Kaltreserve vs. Streckbetrieb

Was mich gerade beim hören des Abschnitts geschlagen hat, war die Aussage von Preußen Elektra, dass die Kaltreserve angeblich technisch nicht geht, bzw. Neuland wäre.

Jedes Jahr werden die AKW für die Revision abgeschaltet und wieder angefahren.

Also keine Kunst und bekanntes Verfahren.

Der Unterschied jetzt ist halt, dass die Anlagen eigentlich dauerhaft abgeschaltet werden sollten, was heißt: Reaktorbecken auf und entladen Kühlkreise abfahren u.s.w.

Was Habeck vor hat ist eigentlich nur statt „Notaus wegen technischem Problem“ und anschließender Fehlersuche, Abschalten und betriebsbereit halten.

Also nicht das Reaktorbecken auf machen, nicht die Kühlkreise komplett raus nehmen u.s.w.

Also quasi den Zustand den man sowieso nach der Revision ein nimmt etwas länger vor halten um bei planbarer Unterversorgung die Reaktoren wieder anzufahren.

Der in’s Gespräch gebrachte Streckbetrieb ist hingegen in Grenzen Neuland, da bisher noch niemand größere Mengen Brennstäbe die eigentlich als verbraucht gelten weiter betrieben hat.

Wenn ich mich richtig erinnere tauscht man bei der Revision 1/3 der Brennstäbe. Durch die bevorstehende Abschaltung wird man in diesem Jahr keine neuen mehr geladen haben, heißt im Streckbetrieb hat man erstmalig rund 2/3 abgebrannte Brennstäbe wovon 1/3 eigentlich schon überfällig sind.

Von daher ist Habecks Plan eigentlich der bessere. Gesetz einhalten und abschalten, aber die Abschaltung nicht wie vorgesehen endgültig, also auch das nach der Abschaltung nicht mehr benötigte Personal weiter vorhalten für 3 Monate

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Das stimmt so nicht so ganz.
Nach einer Revision wird ein Reaktor nicht mit großteils abgebrannten Brennstäben innerhalb einer Woche auf Volllast wieder hochgefahren. Sondern langsamer oder mit neuen Brennelementen.

Demzufolge wäre ein Hochfahren von Null auf Volllast mit den alten Brennelementen in einer Woche noch unbekanntes und unerprobtes Verfahren.

Das gilt aber erst recht für den Streckbetrieb, denn (auch wieder nach Aussage der Betreiber) müssen sie ja auch für den Streckbetrieb erst runter gefahren werden.

Es zeigt sich also nur noch mehr, dass die ganze Aktion von Preußen Elektra eine Nebelkerze ist.

Oh und das anfahren ohne neue Brennstäbe ist auch ein bekanntes Verfahren, das Werk in dem ich gearbeitet habe wurde mehrfach unplanmäsig abgefahren und ohne neue Beladung wieder gestartet.

Neu ist lediglich die Anzahl der eigentlich als verbraucht geltenden Brennstäbe, aber auch hier gilt beides gleichermaßen sowohl für den Streckbetrieb als auch für den Start aus der Kaltreserve.

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Im Streckbetrieb soll nicht innerhalb von einer Woche wieder Volllast erreicht werden.
Das relevante ist die kurze Zeit, in der nun auf einmal wieder nahezu 100% der noch möglichen Leistung erwirkt werden soll - und das nach möglicherweise vielen Tagen Stillstand.

Es macht durchaus einen Unterschied, ob ein Kraftwerk für eine Revision 20+ Tage auf nahezu 0 war, oder nur wenige Stunden.
Ein an der Ampel abgewürgtes (Verbrenner) Auto geht vermutlich problemlos schnell wieder an, ein Auto welches über einen längeren Zeitraum still steht hat möglicherweise Standschäden entwickelt.

Es bleibt dabei: Mit dem Vorlauf weniger Tage von einem AKW mit alten Brennstäben Höchstleistung zu fordern entspricht nicht der üblichen Betriebsweise eines Kernkraftwerks.

Das hier die AKW Betreiber ein falsches Spiel spielen, liegt nah. Warum irgendeinen Kompromiss eingehen, wenn gleichzeitig damit gedroht wird, Gewinne als Zufallsgewinne abzuschöpfen. Was mich wundert, die letzten Jahre wurde mehrfach behauptet, die AKWs seien überflüssig, weil EE das schon hinbekommen. Irgendwie würde mir eine Energiepolitik mit weniger Ideologie besser gefallen und wäre vertrauenswüriger.

@Olaf.K , @talk , mir fehlt das Wissen, dass ihr offensichtlich habt. Es würde mich sehr interessieren, wer von euch beiden Recht hat.

Das glaube ich, aber worin genau liegt der Unterschied? 20+ Tage sind bei den französichen AKWs längst überschritten und wann sie wieder genug Wasser haben und die Schäden repariert sind, weiss man nicht. Liegt der Unterschied also im Hochfahren mit neuen Brennstäben?

Die Vorlaufzeit müsste sich natürlich nach den technischen Erfordernissen richten und nicht nach den Wünschen der Politik. So habe ich Habeck aber auch verstanden. Man wird sicher kein Risiko eingehen, selbst wenn Stromausfall (ja eh nur für wenige Stunden) droht.

Bin gespannt, ob ihr das noch so weit klären wollt.

Im Übrigen fand ich die Analyse von Philip und Ulf sehr zutreffend, wenngleich mir die Praxis des Kuhhandels und deren Hinnahme oder gar Zustimmung durch Wähler und Medien in der Seele wehtun. Denn das Gemeinwohl ist da nicht oberste Priorität, zumindest auf seiten einer der beiden „Händler“.

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Der Vergleich der deutschen privatwirtschaftlichen Betreiber mit dem französischen staatlichen EDF ist nicht nur aufgrund der finanziellen Trägerschaft schwierig. Frankreich hat zudem längere Zeit einen Preisdeckel, der Investitionen aus Profitgiergründen hemmt. In Zeiten potenzieller Übergewinnsteuer könnte dies wie vor der Rücknahme der deutschen Brennelementesteuer verlaufen. In Frankreich ist die zugeführte Temperatur ausschlaggebend, in Deutschland die Temperaturerhöhung.
Zudem sind, wie in der Lage korrekt angesprochen, die großen Probleme bei einer „großen Revision“ gefunden worden, die alle 10 Jahre ansteht.
Grundsätzlich werden alle französischen AKWs immer im Frühling revisiert. Warum? Weil da die Sonne scheint, der Wind bläst und der Strom (unter anderem aus Deutschland) günstig einzukaufen ist.
Dass so viele AKWs länger als geplant seit Frühling stillstehen ist für die Franzosen ein Ärgernis, bislang wird jedoch weiterhin geplant alle 56 Reaktoren bis zum Winter wieder am Netz zu haben.

Auf politischen Wunsch wurden die Notfall-Generatorpumpen auf die Meerwasserseite des AKW Fukushima Daichi kostengünstiger gebaut.
Im gerade mal 12km südlich hiervon gelegenen AKW Fukushima Daini wurde hingegen auf der Rückseite des Reaktors die Notfall-Generatorpumpen gebaut.
Der politische Kosten- und Leistungsdruck ist kein gesunder Ratgeber.
Das Aufrechterhalten der Stromversorgung ist jedoch für jeden Hochtechnologiestaat elementar, von daher stimme ich der Haltung, dass eine Möglichkeit der

unproblematisch sei, nicht zu. Was einmal aus ist, bleibt häufig auch aus. Das gilt zwar nicht für die Thermomix zu hause, aber für hochsensible Großindustrie schon.

Ist richtig, aber ich frage mich, warum du immer mit Höchstleistung argumentierst.

Streckbetrieb soll doch auch schon nicht mehr Vollast sein, also ist davon auszugehen, dass auch für die Kaltreserve nicht mit 100% Leistung gerechnet wird.

Und Reaktoren die länger als 20 Tage still gestanden haben mit gebrauchten Brennelementen anzufahren wurde sicher öfters gemacht in der Geschichte der Nutzung, ich weiß zumindest von 1x O3 der außerhalb einer Revision fast einen Monat still stand und dann wieder angefahren wurde.

???

Natürlich ist das völlig unproblematisch, beruhend darauf wen du abschaltest.

Ein Krankenhaus hat deutlich mehr Probleme als eine Villensiedlung.

Und stundenweise Stromausfälle sind ja nun keine Seltenheit.

Wenn sie ein so großes Problem wären, wäre unser „Hochtechnologiestaat“ schon längst zusammengebrochen.

Und was Stromausfälle wegen Unterversorgung angeht:

Im Schweden werden zuerst die Privathaushalte ausgeklinkt, weswegen jetzt schon Kampagnen in den Medien laufen wie man sich verhalten soll und es gab auch schon die Ankündigung daß bei längerfristigen Problemen das Abschaltungsgebiet rotiert werden soll.

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