Frauen? Menschen, die schwanger werden können? Wie sprechen wir in Zukunft?

„Menschen, die schwanger werden können“ ist immerhin orthographisch korrekt. Trotzdem ist es natürlich ein Thema, das hauptsächlich Frauen betrifft. Und man muss aufpassen mit der Wortwahl nicht Menschen zu verletzten, die ungewollt unfruchtbar sind. Aber im Podcast fiel ja auch das Wort „staatsfrauisch“, das überhaupt nicht im Duden auftaucht.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass es AkademikerInnen darum geht sich durch die Sprache von Anderen abzugrenzen. Diese sollen vom Diskurs ausgeschlossen werden, da bereits ihre Art zu reden abgelehnt wird. Sicher gibt es auch Begriffe wie das N- und Z-Wort, die heute nicht mehr verwendet werden sollen, egal von wem.

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Ich kann mich da den meisten der vorhergegangen Posts nur anschliessen. Es ist selbstverstaendlich voellig klar was ihr eigentlich ausdruecken wollt und warum ihr in eurem Podcast so sprecht. Und natuerlich sollten wir alle dafür eintreten dass Menschen wuerdevoll und wertschaetzend behandelt werden, egal wie und als was sie sich fühlen.

Aber „Nicht nur Frauen koennen schwanger werden“ ist einfach nur 1984. Die Aussage ist schlicht nicht richtig und ihr wisst das natuerlich. Ihr meint „Auch Personen, die sich wie Maenner fuehlen, koennen schwanger werden.“ Aber warum sagt ihr das nicht einfach so? Davon kann sich doch niemand ernsthaft angegriffen fuehlen und es fuehrt auch dazu, dass diese Menschen mitgedacht werden. So wie ihr euch ausgedrueckt habt, kommt es mir wie ein rein ideologisches Statement vor und das ist der Ernsthaftigkeit der Abtreibungsdiskussion für die betroffenen Muetter und Vaeter und ihre Familien finde ich nicht angemessen.

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Ich bin auch kurz an dem “man darf nicht mehr” hängen geblieben, ich glaube da hat Ulf die eine sprachliche Ungenauigkeit durch eine andere ersetzt.
Ich habe mir beim hören schon gedacht, ach was er bestimmt meinte ist ein “ich wollte doch nicht mehr”, und das ist dann eine super positive und schöne Botschaft:
Ein (journalistisch tätiger) Mensch, der sich der Kraft von Sprache, gerade auf marginalisierte und diskriminierte Gruppen, bewusst ist und sich darum vornimmt, möglichst inklusive zu sprechen. Das finde ich einfach super!

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Das sehe ich anders. Ich selbst habe bisher auch nur von „Frauen“ oder „Schwangeren“ gesprochen, weil ich darüber nicht hinreichend nachgedacht hatte. Von Menschen zu sprechen, die Schwanger sind oder werden können, finde ich viel angemessener. Und die Anzahl der Personen, die das betrifft, ist aus meiner Sicht gänzlich irrelevant. Was spricht denn gegen ein „mehr“ an Respekt? Es geht nicht darum, Sprachverbote aufzustellen, sondern darum, eigene Denkmuster zu reflektieren. Und da haben unsere Podcaster wirklich einen wichtigen Punkt gemacht.

Viel spannender finde ich, was das juristisch bedeuten könnte. In den §§ 218 ff. ist regelmäßig von „der Schwangeren“ die Rede. Sind diese Regelungen dann anwendbar, wenn ein Trans-Mann schwanger ist? Ich denke, da es sich - soweit ich es überblicke - um strafreduzierende bzw. privilegierende Vorschriften handelt, käme eine analoge Anwendung zugunsten des Betroffenen in Betracht…

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Und du glaubst, dass das irgendwas in der Mitte der Gesellschaft verändert?
Meinst du, Herr/Frau Müller macht sich dann auf Grund dieses Sprachkonstruktes plötzlich Gedanken über die verschiedenen Geschlechtsidentitäten?

Ich fürchte, dass es eher das Gegenteil bezweckt!

Genau!
Es ist sehr sympathisch von Ulf, sich da einfach zu korrigieren.
Wäre seine Hose offen, würde er vielleicht auch sagen: „Ups, meine Hose ist offen, das darf aber nicht sein!“

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Genau!
Seit Tausenden von Jahren ändert sich unsere Sprache.
Früher hieß es „Ich und mein Weib“, heute eher „meine Frau und ich“.
Früher machten junge Frauen eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann.
Heute klingt das seltsam.
Früher gab es nur Studenten, auch wenn einige davon weiblich waren. Dann sagte man „Studentinnen und Studenten“, das war umständlich und auch unvollständig. Jetzt sind es „Studierende“ und das ist nur eine Silbe mehr als „Studenten“, dafür sind jetzt wirklich alle mit dabei.
Wenn wir dran bleiben, werden wir elegante Lösungen für alle Fälle finden.
So wie sie jetzt ist, kann unsere Sprache nicht bleiben, weil es zu viele Menschen stört.

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Genau das!
Es ist vielleicht eine kleine Minderheit, aber diese fühlt sich zu einem sehr großen Prozentsatz übersehen, wenn davon gesprochen wird, dass „nur Frauen schwanger werden können“. Neben Transmenschen gibt es übrigens auch noch die Enbys.

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a) „Ich wiege 90 Kilo.“
b) „Meine Waage zeigt in Deutschland 90kg an.“
c) „Meine Gewichtskraft beträgt 882 Newton.“
Von den drei Aussagen ist nur die erste wirklich allgemeinverständlich - aber auch die ungenaueste. Wenn ich nicht gerade das Anliegen habe, auf physikalische Herausforderungen bei der Definition von „Gewicht“ hinzuweisen, dann sind Aussagen b) und c) ziemlich dumm gewählt. Denn damit geht der Fokus vom eigentlichen Thema (z.B. meinem leichten Übergewicht) weg - auf andere, physikalische Dinge. Aussagen b) und c) sind ansonsten höchstens für ein Fachpublikum wichtig.

Was ich damit sagen will:
Sowohl als Sender als auch Empfänger haben wir begrenzte gedankliche Ressourcen. Daher brauchen wir in der Kommunikation Generalisierungen (1), um uns nicht ständig mit Ausnahmen von der Regel beschäftigen zu müssen.
In der LN207 ging es doch nicht um das Thema „nicht-weibliche schwangere Menschen“ (2) sondern um etwas ganz anderes. Daher halte ich es journalistisch für unklug, die Aufmerksamkeit (vom Sender wie vom Empfänger) so zerfasern zu lassen.

  1. Damit widerspreche ich hier dem Eingangsposter: Nicht unsere „Sprache lebt von Generalisierungen“. Wir benötigen Generalisierungen, um überhaupt Dinge verstehen zu können.
  2. Ein höchst interessantes Thema übrigens. Diese Gruppe hatte ich vorher nie auf dem Schirm.
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Ich würde noch gerne auf einen Punkt hinweisen, da in den Beiträgen hier häufig von dem biologischen Geschlecht geschrieben wird und zwar in einer Form, die suggeriert, dass dieses eindeutig bestimmbar ist. Dies ist jedoch mitnichten so. Es gibt nicht DAS biologische Geschlecht im Sinne einer eindeutigen und unzweifelhaften Zuordnung. Gerade das ist ja eine der großen Errungenschaften der Forschung zu sex und gender. Das biologische Geschlecht ist ein Sammelsurium von Eigenschaften (primäre Geschlechtsmerkmale, sekundäre Geschlechtsmerkmale, Hormonspiegel, Chromosomen uvm.) Es gibt sehr viele Personen, die nicht alle Kriterien für typisch biologisch männlich/weiblich erfüllen. Demnach ist auch das biologische Geschlecht eher als ein Spektrum zwischen zwei Polen zu verstehen und mitnichten etwas eindeutig und unzweifelhaft Klassifizierbares.

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Es ist schlicht eine Tatsache, dass sich Menschen davon angegriffen fühlen, weil es diesen Menschen von denen du redest essenziell bedeutsam ist, dass sie sich nicht bloß wie Männer fühlen, sondern sie sich so identifizieren. Warum stellst du deren Gefühl in Frage?

Die schiere Zahl sollte eigentlich kein Argument sein, aber ich glaube, dass viele die hier schreiben diese unterschätzen; die trans Community („trans“ ist ein Adjektiv und kein Subjektiv wie in Transmann; das ist wichtig!) formiert sich gerade erst und kommt mehr und mehr aus der Marginalisierung heraus, weil sie sich gerade im Internet austauschen können. Ich glaube sehr vielen Menschen ist nicht bewusst wie breit dieses Phänomen ist.

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Was für ein Denkmuster nehmen Sie denn an wenn jemand „Frauen“ sagt und damit zu 99.999% korrekt ist? Und wieso handelt es sich bei einer solch gerechtfertigten Generalisierung um eine Frage des Respekts?

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Ich moechte niemanden seine/ihre Gefuehle absprechen. Was ich meine ist: Nachdem der erste Impuls, sich angegriffen zu fuehlen vorbei ist, wenn du darueber nachdenkst, warum es bei der Abtreibungsthematik ja vielleicht Sinn machen koennte, von biologischen Kategorien zu sprechen, anstatt davon wie sich Menschen fuehlen. Wenn du mir einen kleinen Vertrauensvorschuss gibst und erst einmal davon ausgehst, dass ich dir nichts Boeses will - alles Voraussetzungen fuer eine sinnvolle Diskussion - dann kann ich mir nur schwer vorstellen, dass du dich als vernuenftiger Mensch tatsaechlich noch ernsthaft angegriffen fuehlst, wenn jemand von „Frauen“ spricht.

Und wenn doch, dann kannst du es mir immer noch versuchen zu erklaeren, vielleicht habe ich ja einfach etwas wichtiges uebersehen oder irre mich ueber die Fakten. Gerne bin ich bereit zu lernen. Aber grundsaetzlich gilt: Es gibt kein Recht auf die Unversehrtheit der eigenen Gefuehle. Natuerlich versuche ich, so gut es geht, den Gefuehlen anderer gerecht zu werden, ich benutze deine gewuenschten Pronomen etc. Aber auch das hat Grenzen und wenn es drauf ankommt ist mir die Realitaet wichtiger als die Gefuehle anderer.

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Also für diese Behauptung bedarf es schon mindestens einer (seriösen) Quellenangabe, ansonsten ist das einfach nur Wunschdenken, weil es in Ihr Weltbild passt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das biologische Geschlecht eindeutig durch unsere Chromosomen bestimmt wird (xy/xx) und habe auch noch nie einen Biologen etwas anderes sagen hören. Ausnahmen bestätigen hier mMn eher die Regel, wie zum Beispiel wenn von Geburt an beide primären Geschlechtsmerkmale vorliegen. Wie die Genetik bei solchen Menschen aussieht, weiß ich zugegebenermaßen leider nicht. Ein Mann mit einem zu geringen Testosteronsspiegel ist im Zweifel trotzdem genau das, nämlich ein biologischer Mann. Oder etwa nicht?

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Du machst es dir da mit deiner Realität ein wenig zu einfach; du stellst die Einteilung aller Menschen in Mann-Frau als vernünftig dar und berufst dich auf die Biologie. Interessanterweise muss es doch sogar aus deiner Sicht vernünftiger erscheinen von Schwangerwerdenkönnen zu sprechen, denn – ernst gemeint – nicht alle Menschen, die du als Frauen wahrnimmst können schwanger werden. Dein Begriff von Frau ist für den Diskurs den wir hier führen also unterkomplex (wenn nicht falsch).

Ich unterstelle dir nicht etwas Böses zu wollen. Strukturelle Diskriminierung wird jedoch unabhängig davon aufrechterhalten, dass die einzelnen Teile der Gesellschaft es böse mit den Diskriminerten meinen. Anstatt zu appelieren, die Diskriminierten sollten doch vernünftig sein und ihr Gefühl hintanstellen, müssen gesellschaftlich die Strukturen verändert werden.

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@Nacho Klar gerne! Ich habe mich im Zuge eines philosophischen Seminars an der Universität mit dem Thema beschäftigt, deshalb sind meine Quellenangaben für dich eher unbefriedigend, da es sich um Bücher handelt und nicht um Online-Quellen. Eine Quelle wäre hierfür: An Introduction to Feminism von Lorna Finlayson. Eine Online-Quelle philosophischer Natur ist das Lexikon der Stanford University, wo du auch etwas dazu findest, allerdings jetzt nicht so ausführlich wie bei Finlayson (Feminist Perspectives on Sex and Gender (Stanford Encyclopedia of Philosophy)).

Ich habe aber eben nochmal gegoogelt und auch von Wissenschaftlern aus der Biologie Beiträge dazu gefunden:
Aus Nature: Sex redefined | Nature
Aus Massive Science: Sex isn't binary, and we should stop acting like it is

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Du moechtest meinen Text missverstehen. Die Unterteilung Mann/Frau macht in der Abtreibungsdebatte total Sinn, denn nur Frauen koennen schwanger werden. Nicht alle Frauen koennen schwanger werden? No shit, Thomas. Danke fuer diesen komplexen Hinweis. Es scheint dir nicht darum zu gehen, dein Gegenueber zu verstehen, sondern aus ideologischen Gruenden eine Diskussion zu gewinnen.

Wir koennen einen Mann, der sich wie eine Frau fuehlt, gerne so behandeln. Wir koennen sie auch so ansprechen und sie so akzeptieren wie sie ist. Aber ein Kind wird sie trotzdem nicht kriegen koennen und eine Abtreibung wird ihr damit erspart bleiben. Wenn du mit dieser Haltung - vollstaendige Akzeptanz, Toleranz, Mitgefuehl und Bereitschaft in der Sprache und im Alltag auf diese Menschen zu achten - ein Problem hast, weil ich nicht gewillt bin, fuer den jeweiligen Kontext hilfreiche Kategorisierungen (Mann/Frau wenn es um Abtreibungen geht) und vernuenftige Sprache mit ueber Bord zu werfen, dann suchst du dir schlicht die falschen Gegner aus. Es gibt da draussen noch die grosse Mehrheit der Bevoelkerung, die nicht annaehernd so weit mit dir uebereinstimmt.

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Danke für die Links, ganz so klar wie ich es dachte ist es wohl doch nicht. Gleichwohl schwanke ich noch was das für mein Weltbild bedeuten soll. Ich denke man könnte dafür argumentieren, das auch hier die Ausnahmen die Regel bestätigen. Es werden ja auch ab und an Menschen mit anderen Mutationen, z.B. sechs Fingern geboren, trotzdem kann man ja sagen, dass ein Mensch grundsätzlich 5 Finger an jeder Hand hat. Je nachdem wie häufig diese Mutationen bzw. Mischformen des biologischen Geschlechts vorkommen, könnte man allerdings auch argumentieren, dass es beim Menschen „planmäßig“ zwar nur zwei Geschlechter geben sollte, sich aber durch die Unvollkommenheit der natürlichen Prozesse in einiger Regelmäßigkeit auch Mischformen ergeben, die durchaus berücksichtigt werden sollten. Schwierig. Auf jeden Fall danke für den Denkanstoß.

Dazu vielleicht ein Gedankenexperiment: Aliens entdecken die Erde und wollen sich auf den ersten Kontakt vorbereiten. Dafür analysieren Sie die dominante Spezies, den Menschen. Würden diese Aliens den Menschen in zwei oder mehrere Geschlechter differenzieren? Ich würde zu ersterem tendieren. Wobei man hier natürlich anführen könnte, dass wir unsere Gesellschaft auf der binären Annahme aufgebaut haben und es für einen externen Beobachter daher natürlich so aussehen muss, als gäbe es zwei biologische Geschlechter. Schwierig.

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Es ist nicht nur eine Silbe mehr und zieht einen gigantischen Verwaltungs- und Kostenaufwand nach sich, sondern ist grammatikalisch auch einfach Unsinn, weil das Partizip Präsens ein Konstrukt ist, um zeitliche Gleichzeitigkeit auszudrücken, die im Allgemeinen nun mal nicht vorliegt. Die Verkrampftheit dieser Wortschöpfung tritt spätestens dann offensichtlich zutage, wenn man von verstorbenen Studierenden sprechen möchte, die dann sprachbildlich noch im Jenseits über ihren Büchern brüten oder wie?

Darüber hinaus haben wir bereits ein wesentlich eleganteres Konstrukt, das nicht nur alle mitmeint, sondern auch völlig vom Sexus entkoppelt ist: es nennt sich generisches Maskulinum.

Insofern, auch wenn du mit deiner rhetorischen Brunnenvergiftung im Schlusssatz versuchst, jegliche Gegenmeinung präventiv ins Abseits zu schießen, sollten mMn insbesondere Veränderungen der Sprache - wahrscheinlich dem wichtigsten Werkzeug der Menschheit - doch eine etwas nachhaltige Argumentationsbasis haben als: Sprache verändert sich schon immer und wer da nicht mitgeht ist ewiggestrig. Es war auch nicht jede sprachliche Veränderung oder Neuprägung der Geschichte aus heutiger Sicht eine Verbesserung.

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Ich habe mit keinem Wort geschrieben, was ich glaube. Die Aussage, der Unterstrich würde nicht-binäre Geschlechter ausgrenzen, ist einfach sachlich falsch, weil der Unterstrich im Gegensatz zu früheren Formen des Genderns gerade nicht-binäre Geschlechter mit umfassen soll. Eine empirische Untersuchung zu der Frage, was verschiedene Formen des Genderns oder Nicht-Genderns psychologisch bei wem bewirken, wäre interessant. Ich habe aber schon das Gefühl, dass die Diskussion in der „Mitte der Gesellschaft“ in den letzten Jahren sehr viel offener gegenüber der Existenz verschiedener gender geworden ist.

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