Flüchtlingsthema - Kommunikationskritik

Liebe Lage, im letzten Podcast habt ihr das o.g. Thema ja noch mal besprochen. Ich kann an viele Punkte einen Haken setzen.
Ich vermisse da aber die Feststellung, dass das Thema eben auch ein Dilemma darstellt - vielleicht analog zu der Frage „Woher beziehen wir nach Putins Angriffskrieg kurzfristige unser Gas“?

Was meine ich konkret:

  1. „Es gibt keine Pull-Faktoren“ bzw. die Argumentation mit diesen ginge an der Realität vorbei.

Das Wort ist nicht schön, aber mal Hand aufs Herz: Wieso sollte eine gute Versorgung, wie z.B. auch nach Ablehnung des Asylantrags, NICHT dazu motivieren speziell nach D. zu kommen? Das widerspricht nicht nur jeder Intuition, sondern wird auch wissenschaftlich unterschiedlich gesehen. Ich halte das für sehr realitätsnah.
Natürlich kann man sich trotzdem für die eine oder andere Versorgungsregelung entscheiden, aber eine ehrliche Analyse muss immer die Grundlage sein.

  1. „Wir müssen uns viel mehr engagieren in den Herkunftsländern, aber diese Abschotterei funktioniert einfach nicht mehr“

Die einfache Lösung, damit die Flüchtlingszahlen sinken, gibt es nicht - soweit sollte jeder mitgehen, der mehr als nur eine Minute im Erregungsmodus eine Überschrift gelesen hat.
Aber das - sicher sinnvolle - stärkere Engagement in den Herkunftsländern wird natürlich erst sehr langfristig und nur wenn es gut läuft, helfen und dann nur punktuell dort, wo wir es tun. Leider hat es aber auch viel von einem Faß ohne Boden, da es eben so viele Krisengebiete gibt, da das Leben absehbar klimatisch in vielen Ländern schwierig wird und am Ende EIN Warlord, EIN böses Nachbarland, EINE Intervention durch einen destabilisierenden Global Player braucht, um alles kaputt zu machen.

Und auch das Abschottung nicht möglich ist, ist ja keine absolute Wahrheit, denn es gibt sehr viele andere Länder, auch europäische, auch welche mit hohem Lebensstandard, die deutlich geringere Zahlen haben. Dabei sei erst mal dahingestellt, ob oder wie inakzeptabel die notwendigen Schritte wären.

Insofern mag die Kritik an der europäischen Einigung zwar sehr begründet sein, aber wir sollten andererseits nicht suggerieren, dass wir es besser wissen und dass es reicht Maßnahmen als grausam zu bezeichnen und einfach auf mehr Hilfe in den Herkunftsländern zu verweisen.

Es gibt also nicht nur keine einfache rechts-populistische Lösung - es gibt überhaupt keine einfache Lösung.

Bei steigenden Zahlen kann es politisch wie auch ganz praktisch knapp werden, insbesondere mit dem Anspruch an uns an die Integration, den wir zurecht haben. Das müssen auch wir klar sagen, denn sonst überlassen wir es anderen, die ich um alles in der Welt nicht in unserer Regierung sehen will.

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Die Wahrheit ist halt, dass es im Endeffekt immer darauf hinaus laufen wird, auch legale Migration zu verhindern und da wird es dann schon kritisch wie weit man es mit der Moral nimmt und wieviel Leid man bereit ist, auszublenden für ein sorgenfreies Leben im Herzen Europas.

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Dem Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zufolge ist es „zumindest fraglich, inwiefern sich der konkrete Einfluss einzelner, isoliert betrachteter Faktoren auf das Migrationsgeschehen exakt bestimmen lässt.“
https://www.bundestag.de/resource/blob/799860/b555457732e3ec012177cdf4357110a0/WD-1-027-20-pdf-data.pdf

Es ist schon so, dass Deutschland in der Gesamtheit der Faktoren ein attraktives „Fluchtziel“ darstellt. Die Kritik zielt denke ich darauf ab, dass es jetzt nicht den einen, großen Faktor gibt, den wenn man ihn abstellt dazu führt, dass plötzlich alle Flüchtenden sich gegen Deutschland entscheiden. Das suggerieren aber die CDUler und Co. Es wird eine einfache Lösung für eine, wie du richtig erkennst, komplizierte Lage vorgeschlagen. Das nennt man Populismus.

Die Mehrzahl der „Pull-Faktoren“ sind Dinge, die wird nicht einfach „abstellen“ können, weil sie nicht einfach so steuerbar sind: sozio-ökonomische und politische Stabilität, Rechtsstaatlichkeit, eine tolerante Gesellschaft, Frieden.

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Ich sehe dieses sehr schmerzhafte Dilemma auch. Die Feststellung, dass es weiterhin Migration geben und dass die Zahlen schon aufgrund der an Krisen erst gestern wieder reicher gewordenen Weltlage weiter steigen werden, ist natürlich völlig korrekt. Aber wenn wir das Abdriften größerer Teile der Bevölkerung nach rechts und ganz rechts - mit allen politischen Folgen, die dies haben dürfte - vermeiden wollen, braucht es sehr viel mehr als Faktenchecks, Appelle und die Feststellung „Es wird weiter Migration geben - Leute, gewöhnt euch dran und macht das Beste draus“. In einem notorisch uneinigen, mit etlichen ernsten Krisen ringenden Europa, in dem immer irgendwo Wahlkampf ist und die migrationsfeindlichen Stimmen stetig mehr werden, sind die vorgeschlagenen Maßnahmen (mehr Engagement in den Herkunftsländern, Ausbau der Botschaften zur Erleichterung von Arbeitsmigration, Ausbau dauerhafter Aufnahmekapazitäten hier) ein riskanter Wettlauf gegen die Zeit. Ich bin da, ehrlich gesagt, zunehmend pessimistisch und rechne damit, dass wir in Kürze auch hier Maßnahmen sehen werden, die uns nicht nur „zunächst unsympathisch sind, weil sie inhuman klingen“ (Gauck), sondern die tatsächlich inhuman sind. Und dass eine Bevölkerung, die mit immer mehr eigenen Sorgen beschäftigt ist, dann resigniert bis gleichgültig die Achseln zucken wird.

Genau deshalb braucht es Pragmatismus mit dem Ziel der Problemlösung vor Ort, ausreichend Finanzierung der Kommunen und positive Erzählungen.

All diese rechten Narrative von Begrenzung und Abschiebung sind reine Nebelkerzen. Nichts dergleichen wird Probleme lösen, die nur deshalb überhaupt entstehen, weil man nicht ernsthaft versucht, die Menschen (Es sind Menschen, keine Zahlen!) gut unterzubringen, mit Deutschkursen zu versorgen und schnell in Arbeit zu bringen. Statt Geld zu investieren und Asylbewerber arbeiten zu lassen, was sowohl Arbeitsmarkt als auch Sozialsystem entlasten würde, werden noch Gelder gekürzt.

Das Gerede von Sachleistungen und Verhinderung von Überweisungen in Heimatländer lässt auch außer Acht, dass gerade solche Überweisungen evtl. verhindern, dass sich mehr Menschen auf den Weg machen.
Also nochmal: Lasst die Menschen ihr Geld verdienen.

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Zum ersten Teil: Ja, wenn die Versorgung in Deutschland deutlcih besser ist, als in Frankreich, kommen die Leute lieber nach Deutschland, als nach Frankreich - es sei denn, sie kommen aus einem Land, in dem Französisch Staatssprache oder üblich ist. Dann könnte Deutsch lernen zu müssen sogar ein größere Hindernis sein.
Aber im Beitrag ging es nicht darum, ob die Leute lieber nach Deutschland oder nach Frankreich/Italien/Griechenland/etc. kommen, sondern ob sie sich auf einen lebensgefährlichen Weg machen, um dan villeicht irgendwo aus Europa geld nach Hause schicken zu können und ob es einen Einfluss hat, ob sie dazu noch ein paar paar Hürden nehmen müssen (z.B. Hawala statt moneystransfer) und ob sich sich die Probleme schon vorher soweit vorstellen können, dass dies die Enscheidung beeinflusst, in eine Nussschale zu steigen, um über das Mittelmeer zu fahren.
Der zweite Teil ist das „wird wissenschaftlich unterschiedlich gesehen“. Das haben die beiden LAGE-risten ja angesprochen, dass Ihnen keine evidenzbasierte Studie dazu bekannt ist. Wenn Du verschiedene hast, am besten in beide Richtungen, da Du ja weißt, dass es unterschiedlich gesehen wird, bitte hier Links veröffentlichen.
Wenn Du nur meinst, dass es Wissenschaftler gibt, die in Talkshows oder Blogs unterschiedliche Meinungen vertreten, hilft das leider gar nicht weiter.

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An anderer Stelle in diesem Forum wurde gerade wieder darauf verwiesen, dass Fremdenhass vor allem dort groß ist, wo es weniger Fremde gibt.
Auch das muss man als Teil der Wahrheit anerkennen, dass es Orte gibt, wo es funktioniert.
Auch wird beim Vergleichen der Zahlen gerne übersehen, dass Deutschland nun mal das größte Land in Europa ist, auch das relativiert die Zahlen zumindest etwas.

Das ist halt auch gar nicht gewollt. Was würde es für uns heißen, wenn Afrika und Südamerika plötzlich selbständig wären und uns faire Preise für ihre Rohstoffe diktieren würden? Nein, die Situation wird genau so wie sie ist gepflegt und erhalten. Und wahrscheinlich ist es sogar günstiger, die paar Hunderttausend Flüchtlinge aufzunehmen als die Preissteigerungen in Kauf zu nehmen.

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Danke, das geht mir auch immer häufiger durch den Kopf. Wieviel tragen wir direkt oder indirekt zur Migration bei. Durch handeln oder nicht handeln oder gerade durch handeln. Inwieweit „saugen“ wir diese Länder aus, solange es uns nützt, die Menschen und Einwohner der Länder. Billige Rohstoffe, billige Arbeitskraft ist uns recht. Inwieweit beruht unser Wohlstand auf der Armut diese Menschen? Und können wir dann verteufeln was sie tun?
Und hier müssten wir uns ehrlich machen. Wollen wir Fairness? Oder Darwinismus - dann stirbt auch der Humanismus. Dann dürfen wir uns aber auch nicht beschweren, wenn uns andere Menschen „ungerecht behandeln“.

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Was mich in den Zug bei den Besprechungen der Lage in der Letzten Zeit auch etwas wundert ist, dass so getan wird. als ob die Regelunngen und Gesetze, die das Asylrecht nicht auch geändert werden können. Natürlich werden die meisten Foristen sich darüber im klaren sein und die allermeisten hier werden sicher auch dafür eintreten und dafür kämpfen, dass wir witerhin ein starkes Asylrecht habeb und in Abkommen wie der Genfer Konvention etc. bleiben werden, aber gerade die AFD sieht das sicherlich anders. Und wie Trumph schon gezeigt hat, kann man auch aus solchen Abkommen aussteigen.
Übrigens ist eine Aussage, dass man mit nationaler Gesetzgebung gar keine oder nur wenig ausrichten kann auch nur solange korrekt, wie Deutschland noch in der EU ist. Und auch daran stört sich ja die AFD.
Ich bin nicht sicher ob es wirklich so schlau ist, von einer vermeintlichen Alternativlosigkeit zu sprechen, wenn viele Menschen sehr wohl wissen, dass es Alternativen gibt, Die Frage ist dann natürlich ob disee Menschen wirklich bereit sind die vermeintlichen Alternativen bis zum Ende durchzuziehen aber so zu tun, als ob es diese nicht gibt, finde ich etwas seltsam.

Natürlich muss der Versuch unternommen werden das Thema Migration positiver zu besetzen aber wenn man dabei die auftreten Probleme verschweigt, ist nur einer Gruppe geholfen und dann sind nicht die Migranten…

Ich fände es darum besser wenn man sich viel stärker darauf bezieht:

Denn das schmutzige Geheimnis der (Arbeits-) Migration ist ja, dass die Leute arbeiten wollen…
Wobei das die Lage ja gemacht hat.

Herr Söder beginnt ja auch schon, das Grundrecht auf Asyl anzusägen. Möglich, dass andere UnionspolitikerInnen nachziehen und versuchen werden, die Koalition vor sich herzutreiben. Da für eine Abschaffung des individuellen Grundrechts auf Asyl das Grundgesetz geändert werden müsste, wird es nicht so weit kommen, aber in den Köpfen vieler Leute könnte sich das Narrativ „Die Ampel weigert sich, eine/die einzig wirksame Maßnahme zur Begrenzung der Migration umzusetzen“ durchaus festsetzen.

Aus der Genfer Konvention kannst du nicht so einfach aussteigen. Du kannst dagegen verstoßen und hoffen, dass es niemanden interessiert. Und wahrscheinlich ist es sogar so. Für Politiker, die Verträge einhalten wollen, ist es also alternativlos.
Dass ein Trump da ganz andere Möglichkeiten hat, weil ihm Abkommen einfach egal sind, ändert daran gar nichts.
Und wer Politiker wählt, die das genauso sehen, kann sich ausrechnen, was danach kommt. Lügen und betrügen ohne Moral, Deutschland isoliert und in der Welt verhasst. Wer darin eine Alternative sieht (obwohl Deutschland als Exportweltmeister das nicht wollen kann), dem kann man dann auch nicht mehr helfen.
Und wenn die, die so denken, eine relevante Wählerzahl sind, kann uns auch keiner mehr helfen.

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Die Realität ist aber, dass die meisten vor Krieg, Verfolgung und anderen existenziellen Bedrohungen fliehen. Nach meiner Intuition wäre so etwas ganz klar ein Push-Faktor.
Und dass Menschen die erheblichen Risiken der Flucht auf sich nehmen, einfach weil es in Deutschland ein bisschen geiler ist, klingt mir sehr abwegig und keinesfalls intuitiv.

Die Frage ist auch gar nicht ob, irgend eine Regelung bzw das was man in den Herkunftsländern darüber denkt KEINEN Einfluss auf Migrationsentscheidungen hat sondern ob dieser maßgeblich oder wenigstens signifikant ist. Und da sagt die Wissenschaft nun mal etwas anderes.

Die Idee dass dort kleine homini oekonomiki sitzen und sich auf den weg machen, wenn der Erwartungswert den break even erreicht, greift wie auch in den meisten anderen Lebensbereichen einfach zu kurz.

Davon gerne mehr. Sowohl mehr Berichte als auch mehr solche Politiker.

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