Folge 231 - Mehrheit für Corona-Lockerungen?

Erst einmal möchte ich mich bei euch bedanken, dass Ihr euch wöchentlich die Zeit nehmt die politische Lage in Deutschland (und der Welt) für uns Hörerinnen und Hörer zusammenzufassen. Ich höre seit mittlerweile zwei Jahren zu und bin im Großen und Ganzen immer noch sehr begeistert von dem Format! :grin:

Bezüglich eurer Darstellung, dass es nach der Kosmo-Studie scheinbar eine unwidersprochene Tatsache sei, dass die Mehrheit der Deutschen für die Beibehaltung bzw. Verschärfung der Corona-Maßnahmen ist, möchte ich auf die in der FAZ am 01.03.2021 angesprochene repräsentative Studie hinweisen, wonach derzeit nur noch lediglich 26% der deutschen Bevölkerung für eine Beibehaltung der Maßnahmen bzw. 9% für eine Verschärfung sind. Ganze 43% sprechen sich für Lockerungen aus bzw. 17% für eine „komplette Rückkehr zur Normalität“.

Vielleicht könntet ihr hierauf in der nächsten Lage nochmal hinweisen, da es in der Folge 231. so wirkt, als sei es unwidersprochen, dass derzeit die Mehrheit der Bevölkerung noch für eine Beibehaltung der Maßnahmen sei.

Anbei der Artikel in der FAZ vom 01.03.2021:

Mehrheit der Deutschen für Lockerungen

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Die FAZ hat keine Studie präsentiert, sondern eine einfache Umfrage mit 2030 Teilnehmer*innen. Nicht einmal die FAZ selbst nennt diese kleine Erhebung „Studie“, daher nur so viel dazu: „So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt“…

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Ich gebe zu, dass „Studie“ der falsche Begriff war. Allerdings habe ich sowohl die Umfrage von Cosmo als auch die des Meinungsforschungsinstituts YouGov als Studie bezeichnet, obwohl es sich bei beiden wie du meinst „nur“ um Umfragen handelt. Das diese Umfrage auch repräsentativ ist, scheinst du zu verkennen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass YouGov während Corona schon mehrfach repräsentative Umfragen veröffentlicht hat. Vergleicht man diese miteinander so erkennt man einen deutlichen Anstieg derjenigen, die die eine Aufhebung der Lockerungen fordern. Waren es in der am 19.01. bekannt gewordenen Umfrage 40% die eine Verschärfung der Lockerungen forderten sind es nun, wie schon oben geschrieben 9%. Das ist doch bemerkenswert oder nicht? Oder meinst du etwa, dass die „Umfrage“ vom 19.01. im Vergleich zur jetzigen glaubwürdiger sei, weil dir die Zahlen besser gefallen? Das Meinungsforschungsinstitut ist nämlich bei beiden das Gleiche.

Umfrage 19.01.

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Ich verkenne hier gar nichts. Natürlich habe ich die Bildunterschrift sehr wohl gesehen und weise Dich wiederum darauf hin, dass die Repräsentativität von YouGov sogar selbst nur bedingt formuliert wird. Zitat: „Befragung unter 2030 Personen zwischen dem 24. und 26. 02. 2021. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.“

Meines Erachtens ist mit einer Stichprobe von lediglich 2030 Personen keine Repräsentativität erreichbar, insofern erübrigt sich jede Debatte darüber. Die Tendenz, dass sich Ende Februar ein größerer Anteil der Bevölkerung für Lockerungen ausspricht als im Januar ist so evident, dass es dafür keine Umfrage braucht. Der Rest ist meiner Meinung nach Datenschrott und in keiner Weise bemerkenswert.
Was mir gefällt oder nicht, ist vollkommen irrelevant und da die Diskussion in diese Richtung läuft, enthalte ich mich einer weiteren Beteiligung.

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Da würde ich widersprechen, bei einer gewichteten Analyse der Antworten reicht das durchaus aus für ein repräsentatives Meinungsbild. Etwas detaillierter hat es das Schweizer Bundesamt für Statistik hier erklärt: https://www.bfs.admin.ch/bfsstatic/dam/assets/147667/master

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Da bist du mit deinem Urteil über die aktuelle Lage-Folge ja noch viel drastischer als Justin. Das dort Datenschrott verbreitet und das Thema dort „in keiner Weise bemerkenswert“ sei, finde ich dann doch etwas hart :wink:

Fand es auch schade, dass die ZDF-Umfrage, deren Fragestellung einfach nur schlecht war, so unwidersprochen in der Lage als Beleg für die eigenen Thesen verwendet wurde. Der ARD Deutschlandtrend vom 4. März zeichnet ein ganz anderes Bild:

Obwohl die Mehrheit die aktuell geltenden Maßnahmen im Grundsatz akzeptiert, wünschen sich viele für die Zukunft eine gewisse Lockerung von Alltagseinschränkungen: Gut die Hälfte (53 Prozent) favorisiert eine teilweise Aufhebung geltender Corona-Regeln. Ihre vollständige Aufhebung befürwortet derzeit jeder Zehnte (10 Prozent). Hingegen möchte ein Drittel der Deutschen (34 Prozent), dass an den bestehenden Maßnahmen strikt festgehalten wird.

Doch auf welche Bereiche beziehen die Bürger die teilweise oder vollständige Aufhebung geltender Corona-Regeln? Bei der Öffnung von Läden und Geschäften gibt es die größte Zustimmung zur vollständigen (27 Prozent) bzw. teilweisen (55 Prozent) Aufhebung der Corona-Beschränkungen. Nur 17 Prozent wollen hier, dass an den Maßnahmen festgehalten wird. Ein fast identisches Bild zeigt sich bei Restaurants und Gastronomie: 28 Prozent wünschen sich eine vollständige bzw. 52 Prozent eine teilweise Aufhebung; nur 18 Prozent wollen an den Maßnahmen festhalten.

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Du hast recht, ich habe mich zu einer definitiv zu sehr zugespitzten Aussage hinreißen lassen. In der Tat kann eine Stichprobe von 2k ausreichen, wenn die Datenqualität stimmt. Beim DeutschlandTrend waren es ja sogar nur knapp 1300. Die Kombination aus kleine Zahl der Befragten + eher schlechter Ruf von YouGov + falsche Deklaration als Studie war nicht gerade geeignet, bei mir Vertrauen für das Anliegen zu erzeugen.

Mit „Rest“ meinte ich nicht das Thema als solches - ich lasse mich gerne von handfesten Fakten belehren, dass es tatsächlich Befragungen mit hoher Datenqualität gibt, die zeigen, dass sich eine Mehrheit der Bevölkerung für Lockerungen ausspricht. Ein FAZ-Artikel, der die dpa zitiert, die YouGov beauftrag, reicht mir nicht. Das abgebildete Diagramm ist doch himmelschreiend schwammig. Was wurde genau abgefragt? Stand da einfach nur „Lockerungen“? Oder „für Lockerungen“? Wohl nicht! Diese Ergebnisse sind so eindeutig durch mehrere Interpretationsschleifen gelaufen, dass sie für so ein grundlegend wichtiges Meinungsbild schlicht nicht ausreichen.

Und ja: Dasselbe gilt natürlich auch für sämtliche in der Lage zitierten Umfragen. Wer konkrete Kritik daran zu äußern hat, möge dies in qualifizierter Weise doch tun! @Jan hat da ja schon konkrete Ansatzpunkte genannt.
Immerhin zeichnet der DeutschlandTrend ja ein deutlich differenzierteres Bild. Allerdings fehlen wichtige Lebensbereiche wie z.B. der öffentliche Nahverkehr.
Was mich hier zudem skeptisch werden lässt: Es wurde nicht nach einer Verschärfung der Maßnahmen gefragt bzw. dies nicht dargestellt (außer in Abb. 7, wo sich eine klare Mehrheit für die aktuellen Maßnahmen ausspricht bzw. noch darüber hinaus gehen will!).
Welche Gruppen also in „vollständig / teilweise aufheben“ versteckt wurden (ab Abb. 9), wird nicht transparent gemacht. So etwas führt bei mir zur Abwertung.
Der harte FAZ-Titel „Mehrheit für Lockerungen“ ist somit so undifferenziert, dass es in Richtung Klickbait geht.

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Das ist keine Meinungsfrage, sondern eine Frage der Statistik - und stimmt auch nicht.

Repräsentativität hängt nicht an der Stichprobengrösse, sondern am Verfahren der Stichprobenziehung, das idealtypisch eine Zufallsauswahl sein sollte. Denn dann kann man systematische Fehler ausschließen.
Die Stichprobengrösse hat natürlich trotzdem eine Relevanz, denn je größer die Stichprobengrösse, desto geringer werden die nicht-systematischen (zufällig streuenden) Schätzfehler um die ermittelten Größen (wie z.B. den Prozentsatz der Zustimmung) und umso kleinere Teilgruppen (Z.B. nach Alter und Geschlecht) kann ich noch präzise vergleichen. Und durch die Zufallsauswahl kann ich die Größe des Schätzfehlers berechnen (z.B. +/- 5%).

Um nur abzuschätzen, welcher Anteil der Bevölkerung die Maßnahmen gut oder schlecht findet, wäre auch eine Stichprobengrösse von 1.000 völlig ausreichend, die 2.000 erhöhen natürlich die Genauigkeit, aber man braucht sie eher für die Auswertung von Teilgruppen.

Was uns mehr Sorgen machen sollte als die Stichprobengrösse sind systematische Verzerrungen. Diese entstehen insbesondere, weil bestimmte Gruppen eher an Befragungen teilnehmen als andere. In der Praxis versucht man diese zumindest in Schach zu halten, indem man die Ergebnisse so gewichtet, dass die soziodemographische Struktur der Stichprobe der der Gesamtbevölkerung entspricht. Das kann aber nur bedingt gelingen, wenn die Nichtteilnehmer (z.B. „Querdenker“) ganz andere Meinungen haben als die Teilnehmer.

Also ich kann jetzt nur für meinen Bekanntenkreis sprechen, der größtenteils aus Akademikern besteht.
Da merke ich, dass die Leute absolut keinen Bock mehr haben!

Das geht mir ähnlich: Seit Oktober arbeite ich von zuhause und sehe fast keinen Mensch mehr außerhalb meiner Familie. Glücklicherweisewohne ich auf dem Land und kann in der Mittagspause mal kurz eine Stunde im Wald laufen.
Zudem wir gehören zum Glück noch zu den Menschen, deren Jobs nicht gefährdet sind.

Seit November darf ich dann nebenbei noch unsere beiden Kinder beschulen. Diese haben auch die Schnauze voll und sehnen sich zurück nach Präsenzunterricht!

Ich möchte auch nicht wissen, wie viele Ehen durch die Lockdowns vernichtet wurden!

So langsam nervt es wirklich.
Also bitte jetzt testen bis zum Anschlag und die Menschen so schnell wie möglich impfen!

Ja, das ist wirklich eine beschissene Situation. Wie glücklich dürfen sich stattdessen all die Nicht-Akademiker fühlen, die täglich zur Arbeit gehen und sich damit dem erhöhten Risiko einer Ansteckung aussetzen dürfen. :roll_eyes:

Das ist richtig. Und schon bei Punkt 1 des Fazits…

Es braucht eine Stichprobe, die nach dem Zufallsprinzip gezogen worden ist.

…hapert es bei YouGov, denn die nutzen Online-Panels unter registrierten Nutzern, im Gegensatz zu zufällig ausgewählten Telefon-Interviewpartnern wie bspw. Infratest oder FGW.

Was Wahlumfragen angeht, bekommen die das mittlerweile ganz gut ausgeglichen, weil sie durch die regelmäßige Gegenprobe bei echten Wahlen mitbekommen, wie ihre Nutzer „ticken“ und wo man tendenziell ausgleichen muss. (Machen auch alle anderen Institute.)

Aber bei simplen Umfragen zu einzelnen Themen würde ich immer den zufallsbasierten Telefonumfragen eher vertrauen.