Folgen der Psychotherapie

Hallo Lageteam,
ich finde es großartig, dass das mal angesprochen wird. Ich erinnere mich noch damals, als ich während meines Studiums dringend Hilfe benötigt hatte. Ich war in so tiefen Depressionen versunken, dass ich kaum noch vor die Türe gehen konnte. Geschweige denn in einen vollen Vorlesungssaal. Ich hatte richtige Angstzustände bekommen, nur bei dem Gedanken daran. Dadurch wurde mein Studium stark gefährdet, was die Depression nur weiter verstärkt hat.
Aber Hilfe oder Termine zu bekommen, war so gut wie unmöglich. (Geschweige denn nach einem Umzug einen neuen Therapeuten zu finden, um die restlichen genehmigten Sitzungen zu nehmen. Am Ende bin ich zu meinem alten jedes Mal 200km mit dem Zug gefahren.)Für so jemandem muss es schnell gehen. Man ist sowieso antriebslos, und muss dann noch so viele Hürden überwinden, nur um ein Erstgespräch zu bekommen.
Und geholfen hat es mir leider am Ende nicht. Irgendwann habe ich mich durch den Sport und eine Erstklassige Mannschaft die mich immer wieder gefordert hat selber rausgezogen, oder rausziehen lassen.

Aber zu meinem eigentlichen Thema, die Folgen.
Denn im Nachhinein gesehen, war die Therapie eine der schlechtesten Entscheidungen, welche ich je getroffen habe.
Am Anfang meinte noch eine Bekannte von mir, ich solle die auf keinen Fall über die Kasse abrechnen lassen, sondern alles privat bezahlen. Mir erschloss sich da nicht so ganz der Sinn damals, geschweige denn, dass ich es mir als Student leisten konnte.

Mittlerweile weiß ich, lieber hätte ich die Therapie gar nicht machen sollen, als das es über die Kasse lief.
Ich will hier nicht die Krankenkassen schlecht machen, die sind nicht das Problem. Damit lief alles super. Das Problem an der Sache war, oder ist, dass die Therapie dann in den Akten ist.
Ich will es gar nicht dramatisieren, aber man ist gebrandmarkt, und das behindert einen, in so vielen Bereichen des Lebens später.
Mir wurde durch die Therapie Steine in den Weg gelegt.
Verschiedene Versicherungen wurden einfach abgelehnt. Das erste mal als ich damit konfrontiert wurde, war als ich eine Chefarzt-Versicherung abschließen wollte. Die wurde einfach abgelehnt. Ebenso eine Berufsunfähigkeitsversicherung usw.
Auch wollte ich mich eigentlich später bei einer Behörde bewerben, aber auch da wird man aufgrund einer Psychotherapie abgelehnt.
Selbst wenn man diese Therapie nicht angibt, sollte es in den Jahren darauf rauskommen, kann die Versicherung gekündigt werden oder man kann entlassen werden.

Was mich daran so stört, jemand der die Kraft aufgebracht hat, seine Probleme zu bekämpfen und den langen und harten Weg einer Therapie zu gehen (und alleine einen Therapieplatz zu bekommen ist in Kampf), wird quasi dafür bestraft.
Also ist derjenige im Vorteil der seine Probleme mit sich rumschleppt und nicht bekämpft.

Man wird dafür bestraft, dass man seine Probleme angegangen ist und nicht länger damit herumlaufen wollte.

Ich finde, dass ist leider eine Folge davon, die genauso wenig beachtet wird. Und wie gesagt, mittlerweile wünsche ich mir, ich hätte diese Therapie nie gemacht. Sie hat mir leider viele Wege, welche ich gehen wollte, verbaut.

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Vielen Dank für deine offenen Worte die ich sehr gut nachvollziehen kann. Ich bin selber in Therapie gewesen, in einer Klinik, anschließend Tagesklinik und bin immer noch bei einem Psychotherapeuten. Zuerst einmal möchte ich dir bei allen Steinen sagen, dass deine Entscheidung richtig war. Denn die persönliche Gesundheit geht vor. Ich war am tiefsten Punkt einer sehr harten Depression und es hätte mich fast nicht mehr gegeben, von daher bereue bitte deine Entscheidung nicht, nur weil das System herzlos ist.
Dieses Verhalten von Kassen ist wirklich ätzend. Prinzipiell nach diesem Kriterium müsste dann jeder Raucher und Motorradfahrer mit dem selben Grund abgelehnt werden und ich frage mich ernsthaft ob das nicht sogar nah an einer Art Diskriminierung kratzt.
Ich habe da auch leider schlechte Erfahrungen in Behörden gemacht. Ich wollte nach meiner Behandlung meine Ausbildung gerne in einem neuen Unternehmen oder begleitend über die Bundesagentur für Arbeit fertig machen. Ich war nach über 6 Monaten Vollzeittherapie völlig arbeitsfähig geschrieben von meinen Ärzten. Die Bundesagentur für Arbeit wollte, dass ein Amtsarzt diese Diagnose bestätigt in einem 1 stündigen Gespräch und ich sämtliche Akten offen lege. Das habe ich natürlich abgelehnt, da eine solche Therapie ohne Medikamente sehr om Vertrauen lebt, dass das Gesagte nicht an Hinz und Kunz weitergegeben wird. Ich denke doch dass Ärzte nach 6 Monaten besser beurteilen können, ob ich arbeitsfähig bin als ein mir fremder Amtsarzt in einer Stunde.

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Bei meiner Freundin war es noch schlimmer, da sollte ein Amtsarzt (HNO) die psychologische Diagnose bestätigen.

Beim zweiten Mal als es um die Begrenzung der Arbeitsfähigkeit (Hamburger Modell) ging wurde sie vom Amt zu einem Hautarzt geschickt, der das Ergebnis ihres Psychotherapeuten bestätigen sollte.

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Nun ja, ich kann das Anliegen verstehen, finde aber die Schlussfolgerung sehr falsch und gefährlich.

Das Problem ist nicht die Therapie, sondern das Stigma in der Gesellschaft! Eine Therapie ist notwendig, damit die Krankheit (was es nun mal ist!) sich nicht chronifiziert. Hier sind auch nicht die Krankenkassen, sondern die Politik gefragt, sich aktiv für die Entstigmatisierung psychischer Krankheiten einzusetzen.
Wenn die Therapie dich von deinem psychischen Leiden befreit hat, dann hat sie dir noch viel mehr Wege offengelegt, die dir verbaut gewesen wären oder sich irgendwann erledigt hätten.

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Diesem Punkt stimme ich zu und ergänze einen Aspekt. Eine Therapie kann auch erfolgreich beendet werden. Soweit es mir bekannt ist, geschieht dies auch durch den Therapeuten bzw. die Therapeutin. Das bedeutet also, dass sie den Umgang mit ihrer Erkrankung erlernt haben und damit umgehen können. Daraus folgt im besten Fall auch, dass sie eine geringeres Risiko aufweisen wieder zu erkranken. Dies müsste also auch bedacht werden.

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Dem stimme ich zu. Wenn der/die Patient/in das erlernte auch in seinem Leben umsetzt. Denn eine wirklich erfolgreiche Therapie bedeutet dass man nicht so weiter leben kann wie vorher. Man muss in seinem Leben teilweise gravierende Änderungen vornehmen um zurecht zu kommen. Ich persönlich bin unangenehmer geworden. Ich sage sehr früh wenn mir was gegen den Strich geht, das ich früher vielleicht hingenommen habe.
Wer sich und sein Leben nicht verändert befindet sich oft in einem Drehtüreffekt. Kaum draußen wieder drinnen.

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Vielleicht hast du durch die Therapie ja doch mehr mitgenommen, als du denkst.
Du schreibst ja auch selber, dass du echt am Ende warst.

Die Stigmatisierung ist in meinen Augen eine absolute Diskriminierung. Private Versicherungen sind nun einmal daran interessiert, wenig Geld auszugeben. Aus diesem „Pragmatismus“ heraus werden dann Kund:innen abgelehnt. Das ist eine Katastrophe.

An sich ist es besser, wenn sich jemand Hilfe sucht, wenn er sie braucht…

In meinen Augen sollte man den Schwerpunkt auf seine eigene Gesundheit legen. Wenn einem dann Arbeitsstellen verwehrt bleiben, ist das extrem scheiße, aber vom Leben hat man dann wesentlich mehr, wenn man den Schritt gegangen ist.