Klimabudgets LdN255

Anbei einige Aspekte/Gedanken zum Thema (nationale) Klimabudgets.

„Dem Klima ist es egal wo Treibhausgase ausgestoßen oder eingespart werden.“
Das ist ja genau der kritische Punkt bei der Klimapolitik, dass CO2 bzw. THG eben nicht an Landesgrenzen haltmacht. Deswegen geht ja auch der Appel in Richtung globale Lösung, wozu sich z.B. im Kyoto-Protokoll von 1996 über 190 Nationen geeinigt haben. Vom IPCC werden hierfür globale Klimabudgets für bestimmte Ziele festgesetzt. Ökonomisch ist es relativ simpel: Teile den Kuchen effizient auf. Damit wären die Mitigationskosten (Kosten der Einsparung von CO2) in der Theorie am geringsten. Das Problem bei der Umsetzung von globalen Lösungen ist auf einer Seite der Unwille den menschengemachten Klimawandel überhaupt zu bekämpfen. Auf anderer Seite steht die Problematik einer Verteilungsgerechtigkeit: Welche Nation muss wie viel Zahlen bzw. Einsparen, welcher Staat erhält wie viel vom Klima-Budget-Kuchen? Nebensächlich in dieser Ausführung ist die Frage der Generationengerechtigkeit.

Welche Maßnahmen gibt es für eine Internationale Klimapolitik
Ökonomisch gesehen ist die Aufteilung eines globalen Klimabudgets meist ziemlich klar: Da CO2 einsparen, wo es am günstigsten ist; das ist effizient. Auch bei den Instrumenten sind sich Ökonom*innen weitestgehend einig – Emissionshandel oder CO2-Steuer. Eine CO2-Steuer ist in der praktischen Umsetzung meist sehr schwierig. Die Steuer muss genau so hoch gesetzt sein, dass das globale CO2-Budget eingehalten wird. Demgegenüber bietet der Emissionshandel viele praktische Vorteile. Die Menge der Emissionszertifikate (das sogenannte Emissions-Cap) bilden dabei das Klimabudget, welches mehr oder weniger genau festgelegt werden kann, der Preis pro Tonne Ausstoß ist variabel und wird durch den „Markt“ festgelegt. In der EU besteht seit 2005 ein europaweiter Emissionshandel für stromintensive Branchen (z.B. Energie & Industrie).

Der Emissionshandel
Der Emissionshandel bezieht sich auf eine feste Obergrenze für Emissionen. Die Emissionsrechte (oder –Zertifikate) werden an die Emittenten vergeben. Ob das umsonst geschieht oder versteigert wird, spielt hier erstmal keine Rolle. Beispiel: Firma A und B erhalten jeweils 100 Emissionszertifikate. Firma A hat im Vergleich zu Firma B aber einen sehr hohen CO2-Ausstoß (150t). Firma A kann nun von Firma B Emissionsrechte abkaufen. Der Preis wird durch das Angebot, die Menge an Emissionszertifikaten und die Mitigationskosten bestimmt. Egal wie hoch der Preis oder welche Firma wie viel CO2 ausstößt, das in diesem Beispiel festgesetzte CO2-Budget von 200t wird eingehalten. Aber: Der Emissionshandel hat einen wesentlichen Nachteil, nämlich das sogenannte Carbon-Leakage. Carbon-Leakage wird es genannt, wenn CO2-intensive Firmen oder Branchen in ein Land ausweichen welches nicht am Emissionshandel beteiligt ist, die Produkte oder Dienstleistung trotzdem in dem Land, welches am Emissionshandel teilnimmt, anbieten bzw. verkaufen kann. Überspitztes Beispiel: Europa schaltet alle Kohlekraftwerke ab und kauft nun Strom aus China. CO2-Bilanz von der EU ist oberflächlich gesehen klasse, an dem globalen Gesamtausstoß hat sich aber nichts geändert, wenn nicht sogar verschlechtert.

Eine Lösung zum Carbon-Leakage-Problem:
Die einfachste Lösung wäre es, dass alle Staaten an einem globalen Emissionshandel teilnehmen. Klingt schwierig, ist es bestimmt auch. Eine weitere Lösung wäre eine zusätzliche Besteuerung (Zoll) von CO2 aus Ländern, die nicht am Emissionshandel teilnehmen. Die EU plant ein solches Vorhaben. Anscheinend ist die Bepreisung aber sehr schwierig, weil es wohl nicht so leicht ist, den CO2-Ausstoß auf Produktebene nachzuvollziehen (Das bezweifle ich ja stark!).

Zum angesprochenen CO2-Budget von Deutschland:
Aus eben genannten Aspekten finde ich die Herangehensweise von „Konzeptwerk neue Oekonomie“ bezüglich des nationalen Klimabudgets gefährlich. 1. Deutschland ist Teil des EU-ETS, deshalb kann man wenn überhaupt von einem Europäischen Klimabudget sprechen. 2. Wenn Deutschland den nationalen CO2-Ausstoß extrem senkt und das von dem Konzeptwerk vorgeschlagene CO2-Budget einhält, dafür aber der CO2-Ausstoß in anderen Ländern steigt, ist niemandem geholfen. Vor allem wenn die CO2-intensiven Güter einfach aus dem Ausland eingekauft werden. Wenn sich die Produktion nicht in ärmere Länder verschiebt, würden diese auch nicht besser stehen. Das Konzeptwerk hat Deutschlands Klimabudget mit Klimaschuld, etc. begründet. Aber, was bringt es einem Menschen in Nigeria, wenn es heißt: „Hey, du kannst dieses Jahr jetzt noch soundso viele Tonnen CO2 ausstoßen.“ Reicher macht es diese Länder leider nicht. Zudem muss man sich mal die Frage stellen, wo sich der CO2-Ausstoß in ärmeren Ländern konzentriert. Nämlich genau da, wo die Produktion von Gütern für die „reicheren“ Länder stattfindet.

Klimagerechtigkeit mit Emissionshandel
Sinnvoll wäre es demnach nicht von nationalen Klimabudgets zu sprechen, sondern einen internationalen Emissionshandel auszubauen, wie ja schon im Kyoto-Protokoll eigentlich beschlossen wurde (was daraus geworden ist, weiß ich wirklich nicht! Info darüber sind gerne willkommen). Die Verteilung der Emissionsrechte kann man dann, dem Gedanken des Klimakonzeptwerkes folgend, größtenteils in „ärmere“ Länder geben. Die Emissionsrechte könnte man z.B. auch pro Kopf vergeben. Reichere Länder können dann weiterhin viel CO2 ausstoßen, müssen sich aber Emissionsrechte bei ärmeren Ländern einkaufen. Das Ergebnis wäre ein effizientes System zur Einhaltung der Klimaziele. Zusätzlich findet eine finanzielle Umverteilung von Ländern statt, die eine hohe Pro-Kopf-Emission hin zu Ländern mit einer niedrigen Pro-Kopf-Emission statt. Damit fließen finanzielle Transfers von reich zu arm, was man als eine Art Kompensation der „historischen Klimaschuld“ ansehen kann. Von nationalen CO2-Budgets kann man dann aber nicht mehr sprechen. Man kann ja viel ausstoßen, muss aber dafür Zahlen.

Fazit:
Ich vertrete auf jeden Fall ambitionierte Klimaziele und sich nur auf internationalen Lösungen auszuruhen (wie z.B. die FDP) halte ich falsch. Es darf aber trotzdem nicht in Vergessenheit geraten, dass der Klimawandel ein globales Problem darstellt, was auch globale Lösungen erfordert.

klimafreundliche Grüße an alle hier!

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Danke für die spannenden Punkte. Meinst du mit:

dass die FDP keinen Co2 Preis sondern den Emissionshandel präferiert? (der dann wohl mindestens EU weit gelten muss) Meine bisherige Auffassung war auch, dass die FDP nicht die progressivste Partei beim Klima ist, nun hab ich aber im Papier von German Zero etwas gelesen, dass doch stark an die FDP Position erinnert:

Der GermanZero-Vorschlag sieht entgegen den von fast allen Parteien favorisierten CO2-Beprei- sungsmodellen eine Reform der Emissionshandelssysteme vor, bei der die Zertifikatsmenge kon- sequent an der Menge an Treibhausgasen, die wir noch ausstoßen können, um die 1,5-Grad-Gren- ze zu halten, ausgerichtet wird. So erhalten wir ein zuverlässiges und kosteneffizientes Instrument zur Zielerreichung, dass vom Industriekraftwerk bis zum Lkw fast alle Emissionsquellen abdeckt. https://germanzero.de/media/pages/assets/fcd6e7bfe9-1631206649/GermanZero_Massnahmenkatalog_210907.pdf

Hat jmd hier einen besseren Einblick und kann die Vorschläge von GermanZero und den einzelnen Parteien einschätzen?

Moin paulklee,
danke für die Ausführungen zu GermanZero.

Der europäische Emissionshandel (EU-ETS) ist eine ganz sensible Sache für sich. Die Forderung der FDP, alles darauf zu setzten ist das „Ausruhen“ von dem ich gesprochen habe. Das liegt daran, dass für einen politisch durchsetzbaren Emissionshandel nationale Übergangslösungen benötigt werden. Warum? Hier eine kurze Erklärung:

In der Theorie ist der Ansatz von GermanZero komplett richtig. Wie ich oben ja auch beschrieben habe, ist ein umfangreicher Emissionshandel ein kosteneffizientes Instrument. Bei der Umsetzung (wie die meisten Theorie) harpert es aber sehr. Die EU will z.B. Unternehmen auch nicht zu sehr belasten, bzw. ein zu großes Carbon-Leakage - also eine Abwanderung der CO2-intensiven Industrie - verursachen. Wenn Unternehmen einfach ihre Produktionsstätten ins EU-Ausland verschieben verliert die EU wichtige Arbeitsplätze und dem Klima ist auch nicht geholfen. Deshalb hat es auch soooo lange gebraucht bis der ETS tatsächlich greift. Vor 5 Jahren wurde er sogar noch für fehlgeschlagen deklariert (Emissionshandel: Luftverschmutzung macht Großkonzerne reich - DER SPIEGEL). Bestimmt wurden hier in der Vergangenheit auch viele Fehler gemacht. Wichtig ist aber, dass politisch und ökonomisch sich hier unterscheiden: Ökonomisch sinnvoll ist nicht immer politisch durchsetzbar bzw. überhaupt gewollt.

Ein weiterer wichtiger Faktor bei einem umfangreichen EU-ETS (inkl. Allem was CO2-Ausstößt) ist wieder mal die Gerechtigkeitsfrage. Mobilität an sich ist z.B. nicht so mobiles Gut wie z.B. Industrien oder Produktionsstätten. Was ich damit meine, ist das Menschen nun einmal mobil sind und sein müssen. Das würde zu Problemen führen, den Verkehr in den EU-ETS einfach so aufzunehmen. Denn nicht jedes europäische Land kann einfach auf einen ausgebauten ÖPNV oder klimafreundliche Lösungen leisten. Ich habe darüber keine Belege, aber ich bezweifle stark, dass der Ausbau von E-Lade-Säulen in Ungarn, Rumänien, etc. ähnlich ausgebaut ist wie in D. Und der Ausbau in D ist überhaupt nicht lobenswert. Den Verkehr in den EU-ETS aufzunehmen würde also zu unterschiedlichen Belastungen führen, die wieder ausgeglichen werden müssten.
Weil die Länder in der EU so unterschiedlich sind, fordern auch viele Ökonomen (z.B. der Sachverständigenrat) nationale Übergangslösungen, die dann perspektivisch, um dem Ansatz von GermanZero zu folgen, in einen EU-weiten (am besten sogar globalen) umfangreichen Emissionshandel überführt werden können. Aus diesem Grund sind nationale Lösungen zwar ökonomisch gesehen nicht das kosteneffizienteste, aber eine politische Notwendigkeit.

Viele Grüße
J.

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Spannend! Vielen Dank für deine Ausführung @Jonabo90