Grundrechtsverwirkung - sinnvolle Maßnahme gegen Rechtsextreme in der AfD?

Die Frage ist halt immer noch, wie diese bessere Politik aussehen soll. Als Populist wirst du immer etwas finden, das nicht gut läuft. Und wenn es nur die Art ist, wie jüngere Menschen die Sprache zerstören oder Traditionen mit Füßen treten.
Sachsen steht ja wirtschaftlich vergleichsweise gut da. Nun wurden auch noch Milliarden für eine neue Chipfabrik locker gemacht.
Man kann sich ja als etablierte Partei nicht hinstellen und sagen, der Klimawandel sei Humbug und beruhe einzig auf einer vorübergehenden stärkeren Eruption der Sonne, die phasenweise auftrete. Auf der anderen Seite kann man Leuten, die das entgegen aller wissenschaftlichen Belege glauben wenig entgegen setzen.

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Mittlerweile haben fast 400.000 Menschen unterschrieben, dass " dass die Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung nach Artikel 18 GG gegen Höcke stellen soll.

Das ist schon eine beeindruckende Zahl und könnte noch größer werden.

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Danke @Gasti, ich war zu langsam:
Laut Umfragen liegt die AfD im Bund bei mehr als 20 Prozent. Und sollte sie irgendwann eine charismatische Führungsfigur hervorbringen, könnte sie noch deutlich mehr erreichen. In Thüringen ist das ja schon der Fall!
Also: Artikel 18 GG - Wehrhafte Demokratie: Höcke stoppen!
„An der Spitze des Thüringer AfD-Landesverbandes steht prominent Björn Höcke. Sein Einfluss in der Bundes-AfD ist ebenfalls zentral. Höcke hetzt gegen die im Grundgesetz verankerte freiheitliche demokratische Grundordnung, die Erinnerungskultur in Bezug auf den Holocaust und Menschen mit Migrationshintergrund.“ (Quelle: www.campact.de, s. u.)
Macht mit:
Wehrhafte Demokratie: Höcke stoppen! | WeAct

Das ganze ist doch eine Scheindebatte. Wer glaubt, ein Parteiverbot würde vor dem BVerfG Jahre dauern, aber Grundrechtsverwirkungen könnten innerhalb von Wochen ausgesprochen werden, der macht sich was vor. Für Parteiverbote gibt es zumindest durch die NPD-Urteile schon so etwas wie Leitlinien, das andere wäre komplett neu, und da es einzelne Grundrechtsträger trifft, wären die Hürden garantiert mindestens genauso hoch. Und auf jeden Fall wäre das im Anschluss erstmal ein Fall für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, und ich würde mal arg in Zweifel ziehen, dass die da mitziehen würden. Schon allein um keinen Präzedenzfall zu schaffen, mit dem dann in anderen Ländern Leute wie Orban oder Meloni auch anfangen „aufzuräumen“.

Und wenn dann in ein paar Jahren Höcke vielleicht nicht mehr kandidieren dürfte, wird er halt eine Eminenz im Hintergrund wie Kubitschek, und irgendwer anders übernimmt seine Position. Die Vorstellung, dass Rechtsextremismus sich dadurch verbreitet, dass einzelne rhetorische Jahrhunderttalente die Massen bezirzen, und wenn man diese aus dem Spiel nimmt, werden die Leute unverzüglich wieder normal und man hat wieder ein paar Jahrzehnte Ruhe, ist ziemlich naiv.

Aber am schlimmsten ist, wenn diese angebliche Perfektlösung „Grundrechtsverwirkung“ als Alternative zum Parteienverbot präsentiert und deswegen das Verbot abgelehnt wird. Auf BlueSky hat das jemand so formuliert, und ich möchte mich dem anschließen, weil ich es nicht besser formulieren kann:

Dieses AFD-Verbot ist wieder eins von diesen Problemen, für die es nicht eine einzelne Lösung gibt, sondern wo man 2 oder mehr Dinge tun muss, um es zu lösen. Jedes Mal, wenn man etwas davon tun will, stehen die Leute Schlange, einem zu erklären, dass das das Problem nicht löst, und wenn man das andere tun will, stemmen sich die Leute aus dem selben Grund dagegen. Wenn man da drauf achtet, entdeckt man diese Dynamik die ganze Zeit. Combolösungsprobleme überfordern die Gesellschaft systematisch.

Insofern bin ich nicht überzeugt, dass Grundrechtsverwirkungen gegen einzelne Personen wirksamer sind als andere Maßnahmen, aber wenn jemand das für sinnvoll hält, bitteschön. Nur wenn das als Argument gegen ein Verbotsverfahren angeführt wird, ist das meiner Ansicht nach entweder nicht richtig durchdacht oder es wird nicht mit offenen Karten gespielt.

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Vieles was die AfD vertritt ist ja zwar erzkonservativ, aber nicht verboten. Ihr Erfolg speist sich zu einem großen Teil aus einer Anti-Haltung gegenüber der Ampel-Politik bzw. gegenüber der vorangegangenen GroKo. Damit punktet die AfD vor allem. Die völkische Ideologie dahinter wird öffentlich kaum richtig wahrgenommen. Ein Verfahren zur Grundrechtsverwirkung einzelner AfD-Protagonisten (neben Höcke könnte das sicher auch gut gegen den Spitzenkandidaten zur Europawahl Maximilian Krah geführt werden) hätte den Vorteil, dass es den öffentlichen Diskurs genauer auf die Teile der AfD-Programmatik lenken würde, die tatsächlich gegen das GG verstoßen und unsere Demokratie gefährden. Ein solches Verfahren behauptet eben nicht „Alle AfDler sind Nazis“, sondern lenkt den Blick zielgenau auf die extremistischen Positionen einzelner Protagonisten. Das würde auch die AfD möglicherweise unter Zugzwang bringen, sich von diesen Personen zu trennen, oder zu erklären, wieso sie sich nicht von Extremisten trennt.

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Hallo Lage-Team,

mir wurde eine campact-Unterschriftenaktion zugeschickt. Es geht darum ein Verfahren nach §18 des Grundgesetzes gegen Björn Höcke anzustreben. Ich kannte dieses Verfahren bislang nicht und interessiere mich, wie ihr das juristisch, historisch und politisch einordnet.

Merci!
Stefanie

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Ich stimme dem Zitat unbekannter Quelle sofort zu. Und das können sicherlich auch (fast) alle hier in diesem Thread. Man darf unsere Meinung nicht auf Artikel 18 GG reduzieren! Ich denke, dass alle AUCH für ein Verbot der Partei sind. Also in diesem Sinne liegen wir wirklich nicht weit auseinander.
Aber: „… für ein Parteiverbot vor den Wahlen 2024 ist es jetzt einfach zu spät. In diesem Fall bin ich desillusioniert und schwer enttäuscht.“ Wer ist das nicht? Ich kann leider keinerlei Fortschritte dazu erkennen - im Gegenteil, wieviel Rechtsgutachten, Stellungnahmen und Berichte von V-Leuten sollen denn noch geschrieben werden? Wie lange will „man“ denn noch ermitteln? Das zeigt doch schon, wie unendlich schwierig allein die Vorbereitung eines Verbotsverfahrens ist. Ich behaupte auch nicht, dass es nach Artikel 18 GG trivial ist, aber es gibt noch keinen Beweis, dass es nicht (schneller) klappen kann.

„wird schon nicht“ ist halt schon mal schief gegangen.
Hat die AFD unter Höcke nicht gerade Zulauf? Ab wann ist es eine Gefahr für die FDGO wenn nicht bei 30% Tendenz steigend Zustimmung für Verfassungsfeinde?

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Mutmachend ist, dass mehr als 1,1 Millionen Menschen die Petition unterzeichnet haben, um dem thüringischen AfD-Anführer Björn Höcke gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes die Grundrechte zu entziehen. Es geht jetzt auch darum, dass Bürgerinnen und Bürger zeigen, wie sie die Werte der Demokratie verteidigen: indem sie deren Instrumente nutzen!

Ein Beitrag wurde in ein existierendes Thema verschoben: LdN361 - AfD-Verbot

Die Frage ist, ob es besser wäre, sich auf das AfD Verbot zu konzentrieren, statt Energie in Paragraph 18 zu investieren.

Ich fürchte, die Politiker trauen sich an beides nicht ran. Wenn sie nichts tun, fragt man sich, wofür das Grundgesetz diese Möglichkeiten überhaupt bietet.

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Schade das nicht auf die Möglichkeit eingangen wurde, einzelnen, gesichert rechtsextrem eingestuften Politikern das Mandat zu entziehen.

Fragen wären dazu:
Was gilt die Einstufung durch den VS als „gesichert rechtsextrem“?
WANN kan ein Abgeordneter sein Mandat verlieren?
Warum kann ich bei einer Gefängnisstrafe von mind 1 Jahr ohne Bewährung für 5 Jahre nicht mehr gewählt werden, aber darf völkische Thesen verbreiten, ohne Unterlass ankündigen, Grundgesetz und Demokratie zerstören zu wollen, etc etc und kann weiterhin Politiker bleiben?
Was macht es für einen Sinn, ein Parteiverbot anzustreben, wenn nicht einmal die extremsten Politiker von Macht und Einfluss ferngehalten werden können?

Ich habe diese Frage sdie letzten zwei Jahre schon Hr Voßkuhle und Gerhard Baum gestellt, ebenso jungundnaiv, Volksverpetzer etc etc, leider bis heute ohne Antwort oder gar genaue Klärung, was so einem neuen „Quasi-Radikalenerlass“ im Weg steht.

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Darauf sind wird nicht eingegangen, weil es nicht geht. Es gibt keinen isolierten Entzug des Mandats gegenüber Extremisten - der einzige Weg ist das Verbot ihrer Partei.

Näheres hier:

Das kenne ich, aber das heißt ja nicht, dass man so etwas nicht ändern/erweitern kann.

In einem Land, in dem der Schutz Israels „Staatsräson“ ist.

In einem Land, in dem ich 5 Jahre nicht mehr gewählt werden kann, wenn ich zu einer Freiheitsstrafe von mind einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wurde.

Da sollte es doch möglich sein, gesichert Rechtsextreme nicht an Mandate kommen zu lassen.

Im Podcast wurde ja Joseph Goebbels nicht ohne Grund zitiert.

Und wenn man eine ganze Partei verbieten will (und ich halte nicht einmal die ganze AfD für rechtsextrem), dann sollte man nicht bei den Einzelnen, sicher Rechtsextremen sagen „Geht leider nicht, geben bestehende Gesetze nicht her“.

Dann muss man eben Gesetze verändern, um Lücken zu schließen.

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Wie willst du denn ganz praktisch sicher feststellen, dass eine einzelne Person rechtsextrem ist?

Und ich wäre auch skeptisch, ob sich eine solche Gesinnungsprüfung für gewählte Abgeordnete mit dem Grundgesetz vereinbaren ließe. Es gibt ja zwei Verfahrensarten in diesem Feld, die das GG ausdrücklich vorsieht: Die Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG) und eben das Verbot einer Partei (Art. 21 Abs. 2 GG). Das BVerfG hat jeweils ein Monopol auf diese Entscheidungen. Daneben nun ein Verfahren einzuführen, mittels dessen eine Person ihr Mandat aus politischen Gründen verliert, sieht mir doch sehr wie eine Umgehung dieser Verfahrensarten aus und dürfte auch in die Stellung der Abgeordneten eingreifen. Das würde vermutlich eine Grundgesetz-Änderung voraussetzen.

Das muss nicht ich, dafür gibt es Gerichte und den Verfassungsschutz.
Bolsonaro darf bis 2030 nicht mehr gewählt werden, das haben 5 Richter (um das wasserdicht zu machen) zusammen entschieden.

Wenn so etwas „Gesinnungsprüfung“ ist, dann braucht es auch keinen Radikalenerlass mehr, dann brauchen Beamte nicht kontrolliert werden, dann brauchen wir auch bei Lehrern nicht mehr genau hinschauen.

Es geht aber nicht um „Gesinnungprüfung“, sondern darum, tatsächliche Aussagen, Schriften, Reden und Taten von Politikern zu bewerten und dementsprechend zu entscheiden, ob wir ihnen Macht und Entscheidungsgewalt in die Hand geben wollen.

Und wenn wir uns das nicht mehr zutrauen, dann hat unsere Demokratie eben Löcher und wir brauchen uns auch nicht zu wundern, wenn sich Zeiten wiederholen.

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Wenn ein Politiker eine Straftat begeht, dann gibt es auch in Deutschland die Möglichkeit, die Immunität aufzuheben und wenn er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, kann ihn das auch das Mandat kosten.
Grundsätzlich sehe ich keinen Grund für eine Änderung hier. Maßnahmen gegen einzelne Personen birgen immer die Gefahr der Willkür. Auch kann eine einzelne Person bei 684 Abgeordneten nur wenig Einfluss nehmen. Nach jeder extremen Rede kann das hohe Haus außerdem eine Geldstrafe verhängen.

Und wenn die „einzelne Person“ zb Ministerpräsident von Thüringen wird? Oder Bundeskanzler?

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Das aller erinnert mich an die Diskussion rund um den sog. Radikalenerlass (1972-91), mit dem der Staat verhindern wollte, dass „Extremisten“ im Staatsdienst arbeiten. Führte nach meiner historischen Erinnerung zu einer „Hexenjagt“ (Berufsverbote) auf vermeintliche Kommunisten. Nazis war nach meiner Erinnerung davon nie betroffen.

Die Gesinnungsprüfung und -schnüffele war damals in diesem Zusammenhang ein geflügeltes Wort.

Bis zur Abschaffung der Regelanfrage wurden bundesweit insgesamt 1,4 Millionen Personen überprüft. Ca. 1100 davon wurde der Eintritt in den bzw. das Verbleiben im öffentlichen Dienst verwehrt. Insgesamt wurden 11.000 Verfahren eingeleitet. Allein bei den Lehrern gab es 2200 Disziplinarverfahren und 136 Entlassungen. [o.g. Wikipedia-Artikel]

Die Abschaffung des Radikalenerlasses hat m.W. nicht dazu geführt, dass es nun zu Hauf Extremisten im Staatsdienst gibt.

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Dann hat die Demokratie in meinen Augen ein ganz anderes Problem.
Vor allem stellt sich ja die Frage: Wenn eine Partei eine Person, die so extremistisch ist, dass sogar diskutiert wird, ob man ihr das Mandat entziehen sollte, zum Spitzenkandidaten macht, warum die nicht verboten wird.

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