Grundrechtsverwirkung - sinnvolle Maßnahme gegen Rechtsextreme in der AfD?

Vieles was die AfD vertritt ist ja zwar erzkonservativ, aber nicht verboten. Ihr Erfolg speist sich zu einem großen Teil aus einer Anti-Haltung gegenüber der Ampel-Politik bzw. gegenüber der vorangegangenen GroKo. Damit punktet die AfD vor allem. Die völkische Ideologie dahinter wird öffentlich kaum richtig wahrgenommen. Ein Verfahren zur Grundrechtsverwirkung einzelner AfD-Protagonisten (neben Höcke könnte das sicher auch gut gegen den Spitzenkandidaten zur Europawahl Maximilian Krah geführt werden) hätte den Vorteil, dass es den öffentlichen Diskurs genauer auf die Teile der AfD-Programmatik lenken würde, die tatsächlich gegen das GG verstoßen und unsere Demokratie gefährden. Ein solches Verfahren behauptet eben nicht „Alle AfDler sind Nazis“, sondern lenkt den Blick zielgenau auf die extremistischen Positionen einzelner Protagonisten. Das würde auch die AfD möglicherweise unter Zugzwang bringen, sich von diesen Personen zu trennen, oder zu erklären, wieso sie sich nicht von Extremisten trennt.

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Hallo Lage-Team,

mir wurde eine campact-Unterschriftenaktion zugeschickt. Es geht darum ein Verfahren nach §18 des Grundgesetzes gegen Björn Höcke anzustreben. Ich kannte dieses Verfahren bislang nicht und interessiere mich, wie ihr das juristisch, historisch und politisch einordnet.

Merci!
Stefanie

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Ich stimme dem Zitat unbekannter Quelle sofort zu. Und das können sicherlich auch (fast) alle hier in diesem Thread. Man darf unsere Meinung nicht auf Artikel 18 GG reduzieren! Ich denke, dass alle AUCH für ein Verbot der Partei sind. Also in diesem Sinne liegen wir wirklich nicht weit auseinander.
Aber: „… für ein Parteiverbot vor den Wahlen 2024 ist es jetzt einfach zu spät. In diesem Fall bin ich desillusioniert und schwer enttäuscht.“ Wer ist das nicht? Ich kann leider keinerlei Fortschritte dazu erkennen - im Gegenteil, wieviel Rechtsgutachten, Stellungnahmen und Berichte von V-Leuten sollen denn noch geschrieben werden? Wie lange will „man“ denn noch ermitteln? Das zeigt doch schon, wie unendlich schwierig allein die Vorbereitung eines Verbotsverfahrens ist. Ich behaupte auch nicht, dass es nach Artikel 18 GG trivial ist, aber es gibt noch keinen Beweis, dass es nicht (schneller) klappen kann.

„wird schon nicht“ ist halt schon mal schief gegangen.
Hat die AFD unter Höcke nicht gerade Zulauf? Ab wann ist es eine Gefahr für die FDGO wenn nicht bei 30% Tendenz steigend Zustimmung für Verfassungsfeinde?

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Mutmachend ist, dass mehr als 1,1 Millionen Menschen die Petition unterzeichnet haben, um dem thüringischen AfD-Anführer Björn Höcke gemäß Artikel 18 des Grundgesetzes die Grundrechte zu entziehen. Es geht jetzt auch darum, dass Bürgerinnen und Bürger zeigen, wie sie die Werte der Demokratie verteidigen: indem sie deren Instrumente nutzen!

Ein Beitrag wurde in ein existierendes Thema verschoben: LdN361 - AfD-Verbot

Die Frage ist, ob es besser wäre, sich auf das AfD Verbot zu konzentrieren, statt Energie in Paragraph 18 zu investieren.

Ich fürchte, die Politiker trauen sich an beides nicht ran. Wenn sie nichts tun, fragt man sich, wofür das Grundgesetz diese Möglichkeiten überhaupt bietet.

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Schade das nicht auf die Möglichkeit eingangen wurde, einzelnen, gesichert rechtsextrem eingestuften Politikern das Mandat zu entziehen.

Fragen wären dazu:
Was gilt die Einstufung durch den VS als „gesichert rechtsextrem“?
WANN kan ein Abgeordneter sein Mandat verlieren?
Warum kann ich bei einer Gefängnisstrafe von mind 1 Jahr ohne Bewährung für 5 Jahre nicht mehr gewählt werden, aber darf völkische Thesen verbreiten, ohne Unterlass ankündigen, Grundgesetz und Demokratie zerstören zu wollen, etc etc und kann weiterhin Politiker bleiben?
Was macht es für einen Sinn, ein Parteiverbot anzustreben, wenn nicht einmal die extremsten Politiker von Macht und Einfluss ferngehalten werden können?

Ich habe diese Frage sdie letzten zwei Jahre schon Hr Voßkuhle und Gerhard Baum gestellt, ebenso jungundnaiv, Volksverpetzer etc etc, leider bis heute ohne Antwort oder gar genaue Klärung, was so einem neuen „Quasi-Radikalenerlass“ im Weg steht.

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Darauf sind wird nicht eingegangen, weil es nicht geht. Es gibt keinen isolierten Entzug des Mandats gegenüber Extremisten - der einzige Weg ist das Verbot ihrer Partei.

Näheres hier:

Das kenne ich, aber das heißt ja nicht, dass man so etwas nicht ändern/erweitern kann.

In einem Land, in dem der Schutz Israels „Staatsräson“ ist.

In einem Land, in dem ich 5 Jahre nicht mehr gewählt werden kann, wenn ich zu einer Freiheitsstrafe von mind einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wurde.

Da sollte es doch möglich sein, gesichert Rechtsextreme nicht an Mandate kommen zu lassen.

Im Podcast wurde ja Joseph Goebbels nicht ohne Grund zitiert.

Und wenn man eine ganze Partei verbieten will (und ich halte nicht einmal die ganze AfD für rechtsextrem), dann sollte man nicht bei den Einzelnen, sicher Rechtsextremen sagen „Geht leider nicht, geben bestehende Gesetze nicht her“.

Dann muss man eben Gesetze verändern, um Lücken zu schließen.

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Wie willst du denn ganz praktisch sicher feststellen, dass eine einzelne Person rechtsextrem ist?

Und ich wäre auch skeptisch, ob sich eine solche Gesinnungsprüfung für gewählte Abgeordnete mit dem Grundgesetz vereinbaren ließe. Es gibt ja zwei Verfahrensarten in diesem Feld, die das GG ausdrücklich vorsieht: Die Verwirkung von Grundrechten (Art. 18 GG) und eben das Verbot einer Partei (Art. 21 Abs. 2 GG). Das BVerfG hat jeweils ein Monopol auf diese Entscheidungen. Daneben nun ein Verfahren einzuführen, mittels dessen eine Person ihr Mandat aus politischen Gründen verliert, sieht mir doch sehr wie eine Umgehung dieser Verfahrensarten aus und dürfte auch in die Stellung der Abgeordneten eingreifen. Das würde vermutlich eine Grundgesetz-Änderung voraussetzen.

Das muss nicht ich, dafür gibt es Gerichte und den Verfassungsschutz.
Bolsonaro darf bis 2030 nicht mehr gewählt werden, das haben 5 Richter (um das wasserdicht zu machen) zusammen entschieden.

Wenn so etwas „Gesinnungsprüfung“ ist, dann braucht es auch keinen Radikalenerlass mehr, dann brauchen Beamte nicht kontrolliert werden, dann brauchen wir auch bei Lehrern nicht mehr genau hinschauen.

Es geht aber nicht um „Gesinnungprüfung“, sondern darum, tatsächliche Aussagen, Schriften, Reden und Taten von Politikern zu bewerten und dementsprechend zu entscheiden, ob wir ihnen Macht und Entscheidungsgewalt in die Hand geben wollen.

Und wenn wir uns das nicht mehr zutrauen, dann hat unsere Demokratie eben Löcher und wir brauchen uns auch nicht zu wundern, wenn sich Zeiten wiederholen.

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Wenn ein Politiker eine Straftat begeht, dann gibt es auch in Deutschland die Möglichkeit, die Immunität aufzuheben und wenn er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, kann ihn das auch das Mandat kosten.
Grundsätzlich sehe ich keinen Grund für eine Änderung hier. Maßnahmen gegen einzelne Personen birgen immer die Gefahr der Willkür. Auch kann eine einzelne Person bei 684 Abgeordneten nur wenig Einfluss nehmen. Nach jeder extremen Rede kann das hohe Haus außerdem eine Geldstrafe verhängen.

Und wenn die „einzelne Person“ zb Ministerpräsident von Thüringen wird? Oder Bundeskanzler?

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Das aller erinnert mich an die Diskussion rund um den sog. Radikalenerlass (1972-91), mit dem der Staat verhindern wollte, dass „Extremisten“ im Staatsdienst arbeiten. Führte nach meiner historischen Erinnerung zu einer „Hexenjagt“ (Berufsverbote) auf vermeintliche Kommunisten. Nazis war nach meiner Erinnerung davon nie betroffen.

Die Gesinnungsprüfung und -schnüffele war damals in diesem Zusammenhang ein geflügeltes Wort.

Bis zur Abschaffung der Regelanfrage wurden bundesweit insgesamt 1,4 Millionen Personen überprüft. Ca. 1100 davon wurde der Eintritt in den bzw. das Verbleiben im öffentlichen Dienst verwehrt. Insgesamt wurden 11.000 Verfahren eingeleitet. Allein bei den Lehrern gab es 2200 Disziplinarverfahren und 136 Entlassungen. [o.g. Wikipedia-Artikel]

Die Abschaffung des Radikalenerlasses hat m.W. nicht dazu geführt, dass es nun zu Hauf Extremisten im Staatsdienst gibt.

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Dann hat die Demokratie in meinen Augen ein ganz anderes Problem.
Vor allem stellt sich ja die Frage: Wenn eine Partei eine Person, die so extremistisch ist, dass sogar diskutiert wird, ob man ihr das Mandat entziehen sollte, zum Spitzenkandidaten macht, warum die nicht verboten wird.

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Das wird ja immer mehr diskutiert.
Aber eben das ist ja meine Frage: ein Parteiverbot im Bund halt ich für sehr unwahrscheinlich, da die Landesgruppen zu unterschiedlich sind, es würde sich ewig hinziehen und am Schluss käme nichts dabei raus.
Aber wenn wir schon das Parteiverbot diskutieren (und ich halte wie gesagt weder ALLE in der AfD für rechtsextrem noch fände ich es daher gut, so vielen Wählern ihre Partei „zu entziehen“) - warum diskutieren wir dann nicht viel mehr darüber, die extremsten daraus aus dem politischen Verkehr zu ziehen. Parteiverbot diskutieren ist ok, aber zu diskutieren, einzelne Extremisten aus der Politik zu entfernen ist nicht ok?
Diese Unterscheidung kann ich nicht nachvollziehen.

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So sehr ich mir wünsche, dass man einzelnen MAndatsträgern das mandat entziehen könnte.

Ich bin doch sehr froh, dass das nicht geht. Wenn sich die Mehrheiten im Bundestag oder in den Länderparlamenten ändern, könnten die schnell mal eine neue Definition von Extremisten zu Papier bringen und plötzlich könnte kaum ein vernünftiger Mensch ins Parlament einziehen.

Die ersten versuche gibt es ja schon die „letzte Generation“ als kriminelle Vereinigung oder als Extremisten zu klassifizieren.Man kann ja juristisch gegen sie vorgehen, aber sie gleich mit Mafia-Strukturen oder der RAF gleichzusetzen, ist schon starker Tobak.

In der aktuellen Lage-Folge wurde gesagt, was ich nicht wusste, dass man auch gegen Landesverbände Verbotsverfahren anstrengen kann. Das wäre dann im Fall von Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt wohl eine Option.
Ich finde den Weg immer noch besser. Denn wenn eine Partei Extremisten nicht ausschließt (was unter Meuthen ja noch passierte und ihn dann selbst um seine Mitgliedschaft brachte), dann spricht das nicht für die Partei und wird auch nicht besser, wenn man einzelne Vertreter sanktioniert (und damit noch zu Märtyrern macht).
Denn Parteien haben einige Privilegien, unter anderem was die Finanzierung angeht aber auch die Strafverfolgung. Diese zu entziehen sollte also das Ziel sein.

Statt einem gründlichen Verfahren möchtest du also Hunderte einzelne, die sich ebenfalls alle ewig hinziehen. Jeder, der dann letztinstanzlich tatsächlich ausgeschlossen wird, wird in Nullkommanix durch jemand anderes ersetzt, und dann geht alles von vorne los. Noch effektiver könnte man den Rechtsstaat kaum bloßstellen.