/ist.

Weiter sehe ich ein Problem bei der Entsorgung von Batterien. Hier spricht auch niemand drüber. Wer trägt die Verantwortung für das Recycling von intakten Lithiumionen Batterien aber vor allem von irreperablen Batterien? (Eine Frage, die natürlich auch für die Bleisäurebatterien von Verbrennern gilt.)

Ich muss leider gestehen, dass ich diesbezüglich nicht ausreichend infomiert bin, aber es sind auf jeden Fall Unklarheiten, die aufkommen.
Weiter sehe ich die Gefahr, dass der Lobbyismus dieser Branche die Risiken und Nachteile der E-Mobilität unterm Tisch hält und zunächst die Forschungskosten einfahren möchte. Auch hier ist das System der Politik wieder mal nicht transparent genug, um hier Gewissheit über die Lage zu bekommen.

Ich würde mir wünschen, dass das Lage-TEAM hier noch einmal nachhaken könnte. Es ist ein brandaktuelles Thema, was eher versteckt daher kommt und welches man nicht unbedingt in der Breite auf dem Schirm hat.

Liebe Grüße
Nico

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Hallo Hasenkoettel,

nun auf individuellen Personenverkehr müssen wir hoffentlich nicht verzichten. Ich wohne weit am Land draussen, da ist das schwer vorstellbar aktuell.

Wenn man eh vor der Entscheidung Neuwagen steht, dann ist e-Auto in der Regel sinnvoller. Allerdings hat ein Audi e-Tron mit 25 kWh/100km (= 10 kg CO2), was einem Benzinverbrauch von 4,3 l/100km entspricht. Also auch bei der Wahl des Elektroautos sollte man auf den Stromverbrauch achten.
Und wie gesagt: desto weniger man fährt, desto weniger lohnt sich die Anschaffung eines e-Autos. Wenn sich der Strommix zu Gunsten der Erneuerbaren ändert, reduzieren sich die Emissionen pro kWh und das Verhältnis verschiebt sich zu Gunsten des e-Autos. CNG ist aktuell auch noch eine sehr attraktive Alternative (aus Sicht von CO2 und Betriebskosten), leider sehr unbeliebt.

zu 2.
Klar das oberste Gebot lautet die Menge der Emissionen zu reduzieren. Wenn man Szenarien hat, bei denen ähnliche Mengen emittiert werden, dann kann man sich die Zeitpunkte der Emissionen anschauen.

Viele Grüße
Eure climate_nerds

Hallo Nico,

das stimmt, eine neue Batterie ist sehr teuer. Dagegen muss man allerdings die höheren Wartungskosten für einen Beziner über 10 Jahre rechnen.
Nach dem Einsatz im Auto gibt es die Möglichkeit für stationäre Anwendungen, zB im Haus in Kombination mit einer PV Anlage. Recycling ist möglich, allerdings weiss ich hier auch keine Details.
Hier findet man ein paar zusammengefasste Informationen: Elektroauto: So funktioniert das Akku-Recycling | ADAC

Ich sehe in Elektromobilität trotzdem die Zukunft für individuelle Mobilität, hoffe aber auf einen baldigen Sprung in der Batterietechnik (und weniger SUVs und mehr leichte und aerodynamsiche EVs wie der Hyundai Ioniq 2019).
Zudem gilt natürlich, wenn aktuell niemand EVs kaufen würde, dann würden die Autohersteller keine Entwicklungsarbeit reinstecken und die Elektrifizierung würde nicht voran gehen. Tesla stellt in Zukunft auf kobaltfreie Batterie um. Das würde nicht passieren wenn niemand Teslas kaufen würde.

Viele Grüße
Eure climate_nerds

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Hallo,
aufschlussreich ist dieses Interview:

Die ausgedienten Batterien werden wohl eher zu Rohstoffquellen, als dass sie entsorgt werden. Aus wirtschaftlichen Gründen.

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Hallo an alle Vor-Schreiber :wink:
Ein kurzer Gedanke noch, der mir in der E-Mobilitäts-Frage immer zu kurz kommt.
Eigentlich betrifft er ja Alles, was mit Batterien / Akkus zu tun hat.

Ich finde es immer etwas kurz gefasst, in den Industrieländern und ein Stück weit auch global saubere Luft zu haben (was ich gut finde, ohne Zweifel), aber z.B. in Chile riesige Landflächen und Wassermengen zu verunreinigen.
Das fällt uns doch irgendwann auch auf die Füße!

Ich will es nicht verteufeln, aber die Elektroautos sind da wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss.
Wir werden viel überdenken und auch in einigen Bereichen zurückstecken müssen !

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hallo andreaszim,

ich stimme Dir grundsätzlich zu, natürlich darf man das Problem der Rohstoffbeschaffung nicht unter den Tisch fallen lassen.

Aber: Die beiden größten & akutesten Probleme die die Menschheit vor der Tür hat sind die Klimakrise und die Biodiversitätskrise.
Die Auswirkungen davon sind global, und betreffen nicht nur „saubere Luft in Industrieländern“ sondern gerade den globalen Süden, zB Chile