Großbaustellen nach dem Regierungswechsel - Welchen Anteil hat die Union daran?

Neulich hörte ich einen Unionspolitiker sinngemäß sagen: Eine Impfflicht kann man ja in Deutschland auch nicht in wenigen Monaten beschließen (habe den genauen Kontext/Politiker leider vergessen). Empfand ich als seltsam bis fast zynisch denn man hatte ja selbst einige Jahre Zeit…

Seitdem frage ich mich wie viele der behördlichen Mülltonnenbrände, die wir derzeit sehen im Endeffekt Probleme von Reibungspunkten bei der Machtübernahme sind. Dinge wie das Auslaufen der pandemischen Lage, das Verbummeln einer Impfpflicht, und das Auslaufen der KfW Förderprogramme sind ziemlich viele Großbaustellen ziemlich nah am Machtwechsel. Es muss eigentlich schon einen Plan gegeben haben wie es danach weiter geht und offenbar ist davon nichts übrig geblieben oder kommuniziert worden. Wenn dem so wäre, würde ich das in der derzeitigen Lage als ziemlich verantwortungslos empfinden.

Niemand kann nach einem Jobwechsel direkt mit 100% produktiv sein. In die Anfangsphase direkt einige Krisen und Richtungsentscheidungen zu legen, die eben nicht durch die erfahrenen Mitarbeiter*innen des Ministeriums allein geklärt werden können, ist für mich der beste Weg um eine neue Regierung direkt vorzuführen.

Das mag vielleicht nur ein subjektiver Eindruck sein, denn man bekam ja im Dezember den Eindruck der Machtwechsel sei recht reibungslos verlaufen. Es sind auch zugegeben alles eher Anekdoten. Aber war das vielleicht doch nicht ganz so sauber? Oder ist das ganz normal und ich habe das in 16 Jahren konstanter Unionsführung nur nie gesehen? Mich würde die Meinung der Lage und Forenteilnehmer*innen dazu wahnsinnig interessieren… :slight_smile:

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Das Auslaufen der KfW-Förderung war ja nicht das Problem - Problem war da eher, dass man sie zu früh, nämlich vor Auslaufen, abgeschaltet hat. Da täte ich mich schwer, das Problem nicht allein bei der neuen Regierung zu verorten.

Anders ist es bei der Impfpflicht. Die hat die Union aber vorher schon verbummelt, insb. den Quatsch mit „Es wird keine Pflicht geben“ in die Welt gesetzt. Aber auch hier ist die SPD nicht unschuldig, sie war ja zuvor Teil ebenjener Regierung - wenn auch nicht im Gesundheitsministerium.

Die Pandemie wird ja auch in den Ländern glorreich entgegen jeder wissenschaftlichen Vernunft missmanaged. Davon sind eine ganze Reihe gerade nicht unionsgeführt. Dieses Auslaufen des Maßnahmenkastens vor Weihnachten war im Übrigen auch eine Idee der Ampel.

Ich habe eher das Gefühl, dass die konkreten Probleme unabhängig davon entstanden sind, wer an der Regierung ist. Der Union kann man sicher viel vorwerfen - inkl der ganzen Heuchelei gerade mit der allgemeinen Impfpflicht und der Umsetzung der Einrichtungsbezogenen, oder allgemein jeder Form von Heuchelei, gerade auch im Hinblick auf Lobby oder Klima. Dass die Union aber die aktuellen Probleme bewusst erzeugt hat, um die neue Regierung vorzuführen, kann ich mir angesichts der Art der Probleme beim besten Willen nicht vorstellen.

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Stimmt schon - aber das zugrunde liegende Problem war ja, dass die Mittel im Haushalt nicht mehr ausgereicht haben wenn ich das richtig verstehe. Das Handling war grottig und spricht für Impulsivität - keine Frage aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass man das Problem nicht langfristig hat kommen sehen. Das vorherzusehen erfordert aber einen Trend und damit mehr als zwei Wochen Beobachtungszeit… Meinst du nicht?

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Ich denke, die Verantwortlichkeiten sind da unter Umständen auch unterschiedlich verteilt.

Die Impfpflicht haben alle Parteien gemeinsam verkackt, weil sie kollektiv von Anfang an mit einer kategorischen Absage den Leerdenkern entgegen kommen wollten, dann dem Druck der Mehrheitsbevölkerung scheinbar nachgaben, aber das Prozedere gleichzeitig so kompliziert gestaltet haben, dass es zu einer Umsetzung voraussichtlich nicht kommen wird. Mir wäre jedenfalls nicht bekannt, dass irgendeine relevante Partei da vorher eine andere Position vertreten hätte.

Die „Aufhebung der epidemischen Lage“, und damit das Verbot einiger der wirksamsten Pandemieschutzmaßnahmen für die Länder, geht dagegen imho alleine auf das Konto der FDP und mittelbar der Koalitionspartner, die sich darauf eingelassen haben. Unter der Groko gehe ich davon aus, dass die ohne große Diskussion um ein weiteres halbes Jahr verlängert worden wäre.

Und was die KfW angeht, hat die Union natürlich das Auslaufen bewusst auf die nächste Legislaturperiode verschoben, obwohl sie vermutlich gewusst haben – oder zumindest hätten abschätzen müssen – dass die bereitgestellten Mittel dafür unzureichend waren. Aber im Wahlkampf, oder während evtl. anstehenden Koalitionsverhandlungen, wollte man das eben nicht auf dem Tisch haben, und entweder ist man dann wiedergewält und regelt das Problem irgendwie, oder man überlässt es gerne der Nachfolgeregierung.

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Die Grünen. Die waren auch bei den Masern für eine allgemeine Impfpflicht, nicht nur für Kinder.
Die Presse hat das aber nicht breit getreten, vermutlich war sie der Meinung, dass Anna-Lena es schon so schwer genug hat.

Die Aufhebung der epidemischen Lage war für mich nur konsequent, nachdem man in der Opposition dieses durchregieren immer kritisiert hat. Die nötigen Werkzeuge stehen den Bundesländern ja zur Verfügung. Dass die dann nicht der Buhmann sein wollten beim entscheiden harter Maßnahmen irgendwo auch verständlich.

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Hm, wat? Liest sich für mich irgendwie anders.

Dafür Anna-Lena Baerbock ab 2:00

Edit: der Antrag der Grünen zur Masernimpfung:

Zugegeben: bei Erwachsenen einrichtungsbezogen, aber weitergehend als die Regierung es plante

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Edit2:

„Wir planen keine Impfpflicht. Für alle Zeiten kann ich eine Impfpflicht nicht ausschließen“, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Es ist möglich, dass Varianten auftreten, die das erforderlich machen.“ Es könne gut sein, „dass wir irgendwann gewisse Bereiche und Tätigkeiten nur noch für Geimpfte zulassen“. SWR Aktuell 24.07.2021

Ja, das war kurz vor der Wahl. Vorher waren aber auch die Grünen Teil des „Anti-Impfpflicht-Konsenses“.

@Kenny ich sehe das ganz genauso. Seit die CDU/CSU in der Opposition sitzt, wirft sie mit Steinen. Das gilt für verschiedenste Themen und ich wundere mich teilweise sehr über das Verhalten. Da wird jede Kleinigkeit plötzlich zur Staatskrise aufgebauscht, selbst, wenn die Themen von ihnen noch viel schlimmer gemanaged wurden. Ein Beispiel ist der Lobby-Vorwurf an die Grünen wegen der Greenpeace-Person und das, obwohl Julia Klöckner auf eigenes Ermessen ein Werbevideo für Nestle gedreht hat.

Die Begründung für die vorzeitige Beendigung des Angebots war ja - wenn ich das richtig verstanden habe - eben, dass das Budget hierfür nicht ausgereicht hat. Es ist also sehr wohl eine CDU-Frage, die ja das „neue“ Budget erstellt hat und offenbar zu wenig eingerechnet hat. Habeck hatte also die Wahl, ob er das Budget überzieht (mit dem Risiko hierfür kritisiert zu werden und/oder die eigenen Pläne nicht angehen zu können). Ich finde das schon nachvollziehbar, denn die Finanzierung der neuen Pläne der Ampelregierung ist ja durchaus noch unklar.

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Da hast du einen Punkt. Die Regierung ist zum Zeitpunkt des Auslaufens aber schon fast drei Monate im Amt gewesen. Hätte man die knappe Kalkulation in so einem Superministerium nicht erkennen können und frühzeitig eine Warnung absetzen können: „Leute, das Budget ist knapp, wir werden die KfW-Förderung zwei Wochen früher einstellen. Alle Anträge sind bitte bis dahin zu stellen“. Ich denke, am Ende ist der Vertrauensverlust zu teuer und mit genug Offenheit kann man ja immer nochmal kommunizieren, wer das Budget eigentlich gemacht hat?

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Naja, erstens ist das Ministerium „neu“ und mit anderen Zuständigkeitsbereichen als bisher, zweitens benötigt selbst der Beste ja eine Einschleifzeit. Man stelle sich vor man fängt in einem neuen Job an, da braucht man halt ein halbes Jahr bis man alles kennt und versteht. Wir reden hier aber ja nicht „einfach“ von einem neuen Sachbearbeiterposten in Büro XY, sondern von einem „neuen“ Ministerium. Man sollte einem neuen Minister glaube ich schon fairnesshalber etwas Zeit geben für genau solche Themen. Die Aussage „schon drei Monate im Amt“ ist aus meiner Sicht daher schon etwas vereinfacht, wenn nicht sogar unfair.

Ich glaube, es ist in diesem Fall einfach dumm gelaufen - es wäre sicher schön gewesen, aber leider ist es das halt nicht.

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Da stimme ich dir absolut zu. Ich will auch gar keine Sympathien für die Machenschaften der Union bekunden - ich fand lediglich in den konkreten Beispielen keine gezielte Sabotage, aber dass die Union sich in den „shit happens“-Folgen ihrer Politik, die Andere jetzt ausbaden müssen, suhlt, sehe ich definitiv.

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