Klimaschutz, Verkehrsberuhigung und der Einzelhandel

Liebes Lage-Team,
In Klimaschutz-Fachkreisen heiß diskutiert, hat diese Studie des DIFU in der breiten Öffentlichkeit leider nur wenig Beachtung gefunden. Lediglich National Geographic hat darüber berichtet. Daher würde ich mir wünschen, dass ihr das in einer der folgenden LdN aufnehmt.

In nahezu allen Städten stoßen die Verwaltungen und die Politik auf enormen Widerstand, wenn sie etwa den Innenstadtbereich autofrei umgestalten wollen. Selbst bei minimalen Eingriffen, die nur einen Verlust von wenigen Parkflächen bedeuten würden, gehen die Einzelhändler*innen auf die Barrikaden.

Die vom Difu durchgeführte Studie kommt nun zu dem Schluss, dass Verkehsberuhigungsmaßnahmen keinen belegbaren Einfluss auf eine wirtschaftlich schlechte Situation des Einzelhandels haben. Ganz im Gegenteil führen sie in der Regel zu einer Steigerung der Aufenthaltsqualität, einer zunehmenden Passantenfrequenz und somit zu einem steigenden Umsatz (Und damit auch wiederum zu mehr Gewerbesteuereinnahmen).

Die innenstädtische Verkehrsberuhigung, insbesondere durch eine gleichzeitige Steigerung der Aufenthaltsqualität für klimafreundliche Fortbewegungsarten, ist somit nicht das Problem sondern eine Lösung für die Probleme des Einzelhandels.

Klar ist auch: Eine Umgestaltung des Umfelds wird ein schlecht laufendes Geschäft eher selten retten können. Hier sind am Ende die Inhaber*innen selbst in der Verantwortung, auf Entwicklungen in der Nachfrage zu reagieren.

2 „Gefällt mir“

In meiner Heimatstadt haben die Läden des täglichen Bedarfs (Obst- und Gemüsehändler, Feinkostladen, Metzger, Bäcker) den Versuch einer weitestgehenden Verkehrsberuhigung während der Geschäftszeiten mit deutlichen Umsatzeinbußen bezahlt.

Die Leute aus den umliegenden Dörfern, aber auch die aus der Stadt selbst sind schlicht einfach nicht mehr in die Stadt gefahren sondern haben den Bedarf beim Supermarkt oder bei den umliegenden Anbietern mit Parkmöglichkeit gedeckt.

Die Gastronomie dagegen hat profitiert. Dabei handelt es sich um eine kleine Innenstadt mit nur wenigen Metern zu laufen und einem Parkplatz nur 200 Meter weiter.

Ich denke aber sehr wohl, dass das für große Städte wo die Leute in der Regel ohnehin nicht von weiter entfernt zu solchen Läden fahren anders aussieht. Hier ist es naheliegend, dass eine attraktive Gestaltung mit der Möglichkeit sich zu bewegen ohne auf Autos achten zu müssen die Aufenthaltsdauer erhöht und wohl auch ungeplante Käufe, weil man nicht nur einen Laden gezielt ansteuert. Dafür kommen dann ja auch die Leute von weiter her um zu Bummeln.

Ich bin zwar auch ein Befürworter von Autofreien Stadtkernen, selbst in Kleinstädten, die auch mit attraktiver Außengastronomie locken können, aber leider ist das wohl in der Praxis zumindest in Kleinstädten nicht die Mehrheit der Leute die so denken und viele sind dann doch zu bequem um die Strecke von Parkplatz zu den Läden zurückzulegen und dann fehlt einfach dieser Teil der Kundschaft.

1 „Gefällt mir“

Die Datengrundlage der Studie zielt tatsächlich eher auf Großstädte ab, was auch reflektiert wird.

Ich vermute mal, dass das von dir geschilderte Phänomen darauf zurückgeht, dass man im eher ländlich geprägtem Raum sowieso ins Auto steigen muss, um einkaufen zu gehen. Das ÖPNV-Angebot ist vermutlich sehr gering, die Distanzen fürs Rad zu weit (über 5km) und die Macht der Gewohnheit spielt natürlich auch eine Rolle.

Aber gerade für Großstädte könnte die Studie eine wichtige Entscheidungsgrundlage sein. Beispiel: Der Verkehrsversuch in der Friedrichstraße in Berlin. Der Abschlussbericht musste aufgrund von Corona die wirtschaftlichen Auswirkungen ausklammern und trotz hoher Beliebtheit unter den Anwohnenden wurde die Straße schließlich wieder für den Autoverkehr freigegeben. Die Gewerbetreibenden haben natürlich die Verkehrsberuhigung und nicht die Pandemie als Ursache für die Probleme wahrgenommen.

Wenn in diesen Kreisen die Ergebnisse der Studie in die Köpfe der Politik und der Gewerbetreibenden kommen, könnte dies die Widerstände etwas reduzieren.

3 „Gefällt mir“

Das mag für die Leute die vom Dorf kommen stimmen, aber die Leute die in der Stadt selbst wohnen könnten zu Fuß und mit dem Rad eigentlich alles erledigen.

Die Macht der Gewohnheit dürfte da tatsächlich der größte Faktor sein. Bzw. schlichtweg Bequemlichkeit.

Aber auch hier gibt es natürlich die Möglichkeit die Städte attraktiver für alle ohne Auto (und mit) Auto zu machen indem man moderat Flächen umgestaltet.

Es ist soo ein deutsches Problem. London, Paris, jede Stadt in den Niederlanden, Kopenhagen, Oslo etc. Pp. zeigen, dass es hervorragend funktionieren kann, dass Innenstädte sogar profitieren können. Dass Stadtverkehr ohne jährliche Todesfälle möglich ist. Aber in Deutschland ist das Auto (am besten viel zu groß, zu schwer, zu schnell und mit Verbrenner!) quasi ein lebenswichtiges Organ. Kann ich nicht begreifen. Will ich auch nicht. Diese Entschlossenheit in der Fortschrittsverweigerung kotzt mich an.

8 „Gefällt mir“

Dieser Mythos ist auch so ein Untoter der Diskussion. Mit E-bike sind Entfernungen bis mindestens 20km gut zu schaffen, was man länger unterwegs ist, kann man beim Ausdauertraining im Fitnessstudio an Zeit sparen. Ich komme aus einem kleinen Dorf. Alle Dörfer der Umgebung haben Bäckereien. Entfernung zu den entferntesten Bauernhöfen ist keine 10km. Trotzdem natürlich jeden Sonntag alles voller 2 Tonnen-Stadtpanzer, um 6 Brötchen und 2 Croissant die 2 km zu fahren. Braucht man halt :man_shrugging::man_facepalming:Und dann sollten für diesen Irrsinn am liebsten noch neue Parkplätze gebaut werden, mitten in eine ökologisch extrem wertvolle Landschaft. Das immerhin ist jetzt vorerst gescheitert.

3 „Gefällt mir“

Theoretisch ist das auch ohne E-Bike möglich, praktisch ist es selbst mit E-Bike dann halt oft eine Zeitfrage.

Ich sehe weniger die Fahrt zum Einkauf als das Kernproblem, sondern dass wie und wie oft.

Die 200 Meter am Dorf die oft selbstverständlich mit dem Auto gefahren werden, weil man ja von Hofeinfahrt zu Hofeinfahrt kein Hindernis hat, der Anspruch, dass in den Städten alles mit dem Auto erreichbar sein muss und schon der Parkplatz 100 Meter weiter oft als Zumutung gilt, etc.

Würde man einfach in die Städte zu einem zentral gelegenen Parkplatz fahren und von dort aus dann die verschiedenen Läden zu Fuß erreichen wäre in den Innenstädten auch schon ein spürbarer Rückgang des Verkehrs zu erreichen.

Dadurch, dass das Auto immer zur Verfügung steht wird die einzelne Fahrt gar nicht in Frage gestellt. Denn das Einsparpotential bei einer Fahrt ist ziemlich gering. Erst wenn man über das Jahr aufsummiert was man sparen könnte wenn man die Zahl der Fahrten reduziert, allen voran die der Kurzstrecken, dann kommt auf ein Einsparpotential welches als Wert sicher viele erst mal staunen lässt.

2 „Gefällt mir“