Gleich zu Beginn, ich habe eigentlich nichts mit Finanzen am Hut, mich aber länger mit TSLA beschäftigt und nun in den letzten Tagen intensiv mit GME. Das hier ist also kein finanzieller Rat.
Einiges was hier steht stimmt (meines Wissens nach, keine Garantie, dass ich Recht habe) nicht oder geht am Gefragten und der Realität vorbei. Hier mein Versuch die Situation von einem Laien für Laien zu erklären
1. Unterliegende Struktur Preisberechnung:
Wie wird der Preis an der Börse bestimmt? Der Preis ist das „Äquilibrium“ zwischen Angebot und Nachfrage. Wenn also für einen Preis von 100€ 1000 Aktien zum Verkauf angeboten werden aber nur 500 gekauft werden sagt das dem Algorithmus, dass der Preis zu hoch ist. Deswegen fällt der Preis solange, bis entweder weniger AktionärInnen bereit sind zu verkaufen oder mehr AnlegerInnen und InvestorInnen (bzw. Algorithmen) einzusteigen. Wie das bei GME missbraucht werden kann zeige ich später.
(Quelle u/jn_up auf Reddit)
Das hier erklärt nun warum GME gerade so volatil ist, also warum der Preis so stark schwankt. Je weniger Aktien verfügbar sind, desto stärker schwankt der Preis pro Verkauf/Kauf. (Bei insgesamt 2 Verkäufen hat ein Einzelner deutlich mehr Gewicht als bei 2000)
2. Shortselling:
Bsp: Thorsten kauft sich bei seinem Broker eine Aktie für 100€, dieser bewahrt ihn für die Aktie für ihn auf. Der beispielhafte Hedgefond „Gierig&Skruppellos“ (g&S) denkt aber, dass die coole Klamottenmarke in der nächsten Zeit aus dem Trend fällt und deswegen deutlich weniger Wert sein wird. G&S fragt also seine Bank ob sie sich eine Aktie für eine Leihgebühr von 5 Euro ausleihen können. Die Bank von G&S fragt nun bei der Bank von Thorsten an, die ihnen Thorstens Aktie ausleihen. G&S erhält die Aktie und verkauft sie sofort für 100€. Nun warten sie (oder versuchen aktiv den Preis der Klammottenfirma zu drücken, möglich durch Marktmanipulation oder durch FUD-Kampagnen (Fear, uncertainty distrust), um KleinanlegerInnn zu verunsichern und zum panischen Verkauf zu drängen. Wenn nun nach 2 Monaten der Leihzeitraum abgelaufen ist, müssen sie eine Aktie kaufen, um sie an ihre Bank zurückzugeben. wenn sie das nicht tun, müssen sie für jeden Tag Überzug eine Leihgebühr bezahlen. Nun sind die Aktien nur noch 60€ wert, ihre Wette ist aufgegangen. Sie machen also 100€ Verkauf - 60€ Verkauf = 40€ Gewinn - die 5€ Leihgebühr, also 35€.
Warum ist Shorten so riskant? Bei einem einfachen Aktienbesitz (z.B. in Thorstens Fall) ist das maximal mögliche Risiko der Totalverlust seiner 100 investierten Euro. G&S hat aber ein theoretisch unendliches Verlustrisiko, denn wenn die Aktie mehr kostet als die 100€ zu Beginn müssen sie diese trotzdem kaufen. Und der Preis nach oben ist, anders als der Preis nach unten durch die 0€ Grenze, nicht begrenzt. Bei einem Preis von 10000€ müssten G&S also 9905€ Verlust machen. Das tun sie natürlich nicht, sie warten mit dem Verkauf und hoffen, dass der Preis in der Zukunft wieder runtergeht und akzeptieren dafür die Leihgebühr von bspweise 1€ am Tag.
- Die Situation mit Gamestop
Reddituser haben Ende letzten Jahres erkannt, dass bei Gamestop außergewöhnlich hoher Anteil an sogenanntem ShortInterest (SI), also der Anteil an Aktien die geliehen verkauft wurden, vorherrscht. zu diesem Zeitpunkt über 140%. Warum über 100%??? - Nachdem G&S nach dem Leihen die Aktie verkauft hat, ist sie ja wieder im Markt, kann also neu verliehen werden. Ihr merkt, absolut absurd.
Wir erinnern uns an den Graphen von oben zurück. Je weniger Aktien zum Verkauf verfügbar sind, desto stärker schwankt der Preis, wenn also viele Aktien gekauft aber nciht verkauft werden erhöht das zum einen die Hebelwirkung jeden Kaufs, zum anderen drückt das den Preis nach orben (mit Hebelwirkung der Verknappung), da ein Überangebot an Kaufangeboten herrscht. Das ist über die letzten Wochen passiert und der Grund warum GME im Moment auf einem so hohen Kurs steht und am Tag einige zig Prozentpunkte schwankt. Die Verknappung kann u.a. daran erkannt werden, dass am Fr. nur noch ein Drittel der Zahl der Trades von Mittwoch passiert sind. Warum hat sich der Preis dann aber nicht eingependelt weil bei höheren Zahlen mehr Leute/Institutionen bereit waren zu verkaufen? - Zum einen durch die kollektive Bewegung auf Reddit (meiner Meinung nach keine Marktmanipulation, zumindest nicht mehr als Fernsehberichte über Börsensituation und über Firmen, die KleinanlegerInnen ebenfalls beeinflussen) Außerdem mussten durch das absurd hohe SI-Verhältnis mussten einige Hedgefonds ja auch Aktien kaufen.
Soweit so gut. Aber wo sind jetzt die markerschütternden Potentiale, die revolutionären Aspekte dieser Situation?
Dafür muss noch das Konzept eines Short-Squeezes verstanden werden
3.1 Short-Squeeze
G&S (stellvertretend für alle shortende Hedgefonds) hat die Aktie über einen Broker/eine Bank geliehen. Bei diesen müssen sie eine Sicherheit hinterlegen, dass sie die Aktien im Falle eines steigenden Kurses trotzdem zurückkaufen können. Wenn nun ein Fond anfangen würde signifikante Teile der geshorteten Positionen zu covern (also die Aktien wieder anzukaufen) würde durch die momentane Verknappung und Hebelfunktion der Preis in die Höhe schnellen. Die Broker würden die Hedgefonds ab einem gewissen Preis, den die Hedgefonds nichtmehr mit ihren hinterlegten Sicherheiten abdecken können „margincallen“. Sprich sie zwingen Aktien zu kaufen, koste es was es wolle. Dafür würden dann der Rest der Aktienbesitze von G&S liquiditiert werden müssen, um das Geld zu beschaffen. Warum macht der Broker das, wäre es nicht schlauer abzuwarten bis sich die Situation beruhigt und die Preise wieder auf bezahlbaren Preisen sind? - Wenn ein Hedgefond „pleite geht“, also die steigenden Preise für Aktien nicht zahlen kann, muss der Broker dafür bürgen. Es kommt zu einer Art wettlauf zwischen Hedgefonds und Brokern, alle versuchen vor den jeweils anderen herauszukommen um noch mit niedrigeren Preise davonzukommen. Wenn nicht genug Aktien zum Verkauf stehen kann der Preis also in dieser Kettenreaktion also theoretisch unbegrenzt nach oben schnellen. So lange, bis sich doch Verkäufer finden.
Warum sprechen sich dann die HF nicht untereinander ab und kaufen nach und nach alle benötigten Aktien auf?
Genau das tuen sie momentan auch. Ihr Problem: Durch die absurd hohe Zahl an geshorteten Aktien und die jetztige Hebelsituation (weil viele KleinanlegerInnen aber auch viele große Hedgefonds die natürlich auch wissen was abgeht ihre Aktien zurückhalten) können sie unmöglich signifikante Teile ihrer benötigten Aktien kaufen ohne durch ihre eigenen Kaufanfragen einen Shortsqueeze auszulösen. Sie stecken also wirklich tief in der Patsche. Bei inem Shortsqueeze mit einem kurzen Moment an astronomischen Preisen (5-stellige Beträge pro Aktie theoretisch möglich) könnte also tatsächlich der Markt crashen. Denn die HFs müssten alle anderen Aktien, die sie halten verkaufen und wenn das nciht reicht sind ihre Broker dran.
Wie kommen sie da raus?
- Das sie tief in der Patsche stecken sah man letzte Woche. So offensichtliche und dreiste Eingriffe in den „freien Markt“ (die unsichtbare Hand regelt und so ) zeigen die Verzweiflung. Als Donnerstag der Preis stark nach oben ging (und es wird vermutet, dass ein richtiger Shortsqueeze ein paar Minuten/Sekunden entfernt war) wurde kurzerhand auf der Druckerzeugenden Seite der Stöpsel gezogen, die meisten KleinanlegerInnen in den USA (und Traderepublic user hier) konnten nichtmehr kaufen, nur verkaufen. Dadurch brach sofort die Nachfrage auf KleinanlegerInnenseite ein, der Preis fing an zu fallen. Die Shorts starteten (vermutlich) einen „Gegenangriff“ durch eine sogenannte Ladderattack (ist mir jetzt zu vil auch noch zu erklären, bei genug Interesse kann ich das aber nachholen) ganz ganz grob: Sie manipulieren ohne Aktien wirklich zu verkaufen den Preis nach unten, indem sie sich untereinander Aktien unter Preis hin und herverkaufen und so den Preisberechnenden Algo austricksen. Die Hoffnung war wohl ein kettenreaktionsartiger Panikverkauf der KleinanlegerInnen. In der Situation von ihnen, sie können nichtmehr kaufen, nur noch verkaufen (völlig neue Situation, niemand wusste was passiert) und der Preis fängt plötzlich an zu fallen. Da wäre es wirklich nicht verwunderlich, wenn viele dem psychologischen Druck nachgeben und ihre (inzwischen teilweise 5stelligen Gewinne) dahinschmelzen zu sehen und die Notbremse zu ziehen. Erstaunlicherweise ist das nicht passiert, die meisten Leute haben gehalten.
Die jetzige Situation ist eine Art „Krieg“ zwischen shorts, die (vermutlich) versuchen gezielt Preise crashen zu lassen und KleinanlegerInnen dazu zu bringen zu verkaufen (Das funktioniert theoretisch auch, wenn in den Medien und social Media verbreitet wird, Shorts wären schon längst draußen, es stünde ein riesen Crash an oder indem sie auf andere Investitionsmöglichkeiten anlegen - plötzlich trendete Silber als geniale neue Investitionsmöglichkeiten auf Twitter und auf reddit in r/Wsb) Longs, die bei stürzenden Preisen nachkaufen und so Gewinne machen und den Preis nicht weiter fallen lassen und den haltenden KleinanlegerInnen, die zum ersten Mal in der Geschichte des Marktes das entscheidende Zünglein auf der Wage in einer brenzligen Situation sind. Deswegen ist das ganze so signifkant
Wer ist Schuld?
M.M.n. eindeutig Hedgefonds (bei unserem Beispiel G&S) die bei theoretisch unendlichem Risiko völlig verantwortungslos absurd hohe Anteile einer Firma verwetten, in der Hoffnung ein paar hundert Millionen $$$ zu verdienen.
Es gibt noch einiges anderes zu klären (Gamma squeeze, welche Ausgangsmöglichkeiten shorts noch haben, legal&illegal etc.) Bei genug Interesse kann ich dazu aber gerne noch weiter meinen bescheidenen Senf abgeben.
Viele Grüße und zur disclosure: Ich habe ein paar wenige GME-Aktien in meinem Depot sitzen
Kai