Gendern ist wichtig, doch wie?

Tut man das denn? Ist es nicht vielmehr so, dass die weiblichen Berufs-/Tätigkeitsbezeichnungen erst mit der Emanzipation aufgetreten sind?
Ich finde es wie gesagt bezeichnend, dass man mehr darauf besteht, das Kopfkino zu überlisten(Gendern) statt es einfach abzuschalten (Trennung von Wort und Person).

Das Problem ist doch schlicht, dass du neben der Gruppe auch gleichzeitig das Geschlecht bestimmen willst, bzw. der aktuelle deutsche Sprachgebrauch darauf ausgelegt ist.

Du störst dich an der Formulierung:
„Die Ministerrunde traf sich …“
Weil angeblich die weiblichen Minister ausgeschlossen werden.
Schreibt man aber:
„Das Regierungskabinett traf sich …“
Stört sich niemand und behauptet irgendein Geschlecht wäre ausgeschlossen.

Man könnte jetzt auch schreiben (und sprechen): „die männlichen, weiblichen und nicht-binären Minister trafen sich“
und obwohl da jetzt wieder nur Minister steht stört sich niemand.

Denn um die Sache mit der Inklusion sprich Gendern wirklich zu Ende zu denken müsste man ja eigentlich auch die nicht-binären irgendwie mit einschließen, auch wenn im deutschen Kabinett derzeit noch keiner offen vertreten ist.

Aber bei einer Gruppe Studenten besteht ja durchaus die Möglichkeit.

Wenn du das grammatikalische Geschlecht auflösen willst, musst du alle Bezeichnungen versächlichen, dann gibt es „der Minister“ nicht mehr, dann bleibt „das Minister“ das mit dem sozialen Geschlecht, also an welches du als erstes denkst ist das was ich mit Kopfkino bezeichnete. Das wirst du aber auch durch Gendergerechter Sprache nicht los.

Abgesehen davon bleibt dir bei „Au pair“ eh nichts anderes übrig als männlich oder weiblich davorzusetzen, da es ja „Au pairin“ nicht gibt.

Nachtrag:
Es gäbe auch die Möglichkeit alles auf *nde zu ändern, denn bei „Studierende“ ist ja auch unklar ob nun „der Studierende“ (männlich) oder „die Studierende“ (weiblich)

also in Zukunft „der Ministernde“ oder eben „die Ministernde“
„der Bäckernde“ ; „die Bäckernde“ u.s.w.

Betrifft ja nicht nur Ausländer, aber die haben es extra schwer, weil sie nichtmal das Konzept verstehen.

Da hast du absolut Recht, das gilt aber auch in jeder Sprache und ihren regionalen Besonderheiten.

Und was an diesem Argument ist jetzt nicht Strohmann?
Zumal es im englischen das Genderproblem gar nicht erst gibt ^^

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Nein, es gab auch bereits vor „der Emanzipation“ (?) die Möglichkeit, ein Suffix anzuhängen, das ein Femininum markiert. Ebenso wie es ja vor „der Emanzipation“ Frauen gab, die Berufen und Tätigkeiten nachgegangen sind. Mein Punkt war aber eher: Die ‚Abschaffung‘ des grammatischen Geschlechts nach dem Vorbild anderer Sprachen wäre ein deutlich invasiverer Eingriff in die Sprache als Suffix-Konstruktionen, Sprechpausen oder Interpunktionen, die im Deutschen allenthalben vorkommen. Aber grundsätzlich stimme ich der Ausgangsthese im Podcast völlig zu, dass nicht die eine richtige, sondern viele gute und vielversprechende Ansätze für gendergerechte Sprache gibt und es auch noch viel zu früh ist, jetzt schon eine Lösung zu kanonisieren.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Argument richtig verstehe. Es ist doch belegt, dass es Auswirkungen auf die Rezipient:innen hat, wenn man z.B. weibliche Formen explizit mitbenennt. Warum soll gendergerechte Sprache also keine Auswirkungen bei Rezipient:innen haben? Und warum soll es sinnvoller sein, das Geschlecht voranzustellen als es anhand der Wortendung zu markieren? Es funktioniert doch beides. Ich verstehe an der ganzen Diskussion - glaube ich - nicht so recht, warum das eine dem anderen überlegen sein soll. En passant: Versachlichungen von Geschlecht werden im Deutschen ja häufig genutzt, um Devianz anzuzeigen oder in despektierlicher Weise die Abweichung von sozialen Geschlechternormen zu sanktionieren. Das hielte ich für einen recht mühseligen Weg.

Das gibt es schon, es ist nur eben etwas anders gelagert. Aber nur weil man das grammatische Geschlecht eliminiert, ist ja nicht plötzlich alles gut. Listen to Andy Murray :wink:

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Da sind wir jetzt in ein Missverständnis geraten, welches das Problem zu sein scheint.
Ich meinte ja eben nicht das grammatikalische Geschlecht abschaffen, sondern das grammatikalische Geschlecht in der Mehrzahl von den Personen um die es geht zu trennen.

Also im Grunde genommen, wenn man schreibt „Die Studenten“ das nicht mehr per Automatismus nur männliche Studierende gemeint sind.

Denn sei doch mal ehrlich, alle gesprochenen Genderversionen sind eigentlich eine Betonung des weiblichen Geschlechts.

Das ist das was mir in den anderen Sprachen aufgefallen ist. Das grammatikalische Geschlecht lässt keinen Rückschluss auf das biologische Geschlecht der beschriebenen Personen zu.

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Das Problem mit diesem Ansatz sehe ich darin, dass er sich in der Konsequenz - wenn ich es richtig verstehe - eigentlich nicht von der ‚konservativen‘ Variante der Kritik unterscheidet, nach der es gar nicht nötig ist zu gendern, weil der Genus eines Wortes ohnehin nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun habe.

Anders formuliert: Alle Versionen betonen, dass nicht nur die männliche Form gemeint ist. Finde ich aushaltbar.

Dass im Englischen mittlerweile recht selbstversändlich etwa von „latinx“ gesprochen wird oder they/them-Pronouns verwendet werden zeigt doch m.E ganz gut, dass es auch hier sowohl Bedarf als auch Möglichkeiten gibt, die Sprache gendergerechter einzurichten.

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Das ist ein eher schlechtes Beispiel, weil es von der damit gemeinten Personengruppe - soweit es dort überhaupt bekannt ist - weit überwiegend abgelehnt wird. Die Konstruktion ist eher ein Beispiel dafür, wie man es nicht macht: Eine Kopfgeburt aus einem weißen Akademikerumfeld, ohne Rücksicht darauf was die damit Gemeinten selber wollen oder sogar was in ihrer mehrheitlich gesprochenen Erstsprache überhaupt ordentlich sagbar ist (im Spanischen z.B. ist das „x“ am Ende völlig untypisch, und in anderen Sprachen die von der Personengruppe gesprochen werden sieht es auch nicht viel besser aus).

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Momentan scheitert das schon daran, dass
Herr Lehrer (männlich)
Frau Lehrer (Frau von männlich)

Konsequenterweise müsste es
Das Lehrer heißen, wenn beide Geschlechter gemeint sind und der/die Lehrer, wenn eines gemeint ist (im Singular wie im Plural).
Wäre für einen Ausländer auch viel logischer als
z.B. der Butter in Bayern und die Butter im Rest der Republik ohne begründen zu können wie ein Butter männlich oder weiblich sein kann.

Ein schlechtes Beispiel wofür? Es ging ja nicht um die Gelungenheit, Eleganz oder Akzeptanz der Formulierung, sondern um die Existenz genderneutraler (oder -neutralerer) Formulierungen auch in Sprachen, in denen vermeintlich keine Korrelation zwischen grammatischem und biologischem Geschlecht besteht.

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Dieses Denken ist jetzt aber aus einer Zeit, als die Frau versucht hat ihre soziale Stellung über den Status des Mannes aufzuwerten.

Dann müsstest du auch konsequenterweise Herr Lehrerin benutzen als Mann von einer weiblichen Lehrkraft

Apropos Lehrkraft, warum sagt eigentlich niemand „Lehrkraftin“ wenn die Lehrkraft eine Frau ist?

Bzw. warum gibt es für dieses grammatikalisch weibliche Wort keine männliche Form?

Allein daran sieht man doch schon, dass bei den grammatikalisch männlichen Wörtern auf Inklusion durch Gendern versucht wird, während man dies bei grammatikalisch weiblichen Wörtern unterlässt.

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Interessante Formulierung. Ich würde ja eher sagen, diese Form stammt aus einer Zeit, in der Männer Frauen in der Öffentlichkeit keine andere Rolle zugedacht haben, als Anhängsel eines Mannes zu sein. Diese Haltung hat bis heute viele sprachliche Ausdrücke. In slawischen Sprachen z. B. ist der weibliche Nachname noch immer ein Genitiv des männlichen - also quasi eine Ableitung. Dein Postulat, dass diese Zeit längst vorbei ist, hat aus meiner Sicht einfach keine empirische Grundlage.
Dasselbe gilt für das Konzept der Trennung zwischen grammatikalischem und natürlichem Geschlecht, das Du gerade wiederholt bemühst. Das ist im Kern nichts anderes als die Idee des generischen Maskulinums. Es gibt allerdings zahlreiche Studien, die zeigen, dass das Konzept in der Praxis nicht funktioniert, dass Befragte zum Beispiel unterschiedliche Menschen im Kopf haben, je nachdem ob sie nach ihren „Lieblingsschauspielern“ oder ihren „Lieblingsschauspieler_innen“ gefragt werden.
Über die Frage, ob die Betonung des Geschlechts (bzw. korrekterweise der Geschlechter) der richtige Weg zu mehr Geschlechtersensibilität in der Sprache ist, lässt sich ja in der Tat trefflich streiten, aber dazu gibt es hier ja auch schon diverse Threads, zum Beispiel hier: Ausweg aus der komplizierten Gendersprache - #5 von kaigallup

„Kraft“ wird nicht gegendert, weil das Wort nur ein grammatikalisches Geschlecht hat, aber kein natürliches. Dass es geschlechtsneutrale Versionen von klassisch weiblichen Personenbezeichnungen gibt, stimmt ja nicht, z. B. Eltern statt Mütter, Pflegekräfte statt Krankenschwestern etc. Oder störst Du Dich jetzt daran, dass es keine „Krankenbrüder“ oder „Krankenschwesteriche“ gibt?

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Das gibt es schon, es ist nur eben etwas anders gelagert. Aber nur weil man das grammatische Geschlecht eliminiert, ist ja nicht plötzlich alles gut.
[/quote]

Exakt. Dass man bei verschiedenen Berufen (in Abwesenheit weiterer Informationen) intuitiv ein bestimmtes (aber eben ggf. falsches) Pronomen wählt (z.B. surgeon-> he; nurse → she), war durchaus mal Thema in meinem Anglistik-Studium, will heißen: die Sprache löst nicht alles.

Das nur als Hinweis an alle, die hier viel Hirnschmalz in diese Diskussion stecken. Mir scheint, 90% oder mehr des erzielbaren Nutzens sind schon erreicht, wenn man überhaupt gendert. Weitere Energie würde ich eher an anderen Stellschrauben investieren…

[quote=„kaigallup, post:30, topic:10028“]
„Kraft“ wird nicht gegendert, weil das Wort nur ein grammatikalisches Geschlecht hat, aber kein natürliches. [/Quote]

Kommt auf den Zusammenhang drauf an, zeigt aber meiner Meinung nach relativ gut die Problematik

Nicht wirklich, zumal ich einen Bekannten habe in dessen Abschlusszeugnis Krankenschwester Martin steht ^^

Ich halte mich eher an die Version von Olliver Welke, einem konsequenten Verweigerer von gesprochenem Gendern: nimm eine Formulierung die man nicht Gendern braucht.

Wie z.B. Lehrkräfte, statt Lehrer(Pause)innen

Oder eben wirklich aussprechen und Lehrer und Lehrerinnen sagen.

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Ich verstehe nicht ganz: Was kommt auf welchen Zusammenhang an? Kennst Du ein Wort ohne natürliches Geschlecht, das gegendert wird? Du argumentierst ja selber, dass das Wort „Lehrkräfte“ nicht gegendert werden muss.

Bitte genau lesen. Ich habe argumentiert, dass es diese Begriffe gibt, nicht dass sie überall lückenlos angewandt werden. Und was beweist das Beispiel? Meinst Du etwa, es gibt keine Frauen, auf deren Zeugnis steht, sie seien „Arzt“?

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Was verstehst du unter einem Wort ohne natürlichem Geschlecht?

Ist es weil Kraft als alleinstehendes Wort eher keine Person beschreibt?

Das war die Antwort auf die Frage ob ich mich daran störe, dass es den Begriff „Krankenbrüder“ nicht gibt.

Im übrigen ist Eltern keine Ersatzbezeichnung für Mütter wie von dir angedeutet.

Und Arzt wäre sogar korrekt, wenn man davon abrücken würde neben der Tätigkeitsbeschreibung auch gleichzeitig noch das biologische Geschlecht des Ausübenden mitliefern zu wollen.

Das habe ich mir nicht ausgedacht. „Natürliches Geschlecht“ oder „Sexus“ ist ein Begriff, der u.a. in der Grammatik verwendet wird in Abgrenzung zum grammatischen Geschlecht (Genus), sie u. a. Genus - Genus -

Das Wort „korrekt“ impliziert ja, dass das generische Maskulinum funktioniert, dass also das Wort „Arzt“ keinen Verweis auf ein Geschlecht beinhaltet. Wenn Du das empirische Argument, dass das nicht so ist, einfach ignorierst, ist die Diskussion ehrlich gesagt ziemlich sinnlos.

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Lies doch nochmal was ich bereits Eingangs schrieb und auch in dem von dir zitierten.

Es geht mir doch genau darum, dass man sich eher gegen das „empirische Argument“ stellen sollte als sprachliche Verrenkungen zu erfinden.

Deswegen steht auch in dem von dir zitierten „wäre“ korrekt.

Das Problem ist doch, dass bestimmte Vorstellungen (Sexismus, Rassismus, usw.) unterbewusst verankert sind. Wenn wir uns drauf einigen können, dass alle Menschen gleiche Chancen haben sollten, dann ist doch die Frage, wie wir diese unterbewussten Vorstellungen, die unsere Entscheidungen maßgeblich beeinflussen können, loswerden sollen.
Ich halte es für unmöglich, dass das so einfach geht, indem man sagt „Jedes Mal, wenn Du eine männliche Form verwendest, ruf dir ins Gedächtnis, dass das auch für Frauen gilt.“ So funktioniert unser Gehirn nicht und es ist unmöglich, sich alleine Unterbewusstes bewusst zu machen.

Vielleicht könnte man das Gendern weniger als Schikane oder moralische Pflicht darstellen, und viel mehr als eine Hilfe, unsere unterbewussten Fehlschlüsse bewusst zu machen und in möglichst vielen Fällen so weit wie möglich zu eliminieren?

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Ich bin für das Gendern um die Bilder, die im Kopf der Zuhörenden entstehen, weil wir (noch) in einer ungleichen Umgebung leben, nicht zu befördern. Es gibt eben z.B. (noch) mehr männliche Ärzte und mehr weibliche Pflegerinnen, so dass bei einem Satz wie „Spricht der Arzt mit der Pflegekraft“ die meisten von uns vermutlich nicht sehen, wie eine Frau mit einem Mann spricht, sondern umgekehrt. Das große Übergewicht ist aus meiner Sicht nicht naturgegeben.

Mir ist in der Lage aufgefallen, dass vor allem Philipp immer wieder auch bewusst nur die männliche Form benutzt, mit dem Zusatz: " sind ja in dem Fall nur Männer". Ich würde mir wünschen dass gerade in solchen Fällen unbedingt eine genderneutrale Formulierung gewählt werden sollte! Zum Beispiel in der aktuellen Lage wenn es um die Kandidierenden für den CDU-Vorsitz geht. Es wird über „die drei Bewerber für den potentiellen neuen Vorsitzenden gesprochen“, sind ja nur Männer. Und nicht über „die drei Personen, die sich für den Posten des CDU-Vorsitzes bewerben“ oder wie auch immer man es formulieren will. Natürlich nicht, welche Frau hätte denn Lust sich in so einer Männerriege zu engagieren…

Nur ein Beispiel, es ist mir öfter aufgefallen, und ich fände es gut wenn hier konsequenter geschlechterneutrale Formen genutzt werden würden.

Danke ansonsten für die meist ausgewogene Formulierung!

Wirklich - auch wenn es im konkreten Fall nicht zutrifft?

So hört es jeder anders.
Ich hörte darin eine Spitze gegen die CDU, es ist ja Fakt, dass es nur Männer sind.
Und da wurde das noch mal schön herausgestrichen.

Eine weibliche Bewerberin scheiterte übrigens an ihrem eigenen Kreisverband mit dem Argument, sie sei nicht vernetzt genug.
Mit anderen Worten: anscheinend muss ein CDU-Vorsitzender zwingend jemand sein, der im Hintergrund Strippen zieht (über Hinterzimmer-Vereinbarungen sollte man sich dann aber nicht aufregen).

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