Impfpflicht verfassungsgemäß - was ist mit außergewöhnlichen Umständen?

Vorweg: Versteht mich bitte nicht falsch: Impfen halte ich für richtig und wichtig. Und ich teile auch die bisherigen Ausführungen in der Lage zur möglichen Verfassungsmäßigkeit einer Impfpflicht. Allerdings frage ich mich, ob sie am Ende tatsächlich verfassungsgemäß sein kann.

Meine Überlegung: Es gibt ja sehr seltene Fälle von Menschen, die in der Folge von Impfkomplikationen verstorben sind. Nun führen wir womöglich eine Impfpflicht ein – wahrscheinlich, wie ihr es auch gesagt habt, unter Androhung von Ordnungsgeld und möglicherweise auch Ordnungshaft. Wie verfahren wir dabei als Gesellschaft zum Beispiel mit nahen Angehörigen von Menschen, die durch die Impfung gestorben sind? Solche Fälle sind ja in Ausnahmefällen nachgewiesen. Ist es diesen Personen wirklich unter Androhung solcher Sanktionen zumutbar, sich mit dem Medikament impfen zu lassen, das ihre/n Angehörige*n aus dem Leben gerissen hat? Ehrlich gesagt läuft das meinem Rechtsgefühl zuwider. Mich würde da sehr eure Einschätzung interessieren. Ggf. auch dazu, wie eine mögliche verfassungskonforme Ausnahmeregelung aussehen könnte. Eine Härtefallkommission würde ja vermutlich aufgrund der Flut von Schwurbler-Anträgen überhaupt nicht arbeitsfähig sein.

Das ist schon deswegen kein Problem, weil praktisch niemand an den Impfungen stirbt. Abgesehen davon wäre es natürlich auch den Angehörigen zuzumuten, sich impfen zu lassen, weil nichts dafür spricht, dass ein so extremer Ausnahmefall wie eine tödliche Impfung zweimal in der selben Familie zuschlägt. Da ist es schon wahrscheinlicher, dass der Mensch auf dem Weg zum Impfzentrum von einem Meteoriteneinschlag erwischt wird.

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Auch das Tragen von Sicherheitsgurten führt in seltenen Fällen zum Tod, der verhindert worden wäre, hätte das Opfer keinen Gurt getragen.
Ich schätze, dass das zwar extrem selten aber immernoch deutlich häufiger als Tod durch Impfung passiert.
Da die Gurtpflicht verfassungsgemäß ist, nehme ich das auch für die Impfpflicht an.

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Hier zeigt sich doch die Verhältnismäßigkeit besonders krass: Wie viel mehr Familien haben geimpfte Angehörige verloren, die durch Menschen ohne Impfung angesteckt wurden? Derzeit sind an 9 von 10 Ansteckungen sind in irgendeiner Form Menschen ohne Impfung beteiligt (ob als infizierender oder „inifziert werdender“ Mensch). Dass diese Verhältnisse so fortbestehen, müssen die - weitaus zahlreicheren - betroffenen Angehörigen zur Zeit aushalten. Auch hier, wie bei fast jeder Diskussion um dieses Thema handelt es sich um die Frage, wer hier auf wen Rücksicht nehmen muss, und die Verhältnisse sind meiner Ansicht nach einigermaßen klar.

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Das kann ich verstehen, aber das ist nicht, wie „Recht“ funktioniert.

„Recht“ ist keine Einzelfallbetrachtung. „Recht“ kann im Großen und Ganzen überaus gerechtfertigt sein, und ist dennoch in seltenen Einzelfällen manchmal himmelschreiend ungerecht. Das widerspricht sich nicht, und dementsprechend stellt es für sich genommen auch kein verfassungsrechtliches Problem dar.

Wenn dem so wäre, hätten wir uns bis heute noch auf kein einziges gültiges Gesetz in egal welchem Rechtsgebiet geeinigt, denn irgendeinen Einzelfall, in dem seine korrekte Anwendung dem Rechtsempfinden der meisten Menschen zuwider laufen dürfte, findet man in der Praxis immer.

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Danke euch für eure spannenden Ausführungen.:pray:t3: Heißt: Von solchen Hinterbliebenen wäre eine Verfassungsbeschwerde wohl nicht aussichtsreich?

Das lässt sich nicht seriös beurteilen, ehe es das konkrete Gesetz gibt. Aber die Angehörigen hätten jedenfalls keine besseren Chancen als beliebige andere Schwurbler.

Ob Impflicht/-zwang oder politisch-gesellschaftlicher Druck zur Impfung, mir scheint, eine Gruppe wird teilweise vergessen – auch in Deutschland werden klinische Studien für Corona-Impfstoffe durchgeführt, die Studienteilnehmer:innen lassen sich entweder erstmals Impfen oder boostern, das Problem ist jedoch das gleiche: Wird ein (noch) nicht zugelassener Impfstoff verimpft, erlangt die geimpfte Person nicht den Status „vollständig geimpft“, sie wird so behandelt, als sei die Impfung nicht erfolgt. Das Ergebnis ist paradox, obwohl wir dringend die entsprechende Studien zur Verträglichkeit und Wirksamkeit der neuen und/oder weiter entwickelten Impfstoffe brauchen, wird auf die Studienteilnehmer:innen ein erheblicher „Impfdruck“ ausgeübt, da diese wie nicht geimpfte Personen behandelt werden. So werden erhebliche Anreize gesetzt, sich mit einem zugelassenen Impfstoff impfen zu lassen, das ist aber in der Regel unvereinbar mit der weiteren Teilnahme an der Impfstoff-Studie, weil dann die Daten verfälscht werden.

Zwar mag die Anzahl von Betroffenen insgesamt nicht so groß sein, es scheint mir aber besonders unbefriedigend, Personen, die an der Entwicklung verträglicher und wirksamer Vaccine mitwirken „zu bestrafen“ bzw. Anreize zu setzten, die im Ergebnis die Durchführung solcher notwendigen klinischen Studien erschweren.

Gäber es vielleicht Ideen, welche regulatorischen Maßnahmen hier zu einem sinnvollen Ergebnis führen würden? Würde etwas dagegen sprechen, für solche Studienteilnehmer:innen einen außergewöhnkichen Umstand anzunehmenm, der sie mit Personen, die mit einem zulgelassenen Impfstoff geimpft wurden, rechtlich gleichstellt?

Wenn man eine harte Linie fährt, dass jeder Ungeimpfte eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt, dann kann/wird es keine Ausnahmen geben.
Wenn diese Linie nicht so hart gezeichnet wird dann müsste man einen entsprechenden Status definieren. Man müsste festlegen welche Personengruppen diesen Status bekommen und wer berechtigt ist diesen Status auszustellen. Dazu bräuchte es einen gesellschaftlichen bzw. politischen Willen dies umzusetzen.