Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz - BGleiG)

„Unterrepräsentiert“ ist nicht gleich „benachteiligt“. Aus einer Benachteiligung kann folgen, dass eine Gruppe unterrepräsentiert ist, aber umgekehrt wird zumindest kein Kausalzusammenhang gesehen.

Das Gesetz geht davon aus, dass Männer zumindest in der Bundesverwaltung nirgendwo strukturell benachteiligt sind, und deswegen möchte man auch keinen Männern bspw. die Möglichkeit einräumen, sich gegen eine erfolgreiche weibliche Bewerberin in einen Job zu klagen, weil in irgendeiner Abteilung zufällig gerade mehr Frauen beschäftigt sind.

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Ich meine, dass das Thema in der Lage bereits diskutiert wurde, aber ich beobachte im Alltag immer wieder, dass ich über solche Themen stolpere.

Im ersten Moment meine ich, in so einem Gesetz eine verschriftlichte Ungerechtigkeit zu beobachten.
Auch ertappe ich mich bei Gedanken wie „werde ich als Bewerber für einen Studienplatz abgelehnt, weil sich auf denselben Platz auch eine Frau beworben hat?“ Oder „Hat meine Kollegin jetzt die Beförderung nur bekommen, weil sie eine Frau ist?“

Auch von meinen Kommilitoninnen und Kolleginnen habe bei Gesprächen über dieses Thema Sätze gehört wie „Das verunsichert total. Wurde ich jetzt nur genommen, weil ich eine Frau bin? Denken das meine Kommilitonen, wenn sie mich ansehen?“ oder „Ich hätte mich fast nicht beworben, weil ich das ungerecht finde.“

Mich würde interessieren, wie so ein Abwägungsprozess abläuft.

Für mich als Leihe wirkt es wie ein Leichtes anstelle von:
„unterrepräsentiert: Status von Frauen, wenn ihr jeweiliger Anteil an der Gesamtzahl der weiblichen und männlichen Beschäftigten in einem einzelnen Bereich unter 50 Prozent liegt.“

zu schreiben:
„unterrepräsentiert: Status von Frauen oder Männern, wenn ihr jeweiliger Anteil an der Gesamtzahl der Beschäftigten in einem einzelnen Bereich unter 50 Prozent liegt.“

Ein schweres Thema über das unaufgeregt zu sprechen leider vielerorts kaum möglich ist.
Ich hoffe, dass das hier im Lageforum anders ist.

Gruß,
Ori

P.s.: ich habe vorher gesucht aber kein Thread zu dem Thema gefunden. Sollte das schon Thema gewesen sein, verlinkt mich einfach auf den entsprechenden Thread :slight_smile:

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Eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts schließt meiner Interpretation nach andere Bewertungskriterien nicht aus? Wenn der männliche Bewerber aufgrund seines souveränen Auftretens oder seiner Mathe-Noten besser für den Job geeignet ist, kann ich mich dann meiner Ansicht nach immer noch für ihn entscheiden, ich muss es nur entsprechend dokumentieren.

Ja, das höre ich auch von jungen Union-Frauen immer wieder. Zwanzig Jahre ältere Frauen, die in jungen Jahren ähnlich klangen, bewerten das heute ganz anders. Ich wünsche deinen Kommilitoninnen, dass es ihnen mal nicht mehr so geht.
Ansonsten hat der Supreme Court gerade ein Gesetz gekippt, das schwarze Studenten bei der Studienplatzverteilung bevorzugt. Ein konservativer schwarzer Richter meinte auch, dass er sich bis heute dem Vorwurf ausgesetzt sieht, dass er nur studieren durfte, weil er schwarz sei. Und darum sei es richtig, das Gesetz abzuschaffen. Es wird die Chancen der schwarzen Bürger in den USA schmälern. Ob das die Gesellschaft aber weiter bringt, bezweifle ich stark.

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Wenn man davon ausgeht, dass es strukturelle Benachteiligung von Frauen in bestimmten Bereichen gibt, dann müsste die Frage doch eigentlich lauten, ob in diesen Bereichen beschäftigte Männer sich die Frage stellen, ob sie den Job nur bekommen haben, weil sie ein Mann sind. Ich würde die These wagen, dass dies nur auf einen verschwindend geringen Teil der Männer zutrifft.

Umgekehrt ist es auch bezeichnend, dass einer der ersten Gedanken der Kommilitoninnen der Befürchtung gilt, zur Zielscheibe männlicher Machterhaltungspraktiken zu werden.

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Die Frage, ob ich einen Job, eine Förderung oder Beförderung auch erhalten hätte wenn ich eine Frau wäre habe ich mir tatsächlich schon öfter gestellt. Und in einigen Fällen halte ich es für möglich, dass die Antwort nein gewesen wäre.

Ich frage mich ob das Ergebnis von Gesetzen wie dem oben mehr Gerechtigkeit ist.

Ich sehe hier zwei Wirkbereiche.

Der Eine ist das, was tatsächlich passiert. Verändert sich der Anteil von Männern und Frauen in einem Bereich durch ein Gesetz wie das oben genannte? Wenn ja, gleicht das bestehende Ungerechtigkeiten aus oder mindert sie zumindest ab?

Der Andere Wirkbereich ist unsere Gesellschaft.
Führen Gesetze wie das oben geannte dazu, dass Menschen Ihre Erfolge und Misserfolge in Zukunft mehr oder weniger bei Ihrem Geschlecht suchen?

Was, wenn solche Gesetze sowohl für mehr Gerechtigkeit in der Praxis sorgen als sie auch dazu führen, dass mehr Menschen Ihre Erfolge und Misserfolge auf Geschlechterdiskriminierung zurückführen?

Wie wägt man ab, welcher der Effekte mehr auf das Ziel der Geschlechtergleichheit einzahlt?

Werden hier bei dem wissenschaftlichen Beirat des Bundestages Studien in Aufrag gegeben, bevor solche Gesetze beschlossen werden?

Als Fachfremder interessiert mich, wieviel wissenschaftliche Methodik in dem Prozess des beschließens von Gesetzen steckt.

Gruß,
Ori

Gleichstellungsgesetze oder sogar Quoten sind aus meiner Sicht notwendig, um die Sichtbarkeit unterrepräsentierter Gruppen zu erhöhen.
Sichtbarkeit und Vorbilder prägen die Sicht der Gesellschaft und auch der heranwachsenden Generation. Es gibt Studien darüber, dass allein die Sprache beeinflusst, ob man z.B. Frauen mitdenkt und für möglich hält. Das muss doch erst recht für tatsächliche Ämterbesetzungen gelten.

Das finde ich interessant. Denn auch andere Dinge beeinflussen die Entscheidung, wen ich einstelle. Ich bin zum Beispiel in Starnberg geboren, natürlich kommt das auch in meine Bewerbung. Mann, gut aussehend, sportlich, tiefe Stimme, hochgewachsen = bessere Chancen auf Spitzenpositionen. Wenn also ein großer, sportlicher Chef vor dir sitzt, frägt du dich auch, ob er den Job vor allem bekommen hat, weil er ein Klischee bedient? Oder hat vor allem die Diskussion über Frauenquoten diese Frage bei dir ausgelöst? Dann wäre das sogar etwas gutes, da es auf das Problem aufmerksam gemacht hat.

Der Sichtbarkeitsaskpekt und die mit Repräsentation verbundene Vorbildsfunktion sind ein guter Punkt. Hättest du (ich hoffe wir können uns duzen) vielleicht eine Leseempfehlung für mich?
Oder vielleicht eine Hörempfehlung?

Vielleicht gibt es ja einen spannenden Soziologenpodcast, der das Thema schonmal aufgedröselt hat.

Gruß,
Ori

Wenn also ein großer, sportlicher Chef vor dir sitzt, frägt du dich auch, ob er den Job vor allem bekommen hat, weil er ein Klischee bedient?

Nicht vor Allem. Aber ich würde mich durchaus fragen, ob er den Job auch bekommen hätte wenn er klein und unsportlich wäre. Im Umkehrschluss bekommen kleine dicke Chefs wohl einen Vertrauensvorschuss von mir, da sie ja kaum in der Position wären wenn sie keine Kompetenzen hätten. Interessant die eigenen Oberflächlichkeiten mal niederzuschreiben.

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Einmal hätte ich diesen Artikel: https://www.spiegel.de/start/berufswahl-von-frauen-so-beeinflusst-sprache-ihre-entscheidung-a-96067e35-70ce-43e1-9e89-882de7fa06d3?sara_ref=re-xx-cp-sh
Dann eventuell etwas von Luise Pusch https://de.wikipedia.org/wiki/Luise_F._Pusch?wprov=sfla1
Der Alles gesagt Podcast mit ihr ist toll. https://open.spotify.com/episode/6T0LZpA00zabVPGrb6WAgg?si=YF6eq6i8TjeOMhG5bGrTzw

https://www.vdi-nachrichten.com/karriere/arbeitsmarkt/weibliche-vorbilder-beeinflussen-die-wahl-bei-studium-und-beruf/

Die entscheidende Frage ist doch, ob in irgendeinem gesellschaftlichen Bereich das strukturelle Problem besteht, dass Männer unterrepräsentiert sind. Die Beantwortung dieser Frage macht aus meiner Sicht den hier erhobenen Einwand weitgehend gegenstandslos.
Das ebenfalls vorgebrachte Argument, dass das Geschlecht etwa von Bewerber:innen für eine Stelle erst mit Quotenregelungen relevant würde, wurde durch mehrere Jahrzehnte empirischer Forschung zigfach widerlegt. Ein Ergebnis aus dem Hochschulbereich, dass ich noch grob im Kopf habe (ohne eine konkreten Beleg. Ort oder Zeitpunkt anbringen zu können): Professorinnen stellen etwa zu 50% Frauen und Männer ein, Professoren zu 80% Männer.

Ich werde versuchen mich zu dem Thema zu belesen :slight_smile:

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Ich halte auch für ein großes Problem, dass Entscheidungsgremien meistens wenig divers besetzt sind. Dadurch werden wieder ähnliche Bewerber eingestellt und außerdem Entscheidungen getroffen, die viele Perspektiven und Bedürfnisse nicht im Blick haben.
Stadtplanungen z.B. sollten immer auch Menschen mit Behinderungen, Frauen, junge Menschen und Eltern mit einbeziehen.

Die entscheidende Frage ist doch, ob in irgendeinem gesellschaftlichen Bereich das strukturelle Problem besteht, dass Männer unterrepräsentiert sind.

Die Frage kann man denke ich so pauschal nicht beantworten.
Die unterrepräsentation von Männern in irgendeinem gesellschaftlichen Bereich wäre nur dann ein Problem, wenn das geselschaftliche Ziel verfolgt wird, dass Männer und Frauen in allen Bereichen gleichermaßen präsent sind, oder verstehe ich da etwas falsch?

Ist das denn das Ziel? Würde Chancengleichheit denn nicht auch bedeuten, dass eine ungleiche Verteilung in Ordnung sein könnte? Ich schätze, hier muss ich noch etwas über gleiche Verteilung und Chancengleicheit nachdenken.

Die Beantwortung dieser Frage macht aus meiner Sicht den hier erhobenen Einwand weitgehend gegenstandslos.

Wie ist denn die Antwort auf die Frage, ob in irgendeinem gesellschaftlichen Bereich das strukturelle Problem besteht, dass Männer unterrepräsentiert sind?

Wieso macht diese Antwort den hier erhobenen Einwand weitgehend gegenstandslos?

Auf welchen Einwand beziehst du dich?

Die Idee dieses Threads war der Versuch meine Bildungslücken zu schließen.
Meine Idee war es, durch die darlegung meiner Gedanken Anknüpfpunkte bereitzustellen, an denen Personen mit mehr Kenntnis von der Thematik mir z.b. Leseempfehlungen geben können.

Das ebenfalls vorgebrachte Argument, dass das Geschlecht etwa von Bewerber:innen für eine Stelle erst mit Quotenregelungen relevant würde, wurde durch mehrere Jahrzehnte empirischer Forschung zigfach widerlegt.

Ich muss gestehen, dass ich den Satz nicht verstehe. Welches Argument wurde hier vorgebracht und welche Forschung wiederlegt es?

Ich hoffe, dass du meinen Beitrag hier oder auch diese Antwort nicht als Angriff verstehst.
Es ist ein Versuch von mir zu verstehen.

Gruß,
Ori

Hallo Margarete,

danke für die Empfehlungen.
Den Spiegel Artikel habe ich gelesen und auch die alles gesagt folge gehört.
Als Informatiker bin ich an Linguistik durchaus interessiert und Frau Pusch in dem Gespräch zuzuhören war sehr angenehm.
(Ich konnte die in der Folge erwähnte Replik auf die Replik jetzt im Nachhinein leider nicht finden)

Der VDI Artikel ist nach dem ersten Absatz leider hinter einer Paywall.

Leider konnte ich mir auch nach diesen Beiträgen noch keine Meinung zu dem Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes bilden.

Vielleicht gibt es ja noch Themenbeiträge, die sich weniger mit Sprache und mehr mit den Effekten von Gesetzen auseinandersetzen, deren Ziel es istm durch bevorzugung Geschschlechterungerechtigkeiten auszugleichen?

Ich vermute, dass es da im Soziologiestudium oder auch in Genderstudies vermutlich Standartwerke gibt, welche man einfach mal gelesen haben sollte, um sowas zu verstehen.

Gruß und eine schöne Woche,
Ori

Soviel zum Thema Gleichstellung:

Elterngeld-Kürzung: Bundesregierung halbiert die Einkommensgrenze - DER SPIEGEL

Damit hat sich das ganze Thema doch komplett erledigt. Derjenige der mehr verdient bleibt im Job und der andere bleibt zuhause. Ein Schag ins Gesicht hart arbeitender Eltern. Ein katastrophales Signal gegen Kinder, gegen die partnerschaftliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie und gegen die Chancengerechtigkeit von Männern und Frauen.

Wie viele Männer sind denn bisher länger als die Frau zu Hause geblieben?
Ich halte das für ein schlechtes Beispiel.

Edit: oder für ein gutes. Beim Elterngeld hat die Politik alle Voraussetzungen geschaffen, dass Mann und Frau gleich gestellt werden können. Paare, bei denen beide sich die Elternzeit aufteilen, werden belohnt.
Letztendlich ist es aber immer noch so, dass die Gesellschaft mit Frauen, die bei den Kindern bleiben, besser klar kommt und immer noch sind die Frauen die, die die ersten Entwicklungen des Kindes begleiten. Damit ist auch die Bindung zwischen Mutter und Kind fester und die gesellschaftliche Struktur in der nächsten Generation verankert.
Könnten Quoten hier helfen, die Strukturen zu durchbrechen?

So wie ich es verstanden habe, geht es darum, das maximal ersetzte Einkommen von 300000€/Jahr auf 150000€/Jahr zu senken. Das werden wir alle eh nie verdienen :smiley: deshalb halb so dramatisch.

Zur Elterngelddiskussion geht es hier entlang:
https://talk.lagedernation.org/t/elterngeldstreichung/20729?u=margarete_amelung