Nein, der „Vorschlag“ ignoriert die Fakten, konkret die Frage der Umsetzbarkeit. Genausogut könnte ich vorschlagen, dass wir doch einfach alle 80 Millionen Einwohner Deutschlands für mehrere Wochen ausnahmslos zuhause einsperren könnten und die Grenzen dauerhaft komplett schließen. Das wäre doch auch ein guter Vorschlag als Alternative zur Impfung mit den für uns verfügbaren und wirksamen Impfstoffen!
Es gibt da nichts „voranzutreiben“, denn es hat - wie ich schon gesagt habe - einen Grund, dass bislang hier kein Totimpfstoff genehmigt ist. Die Datenlage bezüglich aller „konventionellen“ Impfstoffe ist nun mal schlecht und erreicht nicht ansatzweise dieselben Standards, an denen man die mRNA- und Vektor-Impfstoffe gemessen hat. Rolling-Review-Verfahren laufen für einige dieser Impfstoffe ja auch seit längerer Zeit, z.B. CoronaVac, man kann also auch nicht behaupten, es würde sich in der EU nicht mit diesen Stoffen beschäftigt. Aber es ist nun mal jetzt an den Herstellern dieser Impfstoffe, ihre Studien weiterzuführen und ausreichend Daten für eine Notfallzulassung beizutragen. Und dieser Prozess ist selbst mit allen finanziellen Mitteln der Welt nur begrenzt zu beschleunigen, denn er benötigt einfach Zeit im Bereich von Monaten, das wissen wir längst aus allen erfolgreichen Phase-3-Studien der bereits zugelassenen Impfstoffe.
Was soll „man“ (ich nehme an damit sind öffentliche Institutionen gemeint, denn nur auf die hat man als Gesellschaft direkten Einfluss) da also „vorantreiben“, frag ich mich? Soll man die EMA dazu anhalten, doch bitte ihre Standards deutlich zu senken und Phase-3-Studien mit gerade einmal 10k Teilnehmern und zusammengerechnet 41 Infektionen zu akzeptieren, wo für die mRNA-Vakzine noch über 150 Infektionen allein in der Kontrollgruppe gefordert waren, und 40k Probanden aufgeboten wurden? Soll für CoronaVac jetzt ein Konfidenzintervall von fast 30% Breite bei der Schutzwirkung vor symptomatischer Infektion und ein geradezu aussagelos ungenaues Intervall mit einer Breite von 80% für die Schutzwirkung vor schweren Verläufen ausreichen, wo die Studien zu den zugelassenen Impfstoffen weit zuverlässigere Intervalle von einstelligen Breiten erbracht haben? Da kann man auch einen Dartpfeil auf eine Scheibe werfen und das Ergebnis in die Zulassungsstudie eintragen, so wertlos sind diese Daten! Sollte der Threadstarter so ernsthaft an evidenzbasierter Medizin und Zulassungen auf Basis verlässlicher Studiendaten interessiert sein, wie er vorgibt, kann eine Senkung der Zulassungskriterien keine gangbare Option sein.
Daher behaupte ich, dass dieser „Vorschlag“ eine Chimäre ist, die einzig dazu dient, die irrationale Ablehnung von mRNA-Vakzinen mit scheinbarer Legitimität und Rationalität zu unterfüttern. Sicher werden „irgendwann“ weitere Impfstofftechnologien mit nachweislichen Erfolgen um die Ecke kommen und es bis zu einer Zulassung schaffen - sei’s CoronaVac oder Valneva, oder Novavax (die übrigens etwas brauchbarere Studiendaten haben, die hohe Wirksamkeit versprechen, aber da hapert es meines Wissens seit Monaten an der Skalierung der Herstellungstechnologie, die aber aus guten Gründen Teil der Zulassung ist). Aber auf dieses „irgendwann“ zu warten, das eher in Monaten, schlimmstenfalls erst nächstes Jahr, als morgen zu erwarten ist, ist in meinen Augen unverantwortlich, insbesondere in einer Situation mit viel Verantwortung für besonders gefährdete Menschen wie der Arbeitsplatz eines Arztes.