Gleichberechtigung durch Quote

Hallo liebe Lage,
da ich heute mal wieder ziemlich derbe zu meiner feministischen/ pro Frauenquoten- Einstellung angegangen wurde würde ich mich freuen, wenn ihr mir/ uns dazu eure Meinung sagt?
Danke & viele Grüße,
Nicola

Hier sehr sinnbildliche Kommentar des Chefvolkswirtes der Wirtschaftswoche😞. Allemal lohnenswert zu lesen:

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Hallo Nicola,

herzlich willkommen hier im Forum. Frauenquote ist ziemlich umstritten, da ein zweischneidiges Schwert. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass es ohne vermutlich nicht gehen wird. Zunächst aber zu deiner Argumentation. Die finde ich auf den ersten Blick etwas unstrukturiert. Wieso bist Du für eine Frauenquote? Deine Argumente:

  • Weil Frauen nicht erwünscht sind im Vorstand
  • Weil Unternehmen „Ausreden“ haben
  • Weil Frauen Unterdrückt werden
  • Weil Frauen weniger verdienen

Diese Argumente finde ich in Bezug auf die Frauenquote, ehrlich gesagt schwach. Insbesondere bei den Ausreden finde ich, dass es durchaus ein reales Problem ist, dass oft keine geeigneten Frauen da sind. Das ist keine Ausrede, sonderen ein echtes Problem für die Firmen. Ja, das ist selbstverschuldet, weil kein Nachwuchs gefördert wurde. Aber nichts desto trotz ist aus meiner Sicht die Beförderung von Frauen auf Positionen für die sich nicht qualifiziert sind, ein Problem.

Argumentationen für eine Frauenquote sind aus meiner Sicht:

  1. Es ist im Interesse der Aktionäre und der Firma, dass Frauen im Vorstand sind, da gemischte Vorstände besser sind.
  2. Studien haben gezeigt, dass eine Männergruppe in ihre Reihen im Prinzip nur Männer wählt. Eine Frau kommt da nicht rein. Chancengleichheit besteht erst ab einem gewissen Mindestanteil von Frauen.

Eine Alternative zur Frauenquote ist mir nicht bekannt. Daher finde ich sie doof, z. B. da sie zu ungünstigen und auch unfairen Situationen führen wird. Aber langfristig führt sie dazu, dass beide Geschlechter in Vorstandspositionen vertreten sind und damit zu einer besseren Führung. Daher bin ich zwiegespalten dafür.

Was ich nicht verstehe ist, was eine Frauenquote in Vorständen von Konzernen mit dem allgemeinen Gender-Pay-Gap zu tun haben soll. Ich würde einfach mal behaupten, dass es einfach viel zu wenig derartige Vorstandsposten gibt, als dass sich das statistisch so signifikant auswirken könnte. (Wenn ich falsch liege, und ein paar Reiche (Männer) wirklich durch ihre exorbitanten Bezüge zu großen Teilen für den Gender-Pay-Gap verantwortlich sind, wäre das im übrigen noch irrelevanter.)

Dass z.B. klassische „Frauenberufe“ im Mittel deutlich schlechter bezahlt werden als „Männerberufe“ ändert sich garantiert nicht dadurch, dass auf einmal ein paar Frauen im Vorstand von Daimler oder Asklepios sitzen. Das ist einfach nur ein Verteilungskampf innerhalb einer Einkommenselite, mit der die allermeisten Leute nicht im entferntesten etwas zu tun haben. Den können die entsprechenden Kandidatinnen ja von mir aus gerne führen, aber ich sehe nicht, warum weibliche oder männliche oder diverse Personen aus den unteren und mittleren Gesellschaftsschichten da in irgendeiner Form solidarisch sein sollten, oder warum das progressiv oder „links“ wäre.

Letztendlich ist das bloß eine weitere Variante der neoliberalen Trickle-Down- oder Pferdeäpfel-Theorie. Wenn es den Leuten oben gut geht, fällt irgendwann auch etwas für die Leute unten ab. Passiert bloß nie, auch nicht wenn „Leute“ die Frauen sind. Daher bin ich der Ansicht, Frauenquoten in Vorständen sind ein Roter Hering und wer sich tatsächlich für Gleichstellung einsetzen möchte, sollte seine Energie anderweitig verwenden.

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Hallo zusammen,

ich weiß dass eine Quote nicht alle Probleme löst - auch nicht die des ‚kleinen’ Mannes oder der ‚kleinen‚ Frau. Mir geht es an dieser Stelle einfach um ein Vehikel. Am liebsten wären mir Quoten im mittleren Management, auch gern für diskriminierte Minderheiten (Ausländer). Nicht aus Mitleid, ich glaube #togetherwearestronger & #diversitymatters. Ich glaube Deutschland leidet stark (auch in Bezug auf Innovation & Unternehmergeist) unter dem #thomasfaktor. Natürlich fühle ich hier auch als Frau & der Beitrag von Stark bringt es für mich auf den Punkt.

Ich freue mich über angeregte, differenzierte Diskussionen. Reden ist aus meiner Sicht Gold, schweigen ist Silber :slight_smile:

Herzlich,
Nicola

Wir werden kurzfristig um Frauenquoten wohl nicht rumkommen und es ist besser, als nichts zu machen. Zu allermindest bekommt dadurch das Thema der mangelnden Gleichberechtigung/Gleichbehandlung mehr Aufmerksamkeit. Aber ich finde, dass gleichzeitig viel mehr Augenmerk auf Ursachen und deren Bekämpfung gelegt werden müsste, denn das kann keine Frauenquote erreichen.

Die Ursache, in meiner Ansicht, sind antrainierte Geschlechterrollen. Nein, damit werden wir nicht geboren, dafür gibt es genügend Belege. Unsere Mädchen wachsen von früh an damit auf, dass die Jungs cool sind und draußen Abenteuer erleben während sie sich zu Hause um Schürfwunden und Nachwuchs kümmern sollen. Das ist auch heute noch so.
Dafür muss man sich nur mal die üblichen Kinderbücher anschauen. Jungs auf dem Cover. Jungs in den Hauptrollen. Jungs sind Draufgänger und erleben die Abenteuer. Mädchen kommen in den meisten Fällen gar nicht oder nur als fürsorgliche Nebenrolle vor. Das fängt bei Bilderbüchern für Kleinstkinder schon an! Die Verteilung wird langsam besser, gerade in neueren Publikationen, aber die Klischees bestimmen auch dort meist noch den Inhalt und viele der „alten Klassiker“ dominieren nunmal Kitas und Kinderzimmer.

Kein Wunder, dass sich Mädchen dann in der Schule konsequent unterschätzen, zum Beispiel in Naturwissenschaften, einer klassischen „Männerdomäne“. Obwohl Mädchen die Jungs in Mathe und co längst überholt haben - im Schnitt also deutlich besser sind. Quelle: PISA Studie 2015. Darüber hat die Lage auch mal ausführlich berichtet.

Kein Wunder, dass sich junge Frauen dann soziale Berufe suchen, während Männer mit ihrer antrainierten Risikobereitschaft in die Wirtschaft ziehen, die Ellbogen ausfahren und die Karriereleiter als die nächste, kompetitive Sportart betrachten.

Kein Wunder, dass sich genau diese Mentalität dann in Parteien und politischen Kreisen festhält.

Und auch kein Wunder, dass Frauen, die vom Kleinstkindalter an nicht mit den selben Fähigkeiten ausgerüstet wurden, wenig Bock haben sich in diesen Bereichen zu behaupten.

Und wer kämpft dafür, das so beizubehalten? Klar, Männer, wer will schon mehr Konkurrenz in seinem (extrem lukrativen) Umfeld.
Es ist viel einfacher von „unterschiedlichen Vorlieben der Geschlechter“ zu schwadronieren, als sich einzugestehen, dass unser kulturelles Erbe grundlegend Frauen benachteiligt und sich das durch alle Lebensbereiche unserer Gesellschaft zieht.

Deshalb brauchen wir Paritätsgesetze. Und Reformen. Und Diskussionen die an der Ursache bleiben, Öffentlichkeitsarbeit, Geschlechterforschung, Aufklärung, Demos und Skandale, und vor allem eins: Ein grundlegendes Umdenken darin, welche Werte wir unseren Kindern mitgeben.

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Guten Tag allerseits,

Ich (männlich, Ende 20) denke zu Frauenquoten, dass diese als Brecheisen nötig sind um Strukturen aufzubrechen und zu verändern. Diese sind kein subtiler Eingriff in die Unternehmerische Freiheit, aber ein meiner Meinung nach sinnvoller, muss aber aufgrund des brachialen Eingriffs zeitlich auch begrenzt sein auf 10-20 Jahre, danach muss Fortschritt erkennbar sein oder das Werkzeug ist unbrauchbar.

Was nicht passieren darf, ist dass sich irgendjemand auf dieser Maßnahme ausruht.

Es darf nicht die sonstige Arbeit für Chancengleichheit* Unterminieren oder ruhen. Denn nur wenn die Strukturen von oben aufgebrochen werden und von unten Menschen eine andere Einstellung gewinnen kann es zu nachhaltigen Effekten kommen und zu weiteren Veränderungen. Denn, wie @otzenpunk beschreibt, ist mit der Umstrukturierung der Vorstände noch nicht viel gewonnen. Es müssen sich viele Strukturen und Regeln verändern auf allen Ebenen. Dies ist aber nur möglich, wenn auch aus dem Vorstand dafür Unterstützung kommt.
In dem Sinne bietet die Frauenquote eine Chance hier auch eine breitere Unterstützung zu generieren. Ob das so kommt wird sich zeigen müssen.

Meine größte Sorge bei dem Thema ist, ob dies nicht andere Schritte der Chancengleichheit behindert, da die Bereitschaft geringer ist, da „die Frauen doch schon die Quote haben“

*Ich halte den Begriff „Gleichberechtigung“ für unpassend für das Thema, denn rechtlich besteht weitgehend Gleichheit zwischen den Geschlechtern. Frauen und Männer haben die gleichen Rechte auf/in einem Vorstandsposten, aber eben nicht die gleichen Chancen. Es ist also die Umsetzung der Chancengleichheit die das Ziel sein sollte.

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