Gedankenspiel Drittstimme für Koalitionswahl

Guten Abend,

Ich habe den ganzen Tag schon diese Gedanken im Kopf, was eine Drittstimme bei der BT Wahl zur direkten Wahl einer Koalition bewirken würde, und wollte mal eure Meinung dazu hören.

Meine Idee wäre folgende:

Die Parteien können bis zu einem gewissen Stichtag vor der Wahl Koalitionen anmelden, die dann via Drittstimme auf dem Wahlzettel stehen.

Das würde bedeuten, dass es Koalitions-light Gespräche bereits vor der Wahl geben würde. Z.B. müsste die FDP klar sagen, ob sie für echte Koalitionsgespräche mit den Grünen nach der Wahl bereit wäre, oder nicht. Genauso ob die SPD zu einer erneuten GroKo bereit wäre, und ob die AFD überhaupt bei der Koalitions-Wahl auf dem Zettel stehen würde (eventuell ja mit der NPD).

Nach der Wahl würde der Auftrag zur Regierungsbildung an die Siegerkoalition der Koalitionswahl gehen, und darin führend die Partei, mit den meisten Zweitstimmen innerhalb dieser Koalition.

Sprich: Selbst wenn die CDU die meisten Zweitstimmen hätte, die Koalition mit den meisten Stimmen aber Rot - grün - gelb wäre, würde der Regierungsauftrag an die Partei mit den meisten Stimmen von RGG gehen.

Ein Problem wäre sicherlich folgendes:

Angenommen der Sieger der Koalitionswahl wäre Rot - schwarz, als Zweierkoalition, die beiden Parteien kämen aber zusammen nicht auf eine Mehrheit, sprich es wäre eine Minderheitsregierung. Dann könnten die beiden Parteien entweder als Minderheitsregierung starten, oder sie müssen sich eben einen dritten Partner dazu holen.

Was passiert, wenn nach der Wahl die Koalitionsverhandlungen trotzdem scheitern:

Dann würde die Koalition mit den zweit meisten Stimmen den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten.

Aus meiner Sicht würde eine Drittstimme den Willen der Wahlberechtigten deutlich besser abbilden. Denn man könnte nicht nur noch klarer eine politische Richtung wählen, sondern eben auch besser zum Ausdruck bringen, wen man eben NICHT in der Regierung sehen will.

Wie denkt ihr als Lage Hörer darüber, und gibt es vielleicht schon Bestrebungen, so etwas tatsächlich umzusetzen?

Verstehe schon woher der Gedanke kommt. Liest man ja hier auch immer wieder, dass Parteien aus Angst vor bestimmten Koaltitionen dann doch nicht gewählt werden.

Aber ich sehe nicht wie das vernunftig umsetzbar wäre. Wie sollen denn die Koalitionslight Gespräche funktionieren, wenn die Verhältnisse im Bundestag gar nicht klar sind?

Wie viele Sitze eine Partei in die Koalition bringt entscheidet ja auch sehr über die Stärke der Verhandlungsposition und die Anzahl der Ministerposten.
Bei 2 Parteien die in den Umfragen ähnliche Ergebnisse einfahren, ist ja nichtmal klar wer die Kanzlerschaft bekommt. Schwarz-Grün ist ja schon was ganz anderes als Grün-Schwarz.

Denke auch das Koaltionsgespräche im Wahlkampf nicht gerade vor Kooperation sprudeln werden. Wer möchte sich denn schon vor der Wahl eingestehen, dass das tolle Wahlprogramm natürlich nicht 100 prozentig umgesetzt werden kann.

Ich glaube hier liegt ein Missverständnis vor.
Der „Auftrag zur Regierungsbildung“ ist ein rein fiktiver Auftrag (wie übrigens die „Koalition“ auch), der traditionsgemäß der stärksten Fraktion zu kommt. Niemand hindert die Parlamentarier daran, an dieser Fraktion vorbei eine(n) anderen KanzlerIn zu wählen.

Insofern sehe ich keinen prozessualen Vorteil.

Bei der aktuell knappen Stimmsituation für alle etablierten Koalitionen sehe ich zudem die Gefahr, dass eine solche Willensbekundung des Wählers schlicht niemals umsetzbar ist, weil sie die Optionen noch weiter einschränkt.

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Diese Koalition hätte dann aber nicht unbedingt eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Genau genommen läufst du damit in all die Probleme, die First-Past-The-Post-Systeme so zu bieten haben, u.a. den Spoilereffekt. Es entsteht vermutlich sogar spieltheoretisch ein Anreiz zumindest für größere Parteien, möglichst wenige solche „Koalitionsvorverträge“ einzugehen, damit das eigene Stimmenpotential nicht aufgesplittet wird.

Z.B. könnten am Ende Grüne/SPD/FDP und Grüne/SPD/Linke, beide mit parlamentarischen Mehrheiten, bei jeweils etwa 25% Zustimmung landen, CDU/FDP ohne parlamentarische Mehrheit aber bei über 30% (alle Unionswähler plus die meisten FDPler, weil die Union sich im Vorfeld einer schwarz-grünen Option verweigert hat). Nach deinem Modell hätte schwarz-gelb dann den Auftrag für eine Regierungsbildung. :thinking:

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Ich kann mir die Realisierung dieses Konzepts schon rein praktisch nicht vorstellen. Wie funktioniert die Stimmabgabe? Habe ich genau eine Stimme, und muss mich dann entscheiden, ob ich die für gelb-lila-orange oder doch für gelb-lila abgebe? Wie funktioniert die Auswertung? Wenn die Mehrheit sich für violett-purpur ausgesprochen hat, aber violett-purpur nur mit silber gemeinsam eine Mehrheit hat, darf dann eine violett-purpur-silberne Koalition gebildet werden?

Mal ganz abgesehen davon, dass ich prinzipiell nicht viel von dem Konzept „Koalition“ überhaupt halte.

Ich bin weiterhin für eine Drittstimme, mit der man angibt, welche Partei man nicht im Parlament sehen möchte. Die Drittstimmenzahl wird dann als von eins abgezogener Faktor auf die Zweitstimmen multipliziert.
Beispiel: Partei A erhält 16% der Zweitstimmen und 25% der Drittstimmen. Ihr Resultat wäre dann 16%*0,75 = 12%

Es führt auch die Koalitionsverhandlungen ad absurdum, da die beteiligten Parteien nicht mehr die Möglichkeit haben „ansonsten machen wir es mit jemand anderem“ als Verhandlungsmasse zu nutzen und einfach klar ist „Ihr 2-3 Parteien macht das jetzt aber, egal ob Ihr das selber gut findet“.

Ich halte die Idee für Quatsch :slight_smile: