10 Jugendorganisationen haben einen gemeinsamen Brandbrief gegen die Sparpolitik der Regierung an Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck geschrieben, die nicht im Interesse der jungen Generation sei.
Interview mit Carl Mühlbach (Fiscal Future):
Hier
Ich halte die Schuldenbremse, trotz gegenteiliger Ansicht in der Lage für richtig.
Wir steuern wieder auf Zeiten zu, in denen Deutschland 10% seines Bundeshaushaltes (8,8% in 2023) für Zinsen aufbringen muss. Das Geld ist im Grunde „futsch“, es landet in Form von Zinserträgen bei Vermögensverwaltern und Versicherungen.
Stattdessen wäre es meiner Ansicht nach besser die Steuern (also die Einnahmen) zu erhöhen und Subventionen (Ausgaben) zu streichen.
Dem muss man der Fairness halber aber gegenüberstellen, was für eine Rendite mit dem geliehenen Geld investiert wird. Das ist bei Staaten nicht viel anders als bei Unternehmen - wenn ein Unternehmen 10% seiner Umsätze an Zinsdienst leistet, aber selbst eine Umsatzrendite von 20% erzielt, ist das für das Unternehmen sicherlich kein Nachteil.
Deutschland als Land erzielt so gesehen keine direkte, messbare Rendite, aber in Infrastruktur, Bildung und co. investiertes Geld führt dann eben doch zu massivem Wirtschaftswachstum.
Der Staat zahlt auf seine Schulden nur einen sehr geringen Zinssatz. Der Bund zahlt für seine 2570 Milliarden Euro Schulden z.B. nur 39 Milliarden Euro Zinsen (knapp 1,5%). Nahezu jede Investition in Bildung oder Infrastruktur bietet langfristig eine höhere Rendite als diese 1,5%.
Man muss den Staat schon eher als Unternehmen als als Privatperson sehen, wenn es um Schulden geht. So lange mit dem geliehenen Geld eine höhere Rendite erzielt werden kann, als man an Zinsen zahlt, ist die Aufnahme weiterer Schulden wirtschaftlich sinnvoll, der Verzicht darauf nur, um eine „schwarze Null“ zu halten, vernichtet hingegen Wohlstand.
Ein Daumenwert zur Einordnung, die mir bekannten Industriezweige (Chemie, Industrie) planen mit Renditen von 8-12%, ansonsten investieren sie eher nicht. So hohe Renditen sind notwendig um auch mal Invest-Fehlschläge auszugleichen.
Ich bin sehr pessimistisch, ob staatliche Investitionen ebenfalls so zielbringend angelegt werden. Bei einem aufweichen der Schuldenbremse muss verhindert werden, dass der Staat erneut ins Muster zurückfällt „soziale Wohltaten“ aka Wahlgeschenke als Investitionen zu bezeichnen, wie er es vor der Schuldenbremse häufig tat.
Bitte erweitern auf Wohltaten für die Wirtschaft, da wird nämlich gerne noch mehr Geld versenkt, siehe die jetzige Idee mit dem Industriestrompreis. Ich finde es bedenklich, dass dort immer zu erst soziales genannt wird.
Bei der Wirtschaft kann man im Gegensatz dazu immer sehr einfach argumentieren, dass die Wohltat langfristig Beschäftigung sichert und Steuereinnahmen generiert. Das ist bei früherem Renteneintritt, Steuererleichterungen für Bevölkerungsgruppe x oder Mehrausgaben für Bevölkerungsgruppe y usw. immer etwas schwieriger zu rechtfertigen.
Damit will ich nicht sagen, dass dort nicht auch Fehler gemacht werden (Stichwort Automobilindustrie) oder es sinnvolle soziale Wohltaten gibt (Stichwort Modernisierung der Schulen). Nur ist der Fehler in der Wirtschaftsförderung wesentlich weniger offensichtlich.
Es kann ja schließlich auch laufen wie in den USA, wo die Wohltaten für die Industrie zu einem Jobwunder führen und damit das Land langfristig stärker machen (vorausgesetzt die Ansiedlungen sind nicht zu teuer erkauft und die Schuldenlast wächst zu stark).
Anyway, schau dir wenn du magst gern mal die Sendung „Hart aber Fair“ von gestern an. Da war die Geschäftsführerin einer Bäckerei mit 7 Geschäften. Die erklärte, dass sich binnen eines Jahres ihre Energierechnung von 160.000 € auf 320.000 € verdoppelt hätte. Anspruch auf Subvention ihres Strompreises habe sie wegen der geltenden Regeln aber nicht, da die nur für Großverbraucher im internationalen Wettbewerb gelten. Das heißt, der industrielle Großbäcker Harry kann subventionierte Energie verbrauchen, da er nach Polen oder Frankreich liefert. Während die kleine Bäckerei dagegen kann nur zusehen kann, wie die Kunden wegen der niedrigen Preise in den großen Supermarkt zum Brot kaufen fahren.
Oder es wurde ein Unternehmen aus der chemischen Industrie in Jena eingespielt, dass grundsätzlich sämtliche Investitionen in Deutschland gestoppt hat und dafür in Skandinavien Werke baut, ein Szenario dass der ebenfalls anwesende Herr Südekum schon mehrfach für langfristig realistisch erklärte. Daher fordert er eine wesentliche finanzielle Ausweitung des bisher blockierten Wachstumchancengesetzes.
Will sagen, Wirtschaftssubventionen sind nicht per se so schlecht wie du sie machst. Im Gegenteil, sie sind meist mächtig kompliziert und können viel bewirken. Rentenerhöhungen oder steuerlich bezuschusste Beitragssenkungen in die GKV oder Pflege hingegen sind offensichtliche Klientelwahlgeschenke.
Das wird suggeriert, aber stimmt nicht und führt zu Stillstand und Innovationsfaulheit. Soziale Hilfen können genauso gut helfen. Von daher stimmt es nicht, dass Wirtschsftsgeschenke per se irgendwas besser machen als soziale Hilfen.
Nur wenn man nicht hinsehen will. Übrigens sind viele soziale Wohltaten nötig, weil die Löhne so schlecht sind.
Nein, einfach nein. Senkungen der viel zu hohen GKV führen zu Konsum.
Warum werden hier immer wieder die gleichen Diskussionen geführt?
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Stellt sich erneut die Frage, wollen wir mehr Konsum?
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Stellt sich die Frage, stimmt das für alle oder nur für einige? Einkommensstarke Gruppen werden nicht mehr konsumieren, nur weil sie 200 € weniger an Sozialausgaben haben. Die legen die 200 € mehr auch nur in einen Fonds rein um sich davon vielleicht mal einen Porsche zu kaufen und es dann vielleicht doch eher nicht zu tun. Das Geld käme dort eher sehr verzögert wieder in den Konsum. Ich spreche aus Erfahrung. Vor meinem Hausbau habe ich monatlich deutlich über tausend Euro pro Monat in den digitalen Sparstrumpf gesteckt. Und dabei war ich tatsächlich noch Teil des Mittelstandes (Angestellter wissenschaftlicher Mitarbeiter mit E13).
Deutschland ist halt Sparweltmeister. Daran ändert ein geringerer SV Beitrag sicher eher wenig.
Korrekt ist hingegen, dass eine solche Entlastung weniger einkommensstarker Haushalte sicher den Konsum unterstützt. Hier könnte man sich soetwas vorstellen, aber
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nicht alles was der Staat an sozialen Maßnahmen tut um Konsum bei Einkommensschwächeren zu steigern, kommt an Steuern wieder zurück. Stattdessen gehen davon Löhne und Gewinn von Unternehmern und Mitarbeitern der an der Wertschöpfung beteiligten Unternehmern ab. Es ist also keineswegs so, dass jeder Euro, den der Staat dort investiert, er an höheren Steuern wieder einnimmt und es sich um ein Nullsummenspiel handelt.
Zum Rest deines Beitrags will ich hier nicht weiter Stellung beziehen. Das ist leider destruktives und undifferenziertes Wirtschaftsbashing mit viel Behauptung und wenig Quellen oder Belegen. Schade.
Worin unterscheidet es dich von deinem Sozialbashing? Ich bin eben keiner der Blind dem ewigen Wehklagen der deutschen Wirtschaft folgt. Schade dass du etwas bei mir kritisierst was du selbst tust.
Ich habe oben eindeutig bestimmte Wirtschaftszweige benannt, bei denen ich das kritisch sehe, siehe
Außerdem habe ich Quellen und anerkannte Referenzen genannt, wie Wirtschaftsförderung erfolgreich laufen kann
Zuletzt habe ich auch erklärt, dass es auch gute „soziale Wohltaten“ gibt
Ich habe mich sogar weitgehend zurückhaltend geäußert und immer davon gesprochen, dass es Fehler in der Wirtschaftsförderung gibt, diese aber weniger offensichtlich seien.
Und ich habe dir in einem langen Beitrag
erklärt, warum eine steuerfinanzierte Beitragssenkung der GKV möglicherweise weniger zurückspielt als man an Steuern ausgibt.
Mir ist daher etwas unklar was du mir vorzuwerfen versuchst. Aber egal, du wirst schon deine Gründe haben.
Die einkommensstarken Gruppen verabschieden sich aber aus der Solidargemeinschaft und sind davon eh nicht betroffen. Betroffen sind die, die in dem System bleiben müssen und das sind definitiv nicht die hohen Einkommen.
Du hast außerdem in deinem ersten Statement nur auf Soziales gepocht und nicht auf Wirtschaftssubventionen. Beides ist absolut gleich zu bewerten.
Trotzdem bleiben Zinsen eine Umverteilung von Steuern and Gläubiger. Sparpolitik ist daneben, aber das Geld muss aus Steuererhöhungen und Einsparungen kommen. Letztere am besten im Bereich von Subventionen, dann kann man gleichzeitig auch progressive Industriepolitik machen, denkt also Klima- und Verteilungsprobleme gleichzeitig.
Das ist eher ein Statement gegen das Zinssystem selbst, als dagegen, dass der Staat Schulden aufnehmen sollte. Denn ob die Vermögenden, die ihr Geld investieren, ihre Zinsen nun indirekt von ärmeren Bürgern, die überteuerte Kredite aufnehmen müssen (über die Banken) bekommen, ob sie ihre Rendite indirekt von Arbeitern (über Unternehmensbeteiligungen wie Aktien) bekommen oder ob sie sie indirekt von allen Bürgern (vom Staat aus Steuereinnahmen) bekommen, ist letztlich nicht wirklich relevant für das Problem, dass es grundsätzlich unfair ist, dass „Geld arbeitet“ (und damit die Reichen immer reicher werden).
Emotional würde ich mir auch eine Welt ohne Zinsen wünschen - oder eine Welt ohne (leicht akkumulierbares) Geld. Aus idealistischer Sicht sind das schöne Szenarien. Aber faktisch würde es nicht funktionieren, weil Zinsen und Geld eben doch sehr effektive Mittel sind, um eine Wirtschaft zu betreiben und Wohlstand zu erreichen.
Ich kann nicht erkennen, wie das im Widerspruch zu meinen Beiträgen steht. Ich schrieb davon, dass selbst klassische Mittelschichtler mit moderat-hohem Einkommen (zum Beispiel E13 = damals knapp 2300 € Netto, ± je nach Lebenssituation und Erfahrungsstufe, entspricht dem 58er Einkommensperzentil auf der Einkommensverteilung laut IW Köln) es gut schaffen Geld zu sparen.
[Anmerkung: Bei den Zahlen ist mir ein Fehler im Vergleich der Jahre unterlaufen. Tatsächlich war es vmtl. eher das 67er Perzentil. Erklärung siehe hier Jugendprotest gegen Sparpolitik - #21 von pitus ]
Und dass daher Steuergeschenke (bzw SV-Abgabensenkungen) in dieser Klasse (und darüber hinauf) nicht zwangsläufig zu mehr Konsum, sondern unter Umständen zu mehr Sparen führen. Es käme also eingesetztes Steueraufkommen nicht 1:1 wieder zurück.
Das hat nichts mit einkommensstarken Gruppen zu tun, die sich aus der SV befreien ließen. Selbst wenn, welchen Bezug hätte das? Wer befreit ist (weil er Teil der PKV ist) bekommt doch dann auch kein Steuergeschenk, das ohnehin nicht in Konsum ginge.
Ich habe dir sogar Abschnitte zitiert, in denen ich Probleme bei Wirtschaftssubventionen angemerkt habe.
Ganz ehrlich, deine Argumentation verwirrt mich.
Ohne Staatsvertrauen geht es nicht. Wenn man glaubt, dass der Staat sowieso nur schlechte Entscheidungen trifft, was soll darauf aufgebaut werden, wenn nicht die Regierung an Lobbyorganisationen zu übergeben? Oder welche Regierung schwebt dir stattdessen vor?
Die Unternehmen zahlen erstens mehr Zinsen und zweitens muss die Investition ja mit anderen Investitionen konkurrieren, z. B. der Börse. Die rechnet mit 7% pro Jahr und schon wird klar, woher die 8% kommen. Diese Rechnung kann der Staat nicht aufmachen, da er ja weder einen Vermögensstock hat, den er gewinnbringend investieren muss, noch um Investoren werben muss (Deutsche Anleihen gehen bisher auch bei schlechten Konditionen gut weg).
Aus dem Brief:
Zusätzlich verengen Sie den staatlichen Handlungsspielraum weiter, indem Sie Steuererhöhungen kategorisch ausschließen, dabei wäre eine stärkere Beteiligung sehr hoher Vermögen und Einkommen aus ökonomischer wie demokratischer Sicht sinnvoll
Die aktuelle Finanzplanung reicht weder, um gesetzlich beschlossene Maßnahmen und Ziele zu finanzieren, noch ermöglicht sie vorausschauende Investitionen zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen. Aktuelle Studien von Murau & Thie (2022) belegen, dass alleine bis 2030 mehr als 160 Milliarden Euro fehlen, um die Klimaziele zu erreichen.
Weitere Herausforderungen wie die Finanzierung von Armutsbekämpfung, Bildungsgerechtigkeit, Digitalisierung sowie moderner und nachhaltiger Infrastruktur sind hier noch gar nicht abgebildet.
Sie werben also für Steuererhöhungen. Und Sparen ist immer gut. Nur nicht an der falschen Stelle.
Ich würde aber einen qualitativen Unterschied attestieren, ob der Staat Zinsen zahlt oder der jeweilige Bürger selbst, denn letzteres geschieht privatautonom. Aber klar, auch bei Privaten gilt, dass es grds billuger ist, ohne Kredit zu zahlen, wenn es denn möglich ist. Und für den Staat wäre eben Finanzierung ohne Schulden in vielen Fällen denkbar bei entsprechender Änderung von Einnahmen und Ausgaben.
Da sind wir uns einig. Die Frage ist, ob man der Politik deswegen einen Freifahrtsschein ausstellt.
Ich habe ja deutlich gemacht worum es mir geht. Es darf nicht wieder so laufen wie vor der Schuldenbremse, als Bund und Länder teilweise Konsumausgaben als Investitionen in die Zukunft geframed haben. Ich denke für jede Investition sollte es in Zukunft einen nachvollziehbaren Business Case geben, der diese Ausgabe rechtfertigt. Klientelgeschenke wie die Mövenpicksteuer oder die Rente ab 63 dürften es dann hoffentlich schwerer haben.
Investitionen in Bildung (nicht hübschere Toiletten, sondern wirklich in Bildungskonzepte, digitale Ausstattung und Weiterbildung der Lehrer) oder neue grüne Geschäftsmodelle wären unter diesen Gesichtspunkten hingegen No-Brainer.
Das ist sicher auch ein Teil der Wahrheit. Der Ganze ist es allerdings nicht, denn ansonsten könnte ein Unternehmen in einer Branche mit niedriger Rendite auch gleich zur Investmentbank werden. Schließlich bekommt man da mit einiger Sicherheit 7% pro Jahr.
Recht schnell würde ein solches Unternehmen wegen verschleppter Innovation den Anschluss an die Welt verlieren, womit seine physischen Assets nach und nach wertlos werden.
Anyway, ich fordere auch keine Staatsrendite von 8 %. Aber ich halte auch nichts von Geschenken an bestimmte Wählergruppen um deren Zustimmung bei Wahlen zu sichern. Alle Maßnahmen mit absehbar negativer Rendite (Stichworte aus dem Bereich Rente: Rente mit 63, Verschleppung der Rentenreform, Aussetzung des Nachholfaktors usw.), sollten schon sehr gut begründet sein.
Ist das zuviel verlangt?
Ich denke, dass gerade die Rente zu erhöhen nichts ist was diese Gruppe gerade beschäftigt.
Und zu guter Bildung gehören auch schöne Toiletten, die man gerne besucht.
Ja, es stimmt schon, einen Freifahrtsschein sollte es nicht geben und eine unabhängige Kommission (sollte so eine das bewerten) ist immer nur so unabhängig, wie es die Besetzung hergibt.
Klimaschutz ist auch insofern ein schwieriges Thema, weil die nationale Rendite schwer zu spezifizieren ist.
Ich finde die Berechnung hier ja etwas fraglich. Ich weiß nicht, wann du auf E13 warst und kann daher keinen Inflationsausgleich vornehmen. Ich bin aktuell auf E13 und der Monatsverdient (inklusive 13. Monatsgehalt) auf E13 Stufe 3 ist Netto etwa 3200€. Für einen Singlehaushalt wäre das also das 82er Einkommensperzentil und damit schon recht wohlhabend.