Grüne Kehrtwende in der Verteidigungspolitik - ohnmächtige WählerInnen?

Ich vertraue da niemanden, wieso auch. Aber ich vertrete eben auch nicht den Glauben, dass mehr Waffen zu weniger „Massenvernichtungen, Folterungen, Vergewaltigungen, Deportationen und Morde“ führen, sondern zu mehr.

Das kann ich einfach nicht beantworten.

Ah, endlich mal jemand der etwas ausspricht, was unterschwellig wohl ein wichtiger Grund ist Waffen zu liefern. Unsere eigene Sicherheit. Sehe ich ein, dann darf man sich aber auch nicht über die Opfer in der Ukraine aufregen, die man nämlich stellvertretend für uns in Kauf nimmt.

Das kann sein, die letzten Informationen die bei mir dazu ankamen waren eben Forderungen wie „Die Krim wieder zurück an die Ukraine“ oder so ähnlich. Da möchte ich mir gar nicht ausmalen wie die russische Seite darauf reagiert hat.

Also aus den Reihen der Militärexperten hör ich das seit klar geworden ist, dass die Ukraine nicht überrannt wird.
Und wie gesagt - wie lange die Ukraine kämpft, und wieviel sie bereit sind für ihre Freiheit zu opfern, ist ihre eigene Entscheidung. Die Opfer nehmen diese Menschen nämlich nicht für uns in kauf. Das ist eine sehr arrogante Sichtweise.

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Dass dir zur Verhandlungsweise der Ukraine mehr Kritik einfällt, als zu der Russlands, lasse ich mal so stehen.

Diese Haltung ist in letzter Konsequenz die absolute Unterwerfung gegenüber aggressiven Staaten. Defensiver Widerstand gegen Aggression ist nicht moralisch verwerflicher als Aufgeben.

Die Annahme, bei einer Niederlage der Ukraine würden weniger Menschen sterben/leiden, als bei einem andauernden Konflikt, ist zwar möglich, aber keineswegs die einzig schlüssige Position dazu. Wie gesagt, das Verhalten Russlands nach einem Sieg muss auch bedacht werden.

Was für eine perverse Verantwortungsverschiebung. Die Opfer in der Ukraine werden weder „für uns“ erbracht, noch sind sie uns oder ‚dem Westen‘ anzulasten. Die Ukraine kämpft zuallererst für sich selbst, die geopolitischen Implikationen für Deutschland sind denen wahrscheinlich ziemlich egal.
Die Aggression und die (absolut überwältigende Mehrheit der) Kriegsverbrechen und Völkerrechtsverstöße gehen von Russland aus und die Ukraine will sich verteidigen. Eine Unterstützung der Ukraine von Seiten des Westens ändert daran nichts.
Schuld und Verantwortung liegen in diesem Fall ganz klar bei Russland

Davon abgesehen: Über Krieg, vermeidbare Opfer und insbesondere Kriegsverbrechen, sollte man sich immer aufregen, unabhängig davon wie der Krieg in unsere eigene Machtpolitik passt.

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Ich glaube nicht, dass du Ukrainer:innen plausibel erklären kannst, wie die Verweigerung von Waffen ihr Leben schützt. Das muss in ihren Ohren wie Hohn klingen. In meinen Augen es Pazifismus auf Kosten anderer. Ich verstehe die gute Absicht, aber ich kann nicht anders, als es in jeder Hinsicht falsch zu finden.

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Um wieder von der Fundamentalkritik am Pazifismus wegzukommen und hin zum ursprünglichen Thema: ich bin ein Grüner Realo. Meine Sichtweisen sind sicherlich nicht repräsentativ für die Grünen insgesamt, aber ich kenne doch einige, die für Waffenlieferungen an die Ukraine sind - trotz des „erweiterten Sicherheitsbegriffs” und der feministischen Außenpolitik.

Nur mal so als Anregung: in der aktuellen TAZ ist ein Artikel in dem beschrieben wird, warum ziviler Widerstand deutlich erfolgreicher als militärischer ist.

Das grundlegende Problem sind dabei die russischen Kriegsziele.

Es geht dabei nicht um die Kontrolle über ein geographisch klar abgegrenztes Gebiet (z. B. sowas wie die Falkland-Inseln) und/oder ein konkretes politisches Zugeständnis, sondern im Kern um grundsätzliche russische Dominanz über die Ukraine. In allen Belangen. So wie das mit nicht-militärischen Mitteln in Weißrussland erreicht wurde. Und wenn dies nicht erreicht werden kann, dann zielt die russische Führung auf eine Zerschlagung der Ukraine, so dass das wirtschaftliche, politische, militärische Gewicht des verbleibenden, nicht unter russischer Kontrolle stehenden Rumpfstaates den Interessen Russlands nicht mehr entgegen steht.

Sprich: die russische Seite zielt auf die Auslöschung der Ukraine als von Russland unabhängigen Staat. Das ist naturgemäß nichts, worüber die Vertreter dieses Staates verhandeln könnten.

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  1. Wenn man Pazifismus dahingehend definiert, das man primär bemüht ist, Konflikte friedlich zu lösen, und den Einsatz von „Gewalt“ (zur Abwehr einer Aggression oder zum Schutz Wehrloser) nur als allerletztes Mittel sieht, sind die Grünen wohl nicht allzu weit von ihrer grundsätzlichen Position entfernt.
  2. Antimilitarismus? Es gab immer wieder die Behauptung, wenn man die Armeen und Soldaten abschafft, gibt es keine Kriege mehr. Das verkehrt aber Ursache und Wirkung. Wer beginnt Kriege? Die Politik. Die Soldaten müssen es mit ihrem Leben/Gesundheit ausbaden. Zudem blendet man hier den Faktor Mensch aus. Nach dieser Logik schaffen wir die Polizei ab, und schon gibt es keine Verbrechen mehr. Passt ja auch nicht.
  3. Grundproblem ist die menschliche Eigenschaft, Macht und Stärke gegenüber vermeintlich Schwächeren oft auszunutzen zum eigenen Vorteil. Das war seit Jahrtausenden so, und wird auch noch lange in der Zukunft so sein. Der Mensch lernt nicht so schnell. Das ist kein Pessimismus, sondern Realismus.Sieht man im Alltag wie in der Weltpolitik.

Kriege werden vor allem deshalb geführt, weil internationale Politik-, Territorial-, Rechts- und Wirtschaftsordnungen Problemdruck erzeugen, der Krieg als eine unter verschiedenen Lösungsmöglichkeiten erscheinen lässt - zu der Akteur:innen dann mehr oder weniger aufgelegt sein können. Das mit Anthropologie aus dem 17. Jahrhundert zu erklären erscheint mir reichlich unterkomplex.

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Das heißt, ohne diese Ordnungen wären wir besser dran? Scheint mir auch zumindest eine unglückliche Formulierung.

Diese Ordnungen sind sicherlich alles andere als perfekt und oft bestimmt auch Teil des Problems, stellen m.E. aber doch jeweils einen Versuch dar, regelungsbedürftige Themen wie z.B. den Zugang zu Ressourcen oder ethnische Konflikte zu regeln. Und ohne würden wir sicherlich auch nicht im Paradies leben. Soviel Anthropologie darf wohl sein.

Nein, heißt es nicht. Steht auch nirgendwo und habe ich nicht behauptet. Diese Ordnungen dienen natürlich auch dazu, Konflikte abzufedern, zu moderieren und aufzulösen. Klar kann man dann der Meinung sein, dass Kriege geführt werden, weil alle Menschen von Natur aus blutrünstige Schwachköpfe sind, aber m.E. ist es sinnvoller, die Genese von Kriegen in der Wechselwirkung aus den Aporien internationaler Systeme und den Akteur:innen, die innerhalb derselben mit Handlungsmacht ausgestattet sind, zu suchen.

Dann war das ein Missverständnis. Danke für die Klarstellung. Ich glaube, was Du jetzt geschrieben hast, ist konsensfähig.
Und natürlich sind nicht alle Menschen blutrünstige Schwachköpfe, trotzdem benennt @Mike eine anthropologische Konstante, die Du auch nicht widerlegst.

Die gerade vorherrschenden „Bauchschmerzen“ innerhalb der Parteien wie SPD und Bündnis90/Die Grünen sind mehr als nachvollziehbar. Größere Teile beider Parteien (Grüne Jugend, Jusos, ältere Parteimitglieder) verstehen sich als antimilitaristisch oder pazifistisch. Ich vermute, so auch meine subjektive Ansicht innerhalb „meiner“ Partei SPD, dass viele dieser Teile noch im Trauma der „Zeitenwende“ verharren und ihr Weltbild bzw. ihre politischen Ziele in tausend Scherben zerbrochen ist.

Ein bekannteres Beispiel ist dabei der Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Rolf Mützenich. Jahrzehnte setzte er sich für ein Miteinander von NATO, Deutschland, EU und der Russischen Föderation ein. Er war einer der Hauptvertreter der Maxime „Wandel durch Handel“ und einer versuchten Politik der Verlängerung der Ostpolitik Willy Brandts. Er setzte sich zudem immer dafür ein, nicht auf militärische Abschreckung zu setzen, sondern auf Dialog. Er stand dabei stellvertretend für bspw. die Jusos oder auch die Grüne Jugend. Diese Ziele und diese Herangehensweisen sind (mehr oder weniger überraschend) „über Nacht“ den Bach runter gegangen. Er und viele andere wachten am 24.02. in einer neuen Zeitrechnung auf. Dies muss auch erst mal verkraftet werden.

Grds. lehne ich die Handlungsfelder „Antimilitarismus“ oder „Pazifismus“ gerade in Hinblick auf die große und bestimmende Rolle Deutschlands innerhalb der EU ab. Vielmehr kommt Deutschland eine Rolle als sog. „Zivilmacht“ zu. Deutschland hat bisher wie kein zweites Land auf sog. „soft power“ gesetzt, um seine außen- und sicherheitspolitischen Ziele durchzusetzen. Nur in absoluten Notfällen wie Jugoslawien oder Afghanistan wurde die Bundeswehr für verteidigungswerten Werte wie Grundrechte, Menschenrechte etc. eingesetzt. In dieser Zeit nach 1990 wurde allerdings der Fokus dahingehend verrückt, dass die Bundeswehr eine Einsatzarmee sein soll und ihr Fähigkeitsprofil nur noch am Rande die Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) enthielt. Immerhin wurde Russland vertraut, dass sie niemals die NATO oder überhaupt ein anderes europäisches Land angreifen würde. Die Signale aus Russland und das Einmarschieren auf der Krim wurden dann entweder nicht wahrgenommen oder mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen. Dies holt uns nun ein!

Ich kann jede Person aus den beiden o.g. Parteien verstehen, die sich gegen das Sondervermögen aussprechen. 100 Mrd. EUR ist eine enorm große Summe. Nur leider ist das die finanzielle Hypothek, die wir bei der Bundeswehr „verpennt“ haben. Dies bedeutet in diesem Moment, die Bundeswehr überhaupt verteidigungsfähig zu bekommen. Die „Zeitenwende“ ist im Grunde nichts anderes als die Refokussierung der Bundeswehr auf die LV/BV.

Es ändert daran allerdings nichts, dass man sich neben dem Krieg in der Ukraine auf die internationale Zusammenarbeit fokussiert und engagiert. Die Russische Föderation muss - mehr als ohnehin schon passiert - bei einer europäischen Sicherheitsordnung eingebunden werden. Dies geht allerdings nicht mit Putin, Medwedew, Lawrov oder anderen momentanen russischen Politikgrößen. Langfristig muss die Einhegung Russlands und Chinas in internationale Systeme und Zusammenarbeiten das Ziel sein. Der letzte Versuch ist krachend gescheitert.

Für die Ukraine bedeutet dies nun: Kämpfen für ihre Unabhängigkeit. Da sehe ich es als moralische Pflicht an, der Ukraine bei ihrem Unterfangen zu helfen. Waffenlieferungen und die NATO-Ausbildungsstandards haben dem Land bisher sehr geholfen - wenn man den ExpertInnen zuhört.

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Hallo zusammen,
das ist ja eine lebhafte Diskussion geworden.
@LeRa : Danke für Deine Antwort, genau so hatte ich es eigentlich gemeint. Vielleicht diskutieren dazu noch ein paar Leute mit, die Umfrage unter der Stammwählerschaft ist schonmal keine schlechte Idee.

Schönen Gruß,
Paul

Die eigene Partei kann das bei der nächsten Abstimmung mit dem passenden Ergebnis kundtun. Wenn dann der Kandidat des Vorstands nur 70% bekommt, ist die Message angekommen.
Dem Bürger bleibt nur auf die Straße zu gehen, was dann gerne mal ein verzerrtes Bild liefert.
Uns fehlen Volksbegehren und Volksentscheid, wie es in den Bundesländern bereits üblich ist.

Äh. Nein.

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Nein.
In der aktuellen TAZ ist ein Artikel im dem eine Gastautorin darlegt warum sie glaubt, dass ziviler Widerstand erfolgreicher sei.

Diese These ist aber zumindest umstritten. ( gerade ist die hp der TAZ down, daher kein weiterer Kommentar).

…geht es auch ein bisschen weniger rechthaberisch im Ton?

Willst Du damit vielleicht ein eigenes Thema aufmachen?
Ich habe mich früher aktiv dafür eingesetzt. Inzwischen - auch nach Erfahrungen mit Volksentscheiden auf Landesebene und dem Referendum z.B. in UK - bin ich strikt dagegen. (Der Pleitestaat Kalifornien kann ebenfalls als abschreckendes Beispiel dienen.)

BürgerInnenräte hingegen scheinen eine bessere Möglichkeit der direkten Demokratie zu sein.