Hospitalisierungsinzidenz

Eine Anmerkung zum Thema Hospitalisierungsinzidenz: Ihr sagt sie würde aussagen wieviele Patient:innen von 100.000 Menschen innerhalb einer Woche hospitalisiert welche in den selben 7 Tagen via PCR positiv getestet wurden. Habt ihr dafür eine Quelle? Mir ist diese Aussage schon bei Beke Schulmann im aktuellen Coronavirus Update aufgefallen und Sandra Ciesek hat diese mehr oder weniger bestätigt, dabei jedoch wörtlich etwas anderes wiedergegeben und nicht den Inhalt der Aussage von Frau Schulmann. Mir kam diese Aussage damals schon komisch vor und ich habe weder im Netz noch auf Nachfrage ans bei Twitter ein entsprechendes Korrelat gefunden. Ich arbeite selbst als Arzt im Krankenhaus und wir müssen jede Hospitalisierung mit Covid-19 ans zuständige Gesundheitsamt melden, unabhängig vom PCT-Testdatum. Warum sollte nun das Gesundheitsamt einen Abgleich mit dem PCR-Datum machen, zumal es da auch einen gehörigen Meldeverzug gibt und ihnen das Datum in einigen Fällen sicher nicht vorliegt. Es ist ja auch bekannt dass die meisten Patient:innen erst nach ca. 7-10 Tagen ins Krankenhaus kommen also häufig nach mehr als 7 Tagen nach Testung. Welchen Sinn hätte es diese Menschen rauszurechen? Korrigiert mich wenn ich falsch liege aber da ich diese Aussage nun zum zweiten mal in einem reichweitenstarken Medium höre wollte ich diese nochmals verifizieren, zumal sie ja nun leider zur Maßzahl schlechthin zu werden scheint.

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Worauf willst du hinaus? Es ging doch nur darum, dass die Hospitalisierung kein gutes Maß ist, um zu verstehen, was auf uns zu kommt und gegebenenfalls eine „Bremsung“ einzuleiten.

Das ist in etwas so:
Es ist kein gutes vorausschauendes Management erst dann zu bremsen, wenn man das Nummernschild lesen kann, sondern besser schon dann, wenn man die Bremslichter sehen kann.

In der Corona Warn App bekommst du die Zahl erklärt:

Hospitalisierung
Gesamtzahl der Krankenhausaufnahmen
aufgrund von COVID-19 der letzten 7 Tage
(nach Meldedatum) pro 100.000 Einwohner.

Gar nicht mal so kompliziert :wink:

Hi, im Covid-19-FAQ des RKI habe ich das hier gefunden:

"
Berechnung:
Für die Berechnung wird die Anzahl COVID-19-Fälle genutzt, bei denen angegeben ist, dass sie hospitalisiert sind, mit einem Meldedatum in den letzten 7 Tagen bezogen auf 100.000 Bevölkerung in der jeweils ausgewiesenen Altersgruppe bzw. Bundesland. Für die Berechnung der Inzidenzen werden die Daten der Bevölkerungsstatistik des Statistischen Bundesamtes mit Datenstand 31.12.2020 verwendet.RKI FAQ
(…)

Die Daten werden nach Meldedatum und nicht nach Hospitalisierungsdatum ausgewiesen. (…) Bei der Bewertung der Daten sollte berücksichtigt werden, dass die betroffene Person bei Meldung noch gar nicht oder nur leicht erkrankt sein kann und sich eine schwere Erkrankung erst im Verlauf entwickelt. Wenn die Hospitalisierung mehr als 7 Tage nach der Meldung erfolgt, dann werden diese Fälle zum Berichtsdatum nicht in der 7-Tage-Hospitalisierungsinzidenz erfasst, sondern werden nur bei rückblickender Betrachtung der Daten sichtbar.RKI FAQ

Deswegen adjustiert das RKI in seinen Lageberichten die Kurve, weil sie wegen des Meldeverzugs sonst immer nach unten abflachen würde:
Wird verarbeitet: Bildschirmfoto 2021-11-27 um 12.14.22.png …

Die werden nicht herausgerechnet, die werden gar nicht erst einberechnet. Die haben (aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen) die Hospitalisierungsinzidenz so definiert, dass dem zugrunde nicht der Tag der Einlieferung liegt, sondern der Tag der „Erkrankung“ (= Datum des positiven PCR-Tests bzw. dessen Meldung ans Gesundheitsamt, wie bei der herkömmlichen Inzidenz).

Das bedeutet, der 7-Tage-Hospitalisierungsindex von heute, dem 27.11., setzt sich zusammen aus all denjenigen, die vom 19.–26.11. positiv getestet wurden und in der Folge ins Krankenhaus eingeliefert wurden.

Alle von denen, die erst ab morgen ins Krankenhaus eingeliefert werden, sind dort dann logischerweise aber noch gar nicht drin. Das RKI erhält natürlich in Zukunft entsprechende Meldungen und pflegt die auch korrekt ein, und es ist ohne weiteres möglich, in 3 Wochen festzustellen, wie hoch die Hospitalisierung heute tatsächlich ausgefallen wäre, (nämlich vermutlich mindestens doppelt so hoch,) aber für die Maßnahmen zählt eben heute der Index von heute, und morgen zählt der von morgen, der genauso absurd berechnet wird, usw.

Hier wird das einmal grafisch dargestellt:

Und in diesem Thread wird die Berechnung, und warum ein Großteil der Fälle da einfach raus fallen, nochmal detailliert erklärt:

Und was den Sinn dieser Berechnungsmethode angeht, kann man natürlich entweder davon ausgehen, dass das irgendjemand in irgendeiner Behörde in Eile zusammengestümpert hat, weil die Politiker „bis morgen“ eine Definition haben wollten. Oder man betrachtet das im Kontext, dass diese „Hospitalisierungsinzidenz“ ja sowieso nur deshalb eingeführt wurde, weil die vorher maßgebliche Infektionsinzidenz den Politikern permanent zu hoch war, ihnen dauernd ihre selbst gewählten Grenzwerte gecrasht und damit zu Handlungen gezwungen hat, und man deswegen jetzt stattdessen ganz gerne eine komplett nichtssagende Zahl hat, die immer schön niedrig aussieht.

@otzenpunk

Und was den Sinn dieser Berechnungsmethode angeht, kann man natürlich entweder davon ausgehen, dass das irgendjemand in irgendeiner Behörde in Eile zusammengestümpert hat,

Da hat niemand etwas zusammengestümpert…

Wenn man wissen möchte, wieviele der positiv Gemeldeten in ein Krankenhaus eingeliefert werden und vor allem, ob es in Relation zu den gemeldeten ansteigend, oder fallend ist, dann ist dass genau die Methode um es zu berechnen. An die Normierungsgröße 100000 haben wir uns ja alle schon gewöhnt, falls das auch noch in Frage gestellt werden sollte.

@otzenpunk @TfH
Wieso muss man eine durchaus einfachen Zusammenhang, (den man meiner Meinung nach als Textaufgabe am Ende der Mittelstufe oder auch Anfang der Oberstufe einem Schüler stellen kann) so kompliziert vermitteln, dass man sich nach dem Lesen fragt, ob man es auch verstanden hat.

Ich denke wir können uns aber sofort darauf einigen, dass die Hospitalisierung allein kein Maßstab für vorausschauendes Handeln ist, sondern nur taugt um Abschätzungen zu machen, wieviel Intensivbetten man wahrscheinlich in 1 - 2 Wochen braucht, aufgrund der gemeldeten Erkrankungen von heute.
Ist bei den Meldungen die Kurve ansteigend, ist auch bei den Intensivbetten mit der statistischen zeitlichen Verzögerungen auch mit einem entsprechenden Anstieg zu rechnen.

Klar. Du musst dann aber eben warten, bis die alle im Krankenhaus sind, oder zumindest die meisten, und das dauert eben mindestens zwei Wochen, mit dem üblichen Meldeverzug vielleicht eher drei, bis du eine verlässliche Zahl hast.

Das ist bestimmt sinnvoll, um langfristige Trends zu verfolgen, wie z.B. die These, dass mittlerweile ein geringerer Anteil Infizierter in den Krankenhäusern landet, weil die Älteren zu einem großen Anteil geimpft sind.

Das ist aber nicht das, was hier passiert ist. Der Politik haben die Zahlen nicht gefallen, weil die sich einfach nicht an die politisch festgelegten und ins IfsG codierten Grenzwerte gehalten haben, und deswegen wollten sie stattdessen die Hospitalisierungsinzidenz als maßgebende Kennzahl. Weil sie überhaupt nicht verstanden haben, dass es praktisch völlig irrelevant wäre, wenn beim jetzigen Impfstand nur noch halb so viele Infizierte ins Krankenhaus müssten, weil die Kapazitätsgrenzen dann bei exponentiellem Wachstum eben bloß eine einzige Verdoppelungsperiode später erreicht werden.

Nein. Aufgrund der gemeldeten Erkrankungen von vor 3 Wochen. Was man aber auch vor 3 Wochen schon hätte abschätzen können anhand der Infektionszahlen, wenn man die Anzahl der Hospitalisierungen langfristig nebenbei als Trend betrachtet. Davon abgesehen ist es eine beinahe sinnlose Information, wieviele Intensivbetten man in 1 Woche braucht, weil man sich so schnell weder welche schnitzen kann, noch Maßnahmen ergreifen um die Zahl zu verringern. Die Leute, die nächste Woche auf die Intensivstation kommen, sind nämlich jetzt schon alle infiziert, und die Leute, die in 3 Wochen dort versterben auch.

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Ich weiß gar nicht warum du so antwortest, als hätte ich etwas nicht verstanden.
Wir sind uns in allem einig!
Also kein Grund zur Aufregung😊

Hier noch ein interessanter LinkedIn Post zu Prognosen (Daliana Liu on LinkedIn: #datascience | 65 comments):

While most Covid predictions failed, a 27-yo data scientist Youyang Gu with 0 experience in medicine created a forecasting model that outperforms almost all medical experts.

Here is the ONE thing he did differently:

Instead of using more data sources like others, he decided to only use the past deaths to predict future deaths because he found that Covid tests, hospitalizations, and other factors were reported inconsistently.

In other words, he spent time to check the data quality.

Quality>quantity

It doesn’t matter how advanced your machine learning model is, „garbage in, garbage out“ still applies.

Especially when dealing with complicated problems, a simple solution that takes minimal assumptions might be the best to start with.

Never underestimate the effort of a data quality check.

Das größte Problem das ich hier sehe ist folgendes: Wenn alle Krankenhäuser bis zum Anschlag voll sind und keine neuen Patienten mehr aufnehmen können, dann sinkt die Hospitalisierungsinzidenz sogar.

Für mich ist es jedenfalls alles andere als vertrauenserweckend, wenn die Politik nun schon wieder die Messlatte ändert. Angefangen haben wir mal mit Inzidenzwerten, da war alles unter 35 grün, 35-50 gelb und dann rot. Und als dann die Inzidenzen hoch gegangen sind hat man das Farbspektrum halt erweitert, quasi „50 shades of red“. Als dann die Impfungen rollten wechselt man zum Indikator „Belegung der Intensivstationen“ und nachdem uns der gerade maximal um die Ohren fliegt ändern wir halt noch mal die Bewertungsgrundlage. Noch dazu mit einem Wert dessen Aussagekraft sich im schlimmsten Fall nicht groß von der eines Würfels unterscheidet.