Gendern und Menschen mit speziellen kognitiven Veranlagungen

Ich bin nicht ganz neu im Lage-Forum, aber ich habe diesen neuen Account angelegt, weil das Thema vergleichsweise sensibel ist und selbst bei sachlichen Debatten gerne Unverständnis oder Anfeindungen kommen (was ich hier nicht befürchte, aber wer weiss). Ebenso möchte ich nicht, dass mein Originalaccount und damit meine Person mit meiner kognitiven Veranlagungen in Verbindung gebracht wird.

Aber worum geht es: Es geht um das Gendern, wie es Ulf und Philip in „LdN259“ angesprochen haben.

Ich finde eine inklusive Sprache sehr richtig und sehr wichtig. Menschen müssen sprachlich eingeschlossen werden, um eine gerechte und einige Gesellschaft zu ermöglichen. Allerdings, wie Philip sagte, geht es beim Gendern auch um die Form. Sie ist wichtig. Ulf meinte darauf, der „bunte Mix“ sei die ideale Form.

Und da muss ich leider einhaken und widersprechen. Denn was in der Debatte gerne vergessen wird, ist, dass es Menschen mit kognitiven Veranlagungen gibt, die durch das Gendern benachteiligt oder herausgefordert werden. Dazu gehören Menschen mit geistigen Behinderungen oder aber auch Menschen wie ich, die an Asperger-Autismus „leiden“.

Die Spannbreite und Ausprägung von Autismus und Asperger-Autismus ist sehr groß. Aber es gibt zahlreiche Asperger, die nicht nur in ihrem Tagesablauf, sondern auch beim Medienkonsum – dem Lesen, Hören und Sehen – auf eine gewisse Einheitlichkeit, Präzision und Homogenität angewiesen sind. Für viele ist es schon eine Herausforderung, damit zurecht zu kommen, wenn Twitter plötzlich seine Schriftart oder Netflix seine Benutzeroberfläche verändert. Es kann zuweilen Tage und Wochen dauern, sich daran zu gewöhnen.

Gendern ist da allerdings noch eine ganz andere Stufe der Herausforderung: Menschen sprechen nun anders. Das alleine verlangt zuweilen viel Kraft und Umstellung. Es verlangt einigen aus der „Asperger-Community“ sehr viel Konzentration ab, einem Gespräch zu folgen, in dem Sternchen und Doppelpunkte gesprochen werden. Ja, es ist nur ein „Glottaler Plosiv“, der da zusätzlich gesprochen wird, aber seine Bedeutung zu verarbeiten, kann für manche eine Schwierigkeit darstellen. Dabei kann man in einem Gespräch sehr leicht „den Faden verlieren“ und nicht mehr folgen.

Wird in einem Gespräch abgewechselt oder nicht einheitlich ge-gendert, wird zwischen männlichen und weiblichen Formen gewechselt kann das stark irritieren. Es kann sich da – sicher, bei nicht allen, keineswegs – aber etwa bei mir kein Lese- und Zughörfluss entwickeln. Zuweilen muss ich zurückspulen, um eine Stelle erneut anzuhören, weil plötzlich anders gegendert wurde. Und auch das generische Femininum hört und liest sich für mich sehr fremd und dadurch auch falsch; nicht, weil ich etwas dagegen habe, sondern weil es von meinem Gehirn als ein „Fehler“ rezipiert wird.

Ich weiß, das ist für viele schwer nachzuvollziehen. Und wie eingangs geschrieben: ich finde inklusive Sprache sehr wichtig. Ich verstehe und unterstütze inklusive Sprache. Veränderungen verursachen immer Kollateralschäden – aber einige kann man verhindern oder sollte sie zumindest adressieren. Daher möchte ich darauf hinweisen, dass hier eben auch Menschen indirekt betroffen sind, die sich sonst eher selten zu Wort melden und gerne auch vergessen werden.

Und wenn ihr fragt, was dann die Alternative ist: Ich persönlich finde es am angenehmsten, beide Geschlechter zu adressieren. Also etwa von Ärztinnen und Ärzte zu sprechen. Das ist auch keine ideale Form, nicht-binäre Menschen werden dabei nicht adressiert, was auch nicht gut ist. Aber vielleicht findet sich mit der Zeit eine bessere Option.