Ein Thema, von dem ich in der Lage fast nichts gehört habe, ist das Thema Tierwohl. Angesichts des enormen Leids, dass die industrielle Massentierhaltung produziert, halte ich dies für ein vernachlässigtes Thema (in der Medienlandschaft allgemein). Weltweit werden ca. 23 Milliarden Landtiere und 100 Milliarden Fische in intensiver Form gehalten. Diese Tiere sind furchtbaren Bedingungen ausgesetzt. Das beginnt schon bei der Genetik. Z.B. Masthähnchen sind so gezüchtet, dass ihre Brust so groß ist, dass ihre Beine sie nicht mehr tragen können. Dann sitzen sie in ihrem eigenen Kot, was wiederum ihre Haut verätzt. Legehennen legen 10x so viele Eier wie natürlich wäre, was zu schmerzhaften Entzündungen sowie bei fast allen Hennen zu Knochenbrüchen aufgrund des übermäßigen Kalziumentzug für die Eierproduktion führt. Die Haltebedingungen sind furchtbar, insbesondere, wenn Tiere in viel zu kleine Käfige gesperrt werden und die Käfighaltung von Legehennen ist in den meisten Teilen der Welt noch immer erlaubt. Die Schlachtung setzt dem kurzen leidvollen Leben ein häufig brutales Ende, insbesondere, wenn die Betäubung aufgrund von Effizienzdruck nicht richtig funktioniert. Die CO2-Betäubung von Schweinen ermöglicht nicht, wie von der Industrie behauptet, einen schmerzfreien Tod, sondern ist selbst mit Schmerzen verbunden. Man findet im Internet unerträgliche Aufnahmen von Schweinen, die sich vor Schmerz und Panik lange winden, bevor sie endlich bewusstlos werden. Die Liste der Grausamkeiten, die einer unvorstellbar großen Zahl von Tieren zugefügt werden, ist lang. Obwohl die meisten Menschen wissen, dass Tiere nicht einfach ein glückliches Leben auf einer Blumenwiese führen, machen sie sich wohl keine Vorstellungen vom schieren Ausmaß des Leids, das eine rein profitorientierte und minimal regulierte Industrie sowie die Nachfrage der Konsumenten verursacht.
Eine allgemeinere Berichterstattung zu dem Thema könnte vielleicht an aktuelle Entwicklungen anknüpfen. Z.B. hat die EU-Kommission vor einigen Jahren eine Überholung des Tierschutzrechts versporchen, die sie aber bis heute schuldig geblieben ist. Kürzlich haben eine handlvoll EU-Parlamentarier die Kommission in einer gemeinsamen Stellungnahme an ihr Versprechen erinnert.
Eine Entwicklung, die Grund zur Hoffnung gibt, sind die Fortschritte im Bereich Alternative Proteins, d.h. künstliches Fleisch basierend auf Zellkulturen. Natürlich setzt sich die Fleischindustrie gegen diese Konkurrenz zur Wehr. In Italien wurde der Verkauf von Labor-gezüchtetem Fleisch letztes Jahr verboten und mehrere andere EU-Länder sprechen sich gegen seine Zulassung aus.
Das ist nicht richtig. NIcht die Fleischindustrie wehrt sich, sondern die Landwirte! Der umtriebige Herr Tönnies investiert Millionen in das Zellkulturen Fleisch und hält sich in Statements beide Türen offen.
Danke, interessante Info! Jedenfalls aber scheinen die Landwirte allein einflussreich genug zu sein, um zu bewirken, dass sich einige EU-Länder bereits gegen Labor-Fleisch positionieren. Sie führen das Argument ins Feld, es gelte die kulinarischen Traditionen zu verteidigen. Haben Landwirte je gegen McDonald‘s Front gemacht?
Gut. Aber das Argument der bedrohten Esskultur, das gegen Labor-Fleisch angeführt wird, treibt unter Landwirten jetzt keine breite Protestbewegung gegen Fast Food an, glaube ich.
Ganz ganz viele wichtige Aspekte, die hier aufgeführt werden! Passend dazu wäre auch das Thema der abgeblasenen Novellierung des Tierschutzgesetzes zum Ampelaus.
Vielleicht noch eine Ergänzung zu deinem Text: Die Umweltbilanz der Fleischindustrie ist unfassbar schlecht.
Das ist völlig richtig. Aufgrund der starken Emotionalisierung des Themas Ernährung eignet es sich leider besonders gut für politische Meinungsmache. Das führt dazu, dass die Landwirtschaft in politischen Diskussionen nur am Rande erwähnt oder ganz ignoriert wird. So wird die Landwirtschaft meines Wissens nicht in das europäische Emissionshandelssystem EU-ETS 2 einbezogen. Dabei sind die Fakten sehr klar und es sollte normal sein, darüber zu sprechen. Den folgenden Artikel hatte ich gerade in einem anderen Thread gepostet, aber er passt sehr gut hierher „Environmental Impacts of Food Production“:
Lebensmittelproduktion verursacht 26 % der globalen Treibhausgasemissionen.
50 % der bewohnbaren Landfläche (ohne Eis- und Wüstengebiete) wird für Landwirtschaft genutzt.
70 % der weltweiten Süßwasserentnahmen entfallen auf die Landwirtschaft.
Landwirtschaft ist für 78 % der globalen Überdüngung (Eutrophierung) von Gewässern verantwortlich.
94 % der Biomasse nicht-menschlicher Säugetiere besteht aus Nutztieren – das Verhältnis zu Wildsäugetieren beträgt 15:1.
Bei landbasierten Säugetieren liegt der Anteil von Nutztieren sogar bei 97 %.
71 % der Vogelbiomasse besteht aus Geflügel-Nutztieren – das Verhältnis zu Wildvögeln beträgt über 3:1.
In der Tat, das Nachhaltigkeitsproblem kommt noch hinzu…
Ich habe es absichtlich ausgelassen, weil ich meine, dass das Tierwohl schon ein ausreichendes Argument sein sollte.
Der Trend im Fleischkonsum geht Richtung Geflügel statt Rind oder Schwein, was vielleicht damit zu tun hat, dass umweltbewusste Konsumenten zu Geflügel als umwelftfreundlichere Alternative wechseln. Ich halte das für eine schlechte Entwicklung, denn Hühner leiden in der Massentierhaltung mehr als Rinder.
Die Süddeutsche hat gestern diesen interessanten Artikel zum Thema Laborfleisch veröffentlicht.Darin heißt es unter anderem, dass die Grünen Laborfleisch ablehnen. Cem Özdemir geizt angeblich mit Fördermitteln für die Forschung an Laborfleisch. Weiß jemand Näheres? Bei einer kurzen online-Recherche konnte ich nur dieses Positionspapier des grünen Europa-Abgeordneten Martin Häusling finden. Als Gründe gegen die Förderung der Entwicklung von Laborfleisch finde ich seine Arguemente allerdings - vorsichtig formuliert - nicht überzeugend.
Ich fände es sehr bedauerlich, wenn sich ausgerechnet die Grünen gegen die einzige gute Chance, das brutale System der Massentierhaltung bald loszuwerden, positionieren würden.
Klingt so, als ob man die Anti-Impffraktion (kritisch gegen Schulmedizin, kritisch gegen Glutamat, gegen “Chemie” im allgemeinen, gegen CRIPR etc.) anspricht. Das ist natürlich keine allgemein gültige und wissenschaftliche Beschreibung aber ein Teil der Klientel.
Soweit ich weiss, ist das Laborfleisch bisher in den Kinderschuhen. Sehr aufwändig, braucht viel Energie, im Moment nur in kleinen Mengen machbar, kaum skalierbar. In dem Artikel werden unter anderem Zuschüsse für diese „Zukunftstechnologie“ gefordert. Warum nach Subventionen gerufen wird, um Fleisch aufwändig und teuer zu züchten erschliesst sich mir nicht. Dass der Staat dafür zuständig sein sollte, Ersatzfleisch zu züchten, sehe ich nicht.
Proteine wachsen auch anders, zB als in Form von Hülsenfrüchten etc pp.
Warum die Grünen im gleichen Atemzug als technikfeindlich verächtlich gemacht werden, nur weil sie nicht groß Subventionen dafür ausgeben wollen, scheint mir auch eher Unfug.
Kinderschuhe würde ich es nicht mehr nennen, da zwei große Anlagenbauer diese Anlagen in einem 500 kg/Tag Maßstab anbieten. Energie ist übrigens gar kein Problem, wenn man es mit herkömmlichen Fleisch vergleicht (27% des Energieverbrauches im Vergleich).
Die Problematik liegt im Moment in der Hygiene. Das ist auch die Herausforderung warum die Skalierung schwierig ist.
Da stimme ich absolut zu.
Naja, diese Subventionen haben das Potential die Landwirtschaft komplett zu revolutionieren und damit den Klima- und Artenschutz extrem zu fördern. Das Potential ist mit der IT/-Internet Revolution zu vergleichen.
Ist vllt eine Frage der Prioritäten. Fleisch, zumindest in den Mengen wie wir es konsumieren, scheint mir ein Luxusgut.
Die Bekämpfung des Klimawandels und die dafür erforderlichen Schritte, wie zB erneuerbare Energie, Netzausbau, Energiespeicher etc pp, oder auch die Technik für eine sichere Lagerung unseres Atommülls (fehlt leider immer noch) scheinen mir da dringlicher zu sein.
Eine mögliche Lösung was Fleisch anbetrifft, könnte eine Reduzierung des Konsums sein. Wäre verm eher kostenfrei und würde verm. auch Kosten im Gesundheitswesen, der Landwirtschaft etc pp bewirken. Low Tec aber effizient.
Low Tec aber effizient sehe ich bei den anderen Problemen eher nicht. Deswegen hätten die für mich Priorität.
Da stimme ich zu. Leider sehe ich dafür keine politische Mehrheit in der Bevölkerung. Du willst hier einen kompletten Ess-Kulturwandel, was wirklich nicht ansatzweise durchsetzbar ist. Alleine die Erhöhung der MWSt auf Fleischprodukte und eine Absenkung der fleischlosen Produkte ist nicht mehr in Reichweite.
In Deutschland hat die Landwirtschaft nach Schätzungen des Umweltbundesamtes im Jahr 2022 insgesamt 55,5 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente emittiert. Das sind 7,4 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in Deutschland. Davon kamen rund 38,6 Millionen Tonnen aus der Tierhaltung. Fleisch- und Milchviehhaltung sind für knapp 70 Prozent aller landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen und für mehr als 5 Prozent der gesamten Emissionen in Deutschland verantwortlich.
Das ist schon ein guter Beitrag und dazu bekommen wir gesunde Böden zurück und können mehr Ackeranbaufläche ökologisch betreiben…
Es werden ja nicht Subventionen für die laufende Produktion von Laborfleisch gefordert, sondern Fördermittel für die Weiterentwicklung dieser Technologie, um Laborfleisch eines Tages praktikabel (d.h. kostengünstig/ skalierbar) zu machen.
Die Grünen werden nicht verächtlich gemacht. Das Originalzitat lautet: „[…] dafür geizt das grüne Ernährungsministerium von Cem Özdemir mit Fördermitteln. Diese werden aber dringend für jede neue Technologie benötigt, damit sie sich entwickeln kann. Die Grünen machen keinen Hehl daraus, dass sie kultiviertes Fleisch ablehnen. Ihr Fokus liegt auf einer ökologischen und ländlichen Landwirtschaft. Das ist kurzsichtig und fahrlässig.“
Die Argumente, die Martin Häusling im oben zitierten Positionepapier veröffentlicht hat sind allerdings wirklich ausgesprochen schlecht. (Jedenfalls, wenn sie als Argumente gegen der Förderung der Forschung an Laborfleisch gemeint sind.)
Hihi, da hätte ich gerne mal gewusst, ob gleiche Vergleichsmaßstäbe angelegt werden. Meine These ist: Bei Laborfleisch werden an die Hygiene absurd hohe (Labor)-Ansprüche gestellt, während wir bei „klassischer“ Tierzucht natürlich wissen, wie unhygienisch das Ganze sein muss (eben weil wir es mit lebenden, schwitzenden, kackenden und pissenden Organismen zu tun haben…). Aber die Hygieneprobleme bei der Tierzucht werden halt als „natürlich“ wahrgenommen, beim Laborfleisch hingegen nicht. Der klassische naturalistische Fehlschluss, wie er im Buche steht. Im Prinzip die gleiche Diskussion wie bei KI im KFZ: Einen Toten durch einen Fehler der KI sind wir weniger bereit zu akzeptieren als 1000 Tote durch menschliche Fehler. Dadurch werden die Ansprüche so hoch geschraubt, dass sie realistisch nicht erreichbar sind, zumindest nicht wirtschaftlich konkurrenzfähig zum vermeintlich „natürlichen“ Szenario…
Ja, die derzeitige Landwirtschaft ist ein relevanter CO2 Emittent. Und von der CO2 Bepreisung ausgenommen.
Auf die Entwicklung einer Technik zu setzen, die vllt in 5 oder 10 oder 20 Jahren oder auch gar nicht hilft, da was zu reduzieren, ist bei der zeitlichen Dringlichkeit des Problems nicht hilfreich. Vllt eher Ablenkung und Nebelkerze. Wie bei einigen anderen Themen (eFuels, neue Atomkraftwerke etc pp)
Vllt könnte man da erstmal die externen Kosten von Fleisch einpreisen.
In sechs Wochen ist Wahl, danach gibt es vermutlich einen neuen Minister. Warum soll man sich da noch wegen so was mit dem Bauernverband anlegen?
Was man auch nicht außer Acht lassen sollte: nur weil es die Möglichkeit gibt, Fleisch künstlich herzustellen, muss es auch von den Verbrauchern gekauft werden. Wenn die nun trotzdem lieber das Schwein aus Massentierhaltung wollen?
Und bei „billiger“ wäre ich auch vorsichtig. Viele Alternativprodukte sind in der Produktion günstiger, aber im Laden trotzdem teurer als Fleischprodukte, einfach weil die Verbraucher bereit sind, für Alternativprodukte höhere Preise zu zahlen.
Man sollte die externen Kosten einpreisen und vor allem auch das Tierleid. Dann würde Fleisch aber enorm teuer und deshlab wird es nicht passieren. Das Volk will billiges Fleisch und das Volk hat die Macht.
Die Grausamlkeit der Massentierhaltung ist ein Problem, wo es kaum Fortschritte gibt, weil es die Gesellschaft einfach nicht interessiert. Laborfleisch ist eine große Chance dem Grauen ein Ende zu setzen.