In den letzten Tagen habe ich den zugegebenermaßen schon ein Jahrzehnt alten Aufsatz „Gegen Wahlen“ von David van Reybrouck gelesen, ja, geradezu verschlungen.
Darin macht der Autor das „Demokratiemüdigkeitssyndrom“ aus, also eine Art Krankheit unseres Gemeinwesens, bei der sich die Bürgerinnen und Bürger zwar so sehr für Politik interessieren und so mündig sind wie nie zuvor, aber „den Politikern“, „der Politik“ und „dem Staat“ misstrauen.
Aber der Staat sind wir doch alle, oder nicht?
Van Reybrouck argumentiert, dass das Volk nur alle vier Jahre nach seiner Meinung gefragt wird und es dazwischen wenig demokratisch zugeht. Hier machen Parteien und Medien die Politik unter sich aus. Und wir stehen wütend an der Seitenlinie - eine Gefahr für die Demokratie, meint der Autor.
Und selbst wenn die Zeit der Wahl gekommen ist, wird über wenige Themen teils unsachlich überhaupt diskutiert, Versprechungen werden gemacht und Personen verunglimpft.
Wie können wir also den Meltdown der Demokratie verhindern?
Indem wir eine urdemokratische athener Methode wiederentdecken: Das Losverfahren.
Van Reybrouck beschreibt ein Modell aus sechs Institutionen, die sich gegenseitig kontrollieren und (bis auf eine) alle aus dem Volk durch Los besetzt werden. So könnte man sogar das gewählte Parlament ersetzen.
Die Vorteile sind bestechend: Die gelosten BürgerInnen müssen sich nicht um ihre Öffentlichkeitsarbeit kümmern, sie können sich fulltime der Sache widmen. ExpertInnen können sie in das Thema einarbeiten und das Für und Wider darlegen. Und am Ende können sie frei nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden, weil sie sich keine Gedanken über Parteipolitik und die Karriere machen müssen. Ein paar Jahre und das Los bestimmt ein neues Bürgerparlament - der Machtgier wird der Riegel vorgeschoben.
Das hat mich zum Nachdenken angeregt.
In der Lage wurde schon einige Male der Bundesrat für seine allzu häufige Blockadehaltung kritisiert.
Meine Forderung: In einem ersten Schritt solltem wir den Bundesrat durch ein ausgelostes BürgerInnenparlament ersetzen!
So könnten wir alle direkt (wenn es der Zufall so will) oder indirekt (über das Internet) auf den Gesetzgebungsprozess einwirken. Sicherlich würden viele ihr Misstrauen gegenüber der Politik verlieren, wenn sie sehen, dass Menschen wie Du und ich an entscheidender Stelle mitwirken. Und ganz nebenbei: auch PolitikerInnen würden neues Vertrauen in den Normalbürger gewinnen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn dieses Thema in der Lage debattiert werden sollte. Der Demokratie wäre damit sicher ein wichtiger Dienst geleistet.
Schließlich möchte ich jeder Leserin und jedem Leser dieses Beitrags für die Aufmerksamkeit herzlich danken.