Klassische Totimpfstoffe erreichen auch Impfkritiker!

Nein, der „Vorschlag“ ignoriert die Fakten, konkret die Frage der Umsetzbarkeit. Genausogut könnte ich vorschlagen, dass wir doch einfach alle 80 Millionen Einwohner Deutschlands für mehrere Wochen ausnahmslos zuhause einsperren könnten und die Grenzen dauerhaft komplett schließen. Das wäre doch auch ein guter Vorschlag als Alternative zur Impfung mit den für uns verfügbaren und wirksamen Impfstoffen!

Es gibt da nichts „voranzutreiben“, denn es hat - wie ich schon gesagt habe - einen Grund, dass bislang hier kein Totimpfstoff genehmigt ist. Die Datenlage bezüglich aller „konventionellen“ Impfstoffe ist nun mal schlecht und erreicht nicht ansatzweise dieselben Standards, an denen man die mRNA- und Vektor-Impfstoffe gemessen hat. Rolling-Review-Verfahren laufen für einige dieser Impfstoffe ja auch seit längerer Zeit, z.B. CoronaVac, man kann also auch nicht behaupten, es würde sich in der EU nicht mit diesen Stoffen beschäftigt. Aber es ist nun mal jetzt an den Herstellern dieser Impfstoffe, ihre Studien weiterzuführen und ausreichend Daten für eine Notfallzulassung beizutragen. Und dieser Prozess ist selbst mit allen finanziellen Mitteln der Welt nur begrenzt zu beschleunigen, denn er benötigt einfach Zeit im Bereich von Monaten, das wissen wir längst aus allen erfolgreichen Phase-3-Studien der bereits zugelassenen Impfstoffe.

Was soll „man“ (ich nehme an damit sind öffentliche Institutionen gemeint, denn nur auf die hat man als Gesellschaft direkten Einfluss) da also „vorantreiben“, frag ich mich? Soll man die EMA dazu anhalten, doch bitte ihre Standards deutlich zu senken und Phase-3-Studien mit gerade einmal 10k Teilnehmern und zusammengerechnet 41 Infektionen zu akzeptieren, wo für die mRNA-Vakzine noch über 150 Infektionen allein in der Kontrollgruppe gefordert waren, und 40k Probanden aufgeboten wurden? Soll für CoronaVac jetzt ein Konfidenzintervall von fast 30% Breite bei der Schutzwirkung vor symptomatischer Infektion und ein geradezu aussagelos ungenaues Intervall mit einer Breite von 80% für die Schutzwirkung vor schweren Verläufen ausreichen, wo die Studien zu den zugelassenen Impfstoffen weit zuverlässigere Intervalle von einstelligen Breiten erbracht haben? Da kann man auch einen Dartpfeil auf eine Scheibe werfen und das Ergebnis in die Zulassungsstudie eintragen, so wertlos sind diese Daten! Sollte der Threadstarter so ernsthaft an evidenzbasierter Medizin und Zulassungen auf Basis verlässlicher Studiendaten interessiert sein, wie er vorgibt, kann eine Senkung der Zulassungskriterien keine gangbare Option sein.

Daher behaupte ich, dass dieser „Vorschlag“ eine Chimäre ist, die einzig dazu dient, die irrationale Ablehnung von mRNA-Vakzinen mit scheinbarer Legitimität und Rationalität zu unterfüttern. Sicher werden „irgendwann“ weitere Impfstofftechnologien mit nachweislichen Erfolgen um die Ecke kommen und es bis zu einer Zulassung schaffen - sei’s CoronaVac oder Valneva, oder Novavax (die übrigens etwas brauchbarere Studiendaten haben, die hohe Wirksamkeit versprechen, aber da hapert es meines Wissens seit Monaten an der Skalierung der Herstellungstechnologie, die aber aus guten Gründen Teil der Zulassung ist). Aber auf dieses „irgendwann“ zu warten, das eher in Monaten, schlimmstenfalls erst nächstes Jahr, als morgen zu erwarten ist, ist in meinen Augen unverantwortlich, insbesondere in einer Situation mit viel Verantwortung für besonders gefährdete Menschen wie der Arbeitsplatz eines Arztes.

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Naja, hier kann man auf die Geschichte verweisen. Es gibt unzählige Totimpfstoffe und in keinem einzigen Fall kam es zu Langzeitfolgen. Nebenwirkungen - ja. Aber nie später als maximal wenige Wochen nach der Impfung. Es ist daher zumindest unwahrscheinlich, dass diese - recht gut erforschte und regelmäßig angewandte - Technologie unbekannte Langzeit-Folgen hervorruft. (wobei es auch bei mRNA-Impfstoffen extrem unwahrscheinlich ist… wir reden hier über 99,9% sicher vs. 99,99% sicher…)

Auf der anderen Seite gibt es bei Totimpfstoffen das Problem, dass ein Virus aus einem Totimpfstoff rückmutieren und dann selbst epidemisch oder gar pandemisch werden kann. Das ist bei Polio z.B. mehrfach passiert.

Ich halte es daher auch für fragwürdig, dass Totimpfstoffe besser seien als mRNA-Impfstoffe. Jede Technologie hat ihre Risiken und Schwächen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es bei mRNA-Impfstoffen Langzeitwirkungen geben könnte ist deutlich niedriger als die Wahrscheinlichkeit, dass es bei Totimpfstoffen zu Rückmutationen kommt… Der Verweis „Ich würde mich ja impfen lassen, wenn es Totimpfstoffe gäbe“ erscheint mir daher eher wie eine Ausrede…

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Wie @kaigallup schon angedeutet hat, vermisse ich die Zwischentöne in der Diskussion – sowohl in der Öffentlichkeit (wie es sich schon hier angedeutet hat, landet man sehr schnell entweder in der „Dafür“ oder „Dagegen“ Ecke), als auch in den wissenschaftlichen Medien. Die Quelle

ist ein gutes Beispiel dafür: es werden vor allem die positiven Aspekte der neuen Impfstoffe herausgearbeitet, Unklarheiten bezüglich neuer Wirkstoffe hingegen vernachlässigt. Vertrauen dagegen entsteht bei mir generell vor allem dadurch, dass das Für und Wider transparent nebeneinander stehen. Diese Art der Meinungen mit sehr wenigen Zwischentönen entsteht wahrscheinlich durch den gut gemeinten Wunsch, möglichst viele überzeugen zu wollen, führt aber leider zu einem Vertrauensverlust gegenüber der Wissenschaft.
Disclaimer: Damit meine ich nicht, Fake News zu tolerieren.

Worauf gründest Du denn diese Annahme?

Hast du vor auf irgendwelche der zahlreichen differenzierten inhaltlichen Argumente einzugehen? Der Thread ist voller Zwischentöne, wenn man akzeptiert, dass hier keine zwei inhaltlich gleichwertigen Pole zur „Debatte“ stehen.
Erklär bitte, warum deine Ausgangsposition nicht unwissenschaftlich und wenig haltbar sein soll. Und warum dein Alternativvorschlag doch realistisch sein soll, entgegen der hier gut begründeten Zweifel daran.

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Das stimmt nicht. Impfpolio kommt aus dem Lebendimfstoff.
Theoretisch kann aber ein Totimpfstoff bei Herstellungsfehlern noch lebende Viren enthalten. Das passiert aber, so würde ich denken, viel seltener.

Generell ist mein Eindruck von Impfnebenwirkungen aber, dass unabhängig von der Technik, die weitüberwiegende Mehrheit (außer allergischen Reaktionen) aller Nebenwirkungen mit dem Antigen, gegen das geimpft werden soll, zumindest zusammenhängt (womöglich in Wechselwirkung mit anderen Inhaltsstoffen). Insofern würde ich einem Totimpfstoff, der neu ist, nicht mehr vertrauen, als einem anderen, denn dessen Antigen ist ja auch neu.

Aber wäre nett, wenn ein Immunologe das bestätigen oder verwerfen könnte.

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Da gibt es wohl gelinde gesagt sehr unterschiedliche Beurteilungen des Tons in diesem Thread :wink:

Ich nehme meinen Ton da gerne raus :wink: Aber dann werden wir wohl nicht mehr inhaltlich. Liegt vielleicht daran, dass es für gewisse Standpunkte einfach keine guten Argumente gibt.

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Ich versuche es noch ein letztes Mal: Anlass meines Kommentars waren ja nicht die inhaltlichen Argumente von N.K., sondern der Umgang mit ihm. Knapp gesagt: Wenn ich will, dass sich möglichst viele Leute impfen lassen und ich es mit einer Person zu tun habe, die das nicht tun will, und ihre Argumente dafür nennt, gibt es zwei Möglichkeiten darauf zu reagieren (natürlich grob vereinfacht).
Ich kann a) mich darauf stürzen, diese Argumente auseinanderzunehmen (im besten Fall) oder der Person Unsachlichkeit, Lüge, Desinformation vorzuwerfen und sie als dumm, egositisch, verantwortungslos usw. darstellen (im schlechteren Fall).
Oder ich kann kann b) ruhig sagenm, dass ich die Meinung nicht teile, die Argumente nicht überzeugend finde, aber dennoch die persönliche Einschätzung respektiere und daher versuche, eine Lösung zu finden, die beiden Seiten gerecht wird - in diesem Falle eine Impfung durch „herkömmliche“ Impfstoffe, die einerseits einen gewissen Schutz bieten und andererseits nicht jemanden zwingen etwas gegen seine Überzeugung zu tun.
Das Muster, was ich nun - nicht nur bei Corona, aber seit 1,5 Jahren leider sehr viel häufiger - erlebe, dass es gar keine Abwägung mehr gibt, sondern dass Menschen fast automatisch Variante a) wählen. Viele sind in ihrem Selbstbild zudem noch der Überzeugung, nach Variante b) gehandelt zu haben, was die von mir diagnostizierte Wahrnehmungsdifferenz erklärt.
Die Dominanz von Muster a) ist Ausdruck einer enormen gesellschaftlichen Polarisierung. Diese haben wir in den USA beim Thema Trump gesehen, im UK beim Brexit und ich bin erschrocken darüber, wie stark sie hierzulande beim Thema Corona geworden ist. Das heißt explizit nicht, diese drei Themen gleichzusetzen und auch nicht, dass menschenverachtende Positionen gleichwertig mit demokratischen behandelt werden sollten. Aber um solche ging es in diesem Thread ja auch gar nicht. Wenn ich aber auf jegliche Abweichung von einer (angenommenen) Mehrheitsposition oder von der eigenen Meinung reagiere, als sei es ein völliges No-Go, wird das diese Polarisierung m.E. nur noch weiter vorantreiben, mit den entsprechenden gesellschaftlichen Folgen.
In diesem Sinne habe ich versucht, die Position von N.K. - um die es mir wie gesagt gar nicht primär ging - zu plausibilisieren und dafür zu plädieren, dass man mit ihr auch anders umgehen kann als sie zu dissen. Aber die Entscheidung zwischen a) und b) muss jede und jeder für sich selber treffen.

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Ist meine persönliche Einschätzung. Wir haben bisher 60% vollständig Geimpfte. 15% der Bevölkerung sind minderjährig, von denen dürften die allerwenigsten bereits doppelt geimpft sein, da die Impfstoffe für diese Altersgruppe erst seit neuestem empfohlen und davor noch gar nicht lange überhaupt zugelassen waren. 3–5% der Bevölkerung sind nach verschiedenen Umfragen echte Impfgegner.

Da bleiben dann nur noch ungefähr 20% der Gesamtbevölkerung übrig, und ich halte es für absolut realistisch und bestimmt nicht um Größenordnungen zu hoch gegriffen, dass es einen Bevölkerungsteil in dieser Größenordnung gibt, der sich zum einen mit dem Thema so wenig wie möglich beschäftigt, von der Vorbildung und dem Zugang zu Informationen vielleicht auch gar nicht dazu in der Lage ist, und die Impfung daher bisher verdrängt, nicht für nötig gehalten oder einfach nur noch nicht auf die Reihe bekommen hat.

Auf jeden Fall wahrscheinlicher, als dass das alles Ärzte mit Vorbehalten sind, die sich ausschließlich mit Sinopharm impfen lassen wollen.

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Ich glaube auch, dass unter jenen, die sich bisher nicht für eine Impfung entschieden haben, viele sind, die für das Gesundheitssystem nur schwer zu erreichen sind, um es mal so zu formulieren. Schlimm genug, dass entsprechende Überlegungen, wie man diese Menschen zu einer Impfung motiviert, in vielen Bundesländern erst jetzt so richtig in Fahrt kommen - diese Entwicklung war ja aufgrund der Erfahrungen in anderen Ländern spätestens seit Mai absehbar.
Neben dieser Gruppe und den „Hardcore-Impfgegner“ wie Du sie nennst gibt es aber m. E. auch viele Menschen, die mehr oder weniger diffuse Vorbehalte oder Zweifel haben. Und diese sollten m. E. gezielt adressiert werden - und zwar nicht vorwiegend mit der Androhung negativer Sanktionen.
Als Grundlage hierfür sind persönliche Einschätzungen und Meinungsumfragen m. E. nicht geeignet. Dafür braucht es genauere Daten darüber, wer noch nicht geimpft ist und was die jeweiligen Gründe dafür sind. Das Ganze sollte natürlich Faktoren wie soziale, ethnische und/oder politische Milieus berücksichtigen. Aber auch zur Beantwortung der Frage, warum es zwischen den einzelnen Bundesländern zum Teil so erhebliche Differenzen in der Impfquote gibt, liegen m. E. bisher keine ausreichenden Informationen vor.
Ich bin zum Beispiel davon überzeugt, dass die hohen Impfquoten in Dänemark (über 90% bei allen Ü50, daher zum 10.9. Aufhebung aller Maßnahmen) auch damit zu tun haben, dass die zuständigen Behörden eine komplett andere Art der Information und Risikokommunikation gewählt haben.

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Eine Impfung für @N.K mit herkömmlichen Impfstoffen wird leider nicht beiden Seiten gerecht. Die Gründe dafür stehen hier im Thread und beinhalten die Gründe, wieso uns das etwas angeht.

Sofern du also keine andere Lösung hast, die wirklich beiden Seiten gerecht wird, scheidet Option (b) daher aus und erklärt, wieso wir in Option (a) gelandet sind.

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Es hat immer noch niemand - insbesondere auch nicht der Threadstarter - dargelegt, wie das vonstatten gehen soll, diese „Lösung, die beiden Seiten gerecht wird“ mit den „herkömmlichen“ Impfstoffen. Die sind hier und jetzt nicht freigegeben, aus guten Gründen. Eine Option, die gar nicht wählbar ist, ist keine Lösung! Dadurch fällt deine Option b) gewissermaßen aus, und was übrig bleibt, ist dann nur Option a), also die Argumentationskette, auf deren Basis die nicht praktisch umsetzbare Lösungsvariante zum präferierten Weg erkoren wurde, auseinanderzupflücken.

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Weißt du oder wer anders mehr darüber? Das letzte, was ich dazu gelesen hatte, war, dass hier nur bestimmte Chargen des Impfstoffs die Nebenwirkungen hatte. Wenn das so war, klingt das nach einer Verunreinigung und weniger nach einem Problem des Wirkverstärkers.
Andererseits habe ich gelesen
https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2015-07/schweinegrippe-impfstoff-narkolepsie-pandemrix
, dass ein Antigen des Virus selbst bestimmten Rezeptoren im Gehirn ähnlich sehe und die Narkolepsie durch eine zu starke Immunreaktion ausgelöst worden sein soll, die außer dem Virus auch bestimmte Zellen mit eben diesem Rezeptor angreift.

Falls die zweite Interpretation stimmt und so eine Situation typisch für Impfnebenwirkungen ist, würde ich von allen Impfstoffen die gleiche Gefahr erwarten, da sie ja alle das Ziel haben, das Immunsystem auf ein Antigen zu trainieren.

Alles in allem halte ich es daher für unmöglich zu beurteilen, ob ein Totimpfstoff tatsächlich größere Sicherheit vor schlimmen Nebenwirkungen verspricht. Leider scheint er definitiv schlechtere Wirkung mit sich zu bringen.

Ich finde, dieses Thema verdient einen separaten Thread.

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Die beiden Reaktionen zeigen mir, dass ich mich präziser hätte ausdrücken sollen:
…sondern dass Menschen fast automatisch Variante a) wählen, aber dafür ausschließlich andere veantwortlich machen, während sie ihr Selbstbild pflegen, wonach sie ja eigentlich viel lieber Variante b) anwenden würden, was aber leider andere Menschen mit ihren Positionen verhindern…

Ich kann diesem Kommentar einiges abgewinnen und habe u. a. deshalb nochmal versucht selbstreflexiv über das Thema und diese Art der Auseinandersetzung nachzudenken. Für das Thema Corona komme ich aber zu dem Ergebnis, dass das (für mich) so nicht funktioniert. Warum sind „wir“ denn polarisiert? Liegt das an der Mehrheit? Ich will ja nicht, dass @N.K (offensichtlich hier als Stellvertreter) sich impfen lässt, um mich überlegen oder im Recht zu fühlen, sondern weil ich (zumindest meiner Wahrnehmung nach so objektiv das menschenmöglich ist) davon überzeugt bin, dass es für ihn und letztlich uns alle und mich, der weder Krankheit, Leid, Tod noch „Lockdown“ will das beste wäre.

Das Narrativ, das hier ein armer Underdog kompromissuchend die Hand ausstreckt und von impfhegemonen Rechthaber*innen auf den Deckel bekommt funktioniert für mich einfach nicht. Dafür ist (auf die Gefahr hin mich zu wiederholen) die Ausgangsposition argumentativ zu schwach unterfüttert und der Lösungsvorschlag zu unrealistisch und schlecht durchdacht.

Trump und Brexit sind thematisch in meiner Wahrnehmung ganz anders, aber auch hier: Wer hat denn aktiv die Polarisierung vorangetrieben? Die Demokraten und die Remain-Kampange? Wie soll man diese Dinge überhaupt auflösen? Mittelwege und Kompromisse zwischen Impfen und Nicht-Impfen, zwischen Leave und Remain, zwischen Trump und der jeweiligen Alternative zu suchen riecht mir zu sehr nach Hufeisen. Natürlich denken die jeweils anderen auch, dass sie im Recht sind, aber gerade beim Coronathema (und deshalb fällt es hier für mich weiter raus als die anderen) geht es eigentlich gar nicht so sehr um Meinungen.

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Das Problem ist, dass die Begründung der meisten Menschen, die sich nicht gegen Covid impfen lassen (und nicht zu dem sehr geringen Prozentsatz harter Impfgegner gehören) meist Verunsicherung durch Desinformation ist. Wir alle haben Bekannte oder Verwandte die sich nicht impfen lassen wollen oder am Anfang nicht wollten - und in fast allen Fällen war es eine Variation von: „ich habe aber gehört/gelesen, dass…“.

Es ist vollkommen offen die Strategie der Impfgegner, Zweifel zu sähen und Argumente zu umgehen und schlechter dastehen zu lassen als sich mit den Argumenten zu befassen. Um das zu erkennen gibt es Übersichten wie das PLURV Prinzip. Und ob man Argumente die eindeutig als Falschinformationen identifiziert wurden dann trotzdem benutzen möchte ist jedem selbst überlassen.

Ich sehe aber ehrlich gesagt den Sinn einer Debatte zwischen einer Seite die sich an die Faktenlage hält und einer die die Fakten verdreht nicht wirklich. Das ist keine produktive Debatte und es hat nichts mit guter demokratischer Praxis zu tun, wenn man sich da in der Mitte trifft…

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Erst mal vielen Dank für diesen Versuch, das freut mich sehr! Natürlich ist das auch nichts, was von heute auf morgen gelingen kann und ich bin selber meilenweit davon entfernt, das immer umzusetzen, aber zumindest die Reflexion darüber ist m. E. schon mal ein guter und wichtiger erster Schritt.
Aus meiner Sicht wird es aber genau da knifflig, wo ich mich mit meiner Position nicht nur im Recht fühle (wie gut auch immer das begründet sein mag), sondern meine, zu wissen, was für andere besser wäre oder von ihnen verlange, so zu handeln, wie ich es für richtig halte. Auch das mag gut begründet sein, aber es führt m. E. in eine Sackgasse.
Um mal ein einfaches Beispiel zu nennen: Ich bin viel mit dem Fahrrad in Berlin unterwegs und es passiert mir regelmäßig, dass mich (unachtsame) Autofahrer regelrecht gefährden (Vorfahrt genommen, ohne ausreichenden Abstand überholt, auf Radweg geparkt, plötzlich Tür aufgerissen etc.). Früher war ich jedes Mal zehn Minuten lang richtig sauer und habe nicht selten rumgeschrien - was meistens dazu führte, dass ich auch angeschrien wurde und meine Wut noch größer wurde. Dann gab es eine Phase, in der ich den Leuten ruhig versucht habe deutlich zu machen, warum sie sich rechtswidrig verhalten haben und dass sie mich damit gefährden - was meist denselben Effekt hatte. Inzwischen versuche ich stärker solche Situationen zu antizipieren und zu vermeiden. Wenn es doch mal passiert, bemühe ich mich, tief durchzuatmen und „London“ zu denken - weil mich das daran erinnert wie sich dort mal jemand bei mir entschuldigt hat, nachdem ich ihm aus Versehen auf den Fuß gelatscht bin. Das macht die Gefahr nicht geringer, lässt mich aber wesentlich entspannter an Ziel ankommen.
Ich weiß, dass der Vergleich mit Corona an ganz vielen Punkten hinkt, aber ich denke ohne sich ein wenig zurückzunehmen obwohl man im Recht ist, wird Variante b) nicht funktionieren. Auf einer gesellschaftlichen Eben sollte daher m. E. nicht die Frage sein, wer Recht hat oder wer die Schuld an einer bestimmten Ausgangssituation trägt, sondern was man erreichen will und an welchen Punkten es wirklich Sinn macht, auf seinem Standpunkt zu bestehen und dementsprechend einen Konflikt einzugehen.

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Ich finde diese Haltung aus einer individuellen Perspektive vollkommen verständlich. Aber wenn ich mich mal in die Lage eines Menschen versetze, der von einer bestimmten Position überzeugt ist - oder auch nur starke Zweifel an der „offiziellen“ Lesart von etwas hat und mir dann vorstelle, dass die überwiegende Reaktion darauf lautet „du bist falsch informiert“ bzw. „du hast keine Ahnung, weil in Wirklichkeit ist es so uns so“. Und dazu noch ein starker gesellschaftlicher Druck kommt, dich jetzt in einer erwarteten Art und Weise zu verhalten - egal was du darüber denkst - ist das nichts, was mich auch nur annähernd überzeugen würde, sondern das im Gegenteil eher Reaktionen wie Rückzug oder Trotz auslösen würde - und zwar unabhängig von der inhaltlichen Ebene.
Natürlich ist es wichtig zu benennen, dass es die Strategie bestimmter Gruppierungen und Milieus ist, Zweifel zu sähen. Aber diese Strategie kann auch nur so gut aufgehen, wenn der Wunsch nach Antworten auf offene Fragen und Zweifel von anderer Seite nicht beantwortet wird.
Ein konkretes Beispiel: Wenn jemand eine starke Skepsis gegenüber der Schulmedizin im Allgemeinen und Impfungen im Speziellen hat, wird der gegenwärtige gesellschaftliche Druck hin zu einer Impfung diese Skepsis nicht gerade kleiner machen, sondern eher noch Gefühl von Entfremdung und Bevormundung verstärken - was wiederum die Offenheit für „alternative“ Informationen enorm erhöht. Dann wäre es aus meiner Sicht sehr viel geschickter, vorhandene Wissenslücken und Risiken (und seien sie noch so klein) einzuräumen und Leuten tatsächlich eine eigenständige Abwägung zu erlauben, anstatt darauf zu beharren, dass alles gut & sicher ist und Leute zu drängen, sich impfen zu lassen, die davon überhaupt nicht überzeugt sind.
Und mit den Fakten ist es immer so eine Sache. Meistens geht es ja nicht um diese selbst, sondern doch sehr viel mehr um Wahrnehmungen und Emotionen - auch wenn das natürlich kaum jemand zugeben mag. In der Soziologie wird das mit dem Thomas-Theorem beschrieben. Dieses lautet: „Wenn die Menschen Situationen als wirklich definieren, sind sie in ihren Konsequenzen wirklich“. Übersetzt in die Politik heißt das: Wenn ich überzeugt bin, dass Gruppe X für Entwicklung Y verantwortlich ist, dann denke und handle ich danach - und dann ist es herzlich egal, ob das auch tatsächlich so ist (bzw. sich mit Fakten nachweisen lässt) oder nicht. Und diese Überzeugungen davon, „wie es wirklich ist“, gründen sich viel mehr als uns allen lieb sein dürfte auf Emotionen statt auf Tatsachen. Typische Beispiele hierfür sind Themen wie Migration oder Sicherheit, in denen „gefühlte Wahrheiten“ seit Jahrzehnten den politischen Diskurs prägen.

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