Grundproblem der gesättigten Demokratien

Trump und davor bereits Obama sind Ausdruck eines Misstrauens gegen die herrschende Elite.
Die Wahl von Biden kann dieses Grundproblem nicht lösen.

In den USA wie auch in Deutschland wird Politik zum Großteil von Jurnalist:innen, Lobbyist:innen und Politiker:innen beeinflusst.
Der Lebensweg ist dabei recht ähnlich. Abitur, Studium und dann zunächst schlecht bezahlte Aushilfsarbeit. Entweder Ehrenämter bei NGOs, das Praktikum beim Bundestagsabgeordneten, im Ministerium oder Praktika sowie Volontariate bei Zeitungen oder Sendern.
Da machen dann beispielsweise Politikwissenschaftsstudentinnen Praktika im Ministerium für Arbeit und Soziales und verdienen deutlich unter Mindestlohn und die Arbeitszeit wird auch nicht ordentlich erfasst.
Wie soll so jemand Arbeitsrechte anderer verteidigen, wenn es schon beim eigenen nicht klappt. Hauptsache im Lebenslauf kommt es später gut.
Das erste richtige Gehalt fließt dann frühestens mit 25 Jahren.

Wer dagegen mit 16 eine Lehre beginnt, bekommt bereits mit 19 Jahren ein ordentliches Gehalt und hat Arbeitnehmerrechte.

Dabei steht der erste Weg nur Menschen offen, die sehr intelligent, fleißig und Aufopferungsbereit sind. Wer nebenbei ein Kind groß zieht und sich um seine pflegebedürftigen Eltern kümmert, wird eben kein erfolgreicher Journalist:in oder Politiker:in. Zudem ist der Weg viel schwerer, wenn die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, ihre Kinder bis 25 durchfüttern.

Im Senat oder Bundestag sitzen dann großteils 50-70 jährige, die ihr ganzes Leben darauf hin gearbeitet haben. Fast niemand hat einfache und produktive Arbeit gemacht, wie z.B. Mechaniker:innen; Programmierer:innen, Krankenpfleger :innen, Verkäufer:innen oder Elektriker:innen. Fast alle sind davor schon viele Jahre lang Gutverdiener gewesen. Meist in Ministerien und Parteien. Selbst wer mit 18 aus einem einfachen Haushalt gestartet ist, hat sich auf diesem 30 Jahre langen Weg sehr stark verändert.

Einfache Arbeitnehmer:innen haben dagegen einen andern Anspruch an einen Arbeitsplatz. Möglichst wenig anstrengend, gut vereinbar mit der Familie, gut bezahlt und sicher soll die Arbeit sein. Gerne auch Fortbildungen und interessante Aufgaben, aber eben innerhalb der 35 Stunden Arbeitszeit und bezahlt.

Dabei sind die meisten Menschen nicht sonderlich klug oder fleißig. Sie wollen ein einfaches und gutes Leben.
Diese „durchschnitts“ Menschen sehe ich derzeit systemisch stark unterrepräsentiert. Darauserwächst meiner Meinung nach das (berechtigte) Misstrauen gegen eine gefühlte politische Elite. Dazu kommt noch ein Gruppenreflex. Schon in der Schule hat man die Streber ausgeschlossen, um die übrige Gruppe ihnen gegenüber aufzuwerten.

Wie kann unser derzeitiges System verändert werden, damit einfache, ggf. dumme und faule Bürger:innen mehr berücksichtig werden?
Unser System muss schließlich für alle gut funktionieren.

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Rofl "dumme faule " Menschen und die sollen auch noch mehr repräsentiert werden.^^
Mal abgesehen von der Kompelixität der heutigen Politik die zwangsläufig zu einer Spezialisierung führt und damit wahrscheinlich jene „dummen und faulen“ sehr schnell zu der Elite werden über die du dich beschwerst. Ich versteh nicht ganz was da der emanzipative Anspruch ist oder geht es hier um die lustigste Form der Identitätspolitik ?

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Hallo Felix,

beim Lesen hatte ich den Eindruck das wir verschiedene Einschätzungen von der Biographie der Abgeordneten haben, darum hab ich mal auf der Seite des Bundestages (https://www.bundestag.de/abgeordnete/biografien/mdb_zahlen_19, die Daten sind echt kacke zu lesen ;)) nachgesehen

  • Alter: „größtenteils 50-70 jährige“ → Stimmt 60% der Abgeordnete sind vor 1970 geboren
  • Wer nebenbei ein Kind großzieht wird kein:e erfolgreiche Politiker:in. → Schwierig zu sagen, wer dann so ein Kind aufzieht. Aber zumindest scheint es so zu sein dass zumindest 64% der MdBs ein Kind haben. Das werden glaube ich schon auch welche dabei sind die Ihren Teil am Eltern-Sein mitgetragen haben.
  • Fast alle Gutverdiener:innen, meist in Ministerien und Parteien. → Das mit den Gutverdiener:innen stimmt glaube ich, aber Ministerien und Parteien sind höchstens 25% (auch viel sonstiges mitgezählt. Das ist natürlich viel, aber bei weitem nicht der überwiegende Teil.

Das in der politischen Repräsentation mehr „fleißige“, „aufopferungsbereite“ und „engagierte“ Menschen unterwegs sind, glaube ich auf jeden Fall auch. Ich glaube es liegt in der Natur der Sache. Gerade der Anfang von politischer Arbeit - und da kommen auch ganz ganz viele Bundestagsabgeordnete her - in den tiefen der Komunalpolitik ist einfach etwas für engagierte Überzeugungstäter und nichts für Couch-Potatoes. Ich glaube das ist schwer zu ändern, und ich weiß gar nicht ob ich es auf dieser Ebene Änderungswürdig halte: Es ist doch erstmal gut, wenn die Leute politische Aufgaben übernehmen die auch den Willen und die Kraft haben sich damit intensiv zu beschäftigen.

Auf der anderen Seite würde ich Dir aber stark widersprechen wollen, wenn Du Menschen die eine Lehre machen, mit Menschen mit einer produktiven Arbeit, mit Menschen mit Arbeitnehmerrechten, mit Menschen in 35-Wochen (!), mit Menschen die „nicht sonderlich klug oder fleißig“ sind und mit Menschen die „einfach und ggfs. dumm und faul“ sind in einen gemeinsamen Topf wirfst.
Das sind sieben verschiedene Töpfe zwischen denen es natürlich Überschneidungen aber natürlich auch Unterschiede.

Die bessere Repräsentativität muss auf Ebene der Parteien passieren. Die müssen in der Basisarbeit offen für alle sein und die müssen die Wahlämter durchgängig für alle teile der gesellschaft machen. Da sind verschiedene Parteien verschieden gut drin und alle müssen besser werden :wink:

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Ich stimme zu, dass die Politiker nicht die Bevölkerung abbilden. Das möchte ich persönlich aber auch gar nicht zwingend. Ich möchte lieber von „schlauen“ als von „dummen“ regiert werden. Das fehlende Verständnis zu den „unteren“ Schichten sehe ich eher als Problem.

Aber insgesamt betrachtet ist aus meiner Sicht das Hauptproblem unserer Demokratie, dass fast nur in Wahlperioden gedacht wird. Probleme die sichtbar sind, aber nicht akut werden, werden in die nächste Wahlperiode verschoben. Wieso ist Bildung so vernachlässigt? Das ist dussling, weil die jungen Leute weniger Wählen gehen und sich auch weniger integriert sehen. Langfristig schadet das uns, kurzfristig ist das egal. Und da gibt es zig solcher Themen, z. B. Klimawandel, Rassismus, soziale Ungerechtigkeit,…
Das andere Problem ist, dass jemand auf dem Weg bis zum Politiker bereits sehr viele Kompromisse eingehen muss und abhängig von vielen Dingen ist. Ich habe nicht den Eindruck, dass die regierenden in meinem oder im Interesse der Allgemeinheit entscheiden. An vielen Stellen wird offensichtlich gegen Allgemeinwohl entschieden und einzelne Institutionen/Wählergruppen bevorzugt - siehe Scholz mit CumEx oder in Deutschland wie in Amerika ein veraltetes/problematisches Wahlrecht das beibehalten wird, um Vorteile der bestehenden Parteien nicht zu gefähren. Lobbyregister, mehr NGOs und Parteispenden sollten verboten werden und die Finanzierung der Parteien dafür deutlich erhöht werden. Diese beiden Punkte sehe ich wichtiger an, als eine repräsentative Besetzung des Bundestages.

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Das sehe ich eben anders. Wenn wir das Ziel haben, ein System demokratisch zu gestalten, damit es für alle Menschen bestmöglich passt, ist es sehrwohl ein Problem wenn nur fleißige, kluge und aufopferungsbereite Menschen Einfluss auf dessen Gestaltung erhalten.

Die Arbeitsmoral in der Berliner Blase kennt oft eben gerade keine Arbeitszeiterfassung, wie mir diverse Praktikanten und studentische Hilfskräfte aus NGOs und Ministerien berichten.

Vorletzte Woche schicke beispielsweise ein Mitarbeiter eine Mail rum, dass er sich entschuldigen müsse, weil seine Frau ja letzte Woche ein Kind bekommen hat und er daher heute nur von 8-16 Uhr und dann erst wieder nach 20 Uhr arbeiten könne. An den Arbeitszeiten aus Arbeitsverträgen oder dem Arbeitsrecht hält sich dort eh niemand mehr. Wenn es jemand nicht mehr packt, muss er eben etwas anders machen.

Diese Arbeitsbelastung ist dabei ungesund und überhaupt nicht zielführend. Auch arbeitspsychologisch ist es hochgradig seltsam, wichtige Entscheidungen in Endlossitzungen nach Mitternacht zu treffen. So setzen sich nicht die besten Ideen durch, sonder die von den Personen mit der längsten Arbeitszeit, die sich dann auch noch am Wochenende mit Politikern treffen und das nur machen können, weil sie eben in dieser Zeit nicht ihr Kind betreuen.

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Ich gehe grundsätzlich sehr mit bei deinem Kommentar, insbesondere bezüglich der Kategoriesierung von Menschen. Würde aber zu Deinem folgenden Punkt noch eine Perspektive anbieten.

Das in der politischen Repräsentation mehr „fleißige“, „aufopferungsbereite“ und „engagierte“ Menschen unterwegs sind, glaube ich auf jeden Fall auch.

Ich glaube das ist schwer zu ändern, und ich weiß gar nicht ob ich es auf dieser Ebene Änderungswürdig halte: Es ist doch erstmal gut, wenn die Leute politische Aufgaben übernehmen die auch den Willen und die Kraft haben sich damit intensiv zu beschäftigen.

Ich finde grundsätzlich steht @Felix1 Frage immer noch: sind Menschen, für die prekäre Arbeitsverhältnisse Normalität ist, die richtigen Vertreter beim Thema Arbeitsrecht?

Aber grundsätzlicher: wenn politische Repräsentanten „fleißig“, „aufopferungsbereit“, „engagiert“ sind, dann kann man sich ja auch fragen was solche Menschen antreibt. Warum sind sie so „aufopferungsbereit“ wenn doch die Bedingungen so objektiv schlecht sind? Wenn jemand so ein Verhalten in einer Hobby-Subkultur auslebt würde man schnell auf den Gedanken kommen, dass das ein Kompensationsverhalten ist. In unserer Leistungsgesellschaft hinterfragen wir das interessanterweise nicht wenn es sich um „Arbeit“ handelt.

Es gibt Psychotherapeuten, die unserer gesamten Gesellschaft eine narzisstische Grundstörung diagnostizieren, gerade aus dieser Dynamik heraus: es sind genau die Menschen in Machtpositionen (in die man immer nur durch Aufopferungsbereitschaft kommt), die dadurch eine narzisstischen Problematik kompensieren. Aber diese Menschen formen und gestalten die Welt für alle anderen, sodass die nächste Generation aufwächst in einer Gesellschaft, die narzisstische Problematiken fördert. (siehe „Die narzisstische Gesellschaft“ von Hans-Joachim Maaz).

Man muss dieser Sicht sicherlich nicht in Gänze folgen, aber man sollte sich fragen welche Weltsicht die Untergruppe hat, die üblicherweise in Machtpositionen ist. Und ob diese Weltsicht zumindest in weiten Teilen deckungsgleich ist mit der Gesamtbevölkerung.

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Hallo Felix,

okay, jetzt verstehe ich etwas besser was Du sagen willst.
Aber in Deinem neuen Beitrag fokussierst Du Dich jetzt m.E. ausschließlich auf den Aspekt „aufopferungsbereit“, i.V.m. Arbeitszeiten und Arbeitsbelastung. Das ist glaube ich ein interessantes und wichtiges Thema, was im Rahmen der Angestellten von Minisiterien und NGOs auch durch einen Mentalitätswandel lösbar scheint (Für Poilitiker_innen sicher schwieriger, weil man sich hier einfach durch mehr Präsenz, einen Vorsprung vor der innerparteilichen Konkurrenz holen kann).
Aber vor allen Dingen hat es in meinem Verständnis überhaupt nichts mit den Schlagworten die mich in Deinem ersten Beitrag getriggert haben (klug vs dumm, fleißig vs. faul) zu tun.
Darum würde ich mich freuen, wenn Du Dir meinen Beitrag oben nochmal anschauen würdest und darauf reagieren würdest (ich weiß gar nicht so genau auf welchen Aspekt sich Dein "das sehe ich anders bezieht). . Ich hatte das Gefühl, dass Du in Deinem ersten Beitrag anhand von Bildungswegen ein Bild von Gesellschaftssichten malst, in dem Du da vielen Menschen Attribute zuordnest die ich als kränkend empfinde (faul und dumm). Ist das wirklich Dein Bild auf diesen Teil der Gesellschaft oder habe ich das nur falsch verstanden ?

Hallo raleng,

hui, das sind aber schwere Geschütze die Du da auffährst.
Zunächst zu Deinem Satz „Ich finde grundsätzlich steht @Felix1 Frage immer noch: sind Menschen, für die prekäre Arbeitsverhältnisse Normalität ist, die richtigen Vertreter beim Thema Arbeitsrecht?“
→ Fehlt da ein „nicht“ vor „Normalität“?
->Na klar, das ist eine wichtige Frage, die so alt ist wie die repräsentative Demokratie alt ist, und sie ist schwierig zu Beantworten. Ich hab da natürlich keine abschließende Antwort drauf, aber meine Meinung oben schreib ich ja schon: Ich glaube, dass die beste Art und Weise das zu realiseren die Partizipation in den Parteien ist. Wo viel Luft nach oben ist, wo aber natürlich verschiedene Dinge gut laufen.

Zu Deinem „restlichen“ Punkt. Ich würde Dir da explizit nicht zustimmen. Gerade in der „Hobby Subkultur“ in der ich mich so bewege sind die Menschen die die Dinge im Ehrenamt bewegen, tragen und weiterbringen genau die, die „fleißigen“, „engagierten“ und „aufopferungsbereiten“. Und natürlich machen das diese Menschen weil ihnen das etwas gibt. Ich würde das jetzt nicht als Kompensationsverhalten bewerten - weil das Wort für mich eher negativ klingt.

Bezüglich der Bewertung der Gesellschaft als Narzistisch - da fehlt mir jetzt spontan die Psychologische Expertise da eine Meinung zu zu haben :slight_smile:

Fehlt da ein „nicht“ vor „Normalität“?

Ich hatte tatsächlich auf die potentiell prekären Situationen angespielt die Felix angesprochen hat, wenn man in dem Bereich versuchen will Fuß zu fassen. Für Berufspolitiker sind die Arbeitsbedingungen sicherlich alles andere als prekär :wink:

Und natürlich machen das diese Menschen weil ihnen das etwas gibt. Ich würde das jetzt nicht als Kompensationsverhalten bewerten - weil das Wort für mich eher negativ klingt.

Streich gerne das Kompensationsverhalten, es geht nicht darum das negativ darzustellen. Am Ende geht es ja um die Frage ob die Gruppe, die Dinge vorantreibt (ob im Hobby oder Job), eine bestimmte Weltsicht teilt, und ob diese Weltsicht übereinstimmt mit der Gesellschaft. Ich persönlich sehe da auch eine Diskrepanz.

Aber Du hast es natürlich oben schon erwähnt, eine gute Repräsentation zu schaffen ist eine der grundlegenden Herausforderungen einer Demokratie. Ich gebe Dir da auch Recht, das muss schon auf Parteiebene gelöst werden.

Der Exkurs mit dem „schwerem Geschütz“ war in erster Linie zur Betonung, das bestimmt Systeme selbsterhaltend sind. Man muss das erwähnte Buch sicherlich mit einer „Psychotherapeuten-Brille“ lesen (z.B. das Kompensationsmechanismen nicht per se was schlechtes, sondern sogar oft gut sind), aber ich finde das zeichnet in weiten Teilen ein stimmiges Bild. Aber wenn wir zwei Psychologie-Laien das jetzt im Detail diskutieren wollten, wäre das vermutlich auch nur bedingt ergiebig :wink:

Aber der Scheuer repräsentiert die doch ganz gut :stuck_out_tongue_winking_eye:

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Ich finde mich in vielen Gedanken dieses Threads wieder. Auch ich finde, dass die politische Kaste zu elitär ist und damit viele Probleme vermutlich sozialisationsbedingt gar nicht auf dem Schirm haben kann. Es ist das eine über Armut und Benachteiligung zu sprechen, aber es das andere, wenn man dies selbst erfahren hat. Ich bin aber auch der Meinung, dass das bestehende System auch seine Vorzüge hat. Ich persönlich würde mich aber freuen, wenn man in Deutschland ein Konzept ähnlich der Citizens’ Assembly, in etwa Bürgerräte, wie in Irland etablieren könnte. Damit könnte man eine bessere Repräsentation der Bevölkerung in Entscheidungen abbilden, ohne gleich die „Elite“ absägen zu müssen.

Vielen Dank für eure tolle Kommentare, die sichtweise mit der narzisstischen Gesellschaft drückt meine Grundthese viel besser aus, als ich das selbst verbalisieren konnte.
Es tut mir leid, wenn ich @Hasenkoettel verletzt habe. „dumm“ und „faul“ war selbstverständlich absichtlich etwas provokant gewählt und ich will mich damit auf keinen Fall über Menschen mit niedrigem IQ oder Antriebsschwäche hinwegsetzen.
Ich selbst bin grundsätzlich auch eher ein fauler Mensch, der sich zu vielen alltäglichen Dingen mehr als der Durchschnitt zwingen muss.

Dieser Thread stellt meine Erklärung zum Erfolg von Trump und Johnson dar. Das die beiden eben keine hochfleißigen Bestnotenschüler sind und genau das macht sie - zumindest mir - im ersten Effekt sympatischer als eine z.B. eine Clinton, obwohl das total irrational ist und ich die beiden trotzdem niemals wählen würde.

Diesen Konflikt zu lösen ist schwierig, da hochintelligent Eliten in Führungspositionen auch viele Vorteile haben, die richtige Balance ist entscheidend.
Jedoch kommt dir Grundfrage „wie machen wir das Leben für den Großteil der Menschen einfacher und besser“ dabei viel zu kurz.

Vielleicht wäre dazu die Forderung von „Extinction Rebellion“ von Bürgerräten zu bestimmten Fragen gut. Dabei wird eine repräsentative Gruppe der Bevölkerung ausgelost und diese berät und entscheidet dann unter Einbeziehung von Experten ein Konzept, z.B. die deutsche Klimapolitik oder über ein Rentenkonzept.

Ich bin mir sicher, dass z.B. die steuerliche Bevorzugung von teuren Dienstwagen [man könnte den Mwst. freien Fahrzeugpreis z.B. auf 30.000€ deckeln] oder einer Flugsteuer ab dem 5. Flug pro Jahr in einer Bürgerrunde deutlich anders als derzeit im Parlament entschieden worden wären.

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Es gibt ein ganz grundsätzliches Mißverständnis des Begriffs „repräsentative Demokratie“, das ich immer öfter wahrnehme.

Das Mißverständnis lautet "ein Parlament soll die Zusammensetzung der Bevölkerung in verschiedensten Aspekten (Alter, Bildungsweg, sexuelle Identität, Religion, kulturelle Zugehörigkeit, etc pp) wiederspiegeln.

Das tieferliegende Mißverständnis ist: ein Mitglied einer bestimmten Gruppe (eine Frau, ein Protestant, ein Bayer) versteht, artikuliert und vertritt die Interessen dieser Gruppe am besten und erfolgreichsten. Was zu beweisen wäre.

Das, liebe Leute, ist im Kern schnöder Tribalismus. Wir und die anderen.

Wie funktioniert repräsentative Demokratie tatsächlich? Eine Gruppe (wir haben uns für regionale Gruppierungen, AKA Wahlkreise und Bundesländer entschieden) wählt ihre Vertreter. Diese Wahl besagt: „Du aus unserer Mitte, wir vertrauen Deinem Urteil. Gehe Du an unserer statt ins Parlament und entscheide. Wir vertrauen Deiner Entscheidungsfähigkeit und geben Dir freie Hand darin.“

Und das hat nichts mit den oben genannten Kategorien zu tun, sondern mit der Person.

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Bis hierhin würde ich dir weitgehend zustimmen.

Das ist aber ebenfalls eine recht realitätsferne Darstellung unserer repräsentativen Demokratie. Vielleicht ist das das, wie viele sich den Idealfall vorstellen, aber that’s not how it works.

Das fängt damit an, dass wir die Parteien als Gatekeeper haben, wen wir denn überhaupt wählen dürfen. (Die allermeisten haben dafür übrigens intern Mechnismen am Start, die du gerade unter Tribalismus subsummiert hast, was Leute wie Seehofer, Scheuer, Klöckner, Giffey usw. erklärt.) Insbesondere zur Bundestags- und den meisten Landtagswahlen haben wir dann Wahlsysteme, die dafür sorgen, dass auch bloß niemand aus der Reihe scheren kann und irgendwelche Leute gewählt werden, die gar nicht dafür vorgesehen sind. Irgendjemand hat mal grob überschlagen, wieviele Mitglieder eines Bundestages durch „sichere“ Listenplätze und Wahlkreise vor der Wahl praktisch feststehen und kam, so weit ich mich erinnere, auf irgendwas in der Nähe von 75% oder so. Jedenfalls die absolute Mehrheit. Nur ein kleiner Teil der Abgeordnetensitze ist dann das, was durch den jeweiligen Erfolg oder Misserfolg der Parteien hierhin oder dorthin verschoben wird. Und natürlich sind das dann die hinteren Listenplätze, die praktisch keiner kennt, und wo in keiner Weise die Rede davon sein kann, dass das „Personen aus unserer Mitte sind, deren Urteil wir vertrauen“.

Gut, kann ja jeder seine eigene Partei gründen, die Leute überzeugen, und damit Erfolg haben, oder? Ist leider schwierig, denn genau der Grund, weswegen wir politische Entscheidungen an Repräsentanten delegieren statt selber über alles zu entscheiden, nämlich dass die meisten gar keine Lust haben sich mit Politik näher zu beschäftigen, führt dazu, dass neue Parteien darauf angewiesen sind, erstmal bekannt gemacht und überhaupt als valide dargestellt zu werden. (Der Wähler an sich ist recht konservativ und in der Regel nicht bereit, seine seltene, kostbare Stimme irgendwelchen Crackpots mit schmissigen Wohlfühlslogans hinterher zu werfen, was ja per sé auch nicht dumm ist.) Da kommen dann die nächsten Gatekeeper ins Spiel, die Medien. Und viel Geld hilft auch. Am besten in Kombination. Mit Bild, Welt und ein paar Milliardären in der Hinterhand lässt sich gleich viel einfacher Politik machen als ohne.

Alles in allem hat das Idealbild der Demokratie, dass aufgeklärte, informierte Bürger individuell exakt jene Personen wählen, die ihre Interessen am besten repräsentieren, mit der Realität nicht viel zu tun, und Macht, Einfluss, finanzieller Background, eine unterhaltsame Show und die geeignete Interpretation von Wahrheit mindestens im gleichen Maße wahlentscheidend sind.

Die Frage ist doch sowieso: Warum dulden mächtige, reiche Player, die sich problemlos riesige Privatarmeen leisten könnten, nicht nur ein System, in dem jeder genau gleich viel Stimmgewicht hat, sondern setzt sich so ein System auch global durch? Es gibt die Theorie, dass der eigentliche Vorteil der Demokratie als System für diese Leute nicht „Gerechtigkeit“ oder irgendein anderer abstrakter Wert ist, sondern dass eine Demokratie simpel am besten geeignet ist, wenn es mal nicht mehr wie gewünscht läuft, die Verantwortlichen auszutauschen ohne Bürgerkriege zu führen. Bürgerkriege sind nämlich extrem schlecht für die Wirtschaft. (Außer sie finden irgendwo weit weg statt, wo man zwar Waffen hin verkauft, aber sonst kaum Verflechtungen hat.) Deswegen sind die nur dann eine Option, wenn irgendwo ein Außenseiter an die Macht kommt, der sich nicht an die Spielregeln neoliberaler Wirtschaft hält.

Was diese „Bürgerräte“ angeht, die gerade anscheinend den neuesten Trend politischer Forderungen darstellen, bin ich allerdings auch eher skeptisch. Dass so ein zufällig zusammengewürfelter Haufen nicht unbedingt die Kompetenz hat, weitreichende politische Entscheidungen in den unterschiedlichsten Teilbereichen zu treffen, haben die Befürworter ja auch schon eingesehen, und deswegen die „anleitenden Experten“ begefügt. Aber wer bestimmt denn, wer diese Experten sind? Das ist ein typisches Henne-Ei-Problem und die Vorstellung, dass da dann nur Drostens, Rahmstorfs usw. als Experten aufschlagen, und keine Hans-Werner Sinns oder Bhakdis oder Leute von INSM, EIKE, Heartland-Institute o.ä., ist meiner Ansicht nach etwas naiv. Auch ist jemand, der einmalig per Zufall in so ein Gremium gelost wird und danach vermutlich wieder in die Anonymität seines vorherigen Alltags zurückkehrt, sicherlich nicht automatisch weniger empfänglich für gewisse „Geschenke“ oder andere Zuwendungen.

Alles in allem wäre meine pessimistische Vision solcher Bürgerräte deswegen eher, dass die sich ziemlich schnell in typische Parlamente verwandeln, mit Fraktionen, Taktiererei, Lobbyismus usw., bloß mit noch weniger Ahnung und vielleicht noch etwas weniger repräsentativ was die vertretenen politischen Richtungen angeht.

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Nun, mir ist durchaus bewußt, dass die Realität deutlich komplexer, pragmatischer und über Jahrzehnte gewachsener ist. Mir sei diese Vereinfachung und Überspitzung gestattet um ein um sich greifendes Mißverständnis, wie unsere Volksvertretung zustande kommen soll, zu adressieren.

Mein Punkt ist einzig und allein: das Parlament ist kein Abbild der Bevölkerung, sondern es handelt sich um entsandte Vertreter.

Sonst könnte ja ein Algorithmus auf mechanische Art und Weise eine Personenauswahl als Abbild schaffen und diese zum Parlament ernennen. Wahlen wären obsolet.

Ach du meine Güte. Das ist nur noch einen Schritt von der Mär der „Finanzelite“, der „Rockefeller dieser Welt“, der „jüdischen Weltverschwörung“ entfernt.

Ich stelle den weiteren Austausch ein. Wo ist die Blockfunktion?

Dummfug. Es ist ein riesiger Unterschied, ob man an eine Finanzelite glaubt, die alle unter einer Decke stecken, oder ob man einfach die Tatsache akzeptiert, dass Leute mit viel Geld dadurch auch ein vielfaches an Macht haben – die aber natürlich permanent auch untereinander konkurrieren – und dass es Private Military Contractors wie Academi gibt.

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Ich verstehe nicht was daran ein „Missverständnis“ ist, ich würde das für erstrebenswert halten. Natürlich nicht 1:1, aber es wäre ein gutes Zeichen für eine funktionierende Demokratie, wenn dem so wäre. Alle die genannten Eigenschaften halte ich für keinerlei Grund nicht im Bundestag vertreten zu sein.

Man kann es auch umdrehen - warum repräsentiert die „repräsentative Demokratie“ in vielen Aspekten nicht das Volk? Ist das nicht eher eine Umkehrung (ein Missverständnis?) des Begriffes?

Wieso wäre das zu beweisen, und - um mal in die wissenschaftstheoretische Kiste zu greifen - nicht etwa das Gegenteil? Ich halte eine gewisse Deckungsgleicheit der Interessen mit der Gruppe für wesentlich, d.h. wer Arbeiter vertreten will, muss ihre Interesse verstehen. Das kann er wohl am besten wenn er selbst entsprechende Bezugspunkte hat - was aber auch nicht bedeutet das ein Werksarbeiter für die SPD im Bundestag sitzt. Was das mit „Tribalismus“ zu tun hat, und was daran negativ ist erschließt sich mir nicht.

Das ist die aktuelle Funktionsweise, aber es spricht eigentlich nichts dagegen das auch die entsandten Vertreter eher in gewissen Aspekten der Bevölkerung entsprechen. Ob das Parlament eher der Bevölkerung entsprechen soll ist eine politische Frage, keine Festsetzung.

Nein, man könnte zum Beispiel auch (tatsächlich repräsentativ gebildete) Bürgerräte bilden und diese zu gewissen Fragen fundierte Empfehlungen bilden lassen, die in den Willensbildungsprozess des Parlamentes einfließen. Mann kann auch viele andere Sachen machen, auch ohne Bürgerräte, die dazu führen das im Parlament alle Gruppen einigermaßen vertreten sind, und nicht nur theoretisch wählbar wären.

Vielen Dank für euere Beiträge.

Die Idee von Bürgerräten sollte man auf jeden Fall ausprobieren.

Ich bin dabei weit optimistischer, da das Prinzip beim Schöffengricht seit Jahrzehnten gut funktioniert. Hier können die beiden Leihen auch den Berufsrichter überstimmen, trotzdem hört man nicht ständig von populistischen Schöffengerichtsurteilen, da sich die Schöffen ihre Entscheidung eben auch nicht so leicht machen.

Dabei ist der begrenzte Zeitraum und Fragestellung der beste Schutz vor Machtanhäufung.

Dabei ist wichtig zu betonen, dass die Konzentration von Macht auf der anderen Seite auch wichtig für die Stabilität und Effizienz ist. Das hat die kurze Haltbarkeit der antiken griechischen Demokratie gezeigt, in der alle Ämter für kurze Zeiträume gelost wurden, sodass Beamte überhaupt keine Ahnung von der Materie hatte. Daher halte ich Bürgerrääte als gute Ergänzung des bestehenden parlamentarischen Systems und nicht als Ersatz von Parlamenten.

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Naja, der Vergleich hinkt ziemlich, denn Schöffengerichte sind in Deutschland bloß erstinstanzlich für relativ geringe Straftaten zuständig, die wenig bis keine Aufmerksamkeit erfahren und sich einfach nicht lohnen zu manipulieren. Ich denke, wenn z.B. Schöffen am Bundesgerichtshof sitzen würden, sähe das u.U. ganz anders aus.