Impfpflicht - Nutzen und Nebenwirkungen

Aktuell hat der europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden, dass eine Impfpflicht nicht gegen die Menschenrechte Verstößt und seit nun knapp einem Jahr gilt die Masern Impfpflicht in Deutschland. Auch steht ein Urteil des BVerfG zu dem Thema demnächst an.

Vielleicht wäre es interessant dieses Thema nochmal zu besprechen, auch im Kontext der aktuell neu auflammenden Diskussion um die Aufhebung von Infektionsschutz Maßnahmen für Geimpfte.

Als sehr aufschlussreich kann ich dazu den Podcast „Grams Sprechstunde“ zum Thema

Mich hat dieses Urteil sehr gefreut, da in meinem entfernten Bekanntenkreis einige dieser Impfverweigerer rumlaufen. Diese Schwurbler gefährden das Gemeinwohl und müssen dann eben durch eine Pflicht gezwungen werden. Solche Menschen denken auch, dass ein Corona Selbsttest in der Schule Krebs bei Ihrem Kind auslöst. Da würde man sich doch irgendwie auch eine Hirnaktivitätspflicht wünschen.

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Leider helfen Verordnungen eben nicht gegen Dummheit und wahnhaftes Denken - auch wenn man sich das oft wünschen würden.
Aber den Gedanken mit der „Gefährdung des Gemeinwohls“ finde ich schwierig. Erstens ist es m. E. kurzsichtig, sich auf maximal 20% der der Bevölkerung in Deutschland zu fokussieren, die impffähig, aber nicht impfwillig sind, während weltweit über 80% der Bevölkerung noch nicht einmal die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen. Zweitens: Wer definiert, welche Gefährdung des Gemeinwohls noch legitim ist und welche nicht? Was sind die Kriterien? Wie direkt muss ein konkreter Schaden durch individuelles Verhalten nachweisbar bzw. wahrscheinlich sein? Dazu nur zwei Beispiele: Darf ich noch rauchen oder mich ungesund ernähren und damit absehbar das Gesundheitssystem belasten? Darf ich weiter einen Lebensstil pflegen, der auf der Ausbeutung natürlicher Ressourcen basiert und nachweislich die Lebenschancen zukünftiger Generationen verschlechtert?

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Ich stehe einer Impfpflicht nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, jedoch löst es nur einen Teil des Problems und schafft andere Probleme:

Das größte Hindernis welches zu schlechten Impfquoten führt sind nicht Impfgegner, sondern Faulheit, Unwissenheit und fehlendes Bewusstsein andererseits. Viele Erwachsene (mich eingeschlossen) sind nicht (mehr) durchgeimpft weil auffrisch Impfungen und Zweittermine für Masern z.B. vergessen und vertagt werden.

Das zweitgrößte Problem ist Unsicherheit / Verunsicherung, hier sind Impfgegner ein starker Faktor welche durch lautstarke Stimmungsmache Menschen und besonders Eltern verunsichern.

An diesen Stellen ist Kommunikation das A und O und niederschwellige Möglichkeiten.

Ein weiteres Problem mit der Impfpflicht ist, dass diese zu unerwünschten Nebeneffekten führen kann:
Unterschätzung der Wichtigkeit anderer Impfungen („die sind ja nicht verpflichtend, dann sind sie auch nicht so wichtig“ analog zu „ist nicht verboten, also kann es nicht schlimm sein“)

Ausweichverhalten / Trotzverhalten: Manche Eltern akzeptieren dann die verpflichtenden Impfungen, lehnen aber andere optionale Impfungen aus Trotz / Widerstand gegen Pflichten ab.

Diese und weitere Faktoren führten auch dazu, dass der Ethikrat sich gegen eine Impfpflicht (gegen Masern) ausgesprochen hat:

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Genau diese radikale Haltung für eine #Impfpflicht, die jetzt auch wieder in #LdN257 von @philipbanse und @vieuxrenard vertreten wurde, halte ich wirklich für grenzwertig und oben drein Kontraproduktiv!
Der Vergleich mit Minderheiten anhand von poc, ganz zu Beginn der Ausgabe, war auch hinkend, da genau der Vergleich bei religiösen Minderheiten nicht funktioniert hätte. Sag doch einfach Mal einem Juden „hey, wenn du kein Bock mehr auf Diskriminierung hast, werde doch einfach Christ. Wissenschaftlich gesehen tut dir das hat nicht weh und gesellschaftlich hätten wir dann einfach weniger Konfliktpotential“. Keiner von euch würde je auf die Idee kommen, so etwas zu sagen oder gar verpflichtend zu machen. Und ich habe den Eindruck, Impfgegner haben hier oft Glaubensmotive, warum sie keine Impfung wollen. Sei es die in der Impfung verwendeten Zellkulturen, der „Verunreinigungen“ des eigenen Blutes oder überhaupt der Eingriff der Wissenschaft in den Gott gegebenen Körper.

Ich bin absoluter Fan der Impfung und ich glaube es gibt genug Zahlen und Argumente, die alle sachlichen Zweifel aus dem Weg räumen. (Außer vielleicht Langzeitfolgen?)

Aber ich bin auch absoluter Fan freier Haarfrisuren und würde trotzdem niemals Kopftücher verbieten.
Ich bin Fan von Bockwürsten und würde trotzdem niemals Muslime dazu zwingen.
Ich bin Fan meiner Vorhaut, toleriere aber, das Juden sie teilweise abschneiden.

Und solange es von der Religionsfreiheit gedeckt ist, dass der Papst gegen Abtreibung, ja sogar gegen die harmlose Verwendung von Kondomen wettert, muss unsere Gesellschaft doch so tolerant sein, und Leuten ihr Recht auf Bildung, Arbeit (ausgenommen Pflegepersonal und andere kritische Berufe) und Mobilität lassen, auch wenn sie sich nicht impfen lassen! Besonders weil die Pandemie, wie Ulf zu Beginn der Ausgabe sagte, nur noch eine Pandemie der ungeimpften ist.

Ich bin aber auch absolut dafür, dass jede private Institution 2g oder was auch immer vorschreiben darf.

Und bei mir auf dem Land bräuchte ich mind. 1Std. bis zum nächsten Impfzentrum. Mir hätte es mega geholfen, wenn impfen an so vielen Orten Angeboten würde, wie die Teststationen. Jeder hätte dazu auch noch 200€ Bewirtungsgutschein bekommen können, um die lokale Gastronomie aus der kriese zu helfen.
Sprich: es gibt so viel ungenutztes Potential, um die 80% Impfquote zu erreichen, bevor wir mit #Impfzwang Minderheiten ausgrenzen müssen.

Ich weiß, ihr meint das alle gut und seht vermutlich eher die faulen Impfmuffel vor euch als impfängstliche oder glaubens-impf-gegner. und gesellschaftliche Solidarität ist mir auch wichtig. Mich würden eure Argumente hier aber wirklich interessieren.

Ansonsten finde ich die fundierten Analysen der Lage wirklich super und lerne jedes Mal viel neues und bekomme viele Antworten und Hintergründe, die mir sonst in den Medien oft fehlen. Danke euch!

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Ich denke nicht, dass es Menschen, die sich (noch) nicht impfen lassen wollen, vor allem um Glauben geht. Ich würde vielmehr vermuten, dass es bei vielen eher etwas mit fehlendem Vertrauen in Politik, Staat und Gesundheitssystem zu tun hat - und da dürfe der hiesige Umgang mit der Pandemie nicht gerade hilfreich gewesen sein.
Aber unabhängig davon bin ich nach vie vor einigermaßen konsterniert angesichts der Argumentation in der letzten Lage. Einschränkungen individueller Rechte und soziale Ausgrenzungsprozesse pauschal gutzuheißen in einer rechtlichen Situation, in der es jedem Menschen freigestellt ist, sich impfen zu lassen oder nicht, steht aus meiner Sicht im krassen Widerspruch zu einem Engagement für Freiheitsrechte. Es macht eben einen bedeutenden Unterschied, ob eine rechtliche Pflicht besteht, sich impfen zu lassen oder nicht. Und wenn die Situation aus Sicht der Lage so dringlich ist wie geschildert, würde ich zumindest erwarten, dass sie auf einem rechtstaatlichen Vorgehen besteht, d. h. auf einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren, in dem die Ausgestaltung und Zielsetzung einer Impfplicht inhaltlich diskutiert, politisch ausgehandelt und rechtlich überprüft werden. Die pauschale Rechtfertigung von Einschränkungen mit dem lapidaren Hinweis darauf, dass ja alle, die nicht davon betroffen sein wollen, sich impfen lassen können, erinnert mich in der Tat an den Umgang mit religiösen Minderheiten in diversen Gesellschaften („sollen sie doch konvertieren!“).

Noch ein Hinweis zum Schlagwort „Pandemie der Ungeimpften“: Es ist richtig, dass Impfungen viele Infektionen verhindern und das individuelle Risiko einer Hospitalisierung um ca. 95% senken. Das heißt aber bei entsprechend hohen Impfquoten gerade nicht, dass der Anteil der Geimpften an den Hospitalisierten nur 4% beträgt. Bei den Über-60-Jährigen (also den Altersgruppen mit dem höchsten Risiko) waren in den letzten 4 Wochen laut RKI* über 40% der symptomatisch Infizierten, knapp 20% der Hospitalisierten und über 25% der Toten geimpft (sogenannte „Impfdurchbrüche“). Bei einem aktuellen Anteil von 25% Geimpften an den Covid-Toten von einer „Pandemie der Ungeimpften“ zu sprechen ist daher ungefähr so adäquat, als würde man die Bundesrepublik, in der aktuell ca. 25% der Menschen einen Migrationshintergrund haben, als „Gesellschaft ohne Einwanderung“ bezeichnen.

*Quelle: Aktueller RKI-Wochenbericht, S. 18 https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-09-16.pdf?__blob=publicationFile

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