Frauen? Menschen, die schwanger werden können? Wie sprechen wir in Zukunft?

Korrelation und Kausalität, gilt hier analog. Ich finde es schwierig hier in dem Zusammenhang davon überhaupt zu sprechen, denn beiden Thesen haben auf jeden Fall einen Einfluss. Die Kausalität ist also gegeben, es ist lediglich die Frage was davon wie stark ist und ob noch andere Faktoren dazu kommen. Zweitens gibt es da halt leider keine Kontrollgruppe, was bei solchen Ergebnissen auch normal ist, gibt halt kein zweites geteiltes Deutschland mit Wiedervereinigung.

Ich selbst habe an einer technischen Universität studiert und die Einführung der weiblichen Bezeichnungen miterlebt. Der Frauenanteil war gering, aber mehrere der Studentinnen wollten gar nicht Physikerin oder Maschinenbauerin sein. Sie konnten sich damit nicht identifizieren.

Das ist richtig, aber nur wenn es die weibliche Form gibt. Seit 16 Jahren regiert eine Frau Deutschland, aber nicht als weiblicher Bundeskanzler, sondern als Bundeskanzlerin. Anstelle, dass alle jungen Erwachsenen den Begriff Bundeskanzler weiblich besetzt kennen, kennen sie den Begriff Bundeskanzlerin.

Wofür benötigt man überhaupt den Begriff Bundeskanzlerin? Eigentlich nur wenn Bundeskanzler und Bundeskanzlerin nicht gleich sind. Wenn ich zynisch bin, würde ich sagen, die weiblichen Formen wurden nur eingeführt, um eine Möglichkeit zu haben sprachlich deutlich zu machen, dass es ja nur eine Bundeskanzlerin/Lehrerin/… ist.

Auch wenn der Weg dafür letztendlich zwar zu einer Verbesserung führt, aber nicht das Ziel erreichen kann? Ich bin deshalb sehr zwiegespalten, habe aber beschlossen, das es für mich letztendlich keine Rolle spielt, da ich faktisch nie gendern muss.

Du schreibst man unterscheidet zwischen biologischem und sozialem Geschlecht. Ich würde Dir empfehlen das man durch einige oder einige wenige zu oder durch viele hier im Forum oder viele Deiner Freunde zu ersetzen. Einfach nur um zu vermeiden dass der falsche Eindruck entsteht.

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Ich glaube das Problem ist nicht das Tempo, sondern eher die Richtung der Anpassung. Es gibt einige besonders laute Minderheiten die Ihre Sichtweise durchsetzen wollen. Erinnert mich bisschen an das Thema mit dem
Hund :dog2: und den Schwanz. Ich denke es kann einiges Positives in dieser Debatte entstehen aber letztendlich wird sich der Hund schon selbst wieder erkennen …

Sehr guter Hinweis. Ehrlich gesagt glaube ich dass das irgendwelche akademischen Diskussionen sind, die die Mehrheit nicht die Bohne interessiert. Ich habe das Gefühl dass einigen hier der Kontakt zu großen Teilen der Gesellschaft abhanden gekommen ist. Es fühlt sich auch wie eine Never-ending-Story an. Alle zwei Posts springt jemand aus dem Gebüsch mit einer neuen Idee was man doch diskriminierend an unserer Sprache finden könnte. Das ist wie die Zecke im Pelz des Bären. Andererseits freut es mich auch - so lang wir uns noch mit solchen Themen beschäftigen können, muss es uns noch verdammt gut gehen … Ich finds super interessant mit was manche Leute so ihre Zeit verbringen …

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Du hast einen sehr wichtigen Satz gesagt: Es gibt kein Recht auf die Unversehrtheit der Gefühle. Absolut gesehen stimme ich Dir voll zu, manchmal muss sich die Minderheit der Mehrheit eben unterordnen …

… ich finde nicht das gesellschaftliche Strukturen verändert werden müssen. Ich finde das an dieser Stelle die Minderheit der Mehrheit Ihre Wünsche bezüglich Sprache nicht aufzwingen sollte …

Ich finde es herausfordernd, eine gute Balance in der Sprache zu finden. Natürlich ist es ok, wenn „Hebammegegenrechts“ irritiert ist, wenn „man nicht alles mitmachen muss aus Rücksicht auf Minderheiten“. Das ist ja eine positive Motivation.

Ich verspüre aber zunehmenden Abstand zu einer immer größeren Verzettelung in der Sprache. Das Gendern ist in meiner persönlichen Sprache noch relativ neu und etwas fremd, aber ich verstehe (zunehmend) den Nutzen für eine breitere sprachliche Wahrnehmung von 50% der Bevölkerung. Diese gefühlte Weiterentwicklung in der täglichen Sprache scheint aber für einige Menschen zu einer Carte blanche zu werden, jetzt aber auch „an alle mitzudenken“. Wenn schon gendern, dann auch richtig und vollständig. Egal wie sperrig und unpraktisch Sprache dann wird.
Diese Verpflichtung sehe ich nicht und ich glaube, dass sie zu einem Mühlstein wird für das Gendern insgesamt. Wenn nach jedem Satz eine neue Splittergruppe auftaucht und noch kompliziertere Umschreibungen einfordert, dann verliert das Thema die mühsam erkämpfte Toleranz in der Gesellschaft. Siehe oben: „es gibt auch noch die Enbys“: nie gehört, aber ich bin jetzt zu müde zum Googeln. Aber wenn wir noch ein paar Kommentare abwarten, gibt es sicher noch mehr :slight_smile:

„Menschen, die schwanger werden können“ statt „Frauen“: 32 Buchstaben statt 6. Benötigtes Komma und kompliziertere Satzstrukturen nicht mitgezählt. Das ist meines Erachtens kein Fortschritt sondern schräg. Jede/r darf gerne so sprechen wenn er/sie Zeit hat, aber es von allen anderen fordern?

Wenn ich das Thema Gendern kaputt reden wollte, dann würde ich nach immer kleineren Sub-sub-Gruppen suchen, mir immer längere und gedrechseltere Formulierungen ausdenken und diese laut einfordern. Und beim Erreichen von 64 Buchstaben statt 6 auf Zeitungs-Kolumnen warten, die sich nur noch lustig machen über „diesen ganzen Irrsinn“.

Laut Focus Online sind die (einzelne) Australier hier schon so weit vorn, dass ich unsicher bin, ob das fake news sind: „Austragendes Elternteil“ statt Mutter und „Nicht-gebährendes Elternteil“ statt Vater. (https://www.focus.de/politik/ausland/gender-vorschlag-in-australien-muetter-sollen-an-universitaet-jetzt-austragendes-elternteil-heissen_id_12992115.html
Was genau bringe ich meinen kleinen Kindern als ethisch bemühter Vater bei, wie sie mich jetzt nennen sollen?

Mit Deiner pragmatischen Lösung stimme ich Dir voll zu. Das Beispiel mit der Ostdeutschland fand ich jedoch der absolute Brüller - glaubst Du wirklich das Sprache so wichtig ist das Frauen nicht mehr Ingenieur werden wollten, weil es nun ein Ingenieurinnen -Studium geworden war? Könnte es nicht einfach damit zusammen hängen dass Frauen nach der Wende eher was kreatives oder soziales studieren wollten, als Ingenieur im Arbeiter und Bauernstaat zu werden?

Das sehe ich nicht so; Abtreibung betrifft in erster Linie eben Menschen*, die schwanger werden können. Und das sind nicht unbedingt Menschen, die sich selbst als (binäre) Frauen sehen. Es kommt doch auf den Kontext an. Nicht immer macht es Sinn von „Menschen die schwanger werden können“ zu sprechen, aber in einer Debatte um Abtreibung macht es eben Sinn. Und Personen, die sich selbst als Frau sehen (die schwanger werden kann) sind hierbei ja nicht exkludiert sondern inkludiert. Und darum geht es ja: Inklusion.

*aber ich sehe es genauso dass eigentlich alle Menschen mit dem Thema Abtreibung auseinandersetzen sollten.

Jul

Was? Wieso gelten Korellation und Kausalität hier analog? Es ist absolut nicht erwiesen, ob die Umbenennung überhaupt irgendeine Auswirkung hatte. Wenn du also davon ausgehst, dass sie der entscheidende Faktor war, würde ich mich sehr über ein paar Argumente freuen, die dich zu diesem Schluss bringen.

Das mag sein, ist aber kein wirklich gutes Argument gegen das Gendern, da es ja auch eine große Gruppe an Frauen gibt, die es eben genau andersherum sehen.

Genau, Merkel wird Bundeskanzlerin genannt, weil es im Sprachgebrauch eben auffällt, wenn man eine Frau Bundeskanzler nennt. Meiner Meinung nach ein Argument für Gendern.

Dein Beispiel mit Kanzler/Kanzlerin ist aber auch ein bisschen am Thema vorbei: Im Normalfall geht es beim Gendern um Personengruppen, z.B. Studenten, Student*Innen, Studierende etc. Es geht also explizit nicht darum, ob jetzt Bezeichnungen für einzelne Personen geändert werden sollen. Der Kanzler ist eben männlich, genauso wie der Präsident. Das hat erstmal nichts damit zu tun, ob es auch Präsidentinnen und Kanzlerinnen gibt. Die Bezeichung von Merkel als Kanzlerin und nicht als Kanzler ist daher nur logisch.

Argumentierst du grad für die Abschaffung des weiblichen Geschlechts in der Sprache?
Das heißt dann, deiner Meinung nach sollte einfach jede Frau (auch als einzelne Person) Lehrer, Student, Polizist etc. sein? Wieso?
Das geht ja nochmal deutlich weiter als das generische Maskulinum, das einfach Personengruppen subsumiert.

Die Unterscheidung von biologischem und sozialem Geschlecht halte ich eigentlich nicht für eine Meinungssache, wenn es auch Wikipedia so widergibt:

„Als Gender oder soziales Geschlecht werden Geschlechtsaspekte zusammengefasst, die eine Person in Gesellschaft und Kultur beschreiben, in Abgrenzung zu ihrem rein biologischen Geschlecht (englisch sex).“

Und die Wikipedia Begriffsklärung zu „Geschlecht“ unterscheidet zwischen der Verwendung in

  1. Der Biologie
  2. Den Sozialwissenschaften (Gender)
  3. Den Sprachwissenschaften (Genus)
  4. Der Mathematik
  5. Musik
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Es geht ja hier vor allem darum was Menschen in Ihrem täglichen Sprachgebrauch verwenden und das wird nur zum Teil von der wissenschaftlichtlichen Warnehmung beeinflusst. Sie haben sicherlich schon mal eine alte Frau mit einem Hund gesehen. Wissenschaftlich betrachtet müsste es in 50% der Fälle eine Hündin und kein Hund gewesen sein - aber diese Ungenauigkeit stört ja niemand. Mal unabhängig davon ob diese alte Frau noch Kinder kriegen kann oder sich vielleicht als Mann fühlt, wird jeder wissen was oder wer gemeint ist wenn man von einer alten Frau mit Hund spricht …

Mit dem entscheidenden Unterschied, dass es einem Hund völlig egal sein kann, ob er als Hund oder Hündin bezeichnet wird.
Wenn Frauen bzw Aktivistinnen sich über eine Bezeichnung beschweren, könnte man dem ja wohl eine etwas höhere Priorität beimessen als dem Geschlecht eines Haustieres…

Mir ging es vor allem darum zu zeigen dass der Pragmatismus in vielen Fällen das stärkere Argument gegenüber Biologie/etc. sein sollte. Auch bei dem Hund könnte ich mir vorstellen dass die ältere Frau sehr viel Wert auf die Bezeichnung Hund oder Hündin legt. Sie haben offenbar das zweite Beispiel „alte Frau“ überlesen, auch hier bin ich für einen Pragmatismus unabhängig davon ob sich die alte Frau alt oder als Frau fühlt oder nie Kinder bekommen konnte.

wenn man davon ausgeht, dass analog „Mensch“ = „Mann“, ergibt Ihre Aussage vielleicht Sinn.
Ansonsten ein kleiner Tipp: es gibt tatsächlich einen Begriff für männliche Hunde. :wink:

meine Bemerkung bezog sich auf Hund vs. Hündin (in Analogie zu uns Menschen). Nicht auf die Frau in Ihrem Beispiel.
In den seltensten Fällen sagt man aber einfach Mensch, sondern schreibt jemandem das „Frau“- oder „Mann“-Sein zu. Sie haben ja auch die alte Frau „benannt“. Ihre Logik erschließt sich mir hier nicht.

Langsam verstehe ich was Sie gemeint haben. Sorry habe heute Urlaub und mein Gehirn wohl auch … Hund ist ja gleich Mensch und Rüde/Hündin wäre gleich Mann/Frau. Etwas ungewollte Intellektuelle Bescheidenheit heute bei mir :slight_smile: Bei mir Hauptaussage würde ich aber trotzdem bleiben wollen. Auch wenn mir jetzt kein brauchbares Beispiel einfällt - wir sollten einen gewissen Pragmatismus in die Diskussion einbeziehen. Manchmal muss sich eine Minderheit im Sinne des Gesamtwohls der Mehrheit unterordnen und ihre Befindlichkeiten zurückstellen. Nochmals danke für den Hinweis und möchte mich für das Missverständnis entschuldigen.

auch das Gehirn braucht einmal Urlaub. :wink:
Jedoch finde ich es fragwürdig von diskriminierten Minderheiten (im Übrigen sind Frauen irgendwie ja auch keine Minderheit) eine Pragmatismus zu erwarten. Vielleicht könnte man den auch einfach von der „Mehrheitsgesellschaft“ erwarten. Einfach mal den Versuch umsetzen, Gerechtigkeit (auch sprachlich) durchzusetzen, und dann mal schauen, ob es einem tatsächlich so weh tut.

Natürlich sollte man auch die Signifikanz einer Gruppe von Menschen berücksichtigen … da haben Sie völlig Recht. Andererseits aber auch den Pragmatismus nicht vergessen. Vielleicht fällt mir auch noch ein besseres Beispiel ein als das mit dem Hund :dog2:

Das ganze wurde bereits in einem anderen Thema ausführlich diskutiert, daher stammt auch das Beispiel und es gibt da auch Quellen (und das ist auch nicht alles von mir). Ich kann dieses Thema nur ums verrecken nicht finden. Bin sogar die Themenliste durchgegangen.
Ich bin selbstverständlich der Meinung, dass Frauen, wenn sie sich vom Titel des Studiums nicht angesprochen fühlen, diesen Studiengang weniger belegen. Das ist doch analog zu Stellenausschreibungen „Ingenieur gesucht“.

Das analog bezog sich auf den vorangegangen Kommentar, der das auch zitiert hatte. Korrelation heißt, dass es eine Beziehung zwischen zwei Größen gibt. Kausalität heißt, dass es eine Ursache gibt. Das heißt auch, dass es wenn es eine Kausalität gibt, oft auch eine Korrelation gibt. Nur weil es eine Kausalität zwischen zwei Dingen gibt, heißt das noch lange nicht, dass es nur die eine gibt oder das dies der dominierende Faktor ist.
Wenn Du der Meinung bist, dass keine Kausalität zwischen gegendertem Studiengangsnamen und Frauenanteil vorhanden ist, heißt das ja auch, dass das ganze gendern überflüssig ist.

Ja, wenn man den männlichen Begriff für alles verwendet und den weiblichen Begriff auch hat, haben wir ja genau das Problem, das wir lösen möchten. Die Engländer haben die weiblichen Berufsbezeichnungen abgeschafft und es damit geschafft die männlichen Begriffe umzudeuten. Da gibt es auch einen schönen Text in dem anderen Thema, das ich immer noch nicht gefunden habe.