Gesundheitswesen: Verkauf von KV-Sitzen

Ich habe einige Mediziner:innen im Freundeskreis und keiner wird sich niederlassen. Grund: Man muss sich einen KV-Sitz kaufen, in attraktiven Städten für einen hohen sechsstelligen Betrag, zum Teil wird es siebenstellig.

Im Kern wird hier mehr als die Abrechnungsbefugnis mit einer Krankenkasse verkauft. Und zwar nicht durch die Krankenkasse, sondern durch den vorherigen Inhaber. Formal ist Verkaufsgegenstand zwar die Praxis, diese ist ohne KV-Sitz aber faktisch wertlos. KV-Sitze sind knapp und potent, dadurch werden sie so wertvoll.

Spricht man mit älteren Ärzt:innen, dann sagen sie: Ja, das ist halt meine Altersvorsorge, ich musste damals auch was bezahlen. Jüngere Ärzt:innen sind enorm frustriert; die Kosten werden durch sie meistens fremdfinanziert, was übrigens auch der Hauptgrund ist, warum der von Lauterbach in den Raum gestellte durchschnittliche Ertrag von 230k erheblich geschmälert wird. Am Ende ist all das sehr viel Geld, was aus dem Gesundheitssystem herausfließt.

Ebenso formal ist das eigentlich nicht möglich. Es wird als Praxisübernahme verkleidet, der Verkäufer wird auf dem Papier noch einige Jahre angestellt, muss aber nicht mehr arbeiten und die Lohnkosten werden vom Kaufpreis abgezogen. Dadurch folgt der KV-Sitz der Praxis. Es gibt etliche solcher Strategien.

Aus meiner Sicht ist das nicht hinnehmbar. Eine Krankenkasse sollte eine Bestenauslese machen, zumindest muss man sich auf Sitze bewerben können und die Entscheidung muss transparent sein. Eine „Abrechnungsbefugnis“ darf nicht faktisch verkauft werden und den vorherigen Inhaber bereichern.

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Ja, der Verkauf des KV-Sitzes ist Gang und Gäbe.

Wenn aber der KV-Sitz nicht mehr Voraussetzung für die Übernahme einer Praxis wäre, dann würden Praxisinhaber weiterhin verkaufen, in dem Fall halt die Praxis: Standort, Patientenkartei, Mitarbeiter, Ruf, … Warum sollte er den Betrieb, den er aufgebaut hat und damit einen Wert geschaffen hat, einfach schließen oder verschenken?

Ich weiß nicht, wie der Kaufpreis für KV-Sitze berechnet wird. Aber auch der Kaufpreis für eine Praxis würde sich nicht auf andere Art bilden als der Kaufpreis für Betriebe in anderen Branchen: In Abhängigkeit vom kaufmännischen Erfolg. Je nach normalisierten Betriebsergebnis kann da auch leicht ein hoher sechsstelliger Betrag zusammen kommen.

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Widerspruch. Der KV Sitz ist das Hauptverkaufsargument bei Hausärzten. Die Patientenkartei, die Ausstattung ist fast irrelevant geworden, weil ohnehin abgeschrieben und oft veraltet und Patienten kommen, weil die Praxen voll sind.
In ländlichen Gebieten kaufen Städte und Gemeinden den KV Sitz oft, um diesen als Bonus an Hausärzte zu verschenken. Die Praxen selber werden dann wirklich oft geschlossen und nicht verkauft.

Das wäre die erste Branche, in der Standort, Kundenkartei, Mitarbeiter und Ruf des Betriebs wertlos sind. So etwas zu etablieren, dauert, kostet Zeit und Geld und ist mit Unsicherheit verbunden.

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Niemand bestreitet, dass diese Dinge auch verkauft werden können sollen.

Die Frage ist aber:
Muss der KV-Sitz dazugehören?

Also warum darf ein fertig ausgebildeter Arzt nach allem Studium und Praktika nicht sagen:
„Ich will eine Praxis von Null aufbauen, meine eigene Patientenkartei schaffen, meinen eigenen Ruf erarbeiten!“.

Das Problem ist nicht, dass Ärzte ihre Praxis verkaufen dürfen, das Problem ist wirklich nur die Verbindung mit dem KV-Sitz.

Der generelle Sinn von KV-Sitzen leuchtet mir da durchaus ein, es ist eben ein Planungsinstrument um eine regionale Über- und Unterversorgung zu verhindern. Dennoch ist diese Verbindung von KV-Sitz und Praxis mMn problematisch.

Bei Notaren gibt es ein ähnliches Zulassungssystem, auch dort ist geregelt, dass für eine bestimmte Region nur eine begrenzte Zahl an Notaren zugelassen wird. Daher muss man sich auf eine Notar-Stelle bewerben, wenn ein Notar in Rente geht und ein Platz frei wird. Der Erwerb des Notariats, das vorher diese Stelle besetzt hat, ist aber gerade nicht erforderlich. Warum auch?

Gerade wenn die Zahl der zugelassenen Berufsausüber durch die Kammer begrenzt ist, ist der Kundenstamm eben eigentlich von begrenztem Wert, da durch die Begrenzung der Berufsausüber zwangsläufig eine hinreichende Nachfrage für das vorhandene Angebot bestehen wird, da die Begrenzung ja gerade dazu dienen soll, Missverhältnisse von Angebot und Nachfrage zu verhindern. Daher sollte man den Wert des Kundenstamms nicht mit der Wirtschaft vergleichen.

In diesem Sinne stimme ich zu, dass der KV-Sitz nicht - auch nicht indirekt - von dem in Ruhestand gehenden Arzt verkauft werden dürfte. Der KV-Sitz und die Praxis sollten getrennt behandelt werden, daher nicht der in Ruhestand gehende Arzt kann die Praxis samt KV-Sitz verkaufen, sondern die Ärztekammer vergibt den KV-Sitz neu (und derjenige, der ihn erhält, darf die Praxis seines Vorgängers übernehmen, aber darauf besteht von keiner Seite ein Anspruch!).

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Machen wir ein Gedankenspiel:
Warum sind Kundenkarteien wertvoll? Weil damit Kunden kontaktiert werden können, um das Produkt zu verkaufen. Ich kenne keinen Hausarzt der Patienten anruft, um Termine anzubieten.
Wie kommt der Ruf eines Hausarztes zu Stande? Der Name und das damit verbundene Vertrauen in die Fähigkeiten. Was wechselt beim Praxis wechsel? Der Name und das damit verbundene Vertrauen.
Mitarbeiter können ein Faktor sein, aber wir sprechen über 2-3 Mitarbeiter. Da möchte ich behaupten Ersatz zu finden.
Womit ist der Ruf des Betriebes, hier Praxis verbunden? Richtig, mit dem Namen des Arztes. Dieses haben wir oben schon diskutiert.
Bleibt der Standort, der ist in der Tat ein Faktor, ist aber sehr eng mit dem KV Sitz verbunden.

Was bleibt also wirklich wertvoll? Standort der an den KV Sitz gekoppelt ist.

Ich kenne keinen niedergelassenen Arzt, der Kundenmangel hat oder Akquise betreibt. Die meisten haben Aufnahmestopp. Ein paar alte Schreibtische und ein 30 Jahre altes Ultraschall sind auch nichts wert, jedenfalls nichts siebenstelliges.

Ich bin ganz bei @Daniel_K - man sollte sich bei der KV um einen Sitz bewerben können und diesen bei Eignung kostenlos bekommen. Dann kann man sich überlegen, ob man einem alten Praxisinhaber die Praxis abkauft oder halt eine eigene aufmacht. So wäre es in jeder anderen Branche auch. Es ist völlig undenkbar, dass man zum Beispiel ein Notariat samt Amtsstelle verkauft. Wo leben wir denn?

Ich sehe nicht ein einziges Argument, was für die derzeitige Handhabung spricht. Nur Nachteile: ungerecht für die jüngeren, mittelbare krasse Belastung des Gesundheitssystems, Filz ohne Ende.

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