Ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Vielleicht erst einmal ein großes Danke an das Lage-Team, dass ihr allgemein begonnen habt zu versuchen gendergerechte Sprache zu verwenden.
Als Betroffener (ich bin trans*), fühle ich mich bei der Form, in der die Genderpause gemacht wird als Teil dieser Gesellschaft wahrgenommen und wertgeschätzt. Für mich haben Medien in der Gesellschaft einen klaren Bildungsauftrag. Sie tragen eine hohe Verantwortung in der Art und Weise wie sie die Gesellschaft abbilden und daher halte ich es für sehr gute journalistische Arbeit, eine gendergerechte Sprache einzuführen. Nicht allein um Sichtbarkeit zu schaffen, sondern auch um den Raum für das Thema Gender zu öffnen. Jeder einzelne Kommentar hier, ist ein Zeichen dafür, dass das funktioniert und dazu braucht man keine Studien @ChrisDuBois.
Wenn ich im Jahresrückblick höre, dass sich die Öffentlich-rechtlichen teilweise der Einführung einer gesprochenen gendergerechten Sprache verweigern, halte ich das für ein journalistisches Armutszeugnis, weil sie mehr als die Hälfte der Bevölkerung - denn bei einer Verweigerung der gendergerechten Sprache gehören nun auch alle Frauen dazu - aus meiner Sicht bewusst negieren. Ich bezahle dafür, dass Formate produziert werden, in deren Sprache ich mich nicht repräsentiert sehe. Klasse. Danke dafür.
Da hab ich auch keine Lust mehr als jemand der zwei Sprachen in seinen Hauptfächern studiert hat, irgendwie über Grammatik zu diskutieren, denn das verfehlt das Thema einfach komplett. Sprache ist als Kommunikationsmittel nicht irgendwo in einer unabhängigen Sphäre die über allem und den Menschen steht… und damit steht sie nicht über dem Wohlbefinden und der Sichtbarkeit ganzer Bevölkerungsteile. Und mit Wohlbefinden meine ich sicher nicht Probleme wie “aber da Stolper ich ja über die Wörter”, “das hört sich für mich unästhetisch an” und “das stört meinen Lesefluss” … denn solche Kommentare sind für mich ein Hohn an das Leid, das Unsichtbarkeit in unserer Gesellschaft teilweise verursacht hat sowie noch immer verursacht… und das hat wirklich rein gar nichts mit meinem Selbstwertgefühl zu tun @ChrisDuBois
Wenn das eigene Selbst, sich von etwas, das einen halt etwas nervt und einfach eine Gewohnheitssache ist, so angegriffen fühlt und scheinbar wichtiger ist, als eine ganze Gruppe von Menschen mit in die Sprache und den Diskurs einzubeziehen (und dazu gehört für mich übrigens sehr wohl dazu, von “Rassist:innen” zu sprechen), um für die Sichtbarkeit ihrer kompletten Existenz zu sorgen… da weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr was ich sagen soll.
Wenn ich lese:
“Wer gendert, tut also real nichts für den Diskriminierungsabbau – und das sollte jedem bewusst sein.”
wird mir als Betroffener ehrlich gesagt etwas schlecht. Weil hier offensichtlich jemand, der vermutlich selbst überhaupt nicht betroffen ist meint, er könnte sich eine Meinung bilden über etwas, das er gar nicht nachempfinden kann und deswegen will ich an dieser Stelle jedem, der sich die Mühe macht eine gendergerechte Sprache an der ein oder anderen Stelle zu verwenden zurückgeben…
Eure Mühe ist nicht umsonst!
Jeder der hierzu handelt und im öffentlichen Raum für eine gendergerechte Sprache sorgt, tut ganz klar etwas für den Diskriminierungsabbau! Es fühlt sich für mich sehr wohl anders an, wenn in der Öffentlichkeit, den Medien, in Stellenanzeigen etc. z.B. Lehrer*innen steht oder ein Hinweis gegeben wird, dass alle Menschen gemeint sind! Ich fühle mich wertgeschätzt, als Teil dieser Gesellschaft wahrgenommen und weniger diskriminiert! Ich bekomm das Gefühl ich kann öffentlich machen, was ich bin und habe eine Daseinsberechtigung.
An dieser Stelle möchte ich dazu sagen, dass es mir persönlich (und hier gibt es sicherlich unterschiedliche Stimmen) überhaupt nicht darum geht WIE gendergerechte Sprache umgesetzt wird, der Versuch und der Wille zählt… weil ich dann das Gefühl habe, jemand hat sich zumindest die Gedanken gemacht, dass es mehr gibt als ein binäres Geschlechtsmodell. Denn darum geht es für mich nämlich vor allem: die “Awareness”.
Ich habe das Gefühl, dass wir gesellschaftlich endlich beginnen zu realisieren und auch öffentlich abzubilden, dass Menschen existieren, die nicht in irgendwelche vorgefertigte Boxen passen, dass es nicht nur Mann und Frau gibt, sondern, dass Männlichkeit und Weiblichkeit sehr viel freier und sich näher sind als diese engen und voneinander getrennten Konzepte, die wir manchmal mit dem Geschlecht verknüpfen. Und das bringt aus meiner Sicht jedem von uns etwas.
Als ein Mensch der 20 Jahre lang als Frau gelebt hat und weiß, was es bedeuten kann mit all diesen Sozialisierungen aufzuwachsen und jetzt als Mann erfährt welche gesellschaftlichen Zuschreibungen auf der anderen Seite warten, ist jede Pause, jedes Sternchen, jeder Doppelpunkt für mich eine Befreiung von Normen, von blauen und rosa Überraschungseiern und dem Gefühl etwas erfüllen zu müssen, das nicht mir selbst entspricht! Es ist ein Signal, dass es mehr gibt, dass Geschlecht facettenreich ist und es nicht meine Person definieren muss.
Ich würde mir wünschen, dass ich mich im generischen Maskulinum genauso fühle, leider ist das nicht der Fall. Die Art und Weise wie in Deutschland Diskurse geführt werden oder wie mit Menschen umgegangen wird, die außerhalb von festgefahrenen Geschlechtsvorstellungen leben, gibt mir nicht das Gefühl, dass Vielfalt wirklich mitgedacht oder mitgelebt wird.
Daher ist es schön, wenn es für manche funktioniert, einfach das generische Maskulinum einzusetzen, aber ich denke: so weit sind wir noch nicht. Ganz davon abgesehen, dass unsere Sprache einen bisschen anderen Background hat als zum Beispiel das Englische (ich beziehe mich hier auf den wunderbaren Artikel aus dem Tagesspiegel). Am meisten würde auch ich mir eine Sprache und ein Handeln wünschen, das weniger von der Geschlechtlichkeit meines Gegenübers abhängt, davon ist unsere Gesellschaft allerdings leider, meiner Erfahrung nach, noch meilenweit entfernt.
Das Verwenden einer gendergerechten Sprache steht in keinerlei Abhängigkeit zu einer politischen Gesinnung, für mich hat das etwas mit Menschlichkeit zu tun. Es zeigt Empathie, Respekt, dass ein Mensch sich die Mühe macht darüber nachzudenken wie Sprache bei meinem Gegenüber Realität formen kann und wie wir in einer diversen Gesellschaft so zusammen leben können, dass jeder sich wahrgenommen fühlt…
Das sind Eigenschaften die jeder haben kann, haben sollte und in Unabhängigkeit zum eigenen Wahlzettel stehen sollte.
Und ich frage mich doch schon… was sagt das über eine Gesellschaft aus, wenn sie nicht einmal so flexibel ist, in ihrer Öffentlichkeit ein Sternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich zu machen und 5 mehr Buchstaben anzuhängen … damit sie all die abbildet, die nunmal Teil von ihr sind?
Noch ein letzter Punkt, weil mir das doch sehr wichtig ist @ChrisDuBois:
“Ob sich jemand „sichtbar“ fühlt oder nicht, ist eine Sache des eigenen Selbstwertgefühls, was nicht die Mehrheitsgesellschaft für einen lösen kann.”
Ich denke, als jemand der wie ich vermute nicht betroffen ist - abgesehen davon, dass sich Lese- oder Hörgewohnheiten ändern - steht es Ihnen nicht zu, über das Selbstwertgefühl von so vielen anderen Menschen zu urteilen. Was Sie privat mit ihrer Sprache machen, spielt absolut keine Rolle, mir geht es hier rein um die Abbildung einer gendergerechten Sprache in Bereichen, in welchen alle Menschen dieser Gesellschaft sich angesprochen fühlen sollen. Aber ich finde es dann doch etwas dreist, sich heraus zu nehmen, darüber urteilen zu können, wo der Verantwortungsbereich einer Gesellschaft beginnt und wo er aufhört bei einem Thema das Sie persönlich vermutlich einfach überhaupt nicht betrifft.