Gas, Öl und ideologische Differenzen

Ich stimme manchem, was Du sagst, nicht zu, auch über mich.
Aber

bringt einen Unterschied unserer Sichten recht gut auf den Punkt.
Angesichts der generell deutlich schlechteren Ergebnisse der sozialistischen Systeme halte ich eine Kausalität für sehr wahrscheinlich.

Diese Sichtweise ist genau das Problem.
Nein, die Unterstützung der Putschisten gegen den demokratisch gewählten, aber dummerweise sozialistischen Salvador Allende, war nicht legitim. Den Sozialismus hier zu bekämpfen war kein Zweck, der das Mittel gerechtfertigt hat.

Gleiches gilt für die Mordanschläge auf Castro und die Stellvertreterkriege (wobei an letzteren beide Blöcke gleichermaßen Schuld haben…).

Wie oft denn noch?
Primär ist er wirtschaftlich kollabiert, das ist nebenbei unbestritten. Und ob das daran lag, dass die Menschen das System nicht mochten - oder daran, dass der Westen den Kampf der Systeme schlicht wegen industrieller/wirtschaftlicher Überlegenheit gewonnen und alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, eine positive wirtschaftliche Entwicklung der sozialistischen Länder zu verhindern, wissen wir halt nicht. Letzteres ist jedoch wahrscheinlicher.

Nochmal:
Es geht um Eskalationseffekte. Der wirtschaftlich unterlegene Block hat das Problem, dass die Menschen sehen, dass es im anderen Block besser läuft. Dadurch wird das System instabil, das führt zu mehr Repression, um das System zusammen zu halten.

Niemand kann sagen, ob wenn der Kapitalismus das System des weniger industrialisierten Ostens gewesen wäre und der Sozialismus das System des stärker industrialisierten Westens, die Situation nicht umgekehrt stattgefunden hätte.

Nochmal: Kausalität und Korrelation. Niemand bestreitet die Korrelation, aber ich reagiere schlicht allergisch darauf, wenn man hier eine Kausalität als Bewiesen ansieht, obwohl es dafür nicht mal starke Indizien gibt.

Du machst hier zudem wieder den Fehler, Sozialismus mit „Unfreiheit und ökonomischen Zerfall“ gleichzusetzen. Darüber diskutieren wir hier nicht. Natürlich will niemand in „Unfreiheit und ökonomischen Zerfall“ leben, aber die Gleichsetzung von „Unfreiheit und ökonomischen Zerfall“ mit „Sozialismus“ macht halt nur Sinn, wenn letzterer zwangsläufig Kausal für ersteres wäre. Und genau das bestreite ich, genau das ist der Kern der ganzen Diskussion, den du hier mal eben so wegwischst.

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Letzteres halte ich für eine gewagte Behauptung. Schließlich motiviert eine (soziale) Marktwirtschaft für Leistung auch (im Allgemeinen) mit Wohlstand (auch wenn das nicht in jedem Einzelfall stimmt und es auch da Ungerechtigkeiten gibt), während im Sozialismus das, was man einnimmt, kaum davon abhängig ist, was man leistet. Insofern ist es verständlich, dass in marktwirtschaftlichen Systemen im Schnitt mehr geleistet wird, und es deshalb der Wirtschaft besser geht.

Du glaubst du das wirklich ? Ich Frage nur weil die Forschung das bissle anders sieht ^^

Das in Deutschland alles Nabelschau ist, ist hinreichend bekannt.

Nun vergleichst du ein Extrem auf der Skala mit einem Mittelwert.

Nach dieser Vergleichslogik müsste der absolute Kapitalismus (wie es ihn glücklicherweise nicht einmal in den USA oder der Schweiz gibt…) ja noch besser für die Wirtschaft sein, weil im absoluten Kapitalismus natürlich der Einzelne noch stärker für seine Leistung belohnt bzw. für seine Nichtleistung bestraft wird (u.a. dadurch, dass es keinerlei Sozialsysteme gibt). Ich denke, es ist klar, dass dies nicht der Realität entsprechen würde, weil eben nicht nur die kapitalistischen Elemente über den Leistungsausgleich einen Anreiz bieten, sondern eben auch die sozialistischen Elemente z.B. über die Absicherung des Einzelnen und generell durch sozialen Frieden durch bedingungslose Deckung der Grundbedürfnisse.

Hier wird das deutlich, was ich grundsätzlich die ganze Zeit schon sage:

Die Extreme in beide Richtungen sind ähnlich problematisch. Totaler Kapitalismus wäre genau so ein zum Scheitern verurteiltes System wie totaler Sozialismus. Und nebenbei, totalen Sozialismus gab es auch im real-existierenden Sozialismus zu keinem Zeitpunkt. Es gab auch dort zu jeder Zeit Systemgewinner („Eliten“), die ein deutlich größeres Stück vom Kuchen hatten, als der Rest. Und ich denke, niemand, der bei Verstand ist, fordert ernsthaft einen totalen Sozialismus ohne Privateigentum. Wie gesagt, selbst im Kommunismus gab es Privateigentum - halt nur kein Eigentum an Produktionsmitteln, was ein großer Unterschied ist.

Es ist daher wichtig, diesen Punkt nochmal hervorzuheben:

Auf die Spitze getrieben ist Sozialismus natürlich Mist. Aber Kapitalismus auch. Und wir sind uns absolut einig, wie ich auch schon mehrfach schrieb, dass eine Mischform („soziale Marktwirtschaft“) in jedem Fall vorzuziehen ist. Streit gibt es allenfalls darüber, ob diese Mischform eher in Richtung „Kapitalismus“ geneigt ist (USA, Schweiz) oder eher in Richtung „Sozialismus“ geneigt ist (Skandinavien, Niederlande).

Und deswegen bin ich auch gegen diese „Aber der Sozialismus hat nie funktioniert!“-Argumentation. Eben weil diese gerne eingesetzt wird, um gegen einen Schritt in Richtung Sozialismus auf der Kapitalismus-Sozialismus-Skala zu argumentieren. In den USA wird dir das „Aber der Sozialismus funktioniert nicht…“-Argument auch schon entgegen geworfen, wenn du nur eine allgemeine Krankenversicherung einführen willst, hier in Deutschland kommt das Argument ständig, wenn man z.B. ein „richtiges“ Bedingungsloses Grundeinkommen fordert.

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Eine anderes Beispiel zu dem oben kritisierten Verwechseln von Korrelation und Kausalität:
Es wird eine Korrelation zwischen Wirtschaftswachstum und Demokratiegrad beobachtet (mit allerdings vielen extremen Ausnahmen). Wissenschaft (und Politik) vermuten hier eine Kausalität. Allerdings stehen sich die verschiedenen wissenschaftlichen Studien teilweise diametral gegenüber bei der Frage in welche Richtung diese Kausalität wirkt. Siehe als Einstieg: https://en.wikipedia.org/wiki/Democracy_and_economic_growth

OK, beim Sozialismus (in der Realität) dachte ich tatsächlich eher an die UdSSR, die DDR, Kuba, usw. als an die Niederlande. Wikipedia listet letztere auch nicht als sozialistischen Staat ( Liste sozialistischer Staaten – Wikipedia ), aber es ist richtig, dass der Begriff nicht sehr scharf definiert ist.