"Grabenwahlrecht in LdN 320"

Lieber Philip, lieber Ulf,

vielen Dank für die wie immer schöne Folge. Bei der Darstellung des Wahlrechts scheint mir aber, dass euch eine Ungenauigkeit unterlaufen ist. So wurde im Podcast davon gesprochen, dass die Union ein „Grabenwahlrecht“ (50% der MdB reine Mehrheitswahl, 50% reine Verhältniswahl) als Reformvorschlag eingebracht hätte. So dreist ist aber inzwischen nicht einmal mehr die Union.

Schaut man sich den (auch in den Shownotes indirekt verlinkten) Reformvorschlag der Union auf der Bundestagsseite an, so empfiehlt dieser:

  • Verringerung auf 270 Direktmandate,
  • Regulär 320 MdB per Liste gewählt (also eine Sollgröße des Bundestags von 590),
  • die ersten 15 Überhangmandate (das laut BVG zulässige Maximum einer halben „minimalen“ Fraktionsgröße) sollen nicht ausgeglichen werden.

Das hätte immer noch insbesondere für die CSU positive Konsequenzen (im Zweifelsfall einen Bonus von 15 MdB, wir haben dazu auch im Forumsthread Gesetzentwurf für Wahlrechtsreform diskutiert), aber es ist schon ein fundamental anderer Vorschlag, als in der Folge kolportiert wird.

Dann hattet Ihr auch verschiedene Fraktionen im Bundestag angefragt. Man hätte bei der Gelegenheit erwähnen können, dass die CSU (ja, diese CSU) tatsächlich 2021 mit einer paritätischen Landesliste angetreten war, was durchaus auch medial diskutiert worden war. Das ist ein wichtiges Symbolprojekt von Söder gewesen. Es war am Ende ein reines Symbol und hat nichts geändert, insofern die CSU trotzdem 32 Männer und nur 13 Frauen in den Bundestag geschickt hat. Das war vermutlich eingeplant gewesen, da bei der direktkandidatInnendominierten CSU zuerst einmal die (männlichen) Direktkandidaten drankamen, bevor die handvoll Frauen von der Liste zum Zug gekommen sind. Das zeigt auch, dass gerade bei direktmandatlastigen Parteien eine paritätische Landesliste nicht ausreicht, um Gleichstellung voranzutreiben.

Viele Grüße!

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Die CSU hat 11 Überhangmandate, daher hat die Liste überhaupt nicht gezogen. Alle CSU-MdBs haben ihre jeweiligen Wahlkreise gewonnen.

Das ist wieder typisch, dass die CDU das absolute Höchstmaß, welches das BVerfG gerade noch akzeptieren würde, ausnutzen will.

Sorry, aber nein - ich bin strikt gegen jede Form der unausgeglichenen Überhangmandate. Selbst die drei im aktuellen Wahlrecht sind drei zu viele!

Dass die Wahl irgendwann durch Überhangmandate entschieden werden könnte ist ein absolutes Horrorszenario, das es unbedingt zu vermeiden gilt.

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Doch, so dreist ist die Union:

Ist schon ein bisschen her, aber das ist deren Basis, von der sie verhandeln wollen. Und deswegen ist es vollkommen korrekt, einfach ohne deren Stimmen ein einigermaßen vernünftiges Wahlrecht zu bestimmen. Normalerweise wäre es halt vernünftig, ein Wahlrecht mehr oder weniger im Komsens zu beschließen, aber die Union hat halt beschlossen, dass sie das nicht wollen.

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Laut Artikel war es ein Vorschlag von 24 Abgeordneten, das ist nicht „die Union“. Und ebenfalls im Artikel: „Dieses Vorgehen ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgericht aus dem Jahr 2012 grundsätzlich möglich“. Es ist also augenscheinlich nicht mehrheitsfähig in der Union, aber offenbar schon im Rahmen des rechtlich Möglichen.

(Wir sind uns aber einig, dass es komplett bescheuert wäre.)

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Das ist halt wie Politik funktioniert. Es ist laut BVerfG möglich, aber ganz klar würde die Union keine Mehrheit dafür bekommen, weil alle anderen Parteien verlieren würden. Trotzdem benutzen sie das als erste Verhandlungsbasis, um vielleicht noch einen kleineren Teil ungerechtfertigter Vorteile in den „Kompromissvorschlag“ bringen zu können.

Die einzige Möglichkeit dagegen ist, dieUnion deswegen zu ignorieren und eben mit etwas kleinerer Mehrheit trotzdem ein zumindest einigermaßen neutrales Wahlrecht aufzustellen.

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Was mir in der Lage Folge zu kurz gekommen ist, ist wie undemokratisch das Grabenwahlrecht ist. Stattdessen wurde hauptsächlich darauf eingegangen, dass die Union als einziges davon profitieren würde. Ich meine eine Wahlrechtsreform von der nur die Union profitieren würde, wäre ja in Ordnung, wenn sie demokratischer wäre als das aktuelle Wahlrecht. Aber das ist mit dem Grabenwahlrecht ja überhaupt nicht der Fall, stattdessen ist es viel undemokratischer.

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Für mich sind inzwischen Direktmandate, bei denen Gewinner:nnen nicht mindestens 50% der abgegebenen Stimmen erhalten, nicht mehr nachvollziehbar. Wenn es weniger sind, vertritt das Kandidaty nicht die Mehrheit des Wahlkreises und damit bleibt für mich logischerweise nur noch die Verhältnis-/Erst-/Haupt-Stimme als entscheidend übrig.

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Hallo in die Runde,

Ihr habt alle ein gutes stückweit Recht. In der Tat hat die Unionsfraktion vor ein paar Tagen den oben genannten Vorschlag unterbreitet. In der Wahlrechtskommission haben die Unionsvertreter aber über Monate und als Mindermeinung im Zwischenbericht der Kommission für das Grabenwahlrecht plädiert (und diesem das Label „echtes Zweistimmenwahlrecht“ verpasst). Der jüngste Vorschlag ist aus meiner Sicht schlicht nach innen in Partei und Fraktion hinein gerichtet, bzw. auf breiterer Öffentlichkeitsfront nicht viel mehr als politisches Gaslighting.

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