FinCEN: Banken warnen und verdienen weiter

Liebes Lageteam,

Euren Bericht über die Geldwäschebekämpfung habe ich mit Interesse gehört.

Ich stimme Eurer Bewertung nur sehr bedingt zu. Die bessere und genauere Registrierung von Immobilienbesitz wäre in jedem Fall wichtig. Noch mehr Verdachtsmeldungen brauchen wir aber sicherlich nicht, weil die FIU mit den derzeitigen schon nicht fertig wird. Was wir brauchen - neben dem genaueren Blick auf Immobilien - ist weniger Strafrecht gegen Geldwäsche und mehr effektive Abschöpfung von Vermögen zweifelhafter Herkunft.

Die derzeitige strafrechtliche Geldwäschebekämpfung stellt nämlich nser rechtsstaatliches Strafrecht grundlegend in Frage. Dabei geht es um Grundsätze wie das Schuldprinzip, die Verhältnismäßigkeit und die Trennung zwischen Repression und Gefahrenabwehr. All das wird durch die immer schärferen strafrechtlichen Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung beschädigt, obwohl alle Beteiligten wissen, dass die immer schärferen Strafgesetze keine Vorteile bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität bringen werden. Wenn sich dann eine deutsche Regierung auch noch weigert, klassische Problemstaaten auf die schwarze Liste zu setzen, weil man noch Rüstungsgeschäfte machen möchte, wird klar, dass es auch gar nicht um effektive Geldwäschebekämpfung geht (Geldwäsche: Schwarze Liste der EU wackelt - wegen Saudi-Arabien - DER SPIEGEL).

Zur Begründung meiner These von der fehlenden Rechtsstaatlichkeit der derzeitigen Geldwäschebekämpfung folgende Argumente:

  1. Die Fancial Action Taskfoce (FATF), die Organisation, die die Vorgaben - sie nennt sie Empfehlungen - für alle Staaten entwickelt, die nicht international geächtet werden wollen, hat eine minimale demokratische Legitimation. Sie setzt sich aus Regierungsgesandten zusammen, die dann Vorgaben entwickeln, die die nationalen Parlamente umsetzen ohne die Frage zu stellen, ob diese Vorgaben rechtsstaatlich sind. Es findet keine demokratische Entscheidungsfindung mehr statt. Frau Prof. Weißer aus Berlin hat diese Vorgehensweise daher zu Recht als Expertokratie bezeichnet (ZStW 12019, 691 ff.). Die FATF ist also eher eine Gefahr für demokratische Strukturen als eine Organisation, die bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität eine Hilfe wäre.

  2. Die FATF geht im Übrigen nach dem Motto vor, möglichst alle verdächtigen - nicht etwa sozialschädlichen oder strafwürdigen - Handlungen unter Strafe zu stellen, damit man auch niemanden, der möglicherweise bei einer Straftat oder im Nachinein mitgewirkt hat, unbestraft lässt. Auch der aktuelle Entwurf des Justizministeriums besagt in seiner Begründung (S. 2) klar und deutlich: Wir weiten die Geldwäschestrafbarkeit aus, um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Geldwaesche_Bekaempfung.pdf?__blob=publicationFile&v=1).
    Das heißt, dass man etwas unter Strafe stellt, was man nicht für strafwürdig hält, um niemanden durch die Maschen schlüfen zu lassen, der tatsächlich eine Straftat begangen hat. Dieser Ansatz ist rechtsstaatlich hochbedenklich.

  3. Der Ansatz passt auch nicht zum Verständnis des Rechtsstaats, wie wir es Mitteleuropa haben. Wir sehen das Strafrecht grundsätzlich als ultima ratio, nur sozialschädliches Verhalten soll strafbar sein. Die FATF sieht - im angloamerikanischen Verständnis - Strafrecht als irgendein Mittel zur Gefahrenabwehr, es muss nur effektiv und die Bestrafung muss rechtlich geregelt sein. Ob die Strafe verhältnismäßig ist oder dem Schuldprinzip entspricht, ist gleichgültig. Durch die Vorgaben zwingt die FATF nun aber alle Staaten dieses Verständnis von Strafrecht umzusetzen.

  4. Spannend ist auch, was die FATF in ihrer Evaluation vor allem bemängelt hat: Zu wenige Verurteilungen wegen Geldwäsche in Deutschland. Was die Herrschaften nicht bedacht haben ist, dass in Deutschland diejenigen, die man gerne wegen Geldwäsche verurteilt gesehen hätte, oftmals wegen der Vortaten wie gewerbsmäßigem Betrug etc.verurteilt wurden. Es geht hier ausschließlich um das Etikett: Geldwäschebekämpfung ist nur erfolgreich, wenn jemand wegen Geldwäsche verurteilt wird.

Warum funktiniert das derzeitige Meldesystem nicht wie gewünscht?
Der Begriff der Geldwäsche in Deutschland ist so weit, dass viele Handlungen davon erfasst werden, die wohl niemand, der sich nicht näher damit befasst hat, als Geldwäsche betrachten würde. Ein Beispiel: wer im Ausland ein „gefälschtes“ Markenshirt etc. kauft und mit nach Hause bringt, macht sich nach deutschem Strafrecht wegen Geldwäsche strafbar. Geldwäsche steht also nicht in einem originären Zusammenhang mit organisierter Kriminalität.

Dieser weite Geldwäschebegriff, die Formulierung der Verdachtsmeldepflicht in § 43 GwG und das noch viel weitere Verständnis der Behörden, die bereits bei einem Verdacht eines möglichen Verdachts einer Geldwäsche eine Meldung verlangen, führt dazu, dass viele Banken etc. aus reiner Angst vor dem Gerücht Geldwäschefälle nicht gemeldet zu haben, alles melden, was irgendwie ungewöhnlich ist. Ich kenne persönlich Fälle, in denen regelmäßige Überweisungen aus der Schweiz ausgreicht haben, um eine deutsche Großbank zu einer Geldwäscheverdachtsmeldung zu bringen. Das wäre grundsätzlich nicht so schlimm, überfordert die FIU aber, weil sie viele Verdachtsmeldungen bekommen und die meisten schlicht haltlos sind.

Diese Anzeigewut von Banken liegt aber auch daran, dass von Seiten der Behörden unzutreffende Informationen über die Verdachtsmeldepflicht verbreitet werden. So hat etwa die BaFin in einem Rundschreiben zur Geldwäsche an Banken verkündet, wer in bestimmten Situationen keine Verdachtmeldung mache, könne sich wegen leichtfertiger Behilfe zur Steuerhinterziehung strafbar machen. (BaFin - Rundschreiben - Rundschreiben 1/2014 (GW) - Verdachtsmeldung nach §§ 11, 14 GwG und …) Das ist aber eindeutig falsch.

Eine fachgerechte Geldwäscheverdachtsanzeige kann derzeit nur ein Wirtschaftsstrafrechtsexperte erstatten. Die Verdachtsanzeigepflicht gilt aber grundsätzlich auch für jeden Autohändler und Juwelier…

Warum führen Banken Transaktionen durch, nachdem sie gemeldet haben? Weil es im Gesetz so vorgesehen ist (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 GwG). Wenn nach einer Verdachtsmeldung von der FIU innerhalb einer bestimmten Frist keine Rückmeldung kommt, darf die Transaktion durchgeführt werden. Die FIU gibt oftmals keine Rückmeldung, weil sie überfordert ist. Was soll die Bank dann machen?

Es ist keine Frage, dass in Deutschland in großem Umfang Geld gewaschen wird. Das liegt aber zum einen an einem gut funktionierenden Bankensystem, einer (noch) stabilen Wirtschaft und dem boomenden Immobiliensektor und nicht daran, dass die Geldwäschebekämpfung hier schlechter funktioniert als in anderen Staaten.

Die effektive Bekämpfung der Geldwäsche wird man aber nicht über immer schärfere Strafgesetze in den Grifft bekommen, sondern nur über effektive Abschöpfung. In sehr vielen Fällen wird man auch bei aufmerksamsten Banken und bester Strafverfolgungsarbeit nicht aufklären können, woher das Geld stammt. Wollen wir dann Strafen wegen Geldwäsche auf Verdacht? Soll das Ganzen irgendwann auf die Formel hinauslaufen, wer nicht beweisen kann, woher er sein Geld hat, wird wegen Geldwäsche bestraft?
Etwas völlig anderes ist es, jemandem der über verdächtiges Geld verfügt, dieser Geld abzunehmen. Das ist nicht mit einem ethischen Unwerturteil verbunden, hier ist kein Schuldgrundsatz zu beachten, sondern nur die Verhältnismäßigkeit.

Mit bestem Gruß vom Niederrhein
Jens

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Toller Beitrag! Ist es nicht auch ein Problem, dass in DE mit riesigen Bargeldsummen legal bezahlt werden darf? Wer hat Interesse, dass das so bleibt? Soll Geld ins Land geholt werden, egal wie schmutzig zunächst?