Kürzlich gab es eine interessante Podcast-Episode über die recht konkreten Planungen, wie man die Verkehrswende in Hamburg gestalten will. Nämlich mit „10.000 autonom fahrenden Shuttles“:
Bemerkenswert daran war, wie überzeugt die verantwortlichen Planer in Hamburg davon ausgehen, dass autonomes Fahren kurz vor der Praxistauglichkeit steht. Auch bei Moia tut man überzeugt, dass die „teuren“ menschlichen Fahrer nur für eine Übergangsphase benötigt werden.
Der Chef der Hamburger Hochbahn verweist im Podcast-Beitrag dabei auf seine persönlichen Erfahrungen mit Robotaxis der Firma Cruise.
Bei all diesem Gejubel über die schon ehrlich ganz bald verfügbaren Robotaxis gab es aber zuletzt Dämpfer. Z.B. Cruise kann zwar PR-Termine für ausländische Politiker wie Bürgermeister Tschentscher meistern, aber hatte zuletzt schlechte Presse. So stellte sich heraus, dass die Robotaxis gar nicht so autonom fahren, wie man die Öffentlichkeit glauben ließ.
Und nach mehreren Sicherheitsproblemen und einem unappetitlichem Todesfall ist zuletzt der CEO zurückgetreten.
Mein Themenvorschlag daraus: Sind die Pläne, die man in u.a. Hamburg für die Verkehrswende propagiert und die man mit viel Geld bewirft - sind diese Pläne wirklich realistisch? Oder setzt man hier statt auf bewährten ÖPNV seine Hoffnungen auf eine Fantasietechnologie, die so wie versprochen niemals kommen wird?
Man muss die Gegebenheiten den Möglichkeiten anpassen, dann sind auch Robotaxis realistisch.
Das Problem sind ja die anderen Verkehrsteilnehmer, die mit unerwarteten Situationen die Robotaxis in Bedrängnis bringen, also muss ich die konsequent voneinander trennen.
Also Radwege und Fußwege bauen und Robotaxi-Straßen als Kraftfahrstraßen markieren, am besten mit Grünstreifen am Rand. Und die Fußgänger mit Brücken und Tunneln vorbei leiten. Privat-PKW sind in der Stadt der Zukunft sowieso nicht mehr vorhergesehen.
Da hast du nicht ganz unrecht. Aber das reicht leider nicht. Denn andernfalls hätten wir bereits seit Jahren oder Jahrzehnten bereits autonome U-Bahn-Systeme oder autonome Züge.
Hängt halt davon ab, welchen Standard man als „praxistauglich“ ansieht, und das beinhaltet mindestens in gleichem Maße gesellschaftliche und juristische Fragen wie technische.
Wenn wir z.B. sowas auf unseren Straßen fahren lassen…
…bin ich mir recht sicher, dass derzeit existierende autonome Fahrsysteme auch nicht schlechter sind. Aber solange ein Fahrer am Steuer sitzt, haben wir immer jemanden, den wir bei Fehlern verantwortlich machen können, dessen Versicherung den Schaden begleicht, und den wir im Zweifelsfall auch sanktionieren können, entweder strafrechtlich oder durch Entzug der Fahrerlaubnis. (Passiert bei fahruntauglichen Rentnern allerdings viel zu selten, aber auch das ist anscheinend gesellschaftlich gewollt.)
Das ist bei autonomen Fahrzeugen eben schwierig, denn zum einen möchten die Herstellerfirmen ungern für alle Unfälle haften, die mit ihren Produkten passieren, und zum anderen lassen sich Fehler von Computersystemen nicht mit „Augenblicksversagen“ abtun, sondern sind praktisch automatisch ein Produktmangel, und autonome Fahrzeuge mit technischen, zertifizierten Eigenschaften wie „durchschnittlich weniger als 1 Unfall mit Personenschaden auf 100.000 Fahrten“, vergleichbar mit der „expected downtime“ von Computersystemen, sind wir wohl gesellschaftlich nicht bereit zu akzeptieren.
Ich meinte natürlich flächendeckend, nicht nur so ein paar Leuchtturm-Projekte.
Eigentlich muss diese Diskussion auch nicht mehr geführt werden. Jeder der sich für das Thema interessiert, sieht dass das autonome Fahren gerade als Thema verschwindet. Was von dem Hype bleibt, sind ein paar verbesserte Assistenzsysteme, aber das war es dann auch.
Nur ist es nicht das, was man in Hamburg und anderswo bzgl. Robotaxis verspricht. Es wird nicht die Verkehrs- und Stadtplanung konsequent für Robotaxi-Trassen angepasst. Das wäre ja eine teure Veränderung.
Sondern man verspricht andersherum, dass man diese Robotaxis sehr bald auf weitgehend unveränderten Straßen mit minimalen Personalkosten betreiben wird.
An der ganzen NDR-Podcast-Folge aus Hamburg stört mich, wie man Hoffnungen auf Vaporware setzt.
Wir wissen seit über 100 Jahren, wie ÖPNV geht: Man baut U-Bahnen, Tramstrecken oder Busspuren, kauft Fahrzeuge und stellt Fahrer ein, puzzlet einen Fahrplan, fertig. Man muss sich nur im Klaren darüber sein, dass die ÖPNV-Betriebskosten scheinbar ein Minusgeschäft sind, weil die Vorteile für die Gesellschaft erst später und indirekt anderswo wieder auftauchen. Aber die Technologie „ÖPNV“ ist fertig und bewährt.
Mit autonomen Robotaxis redet man sich ein, dass man eine Verkehrswende ohne weitere Investition in einen traditionellen ÖPNV erreichen könnte.
Es fühlt sich an wie diese Leute, die gegen den Bau von PV/Wind oder gegen Elektromobilität argumentieren, weil ja Mikro-AKWs, Fusionskraftwerke und E-Fuels „kurz vor Marktreife“ seien.
Wikipedia: " Als Vaporware werden Produkte bezeichnet, die der Öffentlichkeit angekündigt, aber nur mit großer Verzögerung oder niemals produziert werden. Der Begriff wird besonders im Bereich von Computer-Hardware und Software verwendet."
Sehe ich ganz genau so. Das ganze Thema „Autonomes Fahren“ ist einfach völlig überladen mit überzogenen Erwartungen und unrealistischen Vorstellungen. Schon allein so unrealistische Anforderungen wie: „Es müssen ja nur alle anderen Verkehrsteilnehmer „ausgesperrt“ werden“ zeigt ja, wie resigniert selbst die Befürworter inzwischen sind.
Wer das nicht glaubt, kann sich ja mal alte Tesla-Präsentationen mit ihrem damaligen „KI-CEO“ anhören, wie der darüber erzählt, dass schon ein geöffnetes Tor, an dem ein Verkehrsschild hängt, sie vor massive Probleme stellt, weil das autonome Fahrzeug entscheiden muss, ob dieses Schild jetzt gilt oder nicht.
@Margarete
Auch wenn du recht hast, dass der Begriff Vaporware eigentlich etwas anderes meint, ist der Vergleich gar nicht so schlecht.
Abgesehen davon, dass die Realität gerade beweist, dass es noch sehr weit ist, bis Autos wirklich Autonom fahren:
Autonomes Fahren löst unsere Probleme erstmal nicht.
Die Verkehrswende die wir WIRKLICH brauchen besteht aus 2 Komponenten:
Mehr ÖPNV und weniger Autos
Mehr E-Mobilität
Wer die Autos dann fährt, ist zweitrangig. Ein Selbstfahrendes Auto ist immer noch ein Auto das Platz verbraucht. Klar, es könnte wieder aus der Stadt rausfahren, aber dann wird ja noch mehr CO2 ausgestoßen als wenn es Parkt. Wenn es aber Parkt, haben wir nichts gewonnen.
In wenigen Fällen fährt es vlt von einer zur nächsten Person, aber Stoßzeiten im Berufsverkehr werden damit nicht abgefangen. Vlt müssen also ein paar weniger Autos gebaut werden, der hauptsächliche Ausstoß kommt aber durch das Fahren, nicht durch den Bau.
Meiner Ansicht nach wird mit autonomen Fahren seit Jahren eine technisch interessante Idee Diskutiert, die aber keine Lösung ist. Ich halte die falsche Hoffnung, die oft mitschwingt, sogar für problematisch, weil sie realistischen Lösungen im Weg steht (Unwort: Technologieoffenheit)
Ist das tatsächlich ein Punkt gegen den autonomen Betrieb?
Züge haben irre lange Bremswege. Da kann der/die ZugführerInn meist eh nichts mehr machen. Und die Überwachung und Auswertung des nächstegelegenen unbeschrankten Überganges sollte auch gut automatisiert klappen.
Autonom kann aber doch auch der ÖPNV fahren und wenn man sich ansieht, dass aktuell vielerorts aus Gründen des Mangels an Personal Verbindungen ausfallen oder gar die Taktung allgemein verschlechtert wird, dann wären autonom fahrende Fahrzeuge, egal ob als Taxi, Bus oder Schienengebunden doch schon eine sinnvolle Option.
Wenn dadurch noch dazu ein engmaschigeres Netz und somit weniger Umstiege möglich wären könnte es die Attraktivität von ÖPNV deutlich steigern.
In Berlin wird es gerade richtig absurd: Die CDU überlegt ernsthaft, Unmengen von Geld für eine Magnetschwebebahn, Lufttaxis und „Hyperloops“ auszugeben, anstatt damit den öffentlichen Nahverkehr auszubauen.
Ja, aber Berlin ist ja auch ein sehr reiches Bundesland, dass sich solche Projekte ohne Weiteres leisten kann.
edit:
Und vielleicht soll der Hyperloop ja auch nur zwischen Schönefeld (Flughafen BER) und Grünheide (Tesla-Werk) verkehren. Dann wird er auch nicht so teuer.
„Autonomes Fahren“ ist das gleiche wie „Kernfusion“ oder „E-Fuels“. Wenn es diese Technologien gäbe, wären viele unserer Probleme magisch gelöst. Aber weil es sie noch nicht gibt (bzw. vermutlich nie geben wird) und wir uns in der Diskussion über ihre ganz bestimmt baldige Möglichkeit verzetteln, versäumen wir, die vorhandenen Technologien zur Lösung unserer Probleme zu nutzen.
Der Vergleich ist nicht gut, denn E-Fuels gibt es ja schon heute. Sie lösen nur keines unserer Probleme.
Bei autonomen Fahren und Kernfusion ist es tatsächlich ähnlich: Beide Technologien existieren nur in Laboren bzw. sehr begrenzten Umgebungen. Aber ob sie jemals Praxistauglich werden steht in den Sternen.
Der große Unterschied ist nur: Die Kernfusion würde wirklich Menschheitsprobleme lösen, der autonome Tesla fährt einen dagegen einfach nur Samstags Abend besoffen aus der Kneipe nach Hause.