Investigativer Journalismus und private Handydaten? NeoMagazin Royal vs Fynn Kliemann

Wie weit darf eigentlich Investigativer Journalismus gehen?
Bei der letzten Sendung vom Neomagazin Royal vom 06.05.22 wurden private Handydaten dh Messenger-Chatverläufe und privater bzw geschäftlicher E-Mail-Verkehr von Fynn Kliemann bzw Tom Illbruck öffentlich gemacht.
Kritischer und Investigativer Journalismus ist ungemein wichtig! Allerdings frage ich mich wie die Rechtslage ist einerseits auf solche privaten Daten zuzugreifen und sie dann andererseits auch im Fernsehen direkt öffentlich zu machen. Also klar müssen Anschuldigungen und Kritik belegbar sein, allerdings würde mich sehr interessieren, in wie fern Journalist*innen tatsächlich auf so sensible Daten zugreifen und sie dann auch noch in einem Fernsehbeitrag veröffentlichen dürfen.

Ich weiß, dass das jetzt kein super weltbewegendes Thema ist, aber anhand dieses Einzelfalls, hat sich mir wiederholt die Frage gestellt und da ihr ja als Jurist und Journalist da wahrscheinlich genau die beiden relevanten Aspekte dieser Frage abdeckt, würde ich mich freuen, wenn ihr da demnächst noch einmal kurz drauf eingehen könntet :slight_smile:

Grundsätzlich ist die Vertraulichkeit des (nicht-öffentlich gesprochenen) Wortes strafrechtlich geschützt, gleiches gilt jedoch nicht für die private schriftliche Kommunikation (§ 201ff StGB). Aber selbst wenn es sich statt um WhatsApp-Nachrichten um (illegale) Tonaufnahmen handeln würde, würde hier ein spezieller Rechtfertigungstatbestand greifen (§ 201 Abs. 2 S. 3 StGB („Sie ist nicht rechtswidrig, wenn die öffentliche Mitteilung zur Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen gemacht wird.“).

WhatsApp-Nachrichten sind dagegen ähnlich wie Briefe und eMails aber schon weniger geschützt. Zwar ist deren Veröffentlichung auch verboten, aber nur nach zivilrechtlichen Maßstäben, nicht nach strafrechtlichen. Daher: Man kann denjenigen, der diese Dinge veröffentlicht, zivilrechtlich belangen (Unterlassungsklage, Schadenersatz), aber eben nicht strafrechtlich.

Im vorliegenden Fall besteht jedoch ein großes öffentliches Interesse an diesen Informationen - schon deshalb, weil der Vorwurf massiver Straftaten im Raum steht und es sich um eine öffentliche Person handelt. Auch dringen die Informationen, die hier veröffentlich wurden, kaum bis gar nicht in die Intimsphäre des Betroffenen ein, kurzum: Eine Boulevard-Zeitung, die WhatsApp-Nachrichten über einen Beziehungsstreit eines Promi-Paares veröffentlicht, müsste anders bewertet werden, als ein journalistisches Medium, welches im Interesse der Allgemeinheit stehende geschäftliche Informationen veröffentlicht.

Kliemann könnte also nun versuchen, gegen Böhmermann zu klagen - auf Unterlassung oder Schadenersatz - aber es dürfte nicht in seinem Interesse sein, dass ein Gericht sich den Sachverhalt genauer anschaut. Außerdem wäre der Streisand-Effekt die logische Folge: Es würde noch stärker über den Sachverhalt berichtet werden - und das über eine lange Zeit hinweg…

So gesehen hat das Team um Böhmermann alles richtig gemacht, weil die Informationen sehr deutlich selektiert wurden, um keine zu privaten Informationen zu enthalten.

Wichtig ist hier, zu realisieren, dass das natürlich nur öffentliche Personen betrifft. Wer nicht als z.B. Politiker, Prominenter oder Influencer in der Öffentlichkeit steht braucht natürlich keine Angst haben, dass seine Inhalte direkt im Fernsehen veröffentlicht werden. Das „ins-Rampenlicht-ziehen“ von nicht-öffentlichen Personen war ja ein regelmäßiger Streitfall in der Anfangszeit von TV Total und hat regelmäßig zu Schadensersatzansprüchen geführt. Öffentliche Personen müssen halt etwas mehr ertragen können als nicht-öffentliche Personen, das ist sozusagen der Preis des Ruhmes.

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Hier ist auch noch eine gute Erläuterung dazu (Quelle: juristische-ruhr.de):

Methoden bei der Informationsbeschaffung
Die regelmäßig diskutierte Frage lautet: Darf sich ein Journalist rechts-
widriger Mittel bei der Informationsbeschaffung bedienen? Die Antwort
lautet eindeutig „nein“.

Schon in der Wallraffentscheidung aus dem Jahre 1984 hat das BVerfG
ausgeführt, vorher bereits der BGH, dass die Pressefreiheit nicht die
rechtswidrige Beschaffung von Informationen schützt. Dies folgt zwangs-
läufig aus der Schranke der allg. Gesetze. Es gibt nämlich kein Sonder-
strafrecht für Journalisten.
[…]

Ich war auch etwas überrascht, dass da u.A. Whatsapp-Nachrichten gezeigt wurden. Ich kann mir gut vorstellen, dass das ganze Material von einem Insider kommt, der bei Kliemann gearbeitet hat und früher wäre das ZDF Magazin damit auch „fein raus“.

Leider haben wir in Deutschland ja inzwischen den unsäglichen Paragraphen der Datenhehlerei (Quelle: Wikipedia):

(1) Wer Daten (§ 202a Absatz 2), die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Ich vermute aber mal, dass dieser hier nicht greift, da ein Richter hier keinen Versuch des ZDF sehen dürfte, Finn Kliemann zu schädigen, sondern ihren journalistischen Auftrag zu erfüllen. Hoffe ich jedenfalls.

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Danke dir. Das war bei uns am Küchentisch auch schon Thema und ich konnte es nicht erklären.