Israel & Nahost: Waffenruhe, „limited campaign“ oder Bodenoffensive. Wie geht es weiter?

Wow…

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Das ist hingegen auch unreflektiert einseitig. Die Blockade von Treibstoff (und damit Strom!) und Nahrungsmitteln, welche die gesamte Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens traf, ist gerade nicht damit zu rechtfertigen, dass auch die Hamas dadurch an Treibstoff und Nahrungsmittel gelangen kann. Die Blockade von existenziellen Gütern (Nahrung, Trinkwasser, Strom, Medikamente) an eine gesamte Bevölkerung ist immer und nahezu ausnahmslos völkerrechtswidrig, da kein Szenario denkbar ist, in dem dies noch verhältnismäßig sein kann, eben weil es sich direkt gegen die Zivilbevölkerung richtet und die Zivilbevölkerung existenziell trifft.

Insofern halte ich es für extrem fragwürdig, das so in einem Nebensatz zu schreiben.

Auch hier würde ich relativieren:
Wer sich aktiv in den Weg stellt (dh. durch Kampfhandlungen) darf natürlich getötet werden, wer sich passiv „in den Weg stellt“ geht das Risiko ein, Kollateralschaden zu werden, darf aber gerade nicht gezielt getötet werden. Hier fehlen einfach ein paar Grautöne im Hinblick auf die zwingend notwendige Trennung von Zivilisten und Kombattanten.

Im Kern gebe ich dir daher Recht - wie auch schon in anderen Beiträgen gesagt - dass Israel ein absolutes Recht auf effektive Selbstverteidigung hat, daher Israel darf - auch unter Inkaufnahme hoher Kollateralschäden das Kriegsziel verfolgen, die Hamas auszuschalten. Dennoch muss Israel innerhalb dieses zulässigen Zieles die Verhältnismäßigkeit des Mitteleinsatzes achten und auf strikt völkerrechtswidrige Taktiken (z.B. das anfangs praktizierte vollständige Blockieren existenzieller Güter an die Zivilbevölkerung) verzichten.

Oder anders ausgedrückt: Auch ein Staat, der in Selbstverteidigung agiert, muss das Völkerrecht achten, gerade im Hinblick auf die Zivilisten der Gegenseite.

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@Daniel_K

Ja, hier hinken viele, wenn nicht alle Ukrainekrieg-Vergleiche. Ich hab mal einen gemacht, der weniger hinkt als der Unsinn, den ich hier teilweise lesen musste. Und trotzdem gibt es andere Möglichkeiten, als alles in Schutt und Asche zu bomben. Die IDF bzw. Israel bricht das Völkerrecht und begeht Kriegsverbrechen, das ist nicht erst seit dem 07.10. so. Es sind völkerrechtswidrige Aktionen, wenn die IDF zB. Flüchtlingskonvois bombardiert oder Siedlern bei ihrem Terror gegen die Menschen im Westjordanland unterstützt.

Thousands of Palestinians flee south on foot as Israel steps up offensive in Gaza City

Der Hamas Anschlag am 07. Oktober konnte passieren, weil Netanyahu die Truppen zur Unterstützung seiner Siedlerfreunde ins Westjordanland geschickt hat, damit dort die Besatzung und Vertreibung der Palästinenser sicher vorangetrieben werden kann. Wenn die IDF an der Grenze zu Gaza gestanden hätte, wäre es wohl nicht dazu gekommen. Das sind natürlich nur die militärischen Fehler in der jüngsten Vergangenheit. Die Ursachen für dieses Anschlagen liegt natürlich in der Wut und Verzweiflung der Palästinenser, die durch Unterdrückung und Vertreibung herrühren. Und es werden weitere solcher Anschläge folgen, die Israelis arbeiten gerade mit Hochdruck daran, viele weitere Terroristen zu schaffen. Das ist Benni natürlich egal, er denkt jetzt nur an sich, wie er es schon immer getan hat. Die Hamas wird nicht vernichtet. Die Fehler, warum es die Hamas überhaupt gibt, werden nicht behoben. Es ist einfach nur eine kurzfristige Befriedigung von Rachegefühlen. Das ist zwar nachvollziehbar, aber man kann nichts richtig daran finden, dass in einer Geiselnahme-Situation die Geiselnehmer unbedingt vernichtet werden müssen und dass der Tod der Geiseln hingenommen wird. Das Argument, dass die Hamas jetzt ohne Rücksicht gestoppt werden muss, finde ich unglaubwürdig. Die IDF steht an der Grenze zu Gaza. Die Hamas kann es nicht schaffen, nach Israel einzudringen. Angriff ist die beste Verteidigung, der Preis hier ist aber gerade so hoch, dass es nun mal absolut unmenschlich ist. Außerdem steigt die Gefahr der Eskalation mit weiteren Akteuren, deshalb Waffenstillstand.

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Das wird in der Tat noch aufzuarbeiten sein.

Ich glaube, da haben wir auch keinen Dissens.

Hier fehlt mir ein „auch“.
Das ist immer das Problem an der Sache:
Die sehr pro-israelische Seite betont lediglich den allgemeinen Judenhass, der leider in der Tat in der palästinensischen Bevölkerung stark ist, die sehr pro-palästinensische Seite betont lediglich die Verzweiflung der Palästinenser. Beide Seiten haben nicht unrecht - und das anzuerkennen ist zwingend notwendig, um eine Lösung zu finden. So lange beide Parteien der jeweils anderen Partei die alleinige Schuld an der Misere geben wird sich nichts ändern.

Auch hier haben wir denke ich keinen Dissens, weil es wohl als anerkannt gelten dürfte, dass jeder tote Zivilist auf Seiten der Palästinenser die hohe Chance erzeugt, dass einer der bisher nicht radikalisierten Freunde oder Verwandten sich nun den Extremisten zuwendet.

Dass Israel sich durch maximale militärische Härte keinen Gefallen tut hört man tatsächlich von vielen Experten dieser Tage, aber innenpolitisch hat die aktuelle Rechts-Außen-Regierung kaum andere Optionen, als jetzt den Hardliner-Kurs zu fahren.

Hier muss man aber unterscheiden:

  1. Das Recht Israels zur - auch opferreichen - Selbstverteidigung.
  2. Die langfristigen Folgen dessen.

Ja, Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung. Aber in der Tat darf bezweifelt werden, ob maximale Selbstverteidigung langfristig zum erwünschten Ergebnis führt.

Absolut, das ist gar keine Frage. Die z.B. militärische Unterstützung der Siedler muss aufhören, so wie die gesamte Siedlungspolitik aufhören muss. Auch hier tut Israel sich zweifelsohne keinen Gefallen und darf - mit Recht - kritisiert werden. Dennoch waren die Massaker der Hamas ein durch nichts zu entschuldigender Exzess, der Israel das Recht gibt, nun mit maximaler Härte gegen die Hamas vorzugehen. Aber nochmal: Ob das der langfristig sinnvollste Weg ist, darf bezweifelt werden.

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Du betreibst hier auch Täter-Opfer-Umkehr. Wäre die Hamas nicht eingefallen wäre es nicht zu diesem Massaker gekommen. Das ist ein heftiger Zivilisationsbruch.

Dazu gehört immer auch die andere Seite, die bereit ist selbst diesen Hass zu nutzen. Die Palästinenser haben die Wahl Terroristen zu werden, die werden nicht gezwungen.

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Die IDF bombardiert keine Flüchtlingskonvois. Es ist erschreckend, was hier für Unsinn unwidersprochen stehen bleibt.

Ich empfehle nachdrücklich die Lektüre dieses Artikels: 'I’m calling from Israeli intelligence. We have the order to bomb. You have two hours' - BBC News

Es ist mal wieder fünf vor Schuldumkehr. Wer den Israelis die Schuld für die Existenz der Hamas gibt, hat wirklich gar nichts verstanden. Es tut mir leid, das mal so deutlich sagen zu müssen. Aber das ist komplett kontrafaktisch. Die Hamas hat sich als explizites Gegenmodell zu den Friedensbemühungen auf beiden Seiten gegründet, das ist Konsens der Forschung, das steht sogar explizit in der Hamas Charta.

Abschließend nochmal zur Strategie der Israelis und den sehr schrägen Ukraine vergleichen:

  • Die Ukraine verteidigt sich auf eigenem Territorium und hat nicht die militärischen Möglichkeiten, auf russisches Territorium vorzudringen. Allein schon deswegen ist der Hinweis auf fehlende Opfer unter der russischen Zivilbevölkerung völlig fehlgeleitet.

  • Selbst Bernie Sanders hat vor einigen Tagen bei CNN darauf hingewiesen, dass ein Ceasefire für Israel katastrophal wäre und dass man dem nur in suizidaler Absicht zustimmen könnte.

  • Die Hamas hält noch immer knapp 200 israelische Geiseln gefangen. Wer sich ein bisschen mit den Grundsätzem israelischer Politik auskennt, wird wissen, dass dieser Staat nicht ruhen wird, bis er nicht alles versucht hat, diese Menschen lebend nach Hause zu bringen.

  • Diejenigen, die eine Waffenruhe fordern, können nie schlüssig beantworten, welchen Alternativen Weg Israel gehen soll: Die Hamas hat angekündigt, den 07.10. wiederholen zu wollen, sie ist trotz der Offensive noch dazu in der Lage, eine beträchtliche Zahl an Raketen auf Israel abzuschießen. Diese Zahl würde direkt wieder steigen, sobald die israelischen Offensiv-Bemühungen eingestellt werden. Die Geiseln wären auch nicht frei. Das kann doch nicht niemand ernsthaft vorschlagen, der Israels Existenzrecht anerkennt.

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Ich bin mir nicht sicher, wie die Faktenlage hier wirklich ist. Grundsätzlich ist es auch vorstellbar, dass Israel - berechtigt - einen Flüchtlingskonvoi bombardiert, wenn dieser hinreichend wertvolle militärische Ziele enthält. Dass es möglich ist, dass die Hamas auch Flüchtlingskonvois für Waffenlieferungen oder „Truppenverlegungen“ nutzt, ist denke ich hinreichend wahrscheinlich. Dass Israel darauf ab einem bestimmten Punkt reagiert (und auch reagieren darf, teilweise gar muss) ist auch nicht abwegig.

Das Problem bei solchen Fällen ist immer, dass jede Seite bei der Einschätzung zur Verhältnismäßigkeit zu anderen Ergebnissen kommen wird.

Die pro-palästinensische Seite wird es im Zweifel nicht als verhältnismäßig ansehen, selbst wenn zugestanden wird, dass einzelne Hamas-Kämpfer oder Waffen mit dem Konvoi transportiert wurden.

Die pro-israelische Seite wird es im Gegenzug stets als verhältnismäßig ansehen, selbst wenn nur wenige Hamas-Kämpfer und Waffen in einem solchen Konvoi sind.

Beide Sichtweisen sind grundsätzlich - wie bei vielen Verhältnismäßigkeitsfragen - vertretbar. Die Frage, ab welchem Grad der Ausnutzung ziviler Infrastrukturen durch asymmetrische Kriegsführung ein militärisches Eingreifen legitim ist, wird selbstverständlich von den Konfliktparteien stets unterschiedlich aufgefasst werden. Absolute Aussagen wie „Israel würde niemals einen Flüchtlingskonvoi angreifen“ oder „Israel greift völlig grundlos Flüchtlingskonvois an“ wären daher problematisch, relative Aussagen wie „Israel greift Flüchtlingskonvois an [um damit Hamas-Truppen- und Waffentransporte zu treffen], dies ist auch meiner Sicht unverhältnismäßig (und damit völkerrechtswidrig) oder verhältnismäßig (und damit legitime Verteidigungshandlung)“ sind hingegen mMn im Kern zulässig.

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Ich denke, damit die Aussage zulässig ist, sollte das Ereignis überhaupt erst einmal eingetreten sein. Ich habe, bevor ich gepostet habe, nach entsprechenden Meldungen gesucht.

Die meisten Meldungen zu „IDF bombs convoy“ beziehen sich auf die Bombardierung des Krankenwagens für einigen Tagen. Israel hat eingeräumt, für die Tat verantwortlich zu sein, gibt aber an, im Krankenwagen hätten sich Terroristen befunden. Die Hamas bestreitet das. Was stimmt, wissen wir nicht. Es handelt sich dabei aber nicht um einen Flüchtlingskonvoi.

Die Meldungen, die von Flüchtlingskonvois handeln, lassen sich wiederum in 2 Kategorien einteilen.

1.) Meldungen, die sich einzig und allein auf Hamas Angaben berufen (wie seriös das ist, haben wir bei dem vermeintlichen Angriff auf das Krankenhaus gesehen) und sich nicht unabhängig überprüfen lassen.

2.) Meldungen, die sich auf Grund des Videomaterials überprüfen lassen. Da kommt dann aber wie hier bei der BBC oft raus, dass die Videoschnipsel nicht zusammen passen und das getroffene Fahrzeug nicht das sein kann, was man wenige Sekunden zuvor noch als Teil des Konvois gesehen hat.

Differenzierung ist das oberste Gebot der Stunde und wie ich beispielsweise in früheren Posts auch geschrieben habe, halte ich den Angriff auf besonders vulnerable Ziele selbst dann für falsch, wenn man dadurch einzelne Terroristen ausschalten könnte, aber bei Aussagen, die das eindeutige Potential haben, Israel zu dämonisieren (bombardiert Flüchtlingskonvois/Flüchtlingslager/Krankenhäuser) sollten wir in erster Linie die Fakten checken, bevor wir darüber reden, wie differenziert man die Lage betrachten muss.

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Dann ist es ein militärisches Ziel. Case closed.

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Grundsätzlich würde ich dem zustimmen, wobei ich das für beide Seiten anmerken würde, was in der Konsequenz bedeutet, dass sämtliche Beiträge in denen davon die Rede ist, dass „die Palästinenser“ etwas tun, damit aber „die Hamas“ gemeint ist, ebenso vermieden werden sollten (denn eine ganze Zivilbevölkerung mit einer Terrororganisation gleichzusetzen ist natürlich ein riesiges Problem).

Da aber mit dem von @Blackfire zitierten Beitrag von Politico (die wohl als eher mehr als weniger reputable Quelle gelten kann, wenngleich es aus dem Hause Springer kommt…) ein reguläres Media-Outlet aus dem nicht-extremistischen Bereich auch diese Schilderung verwendet, fällt es schwer, es als völlige Fake News zu sehen sondern neige dazu, es als - durchaus grenzwertigen - Teil des Diskurses zu betrachten. Andere kommen da sicherlich zu anderen Einschätzungen, was wohl ebenso berechtigt ist.

Wie gesagt, solche Grenzfälle wird es immer geben - die Frage, wo die Grenze verläuft, ab der man mit Verboten statt mit Argumenten arbeitet, ist dann im Ergebnis doch ein Stück weit subjektiv.

Daniel, ich glaube, wir reden aneinander vorbei, obwohl wir ähnliche Dinge meinen:

Den Angriff auf den Krankenwagen habe ich doch sogar eingeräumt. Der ist ja aber kein Flüchtlingskonvoi, sondern ein medizinischer Transport (siehe meine Aufzählung) Ich finde das zeigt eigentlich auch eines: Es gibt genug tragisches und schwer zu ertragendes Leid. Konzentrieren wir uns auf das, was sich bestätigen lässt. Das ist alles schlimm genug.

So leicht ist es eben gerade nicht.

Ich stehe hier ein wenig zwischen den Fronten, wie so oft.

Wenn in einem eigentlich verbotenen Angriffsziel (z.B. einem Krankenhaus, einem Flüchtlingskonvoi, einem Rotes-Kreuz-Konvoi) Kombattanten oder Waffen transportiert werden, ist es dadurch eben nicht automatisch ein militärisches Ziel und jede Maßnahme ist erlaubt - sondern in genau diesen Fällen muss eine Abwägung stattfinden. Bei der Bundeswehr wurde uns das damals in der Grundausbildung als „Waage der Verhältnismäßigkeit“ eingetrichtert. Es muss eine Abwägung stattfinden zwischen:

a) Wie wichtig ist das militärische Vorgehen gegen das Ziel? Daher wie viele Hamas-Kämpfer, Waffen, Kommandeure etc. können durch einen Militärschlag ausgeschaltet werden?
gegen
b) Wie viele Kollateralschäden sind bei solch einem Angriff zu erwarten? Daher: Wie viele unschuldige Zivilisten, die in diesem Konvoi sind und i.d.R. gar nicht wissen (und wenn sie es wüssten: nichts dagegen tun könnten), dass Hamas-Kämpfer und Waffen auch Teil des Konvois sind, würden sterben?

Was du machst, wäre der klassische juristische Fehler, keine Abwägung anzustellen, wo eine Abwägung zwingend, nach jeder (völker-)rechtlich vertretbaren Ansicht, notwendig ist. Und das ist ein Kardinalfehler.

Bei dieser Abwägung wird man - wie oben schon gesagt - je nachdem, auf welcher Seite des Konflikts man steht, zu im Detail anderen Ergebnissen kommen. „100 Zivilisten töten, um 2 Hamas-Kämpfer auszuschalten“ wäre wohl nach jeder Ansicht nicht verhältnismäßig, aber „20 Zivilisten töten um 10 Hamas-Kämpfer oder einen wichtigen Anführer auszuschalten“? Hier würde Israel dann sagen, dass das militärische Interesse überwiegt, während die Gegenseite sagen würde, dass das humanitäre Interesse überwiegt. Beide Ansichten wären wohl vertretbar.

Ich sage nicht, dass der konkrete Fall unberechtigt gewesen wäre - wir wissen alle nicht, wie groß dieser „Konvoi“ war (einige reden nur von einem Krankenwagen, andere von einem ganzen Konvoi), ob tatsächlich ein Hamas-Funktionär anwesend war, ob es bessere Möglichkeiten gegeben hätte, diesen auszuschalten usw.

Wir wissen es einfach nicht - und deshalb behauptet jeder das, was der eigenen Position im Konflikt entspricht. Und dass man alle Meldungen von Militär und Geheimdiensten und natürlich insbesondere der Hamas hinterfragen sollte, ist glaube ich klar.

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Und ich denke, du machst den Fehler hier das Kriegsvölkerrecht so zu behandeln wie unser normales staatliches Recht in einem Rechtsstaat, wo man in der Tat Unrecht nicht mit Unrecht vergelten darf, sondern sich an die Institutionen wendet, die das Recht durchsetzen und das Unrecht bestrafen.

So funktioniert das aber nicht, denn derartige rechtsstaatliche Institutionen gibt es nicht, die dafür zuständig sind. Es gibt zwar die UN und den Sicherheitsrat, aber die entscheiden nach politischer Opportunität und nicht nach irgendeinem Gesetz. Und es gibt den Internationalen Strafgerichtshof, aber der wird von Israel nicht anerkannt, und von Gaza sowieso nicht, und hat daher keine Jurisdiktion.

Stattdessen funktioniert Völkerrecht schon immer über internationale Konventionen auf Quid-Pro-Quo-Basis. Ich folter deine Leute nicht, und du dafür meine auch nicht. Ich bombadiere deine Krankenhäuser nicht, und du meine auch nicht, und zusätzlich einigen wir uns alle darauf, dass Krankenhäuser auch nur für die Versorgung von Kranken und Verwundeten genutzt werden, und nicht „dual use“ gleichzeitig auch als Raketensilos, usw.

In diesem Konflikt fehlt dazu aber die Basis, weil eine Seite es einfach komplett ablehnt, sich in irgendeiner Form an diese Regeln zu halten, und daher halte ich es für völlig unrealistisch, von der anderen Seite zu verlangen sich buchstabengetreu trotzdem an alles zu halten – selbst wenn es durch das Verhalten der Gegenseite faktisch unmöglich gemacht wird – aber bei Hamas einfach schulterzuckend zu sagen „die halten sich halt nicht dran, weiß doch jeder, kann man nix machen“.

Die „Streitkräfte“ Gazas separieren sich halt nicht von Zivilisten, wie es das Völkerrecht eigentlich vorsieht, sondern verstecken sich und ihre Anlagen bewusst unter der Zivilbevölkerung, und das wird von niemandem bestritten, nicht einmal von ihnen selber.

Das mindeste, was man Israel in diesem Fall zugestehen muss, ist daher eine Beweislastumkehr. Solange nicht im Einzelfall bewiesen ist, dass irgendwelche Zivilisten tatsächlich anlasslos attackiert worden sind, muss man davon ausgehen, dass alle Informationen der Israelis, dass sich irgendwo in einem bestimmten Wohnhaus, Krankenhaus, Krankenwagen oder sonstwo feindliche Kämpfer aufhalten, wahr sind und es sich daher begründet um militärische Ziele handelt, ganz gleich ob die Informationen am Ende überhaupt richtig waren oder nicht. Denn wenn am Ende immer ausschließlich der der Dumme ist, der sich so weit es geht an die Regeln hält, erodieren wir am Ende das humanitäre Völkerrecht an sich.

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Wie gesagt, ich verstehe deinen Punkt und gestehe Israel ja auch zu, im Rahmen der Ausübung des legitimen Selbstverteidigungsrechts ziemlich viele Kollateralschäden anzurichten, das habe ich ja auch mehr als einmal hier schon zu Protokoll gegeben.

Ich stimme lediglich nicht zu, dass dies absolut grenzenlos gilt und gar keine Abwägungen mehr praktiziert werden müssten. Denn zu dieser Auffassung kommt man nur, wenn man „die Hamas“ mit „den Palästinensern“ gleich setzt.

Wir reden hier immer noch von Zivilisten. Von Menschen, in einer schrecklichen, ausweglosen Lage. Diese Menschen verdienen ebenso, dass man ihre Rechte berücksichtigt, wie Israel dies im Rahmen seines Selbstverteidigungsrechts verdient. Deshalb lehne ich es ab, in diesem Konflikt einer Seite einen massiven Vertrauensvorschuss zu gewähren und zu sagen: „Das wird schon alles so richtig sein… das wollen wir gar nicht hinterfragen“. Nebenbei auch gerade deshalb, weil Israel im Hinblick auf den Siedlungsbau z.B. beweist, dass es ebenfalls das Völkerrecht mit den Füßen tritt, um seine Interessen durchzusetzen. Über die Militäreinsätze entscheiden in letzter Instanz die gleichen Politiker (und vermutlich auch hohen Militärs), die auch über den Siedlungsbau entscheiden. Das alleine erfordert, dass wir auch die Handlungen Israels kritisch betrachten. Auch mit der damaligen Vollblockade von Lebensmitteln, Wasser, Strom und Medikamenten hat Israel gezeigt, dass es bereit ist, völkerrechtswidrige Maßnahmen gegen die Zivilbevölkerung zu ergreifen - das wurde zum Glück durch Intervention der USA gerade gerückt. Solche Dinge müssen kritisiert werden und dafür muss man bei Zweifelsfällen kritisch hinschauen, statt mit einer „das wird schon in Ordnung gewesen sein“-Mentalität an die Sache zu gehen.

Daher: Ja, die Hamas macht es mit ihrem völkerrechtswidrigen Handeln Israel extrem schwer, Kollateralschäden zu vermeiden. Ja, das bedeutet, dass Israel auch höhere Kollateralschäden in Kauf nehmen darf, weil die Alternative sonst eine Aushöhlung des Selbstverteidigungsrechts wäre. Aber nein, das heißt nicht, dass Israel dadurch von jeder Verhältnismäßigkeitsabwägung frei würde.

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Man kommt aber nicht darum herum, das bis zu einem gewissen Grad zu tun. Die Hamas ist nunmal die „Regierung“ dieses De-Facto-Staats und kontrolliert die bewaffneten Einheiten, und ist nicht bloß eine isolierte Gruppe wie die RAF sie früher in Deutschland war.

Natürlich ist nicht jeder palästinensische Einwohner dort mit allem einverstanden, was die Hamas tut, aber es drängt sich auch nicht unbedingt der Eindruck auf, dass es da bspw. eine nennenswerte unterdrückte Opposition gäbe, die eine ganz andere Politik anstrebt. Stattdessen gibt es anscheinend Videoaufnahmen von jubelnden „Zivilisten“ am Straßenrand, die bei einer Art Parade die „erbeuteten“ Leichen bespucken.

Es ist nun einmal so, dass die Bewohner eines Landes im Kriegsfall immer mit ihrer Führung gewinnen oder verlieren, und die einzige Wahl, die sie evtl. haben, ist zu fliehen oder Regime Change und Frieden machen. Der Zweite Weltkrieg wurde schließlich auch nicht nur gegen Hitler oder nur gegen die NSDAP geführt, sondern gegen Deutschland. Und die Ukraine führt nicht nur Krieg gegen Putin, sondern gegen Russland. Und genau so führt eben Israel jetzt Krieg gegen Gaza und nicht nur gegen Einzelpersonen, weil sie von der gesamten Gesellschaft von Gaza aus angegriffen wurden.

Ebenso gibt es Videoaufnahmen von jubelnden Menschen, die Putin, Kim Jong Un oder Xi Jinping zujubeln - und wenig Widerstand gegen diese Machthaber. Bedeutet das, dass diese Autokraten jeweils eine völlig demokratische, chancengleiche Wahl gewinnen würden? Möglich, aber nicht sicher. Bedeutet die Tatsache, dass es kaum nennenswerte Opposition gibt, dass jeder mit der Regierungspolitik einverstanden ist? Ganz klar: Nein. Denn diese Regierungen sind bekannt dafür, die Opposition zu verfolgen und im Keim zu ersticken.

Und jetzt führ dir bitte vor Augen, dass die Hamas nicht nur ein „Diktator“ ist, sondern tatsächlich eine blutrünstige Terrororganisation. Wenn Putin, Xi oder Kim Regimegegner in’s Straflager schicken, was glaubst du, tut die Hamas? Ich gebe dir einen Tipp: Die haben keine Straflager und noch weniger Respekt für Menschenleben (was schon viel bedeutet…).

Dazu kommt die Tatsache, dass das palästinensische Volk nun seit vielen Jahrzehnten unter schrecklichen Voraussetzungen lebt. Die Tatsache, dass die Hälfe der Bevölkerung dort minderjährig ist, sagt extrem viel über die Lebensumstände aus. Ist das historisch selbstverschuldet? Klar. Ist der heute 14-24-jährige Palästinenser (der wohl 75% der gegenwärtig politisch handlungsfähigen Bevölkerung ausmacht) etwas für diese Geschichte? Nein!

Wenn wir einen langfristigen Frieden in Nahost wollen (und nicht bloß „Rache für den 07.10.“) müssen wir darüber nachdenken, wie wir es schaffen, dass die nächste Generation der Menschen in Palästina nicht auch zu so verkappten Antisemiten wird, wie es bei einem durchaus beträchtlichen Teil der gegenwärtigen Bevölkerung der Fall ist. Und da hilft es nicht, auf Abwägungen bei der Frage, ob eine Aktion militärisch notwendig und die Kollateralschäden wert ist, zu verzichten - ganz im Gegenteil.

Wie viel Prozent der in Gaza lebenden Palästinenser die Hamas tatsächlich unterstützen ist übrigens auch sehr umstritten, siehe z.B. diesen Artikel, nach dem es nur 27% sind:

Unbestrittener Fakt dürfte sein, dass die Hamas die finanziell und militärisch stärkste Gruppe (unterstützt durch den Iran und die Hisbollah) im Gaza-Streifen ist und zugleich, wie zuletzt die Massaker vom 07.10. gezeigt haben, auch die mit weitem Abstand rücksichtsloseste. Dass sich gegen diese Gruppe, auch wenn sie nur 5% der Bevölkerung ausmachen würde, niemand auflehnen wird, noch dazu, in einem Staat, in dem diese Gruppe die staatliche Autorität kontrolliert, es also keinen staatlichen Schutz gegen Übergriffe gibt, liegt auf der Hand. Es wäre schlicht Selbstmord.

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Nein, die Hamas übernimmt kaum eine Regierungsfunktion. Gaza ist ein „lost state“, weitgehend unregiert.

In einem Land, in dem Menschen, die sich gegen die Hamas auflehnen, von Wohnhäusern fallen, darf man nicht erwarten, dass eine nennenswerte Opposition existiert. Nur, weil (ich weiß nicht wie) viele Menschen aus nackter Angst still halten, kann man nicht schließen, wie hoch die Zustimmung der Bevölkerung zu der sie unterdrückenden Hamas ist.

Eine spannende Einschätzung von Matthias Herdegen, Direktor des Instituts für Völkerrecht an der Universität Bonn:

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was aktuelles, interessante Einschättzung zum Geisel-Deal:

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Krieg ist die Verfolgung politischer Ziele durch andere Mittel.
Die Politischen Ziele der Israelischen Regierung sind, sehr wahrscheinlich die Vertreibung der Palästinenser nach „Sinai“.
Neben dem gelakten Strategie

welches die „Evacuation of the Civilian Population from Gaza to Sinai“ empfiehlt, hat Netanyahu‘s Auftritt bei der UN

dafür gesorgt, dass eine andere Schlussfolgerung schwierig wird.
Der Verbleib der Palästinensische Bevölkerung in einem Annektierten Gaza würde, die schon jetzt gravierenden demographischen Probleme Israels unlösbar, machen. Über Kurtz oder lang wäre das Ergebnis eine Jüdische Minderheit im eigenen Staat.

Der ehemalige Israelische Premier Minister vertritt die Position neben anderen Israelischen Politikern öffentlich „We don’t tell Gazans to go to the beaches or drown themselves … No, God forbid … Go to the Sinai Desert. There is a huge expanse, almost endless space in the Sinai Desert just on the other side of Gaza.“

Neben dem deckt sich das Vorgehen der israelischen Arme ziemlich genau mit dem Dokument.

Um es in die Angebrachten Worte zu kleiden, es ist eine Politik der „ethnischen Säuberungen“. Unabhängig wie jeder einzelne sie Moralisch bewertet.