Juristische und mediale Verschiebung nach 16 Jahren CDU im Zusammenhang mit Klimaprotesten und Verfolgung linker Straftaten ggü rechter [Lina E]

Ich hätte da mal Fragen an @vieuxrenard und @philipbanse, da ihr ja quasi beides abbdeckt: 1) juristisch und 2) mediale Verarbeitung.

Hat die zu lange Zeit der CDU in Hauptregierungskreisen Einfluss auf die Besetzung der Gerichte und Polizeistellen gehabt?
Man kann ja mit der Begründung der Befangenheit den Richter „austauschen“ lassen, wenn es nachweislich Konflikte geben kann. Nur ist das realistisch?
Auch in Zusammenhang mit Ermittlungen in Bayern gegen die letzte Generation sehe ich eine Verschiebung der Anwendung der staatlichen Gewalt durch die „Polizei“ gegen Klimaktivisten schon länger als unverhältnismäßig.

Persönlich wurde ich mit Verfolgen der Räumung zum Bau der A49 im Dannenröder Forst 2019 sehr im Zweifel gelassen, das es schlecht um die Wahrung der Protestfreiheit steht.
[Dannenröder Forst News: Aktuelle Nachrichten zum A49-Ausbau | hessenschau.de
WDR-Doku über Dannenröder Forst: Unversöhnliche Parallelwelten - taz.de]
Das Vorgehen der Polizei war in meiner Auffassung sehr unverhältnismäßig (vorallem Schmerzgriffe, die ja gegen die letzte Generation auch zum Einsatz kommen), was zur Radikaliserung mancher Protestler geführt hat und ich unterstelle auch das als Ziel, um die vorangegangen Maßnahmen dann zu rechtfertigen.

Thema Schmerzgriffe wäre auch noch eine interessante Einordnung im Podcast. Wieso ist das nicht als Folter verboten, bzw nur bei wirklich begründeter Gefahr der Polizisten erlaubt. Wieso wird sowas gegen, selbst durch die LG immer wieder hervorgehobene, friedliche Protestformen eingesetzt?
Ich verliere dadurch zunehmend Vertrauen in die Polizei.

Außerdem bringt mich die Positionierung von Nancy Fäser zum kochen, als ob der Linksextremismus überhand nimmt, im Vergleich zu den Rechten immer noch harmlos. Da läuft so viel falsch gerade.
Auch zur LG war das Statement von Fäser einfach nur daneben.

Mir scheint das Lina E. hervorheben als unverhältnismäßig gegenüber der Berichterstattung zu rechten Verfahren.

Es wird weniger über die Auswirkungen der schnellen Berichterstattung nachgedacht, nur um auf den Hypetrain aufzuspringen und noch was an Aufmerksamkeit mitzunehmen. Oder um sich selbst als Einflussgröße zu beweihräuchern, was nicht Ziel des Journalismus sein sollte.

Debatte Habeck/Graichen.
Der Journalismus nur noch am hinterherhächeln und aufsaugen der dahingeworfenen Framinghappen durch konservative und einiger weniger, medial aber hervorstechenden Personen.
Wieso wird nicht auch mal der CDU der Spiegel vorgehalten, bei all den Vorwürfen gegen Graichen und co. Es gibt ja genug, Scheuer, Amthor, Aserbaidschanconnections.
Aber das ist ja schon normal und von der CDU ist man nix anderes Gewohnt, die dürfen das jetzt einfach so, oder wie?
Die Grünen mit ihren Moralvorstellungen, da muss man sofort drauf hauen und Rücktritte fordern.

Auch hier verlier ich immer mehr die Lust, mir das anzuhören oder zu lesen. Man erkennt so schnell die Richtung aus der manche Berichte kommen, ohne den Hintergrund mehr auszuleuchten.

Der Beitrag ist ein ziemlicher Rundumschlag…

Ehrlich gesagt: Vermutlich kaum.
Sowohl bei der Polizei als auch bei den Gerichten gibt es eher Personalmangel, die Landesjustizverwaltungen sind eigentlich über jeden Kandidaten froh, der die entsprechenden Noten mitbringt und eine Ablehnung muss hier schon gut begründet sein (die abgelehnten Bewerber sind schließlich Juristen mit guten Examen :wink: ). Natürlich ist es nicht auszuschließen, dass eine langfristige politisch konservative Herrschaft dazu führen kann, dass die Landesjustizverwaltungen auch eher etwas konservativer besetzt sind und dann bei Bewerbungsverfahren auch konservative Bewerber bevorzugt werden, aber wie gesagt, um als Bewerber mit guten Noten abgelehnt zu werden müsste schon viel passieren…

Wenn es Gründe gibt, die den nachvollziehbaren Anschein erwecken, der Richter könnte befangen sein, ist es relativ einfach, ihn wegen Befangenheit austauschen zu lassen, da wie gesagt bereits der Anschein der Befangenheit genügt, die Befangenheit selbst muss nicht nachgewiesen werden.

Ein kluger Richter wird sich daher öffentlich möglichst bedeckt halten und sich gut überlegen, was er in einer Verhandlung sagt.

Schmerzgriffe sind ein Mittel des unmittelbaren Zwangs und stehen als solches unter starken Vorbehalten der Verhältnismäßigkeit. Der zu lockere Umgang mit Schmerzgriffen (z.B. die Androhung bei einfachen Sitzblockaden) ist ein Problem und muss natürlich zu Disziplinarmaßnahmen für die Beamten führen, wenn es auch möglich gewesen wäre, mit einem weniger eingriffsintensiven Mittel das Ziel zu erreichen (z.B. die Blockierenden wegzutragen).

Allgemein sind Schmerzgriffe aber natürlich erlaubt, wenn sie verhältnismäßig (insbesondere: notwendig) sind. Hier gilt nichts anderes als bei jedem anderen aktiven Gewalteinsatz der Polizei, vom Pfefferspray über den Schlagstock bis zur Schusswaffe.

Es war letztlich das erste wirklich große Verfahren gegen eine linke Gruppierung, da bisher nur rechte Gruppierungen in ähnlichen Sachverhalten verurteilt wurden. (siehe z.B. hier)
Alles, was „neu“ ist, wird auch stärker berichtet. Auch die Schutzvorkehrungen der Gerichte, die fast an die RAF-Prozesse erinnerten, die großen Proteste von Unterstützern vor und im Gericht und die Ankündigung großer Proteste in Folge einer Verurteilung hat diesen Prozess medial natürlich deutlich „aufgewertet“, also für die Medien interessanter gemacht. Man kann auch kaum bestreiten, dass es ein großes öffentliches Interesse an der Berichterstattung über diesen Prozess gab - und die Medien „geben dem Affen Zucker“, daher, sie berichten natürlich auch dann verstärkt, wenn es ein großes Interesse gibt.

Das ist vor allem ein BILD-Problem. Die Bild hat halt so viel Auflage wie alle anderen Zeitungen zusammen und wenn die BILD eine Kampagne gegen die Grünen startet (oder fortführt, die läuft ja quasi schon seit Jahren) ist es schwer, das zu ignorieren. Die anderen Medien sind da in einer Zwickmühle: Entweder, sie berichten auch über das Thema oder sie riskieren, dass die Bild wieder behaupten kann, als einziges Medium auf so einen „Skandal“ hinzuweisen.

Die Bild hat leider die nötige Auflage, um den Rest der Medienlandschaft maßgeblich vor sich her zu treiben und damit auch das Framing bestimmter Dinge maßgeblich zu beeinflussen.

Und das verstehe ich in großen Teilen nicht. Warum muss ein öffentlich rechtlicher Berichterstatter genau in das gleiche Horn blasen wie die BILD, statt mal das laute Geblöcke zu widerlegen, bzw. sachlicher und besser recherchierter darzustellen.
Die lassen einfach genau so kleine Details weg, wodurch sich ein anderes Meinungsbild ergeben könnte, statt gleich den großen Skandal darzustellen.

Oder mal Position beziehen: Wer soll denn in einem Arbeitskreis oder als Staatsekretär sitzen? Nur Leute die sich nicht kennen und erst innerhalb von paar Monaten produktiv werden. Also wenn es Bekanntschaften gibt, die nach Leistungsfähigkeit und Expertise und nicht nach Bekanntheit/Freundschaft ausgewählt und auch so begründet werden, why not? Bessere Kommunikation bei den Grünen, so wichtig, sonst ist das ein kurzes Gastspiel in der Regierung, leider.

Besser als das bisherige Geklüngel ohne Kompetenz in der CDU und auch SPD.
Vielleicht bin ich da aber auch einfach zu naiv. Und mich regt auf, wer da alles Stellung beziehen darf, Klöckner zB hat für mich den Vogel abgeschossen. Die darf einfach so raushauhen. Schön wäre es, dann gleich noch hinterher zuschieben, was SIe so für Verstrickungen hatte als Landwirtschaftsministerin. Aber pustekuchen, hauptsache das aktuelle Skandälchen hochheben.

Ich fand die Darstellung in den öffentlich-rechtlichen schon ein wenig differenzierter.
Das Problem der Öffentlich-Rechtlichen ist, dass die Konservativen ja ohnehin immer rumheulen, dass der ÖRR in Deutschland zu „links-grün“ sei, zu progressive Positionen vertrete usw…
Wenn die BILD nun an Seiten der Konservativen einen Skandal aufbläst und die ÖR quasi die Gegenposition bedienen, haben wir bald eine Situation wie in den USA, also völlig politisierte Medien.

Der ÖRR muss daher neutral bleiben, er kann nicht die Gegenposition zur Bild einnehmen, so wünschenswert das im Hinblick auf die Deutungshoheit der Bild durch Auflagenstärke auch wäre.

Und da es Aufgabe der Medien ist, die aktuellen gesellschaftlichen Diskurse darzustellen, kann der ÖRR auch nicht einfach sagen: „Uns egal, was die Bild schreibt, auch wenn ganz Deutschland darüber diskutiert“. Denn wenn ganz Deutschland wegen der Bild darüber diskutiert, hat das Ereignis alleine deshalb schon Nachrichtencharakter.

Ich bin auch sehr unzufrieden mit der Lage der Medien in Deutschland, weil die BILD eben so übermächtig ist und dadurch massiven Einfluss auf z.B. Wahlergebnisse hat. Aber ich sehe nicht, wie man dieses Problem lösen kann, ohne massiv in die Pressefreiheit einzugreifen oder den Boden der Neutralitätspflicht verlässt. Resigniert könnte man sagen: „Jedes Volk bekommt die Medien, die es verdient.“

Naja, das war ja nicht das Problem.
Natürlich dürfen gut vernetzte Politiker / politische Beamte auch ihre Vertrauten in die Ministerien holen, sie müssen dabei aber eben mit offenen Karten spielen. Und da hat Graichen einfach Mist gebaut. Es war entweder unglaublich amateurhaft (wenn er wirklich glaubte, er dürfe die persönliche Beziehung zum Bewerber verschweigen) oder korrupt (wenn er sie bewusst verschwiegen hat), in jedem Fall war es ein Fehler.

Ok, danke. Nehm ich alles mal mit.

Wenn ich mich richtig an die Lage zu der Thematik erinnere, hieß es dort, man müsse zwischen politischen und „normalen“ Beamten unterscheiden. Erstere Gruppe könnten nach Bedarf und Gutdünken eingesetzt werden, aber auch entlassen werden. Bei zweiterer Gruppe erfolgt die Auswahl jedoch nach dem Prinzip der Bestenauslese. Darüber ist Graichen allerdings gestolpert und dann nach der Bewilligung von Mitteln an die DENA gestürzt. Mittlerweile gibt es zusätzlich auch noch Plagiatsvorwürfe bei wissenschaftlichen Arbeiten.

Ich denke, dass wir hier das grundsätzliche Problem haben, dass Leute, die sich politisch links sehen und den Staat nicht so dolle finden, ihn dann oft auch nicht als Arbeitgeber haben wollen. Es bewerben sich also schon mehr Konservative. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch einer eingestellt wird.

Nur mal zum Vergleich:

Die aktuelle Auflage der Bild-Zeitung beträgt 1.053.897 Exemplare​1​. Im Vergleich dazu haben andere führende Zeitungen in Deutschland die folgenden Auflagen:

  • Süddeutsche Zeitung: 298.100 Exemplare​2
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung: 190.300 Exemplare​3
  • Die Zeit: 623.100 Exemplare​4

Ich hatte mich eher hieran orientiert:

„Die Zeit“ taucht hier als Wochenzeitung nicht auf. Also ja, ich hätte spezifischer „alle anderen Tageszeitungen zusammen“ sagen sollen :wink:

Ich glaube, auch die Online-Kundschaft ist bei BILD leider größer, hab aber bisher die Quelle nicht gefunden.

Viel Einordnungsarbeit.

Wobei es im Endeffekt reichen würde im Zusammenhang mit der Berichterstattung einzuwerfen, dass die BILD mal wieder gegen die Grünen in’s Feld zieht.

Denn ganz Ehrlich man verlangt von den ÖRR Neutralität, bei der BILD ist das hingegen völlig egal.

Und gerade bei der Dauerkampagne gegen die Grünen hilft nur sachliche Neutrale Berichterstattung immer mit dem Hinweis, dass die BILD das zum Skandal aufbläst und einen deutlichen/s Standpunkt/Framing in der Berichterstattung hat.