Wie hoch wird die Wahrscheinlichkeit eingeschätzt, dass das Gewalthilfegesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird?
Wo bleibt dieses Gesetz, zu dem Deutschland, soweit ich weiß, verpflichtet ist?
Wo bleibt der Aufschrei über Gefährdung, die Gewalt, die Femizide?
Es gibt nicht genug Hilfe. Nicht genug Frauenhaus-Plätze. Nicht genug Schutz für betroffene Frauen.
Es wurde sogar mindestens eine Frau (mit Kindern) aus einem Frauenhaus abgeschoben!
Und vor Gericht gibt es anscheinend auch ein Ungleichgewicht zu Ungunsten der Frauen.
Und wem die hohen Zahlen bzgl. Gewalt gegen Frauen hoch erscheinen: Die Dunkelziffer dürfte zusätzlich noch sehr hoch sein.
Frauenfeindliche Straftaten steigen deutlich
Eine anekdotische Beobachtung: Während die FDP auf Bundesebene das Gesetz unter Verweis auf fehlende Gelder blockiert, ist ein FDP-Stadtrat hier in der Stadt besonders engagiert, das örtliche Frauenhaus zu unterstützen. Für mich ein Hinweis, was bei einer anderen Ausrichtung der FDP-Führung auf Bundesebene hätte möglich sein können, auch in dem Bereich.
Als ich letztes Jahr das erste Mal fürs Frauenhaus gespendet hab (wg. Kirchenaustritt wollte ich meine „gesparte“ Kirchensteuer anders sinnvoll einsetzen und weil wir uns unter den Erwachsenen der Familie nichts mehr zu Weihnachten schenken und stattdessen spenden), war ich wirklich entsetzt, wie wenig Geld ein Frauenhaus aus staatlichen Kassen bekommt und wie krass die auf Spenden angewiesen sind. Eine von vielen Stellen, an denen die „Schwarze Null“ dazu führt, dass selbstverständliche staatliche Pflichtaufgaben einfach nicht erfüllt werden.
Und wenn es das Gesetz gäbe, würde sich wirklich was ändern? Rechtsansprüche auf Inklusion, individuelle Förderung, Kita-Plätze, etc. gibt es ja auch und die werden immer wieder nicht mal auf dem Papier eingelöst (jetzt, wo ich das geschrieben habe, fällt mir auch die Tendenz ins Auge, dass auch bei diesen Beispielen oft die Frauen die gekniffenen sind) In meinen Augen ein generelles Problem, dass zumindest nach meinem Gefühl die Bindung politischer Entscheidungen an geltendes Recht nachlässt und Rechtsgrundsätze immer öfter als lästige Hindernisse wahrgenommen und kommuniziert werden.
Ich würde ganz zynisch denken: Tote haben keine Lobby, Opfer in Gewaltbeziehungen werden vom Partner meist sozial isoliert, können also auch keine Solidarität oder politischen Druck organisieren, anders als bspw. Bauern haben Frauen, die Opfer von Gewalt werden, keine Chance und keine Zeit, wirkmächtige Bilder zu inszenieren, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen und keine Statistik bringt Menschen dazu, dass sie sich selbst oder ihnen nahestehende Personen als Opfer sehen. Wir haben alle Angst vor dem Fremden im dunklen Park, aber Gefahren im sozialen Nahbereich sehen wir für uns und „die Unseren“ doch praktisch nie. Welcher Mann würde seine Frau als gefährdet sehen, Opfer von Gewalt in der Partnerschaft zu werden, welche Frau, der es nicht schon passiert, rechnet damit, Opfer zu werden? Die meisten finden es wahrscheinlich gut, wenn Opfer von häuslicher Gewalt einen Schutzraum bekommen, aber es fehlt das Gefühl, dass dabei ein Nutzen für alle heraus springt, glaube ich und ich weiß auch nicht, ob sich das ändern lässt. Dazu kommt, dass Frauenhäuser, die diesbezüglich vielleicht noch am ehesten Druck machen könnten, nicht selten kirchliche Träger haben. Gut, dass es überhaupt jemand macht, aber da Kirchen ja ein etwas ambivalentes Verhältnis zu Frauenrechten und Gewalt in Partnerschaften haben, kommt von diesen Trägern mutmaßlich auch nicht der allergrößte Druck, etwas an der Situation zu ändern.Denn so bitter das ist: Das etwas moralisch und rechtlich unzweifelhaft richtig ist, hat in unserer gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung oft nur ein deprimierend geringes Gewicht.
Ich habe mir das erstmals erstellte Bundeslagebild etwas näher angeschaut und mir ist nicht klar, inwiefern wir hier der Studienlage vertrauen können. Die gleiche Diskussion hatten wir vor ein paar Monaten (wie jedes Jahr), als die Polizeiliche Kriminalstatistik scheinbar eine massive Erhöhung nichtdeutscher Verdächtiger bei Straftaten auswies oder als der Anstieg der Messerkriminalität nach den Anschlägen von Mannheim und Solingen in den Medien diskutiert wurde. Auch jetzt hört man wieder Stimmen von Rechts, die die Studie für ihre Zwecke vereinnahmen und Stimmung damit machen (in etwa: Gewalt gegen Frauen nimmt zu, lasst uns nicht den Elefanten im Raum ansprechen).
Kennt sich jemand besser mit der Datenerhebung aus und kann die Zahlen einordnen?
Aufklärung könnte aber z.B. dafür sorgen, dass der Gesellschaft bewusster wird, dass genau diese soziale Isolation oft der Einstieg in die Gewalt ist. Wenn also Freunde, Verwandte oder andere Personen zu denen man engeren Kontakt hat plötzlich von der Bildfläche verschwinden könnte man hier schon ein mögliches Warnsignal sehen.
Es wurde ja bereits in der Folge über Femizide angesprochen, dass die meisten nicht aus heiterem Himmel geschehen, sondern dass es viele Dinge gab die bereits darauf hindeuten, dass das Risiko hoch ist. Vielleicht kann man dann auch Mechanismen etablieren die dieses Risiko deutlich reduzieren könnten.
Das würde mich auch interessieren. Gerade aufgrund der sehr hohen Dunkelziffer und auch vielen Leuten in Social Media die mittlerweile offener über negative Erfahrungen bis hin zu Gewalt in Beziehungen berichten, gibt es ja durchaus die Möglichkeit, dass der Anstieg drauf zurückzuführen ist, dass mehr Frauen sich trauen Gewalt auch anzuzeigen. Ob das so ist weiß ich nicht, aber in Betracht ziehen müsste man das ja schon, wenn man ähnlich differenziert mit der Statistik umgehen will wie man es gerne bei anderen Statistiken hat.
Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Es gibt im Schnitt vielleicht 1-2 solcher Anschläge pro Jahr.
Das willst du jetzt mit fast täglichen Femiziden und weitaus mehr Mordversuchen an Frauen vergleichen?
Ihr seht übrigens am Anstieg der Femizide @pbf85 , dass der Anstieg nicht daran liegt, dass sich mehr Frauen trauen, Anzeige zu erstatten oder dass die Kriminalstatistik nur deshalb so aussieht, weil Anzeigen gezählt werden und nicht Taten.
Femizide sind erfolgte Morde an Frauen, weil sie Frauen sind. Wenn die Zahl von Femiziden steigt, ist es mehr als wahrscheinlich, dass auch der Anstieg anderer Gewalttaten gegen Frauen tatsächlich steigt.
Ich finde es bei Statistiken nur immer schwierig aus dem Verlauf der einen Zahl auf den Verlauf einer anderen Zahl zu schließen.
Wenn ihr also Quellen habt die das näher erläutern wäre ich sehr dankbar. Wenn es dazu keine Quellen gibt, dann spräche das ja auch dafür, dass diesem Thema wohl zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Denn egal ob die Fälle steigen, fallen oder konstant bleiben wäre ja effizienter Prävention zu betreiben wenn man genauere Kenntnisse darüber hätte wie denn genau die Lage ist.
Da geht es ja dann auch darum zu ergründen was denn Katalysatoren der Gewalt sind. Patriarchat ist ja einfach nur ein Überbegriff für ganz viele Dinge. Gezielte Veränderung lässt sich so schwer beschleunigen.
Edit:
Ich möchte das Problem übrigens keineswegs klein reden. Auch sinkende Zahlen auf hohem Niveau würden keinen Unterschied in der Notwendigkeit von mehr Prävention und auch einem gesellschaftlichen Wandel hinsichtlich der Rolle des Mannes und des Männerbilds allgemein machen.
Laut Steffen Hebestreit gestern in der BPK soll der Gesetzesentwurf zum Gewalt-hilfe-gesetz morgen im Kabinett beschlossen werden.
Quelle: Regierungspressekonferenz in der BPK vom 25. November 2024 (Minute 12:02)
Das Familienministerium geht davon aus, dass es noch in dieser Legislaturperiode kommt.
Wird sich zeigen müssen, was für ein Menschenbild Union und FDP haben und ob sie es mittragen werden. Hebestreits Einschätzung dazu ab Minute 18:00.