Klimageld - Verkapptes BGE?

Das Klimageld soll ja zwei Zwecke erfüllen: Erstens über die CO2-Bepreisung eine Lenkungswirkung hin zu klimafreundlichen Produkten bewirken, zweitens über das Klimageld einen sozialen Ausgleich schaffen, von dem die unteren Schichten am stärksten profitieren.

Aber was ist, wenn der erste Zweck erwartungsgemäß erfüllt wird? Sinken dann nicht die Einnahmen, die pro Kopf dann auch nur geringer ausbezahlt werden können? Das kann man sicher durch eine Erhöhung des CO2 Preises pro Tonne abfedern, aber irgendwann erreicht man die „Kosten“-Schwelle von aktuell 200 Euro pro Tonne.

Irgendwann sinkt die Ausschüttung und was dann? Dann muss man das Klimageld entweder zum bedingungslosen Grundeinkommen werden lassen oder auslaufen lassen. Letzteres kann ich mir ohne soziale Verwerfungen in einer immer ungleicher werdenden Welt kaum vorstellen.

Also - kommt durch die Entscheidung für ein Klimageld nicht faktisch verkappt die Richtungsentscheidung für ein BGE?

Ich hätte nichts gegen ein BGE und halte das Klimageld für eine der sinnvollsten Ideen überhaupt, aber wenn das so ist, kann ich die Vorbehalte vieler Politiker, die ein BGE kritischer sehen, schon verstehen.

Was meint ihr dazu? Wäre das vertiefenswürdig?

Ich denke da ist ein Denkfehler in deiner Annahme. Ja der ärmere Teil der Bevölkerung verbraucht aktuell deutlich weniger CO2 als der reichere Teil. Allerdings verbraucht ja auch der ärmere Teil der Bevölkerung immer noch viel zu viel CO2. Währrend ein Klimageld evtl. reichere Leute anfangs dazu zwingt ihren CO2 ausstoß zu reduzieren, würde es ärmeren Leuten ja sogar ermöglichen, ihren CO2 Abdruck noch zu erhöhen. Allerdings muss halt irgendwann der Druck des CO2 reduzieren auch bei den ärmeren ankommen. Und da sowas ja nicht von heute auf morgen passiert, denke ich, dass die Hoffnung ist, dass bis dahin sich die Alternativen so sehr im Wettbewerb durchgesetzt haben, dass ein reduzieren von CO2 nicht mehr so schwer ist. Als Beispiel, immer mehr Kohlewerke werden abgeschaltet, das heißt bis der Preisdruck bei den Ärmeren ankommt, wird es kaum noch ein CO2 Preis im Energiesektor geben.

Würden natürlich von heute auf morgen alle Reichen drastisch ihren CO2 verbrauch senken, gebe ich dir Recht, dass es zu starke Verwerfungen kommen könnte.

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D.h. wenn ich dich richtig verstehe, würde zwar irgendwann die Ausschüttung zu gering werden, das aber nicht mehr so problematisch und das Klimageld dann wegfallen (können)?

Hm, also ich bin mir auch nicht sicher, ob ich 100%ig richtig liege, bin kein Volkswirt, aber ich denke es würde so ablaufen:

Phase 1) der Preis pro Tonne CO2 ist zB 50€. Mal die durchschnittlich ausgestoßene Menge ergibt das Budget, was daraufhin auf alle aufgeteilt wird. Ergo, jeder der weniger als der aktuelle Durchschnittsbürger verbraucht, verdient netto.

Phase 2) das ganze hat (hoffentlich) einen Steuerungseffekt, die durchschnittlich ausgestoßene Menge sinkt. Effekt A: es landet also weniger Geld im Topf, das dann verteilt wird (S. Phase 3).
Wenn du also Unwillig bist/nicht die Möglichkeiten hast (Effekt B) und deinen persönlichen Ausstoß weniger senkst, als der Durchschnitt, kriegst du netto weniger als zuvor, evtl zahlst du jetzt sogar drauf. Also steigt weiterhin der Druck, noch mehr deinen Ausstoß zu senken. Und zwar egal, auf welchem Niveau du gestartet bist. Was zählt ist die Differenz vom Durchschnitt mulipliziert mit dem Preis pro Tonne.

Der Gag an der Sache, so wie ich ihn verstehe, ist, dass der Preis für die Tonne CO2 nur die Geschwindigkeit der Anpassung, den finanziellen Druck auf jeden einzelnen erhöht, aber nicht das Grundprinzip ändert: Es gibt von Stand heute im Vergleich zum zB letzten Jahr für dich einen Nachteil, wenn du deinen Verbrauch weniger senkst, als die anderen. Du konkurrierst mit allen anderen Deutschen. Ein Chicken-Race im Sinne der Umwelt.

Wenn der Politik die Geschwindigkeit zu gering ist, kann sie (Phase 3) den Preis pro Tonne erhöhen und damit deinen persönlichen „Faktor“. Was sich aber nicht ändert ist das Vorzeichen des Faktors, der hängt nur davon ab, ob du über- oder unterdurchschnittlich verbrauchst.
Theoretisch wären hier soziale Ungerechtigkeiten auch denkbar. Zum Beispiel wenn Vermieter null Interesse haben, ihre Wohnungen zu sanieren und Reiche das sehr wohl steuern können. Aber das ist als „politische Regelungsaufgabe“ m.E. prinzipiell lösbar (Vermieter zahlt teilweise CO2 Preis mit z.B.).

Theoretisch ist eine Entwicklung zu unbedeutenden Summen, die ausgezahlt werden natürlich das „Endziel“. Wenn wir alle CO2 neutral sind, wird kein Geld eingenommen werden. Aber selbst kurz vorher kann und wird die Politik den Preis pro Tonne CO2 „einfach“ anheben und schon ist wieder Geld im Topf. Was ich inhaltlich auch richtig finde, denn die letzte Tonne Co2 einzusparen wird bestimmt die schwerste und teuerste sein.

Oder ist meine Vorstellung des Mechanismus falsch?

Gruß Jakob

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Dazu zwei Gedanken:

  1. Wenn wir wirklich ~2045 klimaneutral werden wollen, dann müsste der CO2 Preis m.E. bis dahin erheblich steigen. Um einen Anreiz zu bieten die letzten Tonnen CO2 zu reduzieren müsste er also deutlich mehr als 200€/t kosten. Der Mechanismus sollte also erhalten bleiben.
  2. Das Klimageld soll die Transformation zur Klimaneutralität sozialverträglich gestalten. Um zu beurteilen, ob es ein Nachfolgeinstrument braucht müsste man also auch den vollständig transformierten mit dem aktuellen Zustand vergleichen. Nur wenn der transformierte Zustand für Geringverdiener einen Nachteil zum aktuellen darstellt (z.B. weil Preise für Heizen, Strom Mobilität, Güter) sie stärker belasten, dann wäre es notwendig. Das ist Stand heute gut möglich, aber nicht gesetzt. Allerdings wäre dann die Frage warum es unbedingt ein BGE und nicht eine andere Form des Ausgleichs sein kann.
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Die Ausschüttung sinkt, weil die Einnahmen aus dem CO2-Preis sinkt, weil immer sich immer mehr Menschen und Unternehmen immer weniger klimaschädliche verhalten. Damit steigt die Nachfrage nach klimaschonendem Konsum und Investitionen, die Preise für diese Güter und Dienstleistungen sinken, so dass der negative Verteilungseffekt des CO2-Preises abnimmt. D.h., die Notwendigkeit für ein Klimageld sinkt.

Unabhängig davon sympathisiere auch ich mit einem BGE (wobei ich das noch nicht ganz bis zu Ende durchdacht habe). Aber diese Aspekte sollte man getrennt betrachten.

Und, wie @MarkusS schreibt, sollte der CO2 Preise nach und nach immer weiter steigen, damit auch der letzte Reiche auf CO2-neutrale Waren und Dienstleistungen umsteigt.

Ob in einer CO2-freien Welt die realen Lebenshaltungskosten (a) insgesamt höher sind und (b) die Verteilung sich verbesser oder verschlechtert hat, kann man m.E. gar nicht vorhersagen, weil wir nicht wissen, wie sich die Preise für CO2-freie Güter und Dienstleistungen entwickeln wird. Im Fall der Energie wird es auf jeden Fall deutlich billiger. Im Fall von Kreislaufwirtschaft benötigen wir viel weniger Ressourcen - abhängig vom Aufwand des Recykeln könnte es ebenfalls günstiger werden. Ob es im Fall von Produkten, bei deren Produktion sehr viele fossilen Energieträger benötigt werden (entweder als Brennstoff oder als Wareneinsatz), z.B. Chemie, Stahl, Zement, etc., hängt es tatsächlich vom technischen Fortschritt ab, d.h. ob wir Technologien finden, die das zu ähnlichen Preisen schaffen.

Das ist eine weitertreibet Fehlannahme. Weil die sich die relativen Preise verändern (Preise von klimaunschädlichen zu klimaschädlichen Waren und Dienstleitungen), bevorzugen Konsumenten und Unternehmen klimaschonendem Alternativen.

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Dann feiern wir erst mal ne globale Party!

Die ganze Prämisse kommt mir etwas vor wie die Frage, was z.B. ein gerade gegründetes Startup tun wird, wenn es erst mal 1 Billion $ Umsatz macht. Ein Luxusproblem, bei dem jede Vorab-Überlegung, was man dann damit macht, auf dem Weg dahin mehrfach von sich verändernden Rahmenbedingungen und unerwarteten Ereignissen über den Haufen geworfen wird.

Ja, wenn wir mal annehmen, die Menschheit schafft es, vollständig CO2-neutral zu werden (und das ist ein dickes „wenn“), dann wird irgendwann sinkender CO2-Ausstoß nicht mehr mit noch höherer Bepreisung ausgeglichen werden können. Aber es ist völlig unklar, ob in dieser hypothetischen Welt überhaupt ein Klimageld noch benötigt würde. Immerhin ist eins der Versprechen der klimaneutralen regenerativen Energiequellen, dass sie, wenn man sie ausreichend entwickelt und auf globaler Skala ausbaut, nicht nur das CO2-Problem lösen, sondern darüber hinaus für einen Überfluss an billiger Energie sorgen könnten. Würde man da noch ein Klimageld brauchen, dessen Zweck es mal war, die stark ungleiche Last von sehr hohen Energiekosten im Umbruch vom fossilen zu einem regenerativen Zeitalter auf unterschiedliche sozio-ökonomische Schichten abzufedern?

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Bei mehr Nachfrage steigen erstmal die Preise, und durch die steigenden Preise wird das Angebot ausgeweitet (durch mehr Produktion sowie neue konkurrierende Marktteilnehmer).
Es sei denn das Angebot kann nicht wirklich ausgeweitet werden - in einem solchen Fall steigen nur die Preise.

Ein gutes Beispiel ist hier Palladium, welches in Kondensatoren steckt und somit quasi in jedem elektrischen Bauteil der Energiewende, insbesondere aber in Power-to-Gas Anlagen steckt.
Wenn jetzt die Nachfrage nach Palladium steigt (weil mehr elektrische Bauteile nachgefragt werden) und gleichzeitig das Angebot verknappt wird (weil russisches Palladium nicht mehr gekauft werden soll oder darf), dann explodiert der Preis bis Südafrika und Kanada mehr Palladiumminen gebaut hat, was Jahre dauert.

Ich denke ein Betrachtungsfehler hier ist: Klimaneutral heißt nicht CO2 frei.

Heißt selbst wenn wir Klimaneutralität geschafft haben, wird es noch Einnahmen aus der CO2 Abgabe geben.

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Ja, stimmt, das war verkürzt. Ich meinte: Mit steigendem Angebot (infolge der Nachfragesteigerung) sinken durch sog. Economies of Scale die Produktionskosten und dank Wettbewerb die Preise. Klimaschonendem Güter und Dienstleistungen sind in aller Regel keine Güter (wie Palladium), deren Angebot nur in Grenzen ausgedehnt werden kann.

Beispiel sind Photovoltaik Kollektoren: Die waren anfänglich vergleichsweise teuer — ihre Preise sind dann rapide gesunken. Ähnliches können wir bei EAuto-Batterien beobachten. Ich hoffe, auch bei grünem Wasserstoff.

Wenn dem so wäre, müssten wir bei den Ärmeren nicht eine klare Abkehr von Fleischkonsum sehen, eine verstärkte Nutzung von ÖPNV und so weiter?

Stattdessen sind es vor allem meine eher besser gestellten Freunde, die nicht mehr in den Urlaub fliegen sondern Bahn fahren, zur Arbeit mit dem Zug fahren oder auf E-Auto umsteigen und sich mit PV auf dem Dach eindecken.

Finanziell schlechter Gestellte in meinem Umfeld essen hingegen weiter einmal am Tag Fleisch, fahren mit dem Auto zur Arbeit weil sie wegen geringerer Mieten im ländlichen Raum (kleine Städte) leben oder weite Pendelstrecken haben und können auf ihre Mietwohnung nicht einfach PV Module legen.

Will sagen, CO2 Verzicht kann in Einzelfällen auch hohe Initiale Hürden haben, die sich eher Vermögende leisten können.

P. s.: Ich vergleiche hier natürlich nicht Friseurin Emma und Unternehmer Bernd miteinander sondern Handwerkerin Petra mit vllt 35.000€/a mit Führungskraft Claudia mit 70.000€/a.

Ja, aber erst, wenn ein CO2 Preis eingeführt wird, der die relativen Preise der Konsumenten spürbar verschiebt. Das ist ja bislang nicht der Fall.

Dass derzeit eher Claudia als Petra sich klima-bewusst verhält, liegt wohl er an Bildung und der Tatsache, dass Claudia sich die Anschaffung von E-Auto und PV eher leisten kann.

Je mehr Einkommen, desto mehr Verbrauch. Deine subjektive Beobachtung deckt sich auch mit meiner, faktisch sind die Zahlen aber anders - gerade da oben viele Emissionen auch mit größeren Häusern, Autos, weiteren Urlauben & schädlicheren Hobbys (Motorboot, aufwendige Haustiere etc) kommen. Hier:

Großes Einkommen – großer CO2 Fußabdruck | KlimaWerkstatt Spandau).

Mit der CO2 Abgabe wird der Durchschnittsverdiener bei gleichbleibendem Konsum knapp draufzahlen oder knapp verdienen. Trotzdem wird Fleisch & Co teurer und dann beginnt die Lenkungswirkung.

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Weil es momentan nicht unbedingt Kostenfrage sondern noch eher Lifestyle Frage ist.

Fleisch ist gerade im Discounter noch viel zu billig um vegetarisch oder flexitarisch dort einen finanziellen Vorteil zu haben.

Ähnlich ist es auch derzeit noch mit dem ÖPNV vs. PKW. Dort schaut man erstmal nur auf Monatskarte vs. Spritpreise. Falls das so langsam Richtung Preisvorteil ÖPNV ausschlägt kommt noch die Fahrzeit dazu.

So lange es also weiterhin Lifestyle Frage ist, wirst du es eher unter den gut situierten antreffen.

Der wohlhabende Bürger hat jedoch eine viel bessere Möglichkeit seinen CO2 Ausstoß zu verringern und was ist wenn wir dann zu dem Punkt kommen das die Armen die reichen finanzieren? Und ich rede nicht von den 2% superreichen mit Jacht und 5 Urlauben in Dubai, die eh dann nicht mehr in Deutschland leben sondern von Leuten die sich ein Eigenheim mit Photovoltaik und E-Autos leisten können. Ja da ist schon eine Grenze zwischen Arm und Reich in Deutschland. Nicht erst bei den Millionären.

Offensichtlich hast du meinen Beitrag missverstanden. Ich schrieb von ganz spezifischen Gründen warum ein finanziell besser gestellter Bürger seinen CO2 Footprint wesentlich besser reduzieren kann als jemand mit kleinem Geldbeutel.

Im Übrigen, im Supermarkt hat sich der Fleischpreis bereits verdoppelt, teilweise sogar mehr (bspw. teilweise bei Hackfleisch).

Natürlich, jemand der viel konsumiert und einen großen Footprint hat, kan ihn leichter verkleinern.

Mag sein, aber wie haben sich die Gemüsepreise im Verhältnis entwickelt.

Und viel wichtiger in Deutschland: wie hat sich das Angebot bei „Fix für xy“ verändert?

Denn in Deutschland wird viel mehr Fertig und fast fertig gegessen als frisch selbst gemacht.

Tatsächlich sind die Preise dort kaum gestiegen. Laut Verbraucherpreisindex sind Möhren, Kohl und Paprika sogar 10-22% billiger geworden, während Fleisch 30% im Preis gestiegen ist. Quelle: Preisanstieg im Supermarkt: Wenn das Geld nur noch fürs Nötigste reicht - Nachrichten - WDR

Das entspricht auch relativ gut meinem subjektiven Eindruck (bin bei uns der Familien-Einkäufer und bekomme daher die Preisentwicklung zweimal in der Woche ganz gut mit). Von Verdopplung des Fleischpreises kann man nicht sprechen, so extrem ist es nicht, aber 30% kommt etwa hin - wenn ich jetzt z.B. Rinderhack oder -Gulasch zum Angebotspreis kaufe, dann zahle ich ungefähr das, was vor 1-2 Jahren noch der nicht rabattierte Preis war. Putenfleisch ist auch gestiegen, aber subjektiv etwas weniger als Rind. Beim Gemüse hingegen merke ich praktisch gar keine Veränderung im Preisniveau.

Danke, hab ja zu den Preisen in Deutschland so gar kein Verhältnis mehr.

Kannst ja mal versuchen auszurechnen was dich ein selbst gemachtes ChiliConCarne kosten würde (ohne Maggie oder Knorr fix) und was dich ein selbst gemachtes Rattatouile kosten würde.

In Schweden wäre das Rattatouile billiger.

Ich für mich selber habe festgestellt, dass Vegetarische Ernährung in Schweden deutlich billiger kommt als Normal, weswegen wir uns so langsam aber sicher Richtung Flexitarisch entwickelt haben und deutlich weniger Fleisch konsumieren als zu unserer Zeit in Deutschland, wo das meiste Fertigzeug (Fix für irgendwas) auf Fleischprodukte ausgerichtet war, während ich hier so ziemlich alles selber koche.

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Preis in meiner Region im letzten Sommer 2,49€/kg Hackfleisch gemischt, heute 4,49€/kg.

Aber klar, das muss nicht repräsentativ für die ganze BRD sein.