Hausdurchsuchung bei Medienwissenschftler wegen eines Tweets

Liebes Lage-Team,

ich möchte ein aktuelles Thema vorschlagen, das dringend beleuchtet werden sollte: die Hausdurchsuchung beim bekannten Medienwissenschaftler Norbert Bolz aufgrund eines Tweets.

Was diesen Fall so besonders macht: Der inkriminierte Satz, der zur Durchsuchung führte, wurde wohl auch vom Spiegel und der TAZ als Überschrift verwendet. Auch die TAZ, auf deren Artikel sich der ursprüngliche Tweet bezog, hat sich mittlerweile gegen die Hausdurchsuchung gewandt.

Artikel der TAZ

Auch Politiker wie Ricarda Lang wenden sich dagegen: Tweet Ricarda Lang

Mich würde brennend die Einschätzung des Lage-Teams dazu interessieren, insbesondere von Ulf. Man kann sich dem Eindruck kaum erwehren, dass hier die Justiz nicht vollkommen unabhängig agiert oder zumindest mit zweierlei Maß gemessen wird.

Meine zentrale Frage ist: Wie kann ein Richter einen solchen Durchsuchungsbeschluss durchwinken? Welche rechtlichen Mechanismen oder Begründungen könnten dahinterstecken, und inwiefern ist das im Kontext von Meinungsfreiheit und der Verhältnismäßigkeit solcher Maßnahmen überhaupt tragbar?

Ich bin überzeugt, dass dieser Fall eine tiefgehende Diskussion über die Grenzen der Meinungsfreiheit in sozialen Medien, die Unabhängigkeit staatsanwaltschaftlicher Entscheidungen und die richterliche Kontrolle verdient.

Ich hoffe sehr auf eure Expertise in einer der nächsten Folgen!

Viele Grüße, Boris

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Völlig überzogen, juristisch gesehen, würde ich sagen.

Kann mir kaum vorstellen, dass Ulf das anders sieht.

LTO hatte da auch schon was zu:

Vielen Dank, auf der Seite gibt es auch gleich eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema:

Das Straf­recht ist keine mora­li­sche Super­in­stanz

IMHO Ich denke der Staat sollte in diesen Fällen einfach etwas “gelassener” reagieren. Da hier doch wirklich überreagiert wurde.

Ich ziehe jedenfalls meinen Themenvorschlag zurück :slight_smile:

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Erinnert mich irgendwie an die Andrej Holm Sache vor… oh, vielen Jahren.

Für die jüngeren Semester: Stadtsoziologe Andrej Holm: Man weiß jetzt, was Gentrifizierung ist

Richtig, ich finde das auch falsch, aber die öffentliche Kritik setzt am falschen Punkt an. Man kann natürlich schon darüber streiten, ob überhaupt der Tatbestand erfüllt ist, aber das ist tatsächlich eine offene Frage, insofern ist es vertretbar, wenn die Staatsanwaltschaft einen Tatverdacht annimmt.

Unvertretbar ist aber, deswegen eine Durchsuchung von Wohnräumen zu beantragen, insbesondere ohne sogenannte Abwendungsbefugnis. Denn es ging ja bei der Durchsuchung ersichtlich darum, rauszufinden, ob der Beschuldigte tatsächlich den Tweet abgesetzt hat. Das hat er aber jedenfalls nach eigenem Bekunden gegenüber den ermittelnden Beamten direkt an der Wohnungstür gestanden. Spätestens damit hätten sie die Durchsuchung abbrechen müssen, weil das Ziel der Beweiserhebung bereits erreicht war.

Deswegen schreiben Profis in Durchsuchungsbeschlüsse eigentlich rein, dass die Durchsuchung durch XYZ abgewendet werden kann. Das ist auch der Grund, warum beispielsweise bei Banken fast nie wirklich gesucht wird, einfach weil eine solche Abwendungsbefugnis bezogen auf bestimmte Unterlagen drinsteht und die Banken dann die Unterlagen an der Tür rausgeben.

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Ich hätte es so verstanden, dass genau das passiert ist:
Zitat von LTO:

Zur zwangsweisen Durchsetzung kam es aber nicht, da Bolz der Anordnung, den Beamten Einsicht in sein Profil bei X zu geben, Folge leistete.

Laut B.Z. (Quelle) wurde auch nichts beschlagnahmt.

Hoffe ich hab da jetzt nichts falsch verstanden.

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Mich würde interessieren, welche zweierlei Maß Du hier siehst, die verschieden gemessen werden?
Auch, welche Kräfte du hier siehst, die die Richter in ihrer Unabhängigkeit behindert oder zumindest beeinflusst haben könnten?

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Aber warum musste er überhaupt Zugriff auf sein Profil geben, wenn er zugegeben hat, dass er es war?

Er hat unter eigenem Klarnamen mit verifiziertem Account gepostet. Weshalb man dann vier Polizisten zu ihm nach Hause schicken muss, ist mir absolut unerklärlich.

Mein Vertrauen in den Rechtsstaat wird durch solche Handlungen schwer erschüttert. …

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Gute Frage. Eventuell zur Beweissicherung, würde mir da als Grund einfallen. Andernfalls wäre vielleicht nicht 100 % sicher, dass es wirklich sein X-Konto war.
Ich bezog mich halt, wie gesagt, aus die Aussage vom LTO-Artikel, wonach es keine „Zwangsmaßnahme“ gab.