Flucht und Migration-wie gehen wir damit künftig um?

Aktuell gelesen:

Das Problem wird ja nicht verschwinden, indem wir einfach alle die Grenzen dicht und die Augen zumachen.

Droht da noch ein neuer großer globaler Konflikt ?

Sorry für den Reflex, aber „Grenzen auf und Augen zu“ klingt bei 120 Mio. auch nicht zielführend. Vielleicht doch mal an die Fluchtursachen ran?

Das ist die Frage.

Vielleicht mal mit Köpfchen an die Sache ran und die Probleme vor Ort angehen?

Soll heißen, es gibt ja Gründe, warum Menschen auf der Flucht sind. Krieg, Hunger, Armut, Verfolgung, der Wunsch nach einem besseren Leben.
Einfach Grenzen auf geht nicht, sehen wir ja. Einfach Grenze zu, wird auch nicht die Lösung sein, davon verschwinden die Menschen nicht.

Die Frage ist ob da nicht noch Konfliktpotential en Masse lauert,

Tatsächlich ist das ein riesiges Pulverfass auf Zeit, denn unabhängig der oben genannten Probleme wird Trinkwasserknapheit, Dürre und damit verschobener Ackerbau, Überflutungen und Waldbrände auch Leute aus priviligierteren Gegenden in Bewegung bringen. Muss nicht gleich Flucht sein aber auch Flucht.

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Das Problem ist, dass die linke Hälfte des Spektrums mit diesem Thema gefühlt nichts mehr gewinnen kann und es daher (zumindest in der öffentlichen Kommunikation) nicht wirklich offensiv angeht. Man befindet sich gerade absolut in der Defensive. In der taz habe ich in einer Reaktion auf die Wahl gelesen, man solle sich doch nicht mehr so stark auf das so negativ und rassistisch aufgeladene Thema Migration fokussieren… Gleichzeitig werden momentan mit harter Anti-Migrationspolitik Wahlen gewonnen und die Bevölkerung (in DE) hält es im negativen Sinne für eines der wichtigsten Themen überhaupt.

Gibt es denn keine konkreten Strategien, da wieder rauszukommen und dem Ganzen eine realistische und optimistische(!) Erzählung entgegenzusetzen? Irgendwie muss man dem Agendasetting von rechts doch begegnen…

Das Erstarken der Rechten in Europa heißt auch, dass das Sterben auf dem Mittelmeer weitergehen wird und dass „Fluchtursachen bekämpfen“ auch weiterhin nicht viel mehr als leere Worte sein werden.

Edit: Es ist natürlich zu unterscheiden zwischen dem Thema „Migration gestalten“ und dem Thema „Migration als Problem“. Ich sehe aber leider im Moment keine funktionierende Strategie von letzterem wieder zu einem positiveren Bild von Migration zurückzukommen. Das ist der Punkt, der angegangen werden muss.

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Vielen Dank. Das mit den Fluchtursachen bekämpfen ist der wohl entscheidende Punkt.

Wie wir gesehen haben funktionieren unsere Bemühungen nie wirklich, weil ?

2015 haben wir die Menschen aus Syrien noch mit mehr oder weniger offenen Armen empfangen. Aber ohne wirklichen Plan was wir in Deutschland mit ihnen machen wollen.
2022 mit der Ukraine ähnlich.

Der Versuch, es vor Ort mit Militär zu regeln (Afghanistan, Mali,…) ist mangels „Plan danach“ auch als gescheitert anzusehen.
Auch weil man sehr mit der „West-Brille“ agiert hat.

Nun also wieder der Trend, die Tür einfach zuzumachen und nicht mehr aufs Klingeln reagieren.
Wird das dahinterstehende Problem ja auch nicht lösen.
Und dann ist das Staunen groß, wenn wir im Ausland (außerhalb Europas) nicht mehr begeistert empfangen werden, wenn es keine Rohstoffe mehr aus Afrika gibt oder man nur noch unsere Waffen kaufen will statt unserer Autos (um sich damit in letzter Konsequenz möglicherweise gewaltsam Zutritt zu Europa zu verschaffen, wenn es mal richtig böse wird)

Will sagen, wir sehen das Problem und die Gefahren, aber wollen es nicht sehen und hoffen es geht weg, wenn wir uns die Augen zuhalten und laut Lala rufen…

Mir fehlt da etwas der politische Weitblick in der Weltpolitik.

Ich finde es absolut nicht in Ordnung, wenn hier dem harten rechtsextremen Narrativ Raum gegeben wird, dass Leute außerhalb Europas eine bewaffnete Invasion planen würden. Das ist doch kompletter Unsinn.

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Sorry, das ist dann falsch rübergekommen.
(Zeigt mir aber auch, das ich sauberer argumentieren muss.)

Gedanke war, das eine Abschottung nicht die Probleme löst und die Menschen in der Welt nicht von einer Flucht abhält.
Die Nöte bleiben ja, und wenn eine Not zu groß wird, weiß man sich möglicherweise nicht anders zu helfen, als nachdrücklicher nach Hilfen zu fordern und ggf Grenzen nicht auf rein formalem Wege zu überschreiten.

Das sollte beileibe kein rechtes Narrativ sein.

Mir geht es darum, das wir als „privilegierter Westen“ uns intensiver bemühen sollten, die Länder der Welt ehrlich bei der Lösung ihrer Probleme zu unterstützen ggf diese dazu befähigen, so das kein Fluchtgrund mehr besteht.

Also quasi helfen, das Leben überall lebenswert ist.

Sehr idealistisch und teuer, aber sicher langfristig gewinnbringender und Konfliktärmer als die jetzige Taktik.

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Aus meiner bescheidenen Sicht wurden zwei Ansatzpunkte im Podcast angeschnittten und diskutiert:

  • Stärken der Kommunen in ihren Aktionsfähigkeiten, um Integration zu ermöglichen, ohne diese in Konkurrenz zu vorhandenen sozialen Problematiken zu stellen (Masslowsche Bedürfnispyramide: physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse). Das bedeutet Erweiterung der Finanzen, aber auch Entscheidungskompetenz.

  • Umbau des Asylwesens, um diese Menschen unbürokratisch in Arbeit zu bringen (anstelle des bisherigen Passierschein A23 Unwesens)

Beide finde ich sinnvoll, wenngleich ich nicht optimistisch bin.

EDIT: Gemerkt, dass es hier eigentlich um internationale Ansätze gehen soll: sorry für meine Themaverfehlung.

Der Satz in Klammern im Originalpost mag an der Realität vorbeigehen, die Reaktion darauf ist angesichts der realistischen Beschreibung im Rest des Originalpost nicht unbedingt angemessen, aber symptomatisch für dieses sehr hitzige Thema.

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Du hast einen - m.E. mit entscheidenden - Punkt nicht erwähnt: Es gibt Player in der Weltpolitik, zuallererst wäre Russland zu nennen, die Flüchtlingsströme gezielt erzeugen wollen, um die westlichen Staaten zu destabilisieren - denn dort möchten die Flüchtlinge ja schließlich alle hin.
Man sieht das in allen Konflikten mit Beteiligung Russlands von der Ukraine über Syrien bis hin zu den Beteiligungen russischer Söldnertrupps in afrikanischen Staaten.

Von daher ist das mit der Bekämpfung der Fluchtursachen nicht ganz so einfach. Insbesondere auch deshalb nicht, weil neben Russland auch andere Akteure wechselweise auf dieses Mittel setzen. In der jüngeren Vergangenheit waren dies beispielsweise Syrien, die Türkei und auch Weißrussland.

Das schafft in den westlichen Staaten natürlich Binnenkonflikte, weil eine weit verbreitete Angst vor massenhafter Migration (Umfrage Statista) auf politische Akteure trifft, die diese ausnutzen, was wiederum beim aufnahmewilligen Anteil der Bevölkerung auf Widerstand stößt.

Meiner Einschätzung nach wird es schwierig bis unmöglich, die Spirale der sinkenden Aufnahmebereitschaft für Geflüchtete zu durchbrechen, insbesondere auch vor dem Hintergrund der perspektivisch eher steigenden Flüchtlingszahlen weltweit aufgrund verschiedener Faktoren (Klimawandel, zunehmende politische Instabilität vieler afrikanischer Staaten, Kriege/Konflikte auch in Europa).

Meiner Meinung nach ist das vielversprechendste ein Dreiklang:

  1. Integration derer, die bereits in Deutschland sind.
    Bildung, Bildung, Bildung, Bildung.
    Das ist schon heute Mammut-Aufgabe genug, dazu muss man sich nur die Flüchtlings- und Gastarbeiter-Ströme von 1960 bis 1995 ansehen. Insbesondere vor dem Hintergrund das wir heute und in Zukunft v.a. Knowledge-Work brauchen und weniger den Industriearbeiter der das deutsche Wirtschaftswunder der Nachkriegsjahre ermöglichte. „Fachkräftemangel“.

  2. Abschottung (Ursachenbekämpfung 2)
    Vergessen wir nicht das hinter Flucht eine Schleuserindustrie steckt, die verarmten Menschen gegen Tausende Dollar eine 2-Monate Reise nach Europa voller Gefahren, Strapazen und Hindernisse ermöglicht. So eine Reise tritt man nicht an wenn man weiß das die Chance, in Europa einen Hafen für ein neues Leben zu finden, gegen 0 geht.

  3. Entwicklungshilfe (Ursachenbekämpfung 1)
    3 kann aus meiner Sicht nur mit 2 funktionieren. Die Menschen in den Ländern benötigen in ihrem Land durch die Entwicklungshilfe eine Perspektive die attraktiver als 2 (die Flucht) ist.
    3 ist gleichzeitig die mit Abstand schwerste Aufgabe von allen dreien. Wie viele Konfliktherde gibt es? Wie will man einen gescheiterten Staat geraderücken, der von 2-3 bewaffneten, verfeindeten Militias kontrolliert wird, die sich gegenseitig mit Kindersoldaten bekriegeb? Selbst wenn wir von nur EINEM solchen Fall sprächen, wäre das schon eine Aufgabe bei der es fraglich ist ob sie überhaupt lösbar ist.

Zur Wirksamkeit von Spenden und Entwicklungshilfe kann ich dann auch noch diese spannende Podcast-Folge teilen (nicht die ganze Folge dreht sich darum, es ist dennoch alles hörenswert);

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Das ist ein Narrativ, das immer wiederholt wird, aber nicht von Fakten gedeckt ist.
Die meisten Flüchtenden fliehen innerhalb des eigenen Landes oder in die Nachbarländer.

Deutschland nimmt hier international eine Sonderrolle ein, das stimmt. Die kann man durchaus diskutieren, auch wenn ich hier nochmal die historische Verantwortung unseres Landes hervorheben möchte. Die Erzählung, „alle wollten ja eigentlich hier hin“ kann ich aber so nicht unterschreiben.

grafik
Quelle: 108,4 Millionen sind auf der Flucht - traurige Rekordzahlen des UNHCR - Politik - SZ.de

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Und sorry, aber mit der Grafik unterstreichst du ja sogar das, was du zu widerlegen versuchst.

Wenn ich diese Grafik anschaue dann sehe ich hauptsächlich Transitländer aus der unmittelbaren Fluchtherd-Umgebung - und mittendrin auf Platz 4: Deutschland.

USA? Nüscht.
Italien? Nüscht.
Frankreich? Nüscht.
Großbritannien? Nüscht.

Und am entlarvensten in der Grafik ist jawohl Polen. Da weißt da du doch gleich das sind Flüchtlinge die Lukaschenko nach Polen reingetrieben hat und die nur auf der Durchreise nach Deutschland sind. Also bitte!?

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Wir haben keine „historische“ Verantwortung. Wir haben einfach „Verantwortung“. Als Industrienation. Oder hältst du Großbritannien, Frankreich, Spanien, den USA oder Russland den gleichen Spiegel vor?

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Naja, die Grafik ist nicht so richtig repräsentativ, da sie sich auf 2022 bezieht. Das heißt, die Hälfte der Flüchtlinge, die dort in Deutschland angekommen sind, sind Ukrainer:innen. Deshalb ist wahrscheinlich auch Polen so hoch in der Liste.

Die Einflussmöglichkeiten hängen wohl auch stark vom Fluchtgrund ab.

Bei Krieg und Gewalt wie in Syrien oder der Ukraine sind die Möglichkeiten wohl begrenzt. Diplomatische Bemühungen oder militärische Unterstützung zum Beispiel.
Bei klimatischen Katastrophen/ Naturkatastrophen kann man sicher mit Rettungs-/Hilfspersonal, technischer und medizinischer Unterstützung und Aufbauhilfe viel erreichen.
Bei wirtschaftlichen Migrationsgründen ginge es, je nach politischer Situation vor Ort, um Wirtschaftshilfe, Investitionen von Unternehmen, Technologietransfer oder Ausbildung von Fachkräften.
Also die Situation vor Ort verbessern, um Migrationsbestrebungen zu minimieren.

Viele der Nöte, die manche Länder heute haben, resultieren auch geschichtlich aus dem Wirken der westlichen Länder.

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das Argument war, dass ja alle in den Westen wollen.
Wenn laut der Grafik 2% der weltweiten Flüchtenden auf Deutschland abfällt sehe ich das nicht.
Zugegeben ist das ein Ist-Status, ich kann nicht in die Köpfe der Menschen sehen, um zu wissen, was sie wollen.
Mein Punkt ist: das Narrativ, Deutschland wäre ja das einzige Land der Welt, welches sich hier betätigt, ist falsch.

Die Geflüchteten in Polen sind zum größten Teil Belarussen, Ukrainer und Russen.

Mit über 1,6 Millionen Flüchtlingen, die sich in Polen für vorrübergehenden Schutz registriert haben, ist es nach wie vor das Hauptzielland für Geflüchtete aus der Ukraine. […] Die polnische Bevölkerung und die Behörden haben die Flüchtlinge aus der Ukraine außerordentlich großzügig aufgenommen.
Flüchtlinge in Polen: Warten auf den Frieden im Exil

Das ist deine Meinung. Ich finde, als Land, welches gemeinsam mit seinem Vorgängerstaat für den schrecklichsten Krieg der Menschheitsgeschichte und für einen großen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich ist, tragen wir durchaus die Aufgabe, wie es das Grundgesetz sagt „Dem Frieden der Welt zu dienen“. Dazu gehört, sich in der Wohlfahrt von Vertriebenen zu engagieren. Natürlich tragen alle großen Industrienationen der Welt hier eine Verantwortung, da ich weder Brite, Franzose, Spanier, US-Amerikaner oder Russe bin maße ich es mir nicht zu, für diese Länder zu sprechen.

Ich denke, weniger Polemik würde der Diskussion gut tun.

Das würde ich an dieser Stelle voll unterstützen.

Ein schwieriges,weil hochemotionales Thema, was aber nunmal aktuell relevant ist und sachlich diskutiert werden sollte.

Danke.

1,7% in 2022 laut Statista.

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