Inzidenz vs. Impfquote

Die These, man müsse wegen der wachsenden Zahl Geimpfter ein neues Maß für das Pandemiegeschehen einführen, weil die Inzidenz die tatsächliche Gefährdung Ungeimpfter unterschätze, ist falsch.

Dazu ein Beispiel: Es seien in einem Landkreis 100 Menschen mit SARS-Cov-2 infiziert. Dann habe ich als Ungeimpfter eine gewisse Wahrscheinlichkeit, in Kontakt mit einem der Infizierten zu geraten. Diese Wahrscheinlichkeit ist aber unabhängig davon, wie viele Menschen im betreffenden Landkreis geimpft sind.

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Leider wird immer wieder, und auch bei euch im Podcast die Impfwirkug überbewertet: sie schützt vor einem schweren Verlauf der Erkrankung, aber nicht vor Infektionsität. Auch für Geimpfte gelten weiterhin die AHA+L-Regeln. Aber das verstehen auch die Politiker nicht mehr. Werde ich als Geimpfter von einer infektiösen Person angesteckt (und ich werde angesteckt!), kann ich auch weiterhin nicht-geimpfte Personen anstecken. Das muss sehr deutlich herausgearbeitet werden. Bitte nehmt das in diesem Fall sehr genau. Wir als Gesellschaft werden das Virus durch die Impfung nicht mehr los. Es wird ein endemisches Virus, mit dem wir - durch Impfung - leben müssen. Bitte bei Drosten genau zuhören :slight_smile:

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Moin TPG,

Sie schützt auch vor Übertragung. Natürlich nicht vollständig, aber laut RKI ist eine Übertragung unwahrscheinlich.

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/122713/RKI-Virusuebertragung-durch-geimpfte-Personen-unwahrscheinlich

herzliche Grüße,
Markus

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Stimmt nicht so ganz, der sogenannte Indzidenzwert ist ja kein absoluter Wert (x Infizierte) sondern ein relativer (x Infizierte pro 100.000 Einwohner:innen pro 7 Tage). Um bei Deinem Beispiel zu bleiben: angenommen, der Landkreis hat 200.000 Einwohner:innen - dann beträgt die Meldeindizenz bei 100 positiven Tests pro Woche 50.
Und wenn ich einen relativen Wert habe, macht es natürlich einen Unterschied, ob aufgrund von Impfungen und früherer Infektionen nun noch 90, nur 60 oer sogar nur 30 Prozent der Bevölkerung überhaupt noch infiziert werden können. Daran hängt wiederum (je nach Altersgruppe), wie viele Menschen überhaupt die Gefahr eines schweren Verlaufs bzw. einer Hospitalisierung haben etc. Das mag jetzt noch nicht relevant sein, aber in 2-3 Monaten sieht das mit Sicherheit schon anders aus. Und das Infektionsschutzgesetz enthält soweit ich weiß keinerlei Befristung.
TL/DR: Je nach Impfquote ist der Ausagegehalt desdelben Inzidenzwertes komplett unterschiedlich.

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„ Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person trotz vollständiger Impfung mit SARS-CoV-2 infiziert und PCR-positiv wird, sei „niedrig, aber nicht Null“, schreibt das RKI. Als vollständig geimpft gelten Personen, deren letzte Impfdosis mindestens 15 Tage zurückliegt.“

Das ist ein Auszug aus dem Text, den Sie verlinkt haben.
Ich kann doch nicht (als Regierung) hin stehen, sagen Impfen ist super ihr seid dann alle sicher, und verharmlosen, dass es eben nicht so ist. Wieso bekommen geimpfte Sonderrechte? Gibt es denn Studien dazu, wie wahrscheinlich es ist, dass man sich generell ansteckt? Und ich rede jetzt nicht vom R-wert. Der bedeutet ja nur, dass eine Person x andere anstecken kann. Aber tut sie das denn auch? Gibt es vielleicht Gene, Immunsysteme oder sonst etwas, dass es dem Virus erschwert sich bei mir festzusetzen? Das wäre doch die gleiche Logik.
„Du kannst dich „nicht“ an stecken, weil dein Immunsystem so super ist“ zu „du kannst dich nicht anstecken, weil du geimpft wurdest“.
Wenn ich dann drüber nachdenke, dass ich 4 Personen kenne, die vollständig geimpft sind und sich trotzdem infiziert haben. Aber keinen kenne der die Infektion direkt an seinen unmittelbaren Familienkreis weitergegeben hat, finde ich die Bevorzugung von geimpften genauso fragwürdig wie die Benachteiligung als jener die keine Impfung bekommen können (weil zu jung, zu gesund, zu schwanger, zu krank).

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Zum 100. Mal: Es geht nicht um Sonderrechte. Die normalen Rechte für Geimpfte müssen überhaupt nicht begründet werden. Begründet werden müssen Einschränkungen von Grundrechten. Und bei einem minimalen Ansteckungsrisiko durch Menschen, die vollständig geimpft sind, lassen sich Einschränkungen von Grundrechten eben kaum noch rechtfertigen. Das bedeutet konkret, dass man vielleicht noch Maskenpflichten verhängen kann, aber viel mehr geht eben nicht.

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Moin Franzisa!

Das mit dem Immunsystem bewegt sich im Bereich der Spekulation. Der Effekt durchs Impfen lässt sich statistisch nachverfolgen. Und falls die Viruslast bei einem infizierten Geimpften wirklich geringer sein sollte, dann gibt es keinen Grund die meisten Grundrechtseinschränkungen aufrecht zu erhalten, weil dann der Grund dafür weitgehend wegfällt.

Herzliche Grüße,
Markus

Ich verstehe Deinen Punkt, halte ihn aber nicht für zutreffend. Wenn in Deinem Landkreis mit 200k Einwohnern bei 500 Infizierten das Gesundheitssystem kollabiert, dann tut es das, wenn keiner der Gesunden geimpft ist und genauso, wenn 199.500 geimpft sind.

Selbstverständlich geht der Impffortschritt in die Prognosemodelle der zukünftigen Inzidenz ein. Da spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle. Sogar die Jahreszeit. :wink:

Bei 500 Infizierten wird niemand mehr gefährdet, wenn alle anderen Geimpft sind. Dann kollabiert auch das Gesundheitssystem nicht mehr, sobald die 509 genesen oder gestorben sind.

Das Thema wird auch schon hier diskutiert:

Ich sehe diese „Korrektur“ der Inzidenz unter zwei Gesichtspunkten:

  1. Die Berechnung zeigt, wenn die absolute Zahl der Neuinfektion trotz hoher und wachsender Impfquote konstant bleibt oder steigt, dass man schlechter wird in der Pandemiebekämpfung.
  2. Und sie weist auf ein ethisches Problem hin, nämlich, dass wir unter den noch nicht geimpften eine wesentlich höhere Inzidenz akzeptieren als wir das vorher für die Gesamtbevölkerung getan haben.

Also kann das schon einen Sinn haben. Allerdings stimmt es auch, dass das Risiko, sich zu infizieren für alle Ungeimpften von der unkorrigierten Inzidenz abhängt .

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Die Kapazität des Gesundheitssystems hängt ja nicht mit der Zahl der Infizierten zusammen, sondern mit der Zahl derer, die schwere Krankheitsverläufe haben und stationär behandelt werden müssen. Die Priorisierung bei den Impfungen zielt ja gerade darauf ab, den Anteil dieser potenziell schweren Verläufe zu senken. Sprich: von 500 Infizierten müssen momentan vielleicht noch 50 ins Krankenhaus, bald aber nur noch 30 oder 10.

Das mag sein, aber wie sich die Zahl der Infektionen durch die Impfungen verändert ist ja noch einmal eine ganz andere Frage, als wie sich die Zahl der schweren Erkrankungen durch die Impfungen ändert - hat also mit dem was ich gesagt habe, eigentlich nichts zu tun. Zudem sind ja für rechtliche Regelungen und Einschränkungen ja nicht irgendwelche Prognosen oder Modelle maßgeblich, sondern die tatsächliche Meldeinzidenz. Und die erfasst nun mal per Definition nur die Zahl der Infektionen und nicht die Zahl der Erkrankungen - sie kann also die genannten Effekte der Impfungen gar nicht berücksichtigen - das ist ja genau die Kritik an der Fixierung auf diesen Wert.

Gut, dann lass mich mein Extrembeispiel modifizieren: 500 Infizierte, 199.499 Geimpfte und ein nicht Geimpfter. Steckt der sich an, haben wir die Überlastung des Gesundheitssystems.

Der Unterschied wäre dann tatsächlich, ob diese Überlastung einen oder 199.500 Menschen trifft. Aber wollen wir diese Unterscheidung zulassen? Wollen wir eine Zahl x definieren, bei der wir es für vertretbar halten, von unserem Gesundheitssystem fallen gelassen zu werden, und daran unsere Politik ausrichten?

Der Bezug auf je 100.000 Einwohner wird in der Statistik vorgenommen, um Vergleichbarkeit herzustellen.
Beispiel: Landkreis A hat 100.000 Einwohner und 50 Neuinfektionen in 7 Tagen. Dann ist die Inzidenz bei 50. Landkreis B hat 200.000 Einwohner und 100 Neuinfektionen in 7 Tagen. Die Inzidenz ist ebenfalls bei 50. Man vergleicht also keine absoluten Zahlen, die den Eindruck erwecken würden, in B sei es doppelt so schlimm wie in A, sondern macht die Zahlen damit nennergleich.
Wie viele der Einwohner „anfällig“ sind, spielt dafür tatsächlich keine Rolle; je größer der Anteil an geimpften Personen wird, desto kleiner wird mit der Zeit die Inzidenz werden. Hier geht es um eine statistische Größe, die nicht mit anderen vermischt oder verwechselt werden darf.

In der Tat muss man sich jedoch ggf fragen, ob der alleinige Blick auf die Inzidenz in Bezug auf die Belastung des Gesundheitssystems ausreicht.
Auch Todeszahlen tun das leider nicht- klingt zwar hart, aber die Verstorbenen belasten das System nur gering oder kurz. Die deutlich größere Belastung entsteht durch verhältnismäßig junge Leute mit schweren Verläufen, die für sehr lange Zeit viel Kapazität binden.
Man darf an dieser Stelle übrigens nicht ganz vergessen, dass COVID Patienten eine isolierte Unterbringung benötigen. Wenn die Infektion gesichert ist, dürfen sie auch zusammenliegen, aber bis dahin kommt jeder Verdachtsfall in ein Zimmer alleine, das sonst ein Zweibettzimmer wäre. Allein dadurch stehen plötzlich deutlich weniger Betten zur Verfügung.

Das wäre in einem exponentiellen Wachstum extrem gefährlich, wenn man deshalb höhere Inzidenzen zulassen würde! Um bei Deinem Beispiel zu bleiben: wenn heute von 500 Infizierten nur 30 anstatt 50 ins Krankenhaus müssen, dann dauert es im ansteigenden Ast einer Welle weniger als eine Verdopplungsperiode, bis wir dieselbe Situation in den Krankenhäusern haben. Dann erst zu bremsen ist wesentlich schwieriger, weil die Kurve bis dahin steiler geworden ist. Es würden in den darauffolgenden Perioden der Entwicklung also wesentlich mehr Patienten in den Krankenhäusern landen.

Darüber hinaus gibt es viele weitere Faktoren, die für die Auslastung des Gesundheitssystems zu bedenken sind, z.B. die höhere Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf bei B117 oder die längere Verweilzeit von jüngeren Patienten. Aus diesen Gründen haben wir trotz fortschreitender Impfung der vulnerablen Gruppen derzeit die Situation, dass wir dieselbe Inzidenz UND dieselbe Auslastung der Intensivstationen haben wie Mitte Dezember. Die Wahrscheinlichkeit, die Intensivstation zu überleben ist nach wie vor bei ca. 50%. Der Unterschied ist nur, dass die Patienten heute im Schnitt wesentlich jünger sind.

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Ja, wenn alles ganz schlimm kommt, ist die Lage sicherlich schlimm. Die Frage ist nur wie realistisch das von Dir entworfene Szenario ist.
Um es mal konkret zu machen: Ein Landkreis mit 200.000 Einwohner:innen hat zurzeit eine Inzidenz von 150 Neuinfektionen pro Woche. Bei einer Hospitalisierungsquote von 10% müssen also 15 neue Personen pro Woche stationär behandelt werden - die meisten davon nicht intensiv und nur wenige Tage. Nimmt man nun an, dass die Hospitalisierungsquote aufgrund der Impfungen stark sinkt, sagen wir auf 5% - dann müsste die Indizenz auf das Doppelte (also auf 300) steigen, um auch nur dieselbe Zahl an Hospitalisierungen zu erreichen. Um eine größere Belastung des Gesundheitssystems zu haben als heute, müsste sich die Zahl der Neuinfektionen also mehr als verdoppeln. Das halte ich aus folgenden Gründen für unrealistisch:

  • die bisherigen Wellen zeigen (nicht nur in D), dass der Anstieg nie über einen längeren Zeitraum konstant hoch ist, sondern irgendwann wieder abflacht.
  • die Temperaturen steigen. Im Sommer geht die Zahl der Infektionen eher zurück als stark anzusteigen.
  • die steigende Zahl der Impfungen wirkt sich ebenfalls positiv auf die Zahl der Infektionen aus. Je größer der Anteil der Geimpften, desto höher dieser Effekt.
  • die Effekte von B117 dürften nicht mehr allzu groß sein, da diese Variante eh schon für 90% aller Infektionen verantwortlich ist.

Die Beschreibung der heutigen Situation ist aus meiner Sicht kein gültiges Argument gegen ein Szenario in der nahen Zukunft. Die von mir beschriebenen erwartbaren Effekte sind ja bisher nur zum Teil eingetreten. Und dass die Wahrscheinlichkeit, bei einer Intensivbehandlung zu versterben, sich nicht verändert hat, stimmt einfach nicht. Wenn dem so wäre, hätten wir ja nicht das Problem, dass teilweise bis zu 2/3 der Intensivpatient:innen schon seit Monaten dort sind.

TL/DR: Die positiven Effekte der Impfung auf Infektionsgeschehen und Hospitalisierungsrate werden mittelfristig (in ein paar Monaten) sehr viel stärker sein als die negativen Effekte eventueller(!) Steigerungen des Infektionsgeschehens. Daher ist die heutige Fixierung auf absolute Inzidenzwerte mittelfristig nicht tragbar.

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