Haltungen und Strategien zu Russland/Ukrainekrieg

Haufenweise rechtsextreme Polizist:innen, gegen die kaum was unternommen wird, Wissenschaftler:innen die eingeschüchtert werden, wenn sie nicht der Staatsräson huldigen, 3 Millionen Kinder, die in Armut leben, 5,5 Millionen Menschen, die im Winter frieren müssen weil sie zu wenig Geld für die Heizkosten haben, rassistische Migrationspolitik und Rhetorik von fast allen Parteien, komplettes kaputtsparen aller Bereiche des Sozialstaates, kein effektiver Klimaschutz, bestechliche Politiker:innen (denn sind wir mal ehrlich: nichts anderes in Lobbyismus), ich könnte das beliebig lange weiter fortsetzen…

Wahrscheinlich keins, das ist ja mein Punkt.

Das ist natürlich praktisch. Warum fangen wir denn nicht bei unseren Verbündeten zum Beispiel in Israel an? Wo die Empirie doch klar

Für mich bedeuten Waffenlieferungen und logistische Unterstützung der Ukraine, dass wir Russland eben nicht einfach freie Hand lassen. Es ist jedenfalls mehr als wir jemals für die Opfer der USA getan haben.

Und das meine ich mit Idealismus. Es liegt eben nicht „einzig an Russland“ ob es zu einem Krieg zwischen der NATO und Russland kommt. Du kannst es für moralisch richtig und rechtmäßig halten, dass die NATO Krieg gegen Russland führt, aber soweit ich weiß ist die Beihilfe eines angegriffenen Staates mit Truppen ein Recht und keine Pflicht. Es bleibt also eine politische Frage, zu der man verschiedene Ansichten haben kann und ich bin eben der Meinung, dass mir bei aller Liebe zum Völkerrecht mir das Risiko für einen atomaren Abtausch zu groß ist.

1 „Gefällt mir“

Weiterhin Waffen liefern, weiterhin versuchen Russland international zu isolieren indem man versucht mehr Ländern des globalen Südens mit ins Bott zu bekommen indem man auch selbst Zugeständnisse macht und Verbündete sanktioniert, die ebenso das Völkerrecht brechen, möglicherweise Russland Zugeständnisse macht, wenn sie sich dafür komplett aus der Ukraine zurückziehen… Ich bin wie gesagt bei vielem dabei, nur eben nicht bei einem direktem Krieg zwischen Atommächten.

Danke, das ist doch eine konkrete Antwort.

Ich teile die Kritikpunkte durchaus, aber das bedeutet in der Konsequenz nicht, dass ich Deutschland nicht gegen ein Land verteidigen würde, welches noch mal in jedem der angesprochenen Bereiche um ein vielfaches(!) Schlimmer ist.

Das ist gerade kein Punkt. Du sagst quasi, du würdest nur eine Utopie verteidigen, alles andere kann vor die Hunde gehen. Ich sage, dass wir das Beste, was derzeit realistisch umgesetzt ist, verteidigen sollten. Ja, es gibt noch viel Luft nach Oben, aber wenn wir erst die Utopie zu Verteidigen bereit sind, werden wir nie bei der Utopie ankommen, weil wir uns weigern, jeden Zwischenschritt zu verteidigen. Wo ist da die Logik?!?

Ich bin auch für ein wesentlich schärferes Vorgehen gegen Israel, wie in zahlreichen Threads geäußert. Sanktionen gegen führende Minister, Umsetzung des Haftbefehls gegen Netanyahu und Gallant, falls sie nach Deutschland kommen, generell Sanktionen gegen alles, was mit der Siedlungspolitik auch nur entfernt im Zusammenhang steht usw.

Aber again: Das ändert nichts daran, wie wir zu Russland und der Ukraine stehen. Das eine hat literally mit dem anderen nichts zu tun.

Doch, wenn die Alternative ist, Russland gewähren zu lassen, und wir klar zu dem Schluss kommen, dass das nicht in Frage kommt, liegt es einzig an Russland, ob es seine Pläne stoppt oder durchzieht und damit den dritten Weltkrieg heraufbeschwört.

Stell dir vor, man hätte die Nazis gewähren lassen, weil man „keinen zweiten Weltkrieg riskieren will“. In welcher Welt würden wir dann heute leben?!? Die Nazis hätten ein Land nach dem nächsten unterworfen, bis sie die Atombombe gebaut hätten und sich niemand mehr hätte widersetzen können („The man in the high castle“ lässt grüßen). Und ja, die Gefahr durch Russland ist ähnlich hoch wie die Gefahr durch die Nazis damals. Das siehst du offenbar anders, was dein gutes Recht ist, aber ich halte es für Naiv, zu glauben, dass die Russen nach Eroberung der Ukraine „zufrieden“ wären.

Ich trenne das mal hier, damit mir nicht vorgeworfen wird ich wäre ein russischer Bot:

Der Grund, warum ich keinen Krieg zwischen der NATO und Russland will hat mit den Misstaten der USA nichts zu tun. Da geht es mir darum, dass ich nicht durch einen Atomkrieg sterben möchte.

Der Grund warum ich hier die Verbrechen der USA beziehungsweise des globalen Nordens thematisiere ist weil ich der Meinung bin, dass es auch möglich wäre Kriege weitestgehend zu verhindern, wenn Verstöße gegen internationales Recht konsequent und gegen alle geahndet würde. So lange das nicht der Fall ist werden wir weiterhin in einer Welt leben, wo das Recht der Stärkeren gilt und wo Hegemonen weiterhin unbehelligt Krieg führen können.

Wer sollte das tun bzw. wer hätte die Macht dazu, die USA, China oder Russland zu sanktionieren?

1 „Gefällt mir“

Ich verstehe das schon, ich werfe dir auch nicht vor, dass du russlandfreundlich sein willst. Der Verweis auf die Missetaten der USA lässt dich aber so erscheinen. Wir sind uns absolut einig, dass wir für eine strikte, konsequente Durchsetzung des internationalen Rechts eintreten sollten (wie es Baerbock im Interview in der letzten Folge der Lage ja auch forderte).

Das Problem, dass ich sehe, ist, dass Putin die Angst vor einem Atomkrieg gezielt nutzt, um Leute wie dich abzuschrecken - und das funktioniert. Das finde ich schade. Wie gesagt, Putin weiß genau, dass jeder Einsatz von Atomwaffen sein absolut sicheres Ende bedeuten würden. Das müssen wir kommunizieren. Abschreckung eben. Statt aber abzuschrecken, kommunizieren wir im Gegenteil, dass wir um jeden Preis einen militärischen Konflikt mit einer Atommacht verhindern wollen. Und das finde ich falsch.

Wie gesagt, niemand möchte, dass wir in den Krieg gegen Russland eintreten. Aber wir können uns nicht mit Kriegsdrohungen oder gar Atomdrohungen von Russland einschüchtern lassen. Und dazu gehört eine strategische Ambiguität, daher Russland gerade nicht deutlich zu sagen „Ihr könnt machen, was ihr wollt, wir werden definitiv nicht militärisch intervenieren“, sondern statt dessen die Möglichkeit eines Kriegseintritts offen zu lassen. Nochmal: Niemand will das. Aber wir dürfen es nicht ausschließen.

1 „Gefällt mir“

Auch Russland, China und die USA sind auf den Rest der Welt angewiesen, um Waren dorthin zu exportieren und von dort zu importieren. Wenn diese Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat organisiert werden sollen müsste dort aber selbstverständlich das faktische Vetorecht der ständigen Mitglieder abgeschafft werden.

1 „Gefällt mir“

Das Problem mit dieser Forderung ist, dass sie ein Kontradiktion zu deiner Angst vor einem Atomkrieg ist.

Es ist kein Zufall, dass die Atommächte ein Veto-Recht haben. Der Sinn des Veto-Rechts ist explizit die Vermeidung eines Atomkrieges, indem man Atommächten - genau, wie du es hier argumentierst - quasi im Zweifel lieber Dinge durchgehen lässt, als sie zu zwingen, ihre „Ansprüche“ mit Atomwaffen zu untermauern.

Denn die UN hat keine Möglichkeiten, ihre Sanktionen zu vollstrecken - klar, sie kann ein UN-Mandat für einen militärischen Einsatz verhängen, aber das würde sie gegen eine Atommacht nie tun. Wenn also eine Sanktion gegen eine Atommacht verhängt würde und diese Atommacht sagt: „Nope, das sehen wir nicht ein“, wäre die Konsequenz ohnehin, dass die UN handlungsunfähig wäre (was dann für jedermann sichtbar wäre). Genau deswegen gibt man Atommächten das Veto-Recht. So kommt es erst gar nicht dazu, dass die UN etwas gegen eine Atommacht durchsetzen müsste.

Das System ist offensichtlich dysfunktional und das ist auch alles klar. Auch hier siegt die Angst vor einem Atomkrieg über die Gerechtigkeit. Und das finden wir offenbar beide falsch.

1 „Gefällt mir“

Dir mag es so gut gehen, dass du deinen Wohlbefinden, deinen Reichtum und deine Sicherheit gerne verteidigst. Diese Sicht ist nachvollziehbar und fair. Ebenso fair ist es aber, wenn die komplett Alleingelassenen, Drangsalierten und Villifizierten dieses Landes nicht dazu bereit sind.

Und für die fühlt es sich auch nicht so an, als wäre das hier ein Zwischenschritt zur Utopie. Wird gefühlt alles schlechter und das einzige, was den meisten Politiker:innen einfällt ist gegen Migranten:innen und Arme zu hetzen.

Schalt mal bitte einen Gang runter. Das grenzt an Verharmlosung der Nazis. Es gibt keine russischen Vernichtungslager und selbst wenn es die Ambitionen zu einem großrussischen Reich gibt fehlt ihnen dafür wohl schlicht die wirtschaftliche und militärische Stärke.

1 „Gefällt mir“

Dude, ich bin der Sohn einer Sozialhilfeempfängerin und eines kleinkriminelles Drogendealers. Ich habe den Großteil meines mittlerweile 41 Jahre dauernden Lebens am Existenzminimum verbracht, auch aktuell lebe ich am Existenzminimum (weil ich nochmal studiere). Ich habe keinen „Reichtum“ und werde auch nie irgend etwas erben. Von „Reichtum“ bin ich wahrhaft denkbar weit entfernt.

Ich habe eine Karriere als Schulabbrecher (Hauptschule nach Klasse 9 ohne Abschluss verlassen) hinter mir, hatte mit 15 bereits zwei offene Bewährungsstrafen, hatte eine verdammt bescheidene Kindheit usw. usf… ich wurde wegen meines sozialen Hintergrundes (und damit zusammenhängener Verhaltensauffälligkeiten) auf die Hauptschule geschickt, obwohl eine Hochbegabung festgestellt wurde, wodurch meine ganze Jugend in eine katastrophale Richtung gelenkt wurde. Ich zähle mich daher zu den „Alleingelassenen“, „Dragsalierten“ und „Villifizierten“ dieses Landes. Trotzdem weiß ich, dass es mir in keinem anderen Land wesentlich besser gegangen wäre.

Meine Einschätzung, dass Deutschland es im Zweifel wert ist, gegen ein Land wie Russland verteidigt zu werden, basiert einzig auf der komparativen Sichtweise, nach der es einfach wenig „bessere“ Länder gibt. Ich bin der Erste, der dir in deiner Kritik gegenüber zahlreichen Aspekten in Deutschland zustimmen wird, aber der Letzte, der dir in dem Resultat zustimmen würde, dass Deutschland es deshalb nicht Wert sei, verteidigt zu werden.

Wie gesagt, das finde ich auch zum Kotzen (siehe die anderen Threads hier im Forum). Aber ich bin ebenso gegen dieses ständige „Doom & Gloom“. Über die Jahrhunderte betrachtet haben wir gesellschaftlich permanent Fortschritte gemacht. Die Welt heute ist eine bessere Welt als sie es 1700, 1800, 1900, 1950 oder auch 2000 war. Es geht allgemein in die richtige Richtung, auch wenn es manchmal Rückschritte gibt (1933-1945 war wohl der größtmögliche temporäre Rückschritt, sehr „rechte“ Phasen wie in den frühen 90ern („Asylkompromiss“) oder heute („Migrationsdebatte“) sind kleinere temporäre Rückschritte).

Es ist eine reine Frage der Einschätzung.

Putin hat deutlich gesagt, was er plant. Er hat seine historische „Vision“ mehr als deutlich offen gelegt. Und diese Vision beinhaltet die Eroberung von so ziemlich allem, was mal Teil des „russischen Reichs“ war.

1 „Gefällt mir“

Wird das wirklich den USA vorgeworfen? (Diesen Vorwurf habe ich bisher nie vernommen. Ich hatte den Eindruck, die USA haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass es ihnen bei der Unterstützung der Ukraine primär um Geopolitik und nicht um die Wahrung des Völkerrechts geht.)

Oder bezieht sich der Vorwurf auf die deutsche Unterstützung, d.h. „Deutschland solle sich hier ähnlich verhalten, wie bei den US-amerikanischen Angriffskriegen“? (Das ergäbe im Kontext dieses Threads für mich mehr Sinn.)

Gegen die Resolution stimmten Russland, Belarus, Nordkorea, Syrien und Eritrea.

1 „Gefällt mir“

Das ist so in etwa der Tenor den ich aus manchen Posts in diesem Thread ziehe.
Das es quasi einseitig sei, bei den US-amerikanischen Interventionen in der Welt eher „wegzusehen“ bzw. diese stillschweigend hinzunehmen, nun bei Russland aber den moralischen Zeigefinger zu heben.

Das mag sicher aus einer rein Moral-zentrierten Sichtweise ein legitimer Kritikpunkt sein (die Einseitigkeit), aber trägt ja zur aktuellen Situation nichts bei.
Ich versuche das immer mal aus der Sicht der Ukraine zu betrachten. Was wollen die? Frieden steht sicher ganz oben auf deren Liste. Nur die Bedingungen dafür, da scheint es außerhalb der Ukraine andere Meinungen zu geben, die nichts mit dem Wohl der ukrainischen Bevölkerung zu tun haben.

Und ja, ein Atomkrieg will keiner, auch die Russen nicht. Da bin ich sicher.
Das Risiko aufgrund von Fehlinterpretationen besteht sicher immer und bestand immer. Ein immanentes Problem der reinen Existenz von Atomwaffen.
Aber da würde ich dem Punkt von @Daniel_K schon zustimmen: ab welchem Punkt wird realistische Vorsicht oder Angst zu einer beliebigen Erpressbarkeit?
Also wenn Russland mit Atomwaffen droht, zucken wir sofort zurück und lassen Russland frei gewähren? Das will ja sicher niemand hier.

Also brauchen wir klare rote Linien nicht für uns intern, wie wir es ja grad mit den Waffenlieferungen an die Ukraine praktizieren, sonder klare rote Linien gegenüber Russland. „Putin, wenn du diese Linien überschreitest, hat das enorme Konsequenzen. Unmittelbar, mit voller Härte, ohne weitere Diskussionen.“
Das muss dann aber schon glaubwürdig sein, also die Bereitschaft aller da sein, das dann auch mitzugehen.

Die Haltung „das Leben ist eh sch…., alles doof, sollen die doch machen was sie wollen, ich geh einfach weg“ ist legitim, macht unser Leben aber nicht besser. Finde ich.
War jetzt überspitzt formuliert. :wink:

Jede militärische Intervention des Westens oder der Nato (Libyen, Irak, Afghanistan, Syrien usw) ist per default defensiv. Was wir mMn ausblenden ist, dass viele Menschen die weder im Westen leben, noch zu Nato gehören, diese Bewertung nicht teilen. Wie können wir sicher sein dass Russland nicht ebenfalls einen Defensivkrieg führt?
Oder sind vielleicht weder der russische, noch der westliche Militarismus defensiv? Wir (der Westen) sind nicht ehrlich

Spannende These.

Was eher zu der grundsätzlichen Fragestellung führt: wie wollen wir in der Welt miteinander leben? Friedlich und gewaltfrei? Nach dem Recht des Stärkeren? Alle gemeinsam oder jeder nationalistisch für sich?

Wie setzen wir das dann um? Besonders wenn jemand abweicht?

Ich stimme zu, dass moralische und (völker-)rechtliche Aspekte nur bedingt relevant für die aktuelle Situation sind. Ihre Relevanz beschränkt sich im Wesentlichen darauf,

  1. dass dritte Staaten die Ukraine passiv oder aktiv unterstützen können ohne selbst einen Völkerrechtsbruch zu verursachen,
  2. dass dritte Staaten ihre Bevölkerung regelmäßig für die Unterstützung der Ukraine gewinnen können,
  3. sowie um zu verstehen, warum zumindest manche Befürworter von „Russland muss verlieren“ so alternativlos argumentieren (diverse moralische und rechtliche Forderungen lassen sich nur dann durchsetzen).

Meiner Wahrnehmung nach werden (zumindest in diesem Forum) „rein Moral-zentrierte Sichtweisen“ überwiegend bis ausschließlich von der „Russland muss verlieren“-Seite eingebracht und dann von der Gegenseite als irrelevant oder scheinheilig enttarnt (wobei es sicherlich auch Gegenbeispiele gibt).
Also nach dem Motto: „Wir müssen Aggressoren solange mit vollumfänglichen Wirtschaftssanktionen belegen, bis sie aufgeben und alle Verantwortlichen in Den Haag der Prozess gemacht wird. Wer das nicht fordert, ist ein Nazi und Putinknecht.“ – „Alles klar, also Wirtschaftssanktionen gegenüber den USA und Russland und Prozesse gegen Bush und Obama und Putin.“ – „Whataboutism!“

…Welchen Beleg der wirklich existiert und nicht russische Propaganda oder Propaganda der sogenannten Friedensbewegung. Hast du so einen Beleg?

1 „Gefällt mir“

Kannst du das mit aktuellen Beispielen belegen?
Die Fürsprecher sind meiner Ansicht nach vor allem Staaten, die ebenfalls autoritär oder diktatorisch regiert werden. Etwas, das ich für Europa und besonders Deutschland explizit nicht möchte.
Bei aller Kritik an Amerikas Vergangenheit darf man nicht übersehen, dass Russland so ein Verhalten ganz aktuell in Afrika an den Tag legt und die Nachbarn mit einer stetig aufrecht erhaltenen Bedrohungslage unter Druck setzt.

1 „Gefällt mir“