Jetzt rächt sich, wie SPD, Union, GRÜNE und FDP in der Vergangenheit die Linke behandelt haben. Die Parteien haben bisher immer ausgemacht - wissend, dass sie zusammen stets die Zwei-Drittel-Mehrheit hatten - dass sie sich gegenseitig eine Zahl von Vorschlagsrechten zugestehen und dafür jeden Kandidaten der anderen Parteien absegnen, der nicht völlig inakzeptabel ist. Faktisch hatten wir daher die „angeblichen“ Veto- und Vorschlagsrechte durchaus und es ist ausgesprochen unehrlich von Herr Karpenstein, das in Zweifel zu ziehen und als „demokratischen Konsens“ zu framen.
Jetzt brauchen die Parteien plötzlich die LINKE, um die Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen. Und natürlich sagt die LINKE - staatstragend wie sie ist - dass sie bereit ist, die Kandidaten der anderen Parteien, selbst der Union, mitzutragen. Aber selbstverständlich fordert die LINKE dafür, auch selbst einen Kandidaten vorschlagen zu dürfen, der dann ebenfalls von der Union abgesegnet werden muss, wenn sie nicht zu extrem sind. Dass jemand wie Karpenstein das kritisiert ist erscheint mir fragwürdig.
Ich kann die Kritik Karpensteins nachvollziehen und glaube auch, dass er die Kritik vor allem übt, um zu verhindern, dass die AfD plötzlich mit in den „Deal“ der Vorschlagsrechte aufgenommen wird, weil er stets für einen Schutz des BVerfG vor der AfD gekämpft hat. Aber da würde ich mir wünschen, dass er zwischen AfD und LINKER klar differenziert und anerkennt, dass die Linke nicht mehr oder weniger extrem ist als die Union. Beide Parteien vertreten teilweise extrem fragwürdige Standpunkte, beide Parteien haben Mitglieder, die zumindest an der Grenze des demokratischen Spektrums stehen. Dass die LINKE bisher in dem „Pakt“ von SPD, Union, Grünen und FDP nicht mitspielen durfte liegt einfach daran, dass sie von den Parteien nicht gebraucht wurde. Das war stets unfair und widerspricht gerade dem Ziel, das BVerfG unabhängig und überparteilich auszurichten, weil eine zulässige politische Strömung im „demokratischen Konsens“ ausgesperrt wurde.
Ich würde mir ja generell ein politikferneres Wahlsystem wünschen, denn das BVerfG hat eben zur Aufgabe, der Politik Grenzen zu setzen. Aber alle Alternativen zum jetzigen Wahlsystem haben auch ihre Tücken (Direktwahl durch’s Volk würde auch zu einer Parteiwahl werden, Wahl durch die Richterschaft hätte keine demokratische Legitimation usw.). Jetzt müssen wir jedenfalls erstmal einen Weg finden, im aktuellen Bundestag Verfassungsrichter überhaupt wählen zu können, und dafür wird die Union - ob sie es mag oder nicht - die LINKE mit an Bord holen müssen. Denn die einzige Alternative wäre eine Einbindung der AfD, und das würden SPD und GRÜNE nicht mitmachen, und man bräuchte mindestens eine der beiden Parteien, um auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu kommen… und wenn die LINKE mit an Bord geholt werden muss wird man ihr auch ein Vorschlagsrecht nach den gleichen Regeln wie den anderen Parteien anbieten müssen.