Gewalt in der Beziehung - LdN 216

Hallo Lage

Gewalt gegen Frauen und Gewalt aufgrund des Frauseins (Femizid) scheint mir ein Unterschied zu sein. Das wurde etwas vermischt.

Inwieweit die Justiz „Mitverantwortung“ an den Zuständen trägt, möchte ich auch bezweifeln. Kaum ein Täter befasst sich vor der Tat mit Strafrahmen. Das gilt wahrscheinlich erst recht für die Rspr der Gerichte zum Strafmaß oder niedrigen Beweggründen.

Meines Erachtens sollte man die niedrigen Beweggründe ganz streichen. Unverschämt unbestimmt, dazu unverholen moralisierend. Und das bei einer schon an sich problematischen unabwägbaren lebenslangen Freiheitsstrafe. Eine echte Schande für das deutsche Strafrecht. Warum sollte das Motiv überhaupt interessieren? Welchem Rechtsgut dient das noch? Den inhaltsleeren Definitionsversuch mit dem lächerlich manirierten „Ja“ mitten drin, ist man dann auch gut los.

Dass die Bezeichnung „Familiendramen“ verharmlosend oder sogar entschuldigend (!?) sein soll, kann ich nicht nachvollziehen. Da mögen die sprachlichen Intuitionen aber auseinandergehen.

VG

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Gewalt gegen Frauen und Gewalt aufgrund des Frauseins (Femizid) scheint mir ein Unterschied zu sein. Das wurde etwas vermischt.

Das ist mir auch aufgefallen. Mir ist die Definition nicht ganz klar. Ein Mann bringt seine Frau/Freundin doch nicht unbedingt um, weil sie eine Frau ist? Oder ist jeder Mord an einer Frau automatisch ein Femizid?

Allgemein wäre in dem Kontext (ohne irgendwie Gewalt gegen Frauen in Beziehungen - mMn nach wie vor ein großes Problem) auch eine Einordnung der Zahlen interessant in Geschlecht Mordopfer & Täter in DE insgesamt, oder?

Dass die Bezeichnung „Familiendramen“ verharmlosend oder sogar entschuldigend (!?) sein soll, kann ich nicht nachvollziehen. Da mögen die sprachlichen Intuitionen aber auseinandergehen.

Hier würde ich widersprechen. Familiendrama finde ich absolut verharmlosend, viel verharmlosender geht es kaum. Ein brutaler Mord eines Mannes an seiner gesamten Familie bspw ist auch ein Drama, in allererster Linie aber ist es einmal ein brutaler Mord. Das muss auch so bezeichnet werden. Es geht hier komplett unter, dass die Täter meist männlich sind, und viel schlimmer, finde ich: Es bringt den Täter zu sehr in eine Mit-Opferrolle. Familiendrama impliziert doch, dass in der Familie etwas Schreckliches passiert ist. Nicht aber, dass hier eine Person eine oder mehrere andere ausgelöscht hat. Mir fällt nur noch das „Geiseldrama“ ein als Vergleich, sonst wird das auch nicht genutzt, oder? Es ist ja auch kein „Gewaltdrama in der Tankstelle“ passiert, sondern ein bewaffneter Raubüberfall. Macht schon einen Unterschied, finde ich.

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Bezgl. dem Femizid sehe ich das wir ihr, dass wurde wohl vermischt.
Die Gewalt gegen Frauen vor allem in Partnerschaften hat ja i.d.R. andere Ursachen, wie Wut, Eifersucht etc.
Bei Femizid muss ich als erstes immer an Indien und die Mitgiftmorde denken, die werden allein auf Grund des Frauseins begangen.
https://www.sos-kinderdoerfer.de/informieren/wo-wir-helfen/asien/indien/gewalt-frauen-indien

Hier zu ein passender Artikel, der das genauso beschreibt

Randnotiz:
Wie aus dem Artikel hervorgeht, gibt es den Begriff Femizid schon sehr lange, umso irritierender ist es, dass die im Browser integrierte Rechtschreibkorrektur ihn unterstreicht und sich so genauso dagegen wehrt wie die Bundesregierung, die den Begriff nicht anerkennen will.:man_facepalming:

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Mir kam der Begriff Femizid auch sehr befremdlich vor. Mir fehlte hier eine bessere Einstufung.
Zum einen sollte man Gewalt und Mord trennen. Natürlich ist beides zu verurteilen. Aber eine Ohrfeige ist etwas gänzlich anderes als ein Mord.
Zum anderen sollte man, wie schon erwähnt, zwischen Mord an Frauen in Beziehungen und Mord an Frauen aufgrund ihres Frauseins unterscheiden. Einem Mörder innerhalb einer Beziehung einen Femizid zu unterstellen, halte ich für ziemlich abstrus. Wie die Situation in Mexiko ist, kann ich nicht beurteilen. Für mich hat das Wort Femizid allerdings schon eine Berechtigung, denn es wird solche Morde geben, in denen diese bestimmte Form des Rassismus die Motivation dar stellt.

Es ist ja nicht so, dass die Berichte aussparen würden, dass Menschen getötet wurden. Wenn man nur von einem Familiendrama berichten würde, wüsste natürlich niemand, dass überhaupt jemand umgekommen ist. Es geht also nicht darum, dass der Begriff „Familiendrama“ statt der Beschreibung der Tötung auftaucht, sondern höchstens darum, dass er zusätzlich auftaucht.

Die Rechtsbegriffe Mord und Totschlag würde ich als Journalist vor dem Urteil vermeiden. Dass ein Journalist sie nach der Verurteilung nicht verwendet, halte ich für sehr unwahrscheinlich. (Dann liegt die Tat ja so lange zurück, dass das Urteil selbst Anlass für die Berichterstattung sein und dementsprechend auch im Bericht auftauchen wird.)

Bei den ganz schweren Gewaltvorfällen mag das stimmen. In der Breite halte ich das für ein enorm verzerrtes und schlimmes Stereotyp. Opfer- und Täterrollen sind bei etwas breiter angelegten Studien weitgehend gleich verteilt. Die ständige Wiederholung, dass Männer fast immer Täter und Frauen Opfer sind, stimmt m.E. in keiner Weise und verhindert deswegen angemessene Lösungen.

Gewalterfahrung von Frauen erhalten große Aufmerksamkeit. Wenn Männer unter Frauen leiden, hört ihnen keiner zu und sie werden eher ausgelacht als unterstützt, also besser schweigen.
Gewalt gegen Männer: „Der kann sich doch wehren“ - Bayern - SZ.de (sueddeutsche.de)

Wenn Männer und Frauen gleichberechtigt in den Blick genommen werden, dann sieht es so aus:
„Auch deutsche Studien belegen inzwischen, dass Frauen häusliche Gewalt häufiger initiieren und Männer häufiger Opfer werden. Wegweisend ist hier die im Jahr 2010 von dem Gender- und Anti-Diskriminierungsforscher Dr. Peter Döge veröffentlichte EKD-Studie Männer – die ewigen Gewalttäter? . Hier gaben 45 Prozent der befragten Männer und 41 Prozent der befragten Frauen an, häusliche Gewalt erlitten zu haben. [37] Auch die Sozialforscher Siegfried Lamnek, Jens Luedtke, Ralf Ottermann und Susanne Vogl gelangten in ihrem Fachbuch “Tatort Familie” (Verlag für Sozialwissenschaften 2006) zu dem Ergebnis, dass Männer sowohl absolut als auch prozentual eher Opfer von Gewalt durch die Partnerin werden als umgekehrt. Einer Studie des Bundesfamilienministeriums zufolge hatte jeder vierte Mann in Beziehungen mit Frauen schon Gewalt erlebt – eine Rate, die sich mit der von Frauen deckt. [38]“ Quelle mit Verlinkung zu den Studien.

In Gänze lesenswert. Spannend sind hier die vielen Internationalen Studien mit Opfer- und Täterbefragungen, wonach es teilweise bei Frauen sogar etwas häufiger gegenüber Männern zu physischer Gewalt kommt als umgedreht. Männer zu schlagen, erscheint teilweise akzeptierter zu sein als umgedreht.

Gewalt ist kein Problem zwischen Geschlechtern, sondern zwischen Menschen. Wer Gewalt erlebt, verdient starke Aufmerksamkeit und Hilfe. Wer Gewalt ausübt oder unterstützt verdient Widerstand. Das Geschlecht muss dafür egal sein. Vielleicht kommen wir ja irgendwann an diesen Punkt echter Gleichberechtigung. Schön wäre es.

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Liebes Lageteam, könntet Ihr bitte die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2019 verlinken, die in der Folge genannt wurde. Herzlichen Dank und Gruß Jens

So ein Mann bringt seine Frau/Freundin doch um, weil sie (in seinen Augen) seine Frau ist. Die ist doch kein Zufallsopfer, sondern er sieht sie als seinen Besitz an, weil sie eine Frau ist (und den Fehler begangen hat ihm zu vertrauen). Und wenn sie es wagt sich seinem Willen zu widersetzen, sieht er es eben als gerechtfertigt an, sie dafür schwer zu verletzen oder zu töten.

Etwas anderes ist es, wenn jemand bspw. eine Bank oder einen Supermarkt überfällt, und dort eine Bedienstete erschießt, die zufällig eine Frau ist. Das wäre dann meiner Ansicht nach kein expliziter Femizid.

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AlexS und brandi3000:
brandi3000
Danke für den Artikel von journalist.de. Der bringt es auf den Punkt!
Allerdings geht es bei Gewalt in Beziehungen immer um Macht und Kontrolle.
Macht über den (Lebens-, Beziehungs-)Partner zu erhalten, zu verfestigen und ihn/sie zu kontrollieren.
Bis zum Mord.
Die üblichen Ausreden (Eifersucht, provozierendes Verhalten, Wut, Alkohol usw.) rechtfertigen in keiner Weise einen Mord/Totschlag.
Leider ist es bis heute teilweise üblich, daß Anzeigen von Frauen gegen ihre gewalttätigen Partner erst dann Beachtung geschenkt wird, wenn sie sich schwer verletzt im Krankenhaus befinden oder nach ihrem Tode.
Ebenso ist es üblich, daß Männer mit ihren o.g. Ausreden eine niedrigere Strafe erhalten als Frauen, die sich üblicherweise erst nach jahrelangem bis jahrzehntelangem Martyrium zu so einer Tat hinreißen lassen.

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Ich habe nochmal eine Nachfrage zur Behauptung, vorherige Beziehungen würden strafmildernd berücksichtigt werden. Materiell bin ich da auf der Seite von Frau Steinl; ich finde zudem die Idee, die vorherige Beziehung eher strafschärfend zu beachten interessant, da werde ich nochmal drüber nachdenken…
Meine Frage ist halt nur, ob eine vorherige/laufende Beziehung (je nachdem wann da welche Taten passierten) nicht prozessual regelmäßig „zugunsten“ des Täters ins Gewicht fällt, weil sich aus ihr einfach Sachverhaltsungewissheiten ergeben. Insbesondere, da sich solche Taten ja meist hinter verschlossenen Türen abspielen werden.
Ich finde Ulfs Ansatz, die Argumente nicht nochmal zu wiederholen, nachvollziehbar, aber ich wüsste halt nur gerne, ob es sich hierbei um materielle oder prozessuale Argumente handelt. Leider findet sich dazu in dem Policy Paper des djb (wieso ist das eigentlich nicht in den Shownotes?) nichts (bzw. nicht direkt, die befussnoteten Urteile habe ich jetzt nicht alle durchgelesen, sry).

Zur Rechtschreibkorrektur:
Bin zwar nicht im IT-Bereich tätig, kann mir aber vorstellen, dass die entsprechenden Wörterbücher keine aufwändige Redaktion haben, sondern von Entwickler:innen zusammengestellt werden, die sich vermutlich daran orientieren, welche Wörter am häufigsten im Netz verwendet werden und sich ggf. über Anregungen und Erweiterungsvorschälge freuen.

Dank für die Korrektur bzw. Ergänzung, die beiden von mir genannten standen exemplarisch für die Tatursache als Unterscheidung zum Femizid. Dein Punkt Macht & Kontrolle ist sicherlich ein gewichtiger Faktor.

Aus meiner Sicht gibt es dafür nie ein akzeptable Rechtfertigung, auch Macht & Kontrolle rechtfertigen das nicht.

Ist das so? Ich kenn die Situation ja nur aus Artikeln bzw Reportagen und da ist der Tenor häufig, dass das Opfer die Anzeigen wieder zurück zieht, gegen den Schrank gefallen ist etc. pp und so es für die Behörden schwierig das zur Rechenschaft zu ziehen.
Das soll beileibe keine Täter-Opfer Umkehr sein, und auch wenn wohl viele Polizisten das durch ihre Erfahrung wahrscheinlich erkennen können, reicht eine Vermutung um gegen die Täter vorzugehen wohl nicht aus?
Dazu kommt, das es einfach schwierig ist, gegen noch nicht begangenen Taten vor zu gehen.
Sprich wenn sich das ganze noch in einer früheren Phase befindet und es noch zu keinem körperlichen Übergriff kam. Der Schutz der eigene Wohnung und Privatsphäre ist sehr hoch.

Geht mir wie dir :wink: ich vermute eher, dass die Datenbanken dafür per Script befüllt werden, und ein Algorithmus die Häufigkeit mit Relevanz abgleicht oder so, manuell kann ich mir das ehr nicht vorstellen - aber das ist auch reine Spekulation.

Ich bin juristischer Laie, könntest du das etwas ausführen? Ich frage, weil ich den Eindruck habe, dass unsere Rechtsprechung sich eigentlich immer besonders für das Motiv für eine Tat interessiert. Etwa die Unterscheidung nach dem Grad von Vorsatz und Fahrlässigkeit, aber auch die häufige Milde für geständige und reuige (wie auch immer man das herausfinden will…) Täter.
Bist du gegen all das oder gegen einen Teil davon oder geht es dir nur um den Mordparagraphen?

Dass die Bezeichnung „Familiendramen“ verharmlosend oder sogar entschuldigend (!?) sein soll, kann ich nicht nachvollziehen. Da mögen die sprachlichen Intuitionen aber auseinandergehen.

For the record, meine Intuition weicht von deiner ab: Ich finde, dass das Wort „Familiendrama“ genau das tut, was du kritisierst: Es nimmt das Motiv mit in die Beschreibung und damit Bewertung auf und unterscheidet so die Tötung durch einen Familienangehörigen von der Tötung durch jemand anderen. Beides ist doch aber gleich schlimm.
Außerdem finde ich, dass das Wort so ganz vage in den Raum stellt, dass die Familie ein Problem hatte, dass zu der Tötung geführt hat, was meines Erachtens in den Raum stellt, dass man zumindest mehr Verständnis für die Tat haben könnte.

Inwieweit die Justiz „Mitverantwortung“ an den Zuständen trägt, möchte ich auch bezweifeln. Kaum ein Täter befasst sich vor der Tat mit Strafrahmen. Das gilt wahrscheinlich erst recht für die Rspr der Gerichte zum Strafmaß oder niedrigen Beweggründen.

Das ist sicher richtig und wie so häufig ist die Justiz, so denke ich, eher ein kleiner Baustein, der vielleicht die gesellschaftliche Normalität mitträgt, dass das nicht ok ist, seinen Partner umzubringen, aber vielleicht doch verständlicher, als bei jemand anderem.

Ich habe eher den Eindruck, dass das zwei verschiedene Probleme sind, die beide schlimm sind und die wir beide angehen müssen.

Tötungen haben die eigene Qualität, dass man danach nichts mehr anders machen kann.
Weniger krasse Gewalt in Beziehungen kann man immerhin aufarbeiten.
Die verlinkten Studien scheinen ja zu zeigen, dass wir bei der weniger krassen Gewalt alle als Opfer und Täter betrachten müssen.
Bei Tötungen in Beziehungen legen die Zahlen meines Erachtens aber nahe, dass es lohnen könnte, sich auf Männer als Täter zu konzentrieren, um viel zu erreichen.
Mit „lohnen“ meine ich, dass man möglichst viele Tötungen verhindert.

Das sehe ich ähnlich.
So ein Mord geschieht aus einer strukturell verankerten Misogynie und den gesellschaftlich etablierten Genderrollen und -verhaltenszuschreibungen.
Vielleicht war das Tatmotiv nicht ein durchdachtes „ich bringe dich um, da du eine Frau bist“, allerdings spielt dabei etwas mit wie bspw. ein Besitzanspruch, gekränkte Männlichkeit durch Verlassenwerden etc., wie @otzenpunk es gut auf den Punkt gebracht hat.
Bei einer solchen Tat kann man durchaus von Femizid sprechen finde ich.

Hallo zusammen,

erst einmal danke an Philip und Ulf für eure Gedanken zur gendersensiblen Sprache. Mir geht es im Übrigen genauso, dass bei mir ein Umdenken stattgefunden hat und ich bewusster darauf merke, ob mit der Sprache jemand ausgeschlossen wird.

Zur Thematik Gewalt gegen Frauen und dem Umgang der Justiz hiermit nur Folgendes aus der Praxis:

Die Kritik an der Justiz, speziell an den Staatsanwaltschaften, dass hier zu wenig verfolgt wird, ist ja nicht neu. Allerdings werden bei dieser Kritik aus meiner Sicht die Nachweisprobleme für die Verfolgungsbehörden oft überhaupt nicht erkannt. Meist sind die Geschädigten Angehörige der Beschuldigten. Ihnen steht also gem. § 52 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Falls sie davon Gebrauch machen, sind frühere Aussagen nicht mehr verwertbar, außer sie wurden vor einem (Ermittlungs)Richter getätigt, was aber fast nie der Fall ist.

Es ist in der Praxis sehr oft der Fall, dass die Geschädigten nach einer Anzeige ihren Strafantrag wieder zurücknehmen. Zwar kann die Staatsanwaltschaft (gerade bei schwereren Verletzungen oder bei Wiederholungstätern) dann immer noch das besondere öffentliche Interesse bejahen. Wenn die Geschädigte aber vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, ist eine Verurteilung selbst bei dokumentierten Verletzung in aller Regel nicht möglich, außer ich habe neutrale Zeugen. Für einen Nichtjuristen mag das schwer nachvollziehbar sein, aber ich brauche nun mal für eine Verurteilung eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte die Tat begangen hat. Die ursprüngliche Aussage der Geschädigten muss ich wegen §§ 52, 252 StPO dabei wie gesagt völlig ausblenden.

Wenn man dennoch versucht, in einer solchen Konstellation eine Verurteilung herbeizuführen, zieht man sich oft sogar den Unmut der Geschädigten zu. Ich hatte einmal einen Fall, in dem ich bei einem Wiederholungstäter auf Freiheitsstrafe ohne Bewährung plädiert hatte und die nicht verheiratete (und vom Angeklagten erheblich verletzte) Lebensgefährtin schier ausgerastet ist und die Gericht und Staatsanwaltschaft beschimpft hat.

Ich kenne einige KollegInnen, die Gewalt gegen Frauen sehr gerne hart verfolgt hätten, die irgendwann von der beschriebenen Problematik bei häuslicher Gewalt aber sehr gefrustet waren und dann auch irgendwann abgestumpft sind.

Ein letzter Gedanke zum Thema Beziehung als Strafmilderungsgrund bei sexualisierter Gewalt. Ich glaube nicht, dass das RichterInnen explizit in ein Urteil als Strafmilderungsgrund reinschreiben würden und würde das jedenfalls für einen Fehler halten. Auf der anderen Seite kann man denke ich mit guten Argumenten aus generalpräventiven Gründen strafschärfend berücksichtigen, wenn ein Zufallsopfer auf offener Straße angegriffen und vergewaltigt wird. Eine solche Tat verunsichert offensichtlich die Bevölkerung viel mehr als eine gleichgerichtete Tat in einer Beziehung. Jeder kann hier das Gefühl bekommen, dass man selbst oder weibliche Angehörige Opfer werden könnten (während man bei Beziehungstaten jedenfalls subjektiv oft das Gefühl hat, dass es einen nicht treffen kann).

Grüße
Thomas

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Danke Thomas für den ausführlichen Kommentar! Diese Probleme kenne ich auch noch aus Moabiter Zeiten - darauf hätte ich tatsächlich hinweisen sollen. Gut, dass du uns darauf aufmerksam machst.

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Solche Fälle gibt es zweifellos. Aber mit „so ein Mord“ oder „so ein Mann“ zu starten und dann zu generalisieren, führt nicht weiter.

Entweder mit dem „So“ soll die Auswahl schon auf Fälle begrenzt werden, auf die das jeweils Nachstehende zutrifft - dann sind die Sätze inhaltslos und zirkulär - oder das „So“ selbst ist noch keine weitergehende Eingrenzung - dann sind die Sätze falsch.

Die Beweggründe zu den meisten Taten sind mannigfaltig. Oft stegen Affekte im Mittelpunkt. Ob dann ein Femizid in dem von Phillipp definierten Sinne vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls.

In den Debatten geht auch gern mal unter, dass Männer von vornherein im Mittel und ganz besonders in den Extremen aggressiver sind als Frauen. (Das ist eine Tatsachenbehauptung - kein Entschuldigungsversuch)

Soweit ich weiß, richtet sich die von Männern ausgeübte Gewalt auch vornehmlich gegen andere Männer. Das ist kein What-aboutism, sondern der Versuch Infos zusammenzutragen, die zur Aufdeckung der statistisch relevanten kausalen Erklärungen der Taten gegen Frauen beitragen. Wenn Frauen statistisch also als Gewaltopfer von Männern unterrepräsentiert sind, könnte man schließen, dass „frauenspezifische“ Tötungsdelikte auf den ersten Blick kein riesengroßes Problem sind. Das ist kein logischer oder zwingender Schluss. Es spielt aber mE den Ball zurück. Wer jetzt behaupten will, dass Femizid ein statistisch besonders relevantes Feld ist, muss das neu plausibilisieren.

Dass die häusliche Gewalt gegen Frauen so deutlich überrepräsentiert ist, könnte ein solcher Versuch sein. Die Korrelation lässt sich aber vielleicht auch dadurch erklären, dass es eben häufig Frauen sind, die mit den (Problem)Männern zusammenleben, einfach weil nur eine Minderheit homososexuell ist.

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Ein ganz banaler Grund, warum es mehr Gewalt gegen Frauen gibt, ist schlicht und einfach auch, dass Frauen im Kampf Männern bei Gewaltanwendung im Allgemeinen unterlegen sind. Das wirkt gleich mehrfach:

  1. Die Hemmschwelle einen körperlich überlegenen anzugreifen ist deutlich niedriger.
  2. Wenn es zur Tat kommt, sind die Auswirkungen größer, wenn sie vom körperlich Überlegenen ausgehen.
  3. Der körperlich Überlegene kann mehr einstecken.

Danke. Finde auch diese Stereotype „so ein Mord“ = Frauenfeindlich sehr schwierig.
Zudem: wenn Gewalt immer vor allem Geschlechterfeindlichkeit ist, dann dürfte es ja auch deutlich weniger Gewalt zwischen gleichgeschlechtlichen Beziehungen geben. Doch das Problem existiert hier genauso, wie in heterosexuellen Beziehungen. Für die Opfer ist das aber noch schlimmer ist, da sie sich für Hilfe mit zwei sensiblen Punkten „outen“ müssen. Gewalt in gleichgeschlechtlichen Beziehungen: Wenn Frau ihre Partnerin schlägt · Dlf Nova (deutschlandfunknova.de)