Ich nehme den Beitrag in LdN 252 zum Doppelbestrafungsverbot zum Anlass um generell die Güte unseres Justizsystems, im Sinne der Testgüte, zu diskutieren.
Ich möchte mich dabei (1) nur auf Strafsachen beziehen, (2) nur Fälle bei denen per se „Zweifel“ bestehen (d.h. kein Alibi und nicht in flagranti) und (3) vorrangig die Gerichte betrachten (d.h. nicht die Güte der Staatsanwaltschaft etc.).
Dank Corona kennen wir nun die 4 möglichen Ausgänge des Strafprozesses:
- Richtig positiv: (der Schuldige wurde verurteilt) Ziel des Justizsystems
- Richtig negativ: (kein Unschuldiger wurde verurteilt) Gericht hat funktioniert, Staatsanwaltschaft eher nicht
- Falsch negativ: (der Schuldige stand vor Gericht, wurde aber nicht verurteilt)
- Falsch positiv: (ein Unschuldiger wurde verurteilt und der Schuldige wurde nicht/nie verurteilt) Den Fall kann es bei strikter Anwendung von „in dubio pro reo“ nicht geben (zumindest nicht ohne Fälschung von Beweisen).
Gibt es hierzu Studien wie viele Strafprozessurteile der jeweiligen Kategorie zugeordnet werden müssen? Bezüglich positiv/negativ sind alle Informationen offensichtlich, aber gibt es ernsthafte Bemühungen (stichprobenartig?) auch die Unterscheidung richtig/falsch zu ermitteln?
Und wie sieht es mit Indizienfällen aus, d.h. Fällen in denen überhaupt keine Beweise gegen den Beschuldigten vorliegen? Ob die Schwurgerichtskammer hier jemanden verurteilt, hängt salopp gesagt davon ab, ob die Mehrheit* der Kammermitglieder weniger oder mehr „in dubio pro reo“ anwendet. Dabei ist wohl ein signifikanter Teil an falschen Richtersprüchen unvermeidbar (hoffentlich unter 50% falsch, aber das können wir nur nach belastbaren – schwierig zu erstellenden – Studien wissen). Hier wäre auch die persönliche Einschätzung und Erfahrung unseres Schwurrichters Ulf sehr interessant.
*Laienhafte Frage meinerseits: muss der Kammerbeschluss einstimmig sein?