Ich würde unterscheiden zwischen einer berechtigten Kritik an der israelischen Regierung einerseits und der Solidarisierung mit der Terrorgruppe der Huthis andererseits.
Gleichzeitig empfinde ich es als problematisch, wenn journalistische Zurückhaltung aus historischen Gründen zur Einseitigkeit führt – oder gar zu einer impliziten Akzeptanz völkerrechtswidriger Praktiken.
Aus historischen Gründen wie auch ganz allgemein aus Gründen der Menschlichkeit ist es immer falsch, völkerrechtswidrige Praktiken zu akzeptieren. Dies gilt allerdings nicht nur für die israelische Regierung, sondern auch für alle anderen, z.B. die Huthis auch lange vor dem 7. Oktober 2023.
Ich würde auch, den bereits erwähnten, Carlo Masala vorschlagen.
Die Folge „Jung & Naiv“ Mitte 2022, in der er in die gesamte Lage in der Ukraine einordnet und sein militärisches Wissen generell teilt, ist mir sehr lange in Erinnerung geblieben. Äußerst interessant!
Gibt’s auch als Video-Podcast auf Youtube.
Womit lag er jetzt genau daneben?
Und wirfst du gerade einem Experten vor, Bücher über sein Fachgebiet zu schreiben?
Oder sein Wissen in Talkshows zu teilen, wenn er eingeladen wurde?
Hab hier selten sowas Sinnloses gelesen …
Das finde ich grundsätzlich einen guten und wichtigen Gedanken. Dennoch habe auch ich habe mich stark an den Worten in der LdN 424 gestört („Huthis in die Steinzeit zu bomben“). Ich finde den Ansatz des britischen Podcasts Media Storm hierfür sehr viel wirkungsvoller: durch Zentrierung von Menschen mit gelebter Erfahrung in der Berichterstattung wird die Brutalität und tatsächliche Realität von militärischen Konflikten viel deutlicher und nahbarer, als durch obige Formulierungen.
Hier kann ich mich nur anschließen. In dieser Media Storm Podcast-Folge (ab 24:51) wurde der Angriff noch vor dem Goldberg Leak sehr gut aus einer humanitären Sichtweise eingeordnet. Klare Hörempfehlung! Ich würde mich freuen, wenn der militärische Konflikt in der LdN noch inhaltlich aufgearbeitet wird.
Lieber Ulf, bitte auch den Kommentar richtig lesen, besonders wenn du sagst: „ihr müsst uns schon zuhören.“
Ich habe nicht von Kolonien gesprochen, wie du behauptest. Ich habe gesagt, dass deine Formulierungen und Behauptungen „auf mich schon fast wie neokoloniale Rhetorik“ wirken.
Ich habe auch nicht gesagt, dass ich es prinzipiell falsch finde, wenn Deutschland seine friedlichen Handelschiffe beschützt.
Einige Punkte, die ich hier noch hinzufügen würde, wurden alle schon perfekt von quba42 zusammengefasst, deswegen muss ich sie hier nicht wiederholen.
Wer sich etwas fundierter damit auseinandersetzen möchte, was Masala 2022 gemeint hat und wie er diese Aussagen heute selber einschätzt, kann dies in diesem ausführlichen Interview mit ihm nachhören, indem der Politikwissenschaftler auch darauf eingeht, wo er seiner eigenen Meinung nach falsch gelegen hat und wo nicht.
Ich hoffe, dass der Stil von „Captain Zuzu“ hier nicht weiter Einzug erhält. Wer nur mal ein paar Phrasen in den Raum werfen möchte - wie „der lag schon immer falsch“ oder „ihr seid eh nur alle Bellizisten“ - um dann bei der ersten kritischen Nachfrage beleidigt mit „informier dich doch mal“ und „ich spiel nicht mehr mit“ zu reagieren, ist m. E. bei X besser aufgehoben.
Wenn man jemanden kritisieren will, sollte m. E. der erste Schritt sein, zur Kenntnis zu nehmen, was diese Person tatsächlich gesagt bzw. geschrieben hat. Masalas Analyse von 2022 lautete, dass die russisches Streitkräfte in der Ukraine massiv unter Druck geraten sind. Tatsächlich war ihr Angriff auf Kyjiw gescheitert und sie mussten sich aus dem gesamten Norden der Ukraine zurückziehen. Im Sommer brach ein riesiger Abschnitt der Front bei Charkiw praktisch zusammen und im Herbst mussten sich große Verbände vom rechten Ufer des Dnepr bei Cherson zurückziehen. Bei all dem haben die russischen Streitkräfte 2022 zahlreiche Eliteeinheiten faktisch verloren, haben sich zahlreiche Einsatzplanungen und Kommandostrukturen als untauglich erwiesen etc. pp.
Masala ist mit seiner Einschätzung keineswegs alleine, dass die Ukraine in dieser SItuation mit entsprechender militärischer Ausrüstung (z. B. Kampfanzer und gepanzerte Fahrzeuge in ausreichender Menge) durchaus in der Lage gewesen wäre, die russischen Streitkräfte noch weiter zurückzuschlagen und Russland so weiter unter Druck zu setzen. Es gibt auch nicht wenige, die sagen, dass die politische Entscheidung, der Ukraine diese Unterstützung nicht zukommen zu lassen, ganz andere Gründe hatte (Masala selbst nennt die Angst vor einem Einsatz von Nuklearwaffen durch Russland, die er selbst allerdings für unbegründet hielt, andere nennen die Sorgen vor einem Machtvakuum in Russland nach einer Implusion des Putinregimes).
Seit 2022 hatte Russland aufgrund der unzureichenden militärischen Unterstützung für die Ukraine ausreichend Zeit, sich nicht nur in der Ukraine buchstäblich einzugraben, also seine Verteidigung so auszubauen, dass die ukrainische Gegenoffensive 2023 gescheitert ist, sondern auch seine Befhelsstrukturen und Angriffstaktiken komplett umzustellen (u. a. sehr viel kleinere Einheiten, sehr viel mehr Einsatz von Drohnen). Außerdem wurde die Umstellung der gesamten Wirtschaft auf Kriegswirtschaft noch weiter vorangetrieben. Sprich: Russland mag zwar in der Ukraine derzeit „kaum vorankommen“; hat aber durch den Krieg enorm an Know-How und Rüstungskapazitäten gewonnen. Und es wurde vor allem darin bestätigt seine - aus Putins Sicht erfolgreiche - Strategie weiter zu fahren, was auch die hybride Kriegsführung u. a. gegen EU-Staaten mit einschließt.
Dabei sind die politischen Ziele des Kreml dieselben geblieben. Letztlich geht es nicht nur um eine Zerschlagung der Ukraine, sondern auch um ein faktisches Ende von NATO und EU und um eine Wiederherstellung der Machtposition Russlands analog zu der Situation vor 1989.
Was die Umsetzung deiser Strategie praktisch bedeuten könnte und wie ein hybrider Angriff Russlands auf EU und NATO praktisch aussehen könnte, hat Masala nun in einem bewusst fiktionalen Buch beschrieben.
Die hier formulierte Kritik an Masala geht also erstens von statischen Zuständen anstatt einer dynamischen Entwicklung aus (eine Arme IST entweder stark oder schwach - sozusagen für alle Zeiten) und negiert zweitens den Unterschied zwischen Analysen dessen was passiert ist einerseits und Überlegungen über mögliche Gründe und zukünftige Entwicklungen aufgrund dieser Analysen andererseits. Sie ist, um es milde zu formulieren, arg unterkomplex.
Der von Saudi-Arabien und den VAE ausgehende Krieg im Jemen hat nach Informationen der UN und der Uni Denver (hier einsehbar, Seite 6 des Reports) Stand 2019 fast 250.000 Menschen das Leben gekostet. Von diesen Toten waren unfassbare 60% Kinder unter dem Alter von 5 Jahren.
Die Lage im Jemen hat sich seitdem noch verschlimmert. Deutschland hat seit 2014 jedes einzelne Jahr jedem einzelnen Land in dieser Koalition gegen den Jemen Waffen geliefert. Ich finde das schon falsch und lasse mich daher gerne von rechtsradikalen Säufern (Mr. Hegseth) als erbärmlich beleidigen, wenn die Europäer zumindest nicht selbst bombardieren.
Natürlich ist der Versuch, durch Gewalt Seewege zu blockieren, nicht in Ordnung. Aber in dieser Situation einfach mal so nonchalant Waffengewalt zu fordern, finde ich absurd. Der Jemen wird seit 10 Jahren hochmotiviert bombardiert und das einzige Ergebnis ist unfassbares Leid. Die drastische Wortwahl, die ihr hier gewählt habt, war meiner Meinung nach insofern nur die Spitze des Eisbergs.
Der Krieg im Jemen geht nicht von den Saudis aus und von den VAE gleich gar nicht. Das ist ein Bürgerkrieg in den viele Parteien verstrickt sind. Und der wurde nicht von Saudi Arabien begonnen. Saudi Arabien greift auch nicht „den Jemen“ insgesamt an, sondern gezielt Teile des Nordjemen, und das in Zusammenarbeit mit der international anerkannten (Marionetten-)Regierung des Jemen. Im Süden gibt es viele Menschen, die eine Unabhängigkeit des Südjemen anstreben und sich vom Norden lösen wollen. Für sie sind nicht nur die Huthi ein Problem, sondern der gesamte Norden, weshalb sie auch bewaffnet für ihre Unabhängigkeit kämpfen und dabei werden sie von den VAE politisch und militärisch unterstützt. Das passt Saudi Arabien allerdings nicht, da sie die derzeitige Regierung des Jemen kontrolliert und deshalb eine Abspaltung des Südens verhindern möchten.
@Daniel_K Sie glauben, das will auch keiner? ich glaube das sehr wohl. Und ich glaube nicht, dass wir das Recht haben, militärisch auf die Aktionen der Huthis zu reagieren, schon gar nicht mit Bombardierungen, wie es die USA jetzt machen. Zumal die Städte unddie Zivilbevölkerung treffen. …
@Steinkern: Das nennt man also Diplomatie? Darunter habe ich mir bisher etwas anderes vorgestellt. Selbst wenn „irgendwelche Terrorgruppen“ irgendwelche Wege sperren, haben „wir“ deshalb nicht unbedingt das Recht, militärisch zu reagieren. Wer sind wir denn? die Weltpolizei? ja, ich stelle mir durchaus vor, dass da da Gespräch gesucht werden könnte auch mittels der UNO. Wurde vielleicht auch mal gefragt, worum es den Huthis eigentlich geht dabei? vielleicht liegt ja da der Schlüssel. Soweit ich weiss geht es um die GAZA-Kriegspolitik Israels. Das wäre ja mal ein Ansatzpunkt.
Wie denn sonst? Mit Bitten?!?
Wir haben sowohl völkerrechtlich-global (bezogen auf die Instanz des Völkerrechts) als auch völkerrechtlich-individuell (bezogen auf unsere Rechte) das Recht, hier auch militärisch gegen eine militärische Blockade (und das ist das Beschießen von Schiffen mit Raketen!) zu agieren.
Was ist denn deine Alternative? Angenommen, niemand tut etwas gegen die Huthis und die Angriffe auf die Schifffahrt werden noch intensiviert, sodass die Straße von Aden und damit der ganze Suez-Kanal komplett unbefahrbar werden. Sollen wir das einfach akzeptieren?!? Oder provokanter gefragt: Soll hier das (internationale) Recht deiner Meinung nach wirklich dem Unrecht weichen?!? Denn genau das wäre ein Nicht-Intervention.
Also, nochmal: Was sollten wir deiner Meinung nach tun, wenn die Huthis die Straße von Aden dicht machen?
Über die Mittel kann man diskutieren, aber faktisch wird es in solchen Situationen immer zivile Verluste geben. Dass dabei eine strikte Verhältnismäßigkeit zu wahren ist (und bestritten werden darf, ob die USA diese Verhältnismäßigkeit einhalten) ist dabei klar. Dennoch: Ein Land, das mit Raketen auf Schiffe anderer Staaten schießt, muss damit rechnen, dass die militärische Antwort entsprechend ausfallen wird. Das ist wieder so eine Situation, in der der Aggressor (hier: die Huthis) es alleine in der Hand haben, ob sie Opfer von Bombardierungen werden oder nicht. Die Bombardierungen sind direkte Folge ihrer Handlungen.
Es gibt keine Rechtfertigung für Angriffe auf die internationale Schifffahrt. Wenn die Huthis ein Problem mit Israel im Gaza-Streifen haben (wofür ich vollstes Verständnis habe!) gibt ihnen das nicht das Recht, andere Nationen in der Straße von Aden anzugreifen.
Bisher hat defakto die USA diese Rolle übernommen, da bisherige US Administrationen freie Seewege immer als ein fundamentales Eigeninteresse wahrgenommen haben, was aber natürlich auch in unserem Interesse lag. Wenn die USA wegfallen, müssen wir (für unser eigenes Wohl) diese Rolle übernehmen. Nochmals: was eine stagnierende Wirtschaft bedeutet, muss ich nicht weiter erläutern.
Interessanter Ansatz in der Theorie. Nur zeigt die Vergangenheit, dass sowas ständig durch die Vetomächte torpediert wird, sobald sie ihre geopolitischen Eigeninteressen in Gefahr sehen. Folgendes Gedankenexperiment: Was passiert wenn, sagen wir mal Russland als ständiges Mitglied des UN Sicherheitsrates, einen Benefit in gestörte Seewege für die EU sieht? Wie soll da die UNO irgendwas brauchbares organisieren?
Ich finde dass wir weder die internationale freie Schifffahrt als Kollateralschaden, noch die Doktrin nicht mit Terroristen zu verhandeln auf das Spiel setzen sollten. Vor allem haben wir ja auch nicht den Einfluss überall auf der Welt solche Konflikte direkt zu beeinflussen/zu verhindern.
Die Resolution 2722 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen wurde am 10. Januar 2024 angenommen. In der Resolution forderte der Sicherheitsrat die Huthi in Jemen auf, alle Angriffe auf Handelsschiffe unverzüglich einzustellen und das gekaperte Schiff Galaxy Leader und seine Besatzung freizulassen. Resolution 2722 des UN-Sicherheitsrates – Wikipedia
Edit: die Galaxy Leader ist bei Google Maps mittlerweile als Sehenswürdigkeit gelistet:
Das ist unsere westliche Sicht. Aus Sicht der Huthis unterstützen wir Westler Israel durch Waffenlieferungen, Vetos in der UN, moralische Rückendeckung und wirtschaftlichen Handel.
Die Huthis sehen uns damit als Unterstützer Israels und damit als legitimes Ziel. Ich würde das vergleichen mit der ukrainischen Sicht auf Nord Stream. Ich muss zugeben, dass ich für diese Sicht Verständnis habe.
Die Huthis bedienen sich als kleiner Kriegsteilnehmer nun einer Guerilla-Technik, bei der man den Westen dort trifft wo er am empfindlichsten ist - seiner wirtschaftlichen Potenz und Abhängigkeit.
Das mag durchaus sein, aber das ändert doch nichts daran, dass man auch auf eine Guerilla-Taktik mit militärischer Gewalt antworten kann und darf, oft gar keine andere Möglichkeit bleibt.
Also auch nach dem von dir hier dargestellten Framing alá „Der Westen ist mit Israel verbündet und deshalb legitimes Ziel unserer militärischer Aktionen“ hat „der Westen“ doch jedes Recht, als Kriegspartei gegen die Huthi vorzugehen. Vielleicht sogar nocht mehr Recht, als wenn es „nur“ um das Freihalten der internationalen Seewege ginge. Denn nach diesem Framing wären die Aktionen der Huthis ja eine direkte Kriegserklärung an den Westen.
Es bleibt daher die Frage, die du nicht beantwortet hast: Was sollte man realistisch stattdessen tun? Jede Unterstützung Israels einstellen, damit die Huthis ihre Angriffe einstellen? Macht uns das - selbst wenn man dazu bereit wäre und das für gerecht halten würde - nicht extrem erpressbar?
Ich fände es auch besser, wenn soetwas weiter unsagbar wäre, aber faktisch haben wir mit Russland und den USA nun gleich zwei Großmächte, die meinen, dass internationales Recht nur gilt, so lange es ihnen dient - und die der Meinung sind, sich im Zweifel mit militärischer Macht nehmen zu dürfen, was sie haben wollen.
Ich würde gerne wieder zurück zu 2010, wo es noch die realistische Hoffnung gab, dass wir unsere Konflikte in Zukunft zivil lösen können. Leider leben wir aber im Jahr 2025 und militärische Lösungen von Konflikten werden von Russland und den USA wieder zum Normalfall erhoben. Wenn wir das nicht akzeptieren und weiterhin so tun, als wäre es noch 2010, bleibt uns nur übrig, uns zu fragen, welcher Großmacht wir uns bedingungslos als „Vasallenstaat EU“ unterwerfen wollen, damit sie uns vor der jeweils anderen schützt. Wenn wir das nicht wollen, müssen wir akzeptieren, dass Aufrüstung und die Bereitschaft, unsere Interessen gegen Aggressoren zu verteidigen, zwingend notwendig sind.
Zur Sicherheit: Ich will nicht, dass wir selbst „Aggressor“ werden. Aber wir brauchen die Möglichkeiten, jedem Aggressor die Stirn bieten zu können.
Ja, diese Formulierung „Huthis in die Steinzeit zu bomben“ finde ich völlig unangemessen. Nach dem Waffenstillstand zwischen der Hamas und Israel im Gazastreifen kündigten die Huthi-Rebellen an, vorerst auf Angriffe gegen internationale Schiffe im Roten Meer zu verzichten. Schiffe mit einem israelischen Bezug seien von dieser Regelung allerdings ausgenommen. Die Huthis fordern immer wieder Nahrungsmittellieferungen und medizinische Hilfsgüter für die Palästinenser*innen in Gaza. „Die jemenitische Zivilbevölkerung (…) identifiziert sich stark – und wohl auch stärker als viele andere arabische Gesellschaften – mit dem Leiden der Palästinenser. Auch weil deren humanitäre Lage sie an die eigene erinnert. Genau das verstehen die Huthis mit ihrer Propaganda und ihrem militärischen Vorgehen seit Wochen zu nutzen“, schreibt Zeit-online. Und weiter: „Womöglich wäre es klüger gewesen, den Schiffsverkehr eine Weile lang weiter umzuleiten und die Huthis ins Leere schießen zu lassen.“ Huthi-Angriffe: Sie punkten vor allem im eigenen Land | ZEIT ONLINE