Filmen von Polizeieinsätzen

Die Einschätzung von Ulf zum Filmen von Polizeieinsätzen teile ich. Jedoch sollte man allgemein noch erwähnen, dass man natürlich nicht den Polizeieinsatz behindern darf; etwa dadurch, dass man die Beamten mit dem Filmen zu sehr bedrängt. Dies würde mE einen Platzverweis rechtfertigen. Ein Filmen mit etwas Distanz darf von den Beamten natürlich nicht verboten werden. Dies entspricht auch der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte. Auch dürfen die Polizeibeamten nie die sofortige Löschung anordnen oder selbst vollziehen (selbst von rechtswidrigen Aufnahmen), denn als milderes Mittel kommt immer die Beschlagnahme in Betracht.

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Ich fände es sehr schön, wenn @vieuxrenard nochmal die Situation um das Filmen von Polizist:innen näher erläutern kann. Ja, das Filmen ist ok, aber was wenn die Polizist:innen vor Ot behaupten, die Person filmt und will das veröffentlichen, darum unterbinden wir das jetzt? Soetwas hab ich schon verschiedentlich erlebt. Ich glaube, dass es besonders wichtig ist das filmische Dokumentieren von Einsätzen der Polizei auszuweiten und auch entsprechend transparent zu machen „Sie werden gefilmt!“ weil das eventuell auch von überzogener Gewalthandlung abhalten kann. Auf der anderen Seite will ich natürlich auch nicht Gaffen und ja ich fände es auch schön, wenn ich ein Grundvertrauen in die Polizeiarbeit haben könnte, dass soetwas nicht notwendig ist. So kommen wir allerdings immer wieder in die Situation, dass vorgeworfen wird, die Videos sagen nichts aus, weil die Vorgeschichte fehlt.

Ich glaube es würde sich lohnen, das nochmal insgesamt zu diskutieren, wie gehe ich damit um wenn ich solche Einsätze sehe? Ab wann sollte ich genau hinschauen? Ab wann sollte ich die Leute ansprechen? Ab wann filmen? Und dann was mit dem Filmmaterial machen? etc. etc.

Ich bin soeben noch über ein anderes Video aus dem Mai gestolpert, in dem zu sehen ist wie Polizisten mehrfach versuchen Personen vom Filmen abzuhalten, scheinbar deswegen auch eine Person festnehmen am Ende und versuchen einer anderen Person das Telefon zu entreissen.

Hallo,

wäre bzgl. des Filmens von Polizeieinsätzen nicht ggf. eine Strafbarkeit gem. 201 StGB denkbar?

@Mitch1: meinst du mit der Beschlagnahme das Video, oder das Handy?

Hallo liebe LdN-Team,

Unten habe ich ein Link eingefügt, der relativ zusammengefasst die Rechte und Verbote von Film- und Fotoaufnahmen im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen erläutert. Gerade das fertigen von Tonaufnahmen ist untersagt wie ich das dem Link entnehmen konnte. Könntet ihr das in näherer Zeit nochmals aufgreifen?

Rechte und Pflichten im Umgang mit der Polizei/ Filmen von Polizeieinsätzen – Wikibooks, Sammlung freier Lehr-, Sach- und Fachbücher.

Die Aufzeichnung der nichtöffentlich gesprochenen Worte ist verboten. Ton öffentlicher Polizeieinsätze darf aber natürlich mit dem Video aufgezeichnet werden.

@karma Das ist schon eine schwierige Frage. Ich persönlich würde zu den Beamten dann sagen, dass ich die Aufnahmen zu Beweiszwecken für das potentielle Opfer der Polizeigewalt mache. Diese im Grundsatz nicht veröffentlichen will, sondern dem potentiellen Opfer für eine mögliche zivilrechtliche Klage oder als Beweismittel für die Staatsanwaltschaft (Körperverletzung im Amt etc.) zur Verfügung stellen möchte. Und natürlich auch sagen, dass dies mein gutes Recht sei. Wenn die Beamten mir das Handy wegnehmen oder mich zwingen die Aufnahmen zu löschen etc, dann würde ich raten, sich nicht zu wehren. Es bleibt einem natürlich dann nur der Weg über die Gerichte. Regelmäßig wird die Polizei hier aus präventiven Gründen gehandelt haben, sodass der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist.

@sjonto § 201 StGB wird tatsächlich in der Regel eingreifen, wenn man das gesprochene Wort der Beamten versteht und schützt wie §§ 33, 22, 23 KunstUrhG die Privatsphäre, sodass man wohl von einem nichtöffentlich gesprochenen Wort - auch eines Beamten - ausgehen muss. Die Maßnahme betrifft ja nur die Person, die von der Maßnahme direkt betroffen ist. Ohne einen Blick in den Kommentar bin ich mir aber auch nicht ganz sicher. Denn es ist ja schon etwas anderes, wenn ein Beamter zB ein berufliches Gespräch über Telefon führt (was eindeutig unter § 201 StGB fällt). Liegt tatsächlich Polizeigewalt vor, wäre aber an Nothilfe oder andere Rechtfertigungsgründe zu denken.

Ich meine das Handy. Das Video wird man vor Ort wohl nicht sichern können. Es ist deshalb das mildere Mittel als die sofortige Löschung, weil dann später gerichtlich geklärt werden kann, ob das Filmen erlaubt war oder nicht. Durch die sofortige Löschung würden aber vollendete Tatsachen geschafft.

@Mitch1 und im Falle, dass die Beamten gerechtfertigt handeln, käme eventuell Irrtum bzgl. des 201 StGB, oder? Ein Filmen wäre demnach unkritisch, man müsste sich nur - sofern die Handlung durch die Polizei festgestellt wird - „gefallen lassen“, dass das Handy beschlagnahmt wird.

Ich kann mir vorstellen, dass das nicht jeder so hinnehmen würde. Alleine die Furcht vor der Beschlagnahme könnte ja abschreckend wirken. Ob das gewollt sein kann…

@sjonto
Zunächst:
Das BVerfG hat zum Filmen im Jahr 2015 (BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 2015 – 1 BvR 2501/13) entschieden, dass das bloße Anfertigen von Lichtbildern und Videoaufnahmen von Polizeieinsätzen durch Demonstranten ohne das Hinzutreten besonderer Umstände nicht die konkrete Gefahr einer späteren Veröffentlichung entgegen § 33 iVm §§ 22, 23 KUG begründe, weil diese Aufnahmen auch dem Zweck der Beweissicherung für etwaige Rechtsstreitigkeiten dienen könnten. Dies behandelte aber nur das KUG und nicht § 201 StGB.

Bei einer kleineren Recherche habe ich aber gefunden, dass zum Beispiel das LG München § 201 StGB bejaht hat und es zu einer Verurteilung gekommen ist (LG München I, Urteil vom 11.02.2019 - 25 Ns 116 Js 165870/17).
Dagegen hat das LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019 - 2 Qs 111/19 eine Beschlagnahme eines Handys für rechtswidrig erklärt, weil der Anfangsverdacht als nicht gegeben angesehen wurde. Dies wurde wie folgt begründet:
Allerdings kann das Vorhandensein einer sogenannten „faktischen Öffentlichkeit“ der Nichtöffentlichkeit des gesprochenen Wortes entgegenstehen; dies ist namentlich dann der Fall, wenn die Äußerung unter Umständen erfolgt, nach denen mit einer Kenntnisnahme durch Dritte gerechnet werden müsse (vgl. Fischer aaO Rn 4, Graf in: MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 201 Rn 18). Denn entscheidend ist, worauf die Beschwerdeführerin zu Recht hinweist, die Abgeschlossenheit des Zuhörerkreises und die Kontrollmöglichkeit über die Reichweite der Äußerung (vgl. Fischer aaO Rn 4).

Randnummer8

Eine „faktische Öffentlichkeit“ wird zwar nicht schon, wie die Beschwerdeführerin argumentiert, deswegen angenommen werden können, weil es technisch gelungen ist, eine Tonaufzeichnung von dem Gespräch zu fertigen; eine so weitgehende Auslegung würde den Straftatbestand des [§ 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB] im Ergebnis gegenstandslos machen. Abzustellen ist vielmehr auf solche Umstände, die für diejenigen Personen, deren Kommunikation betroffen ist, auch offen zu erkennen sind (vgl. Schünemann in: LeipzKomm-StGB, 12. Aufl., § 201 Rn 7, der das lautstark in einer voll besetzten Gaststätte gesprochene Wort als Beispiel nennt, und Graf aaO, der das laute Telefonat in einem stark gefüllten Zugabteil, aber auch laut gesprochene Worte auf Straßen und Plätzen als Beispiele anführt). Doch auch unter Würdigung der ohne weiteres erkennbaren äußeren Umstände des zur Zeit der Aufzeichnung gegebenen Szenarios deutet hier vieles auf das Vorliegen einer solchen faktischen Öffentlichkeit in der Situation der fraglichen Personenkontrolle hin.

Ich würde jetzt mal vermuten, dass das BVerfG sich eher für die letzte Auslegungsmöglichkeit entscheiden würde und § 201 StGB so dann verfassungskonform auslegen würde. Sollte die Polizei jetzt also den Weg über das repressive Strafrecht gehen, weil der präventive Weg teils durch das BVerfG versperrt wurde, wird das BVerfG hoffentlich auch diesen Weg sperren.

Der von dir angesprochene Irrtum wird wohl nur der selten vorliegende Erlaubnistatbestandsirrtum sein, was man wohl annehmen kann, wenn die Polizei unmittelbaren Zwang anwendet aber nicht wenn ich bloß eine Befragung oder andere Maßnahme aufnehme. Ansonsten wird der Verbotsirrtum aufgrund der Hinweise der Polizeibeamten wohl immer vermeidbar gewesen sein. Sich auf einen Irrtum zu verlassen halte ich aber nicht für ausreichend. Schon in einer Anklage liegt eine erhebliche Belastung für die Person.

Bei Interesse behandeln die Aufsätze Ullenboom, NJW 2019, 3108 und Roggen, StV 2020, 328 die Fragen um eine Strafbarkeit nach § 201 StGB beim Filmen von Polizeieinsätzen.

Vielen Dank für diese umfassende Darlegung! Der Beschluss des BVerfG scheint sich auf Versammlungen/ Demolagen zu beziehen… Wäre aber vermutlich auch auf „alltägliche“ Polizeieinsätze im gewissen Rahmen zu übertragen.

Auch vielen Dank für die Hinweise auf die entsprechenden Aufsätze :+1:

Hallo zusammen, ich kann hier auch noch mal meine eigene Erfahrung einbringen:

Ein Freund von mir hatte eine Verkehrskontrolle in Augsburg gefilmt, dabei war er Beifahrer im Auto und hat vom Beifahrersitz aus gefilmt. Die Verkehrskontrolle war dabei Routine (Alkoholtest etc.) ohne Ergebnis.

Bei ihm wurde damals § 201 StGB angewendet, das Handy einkassiert. Es ist damals nicht in einem Gerichtsverfahren geendet sondern (wenn ich es richtig im Kopf habe) durch einen Vergleich mit dem Staatsanwalt. Am Ende waren es glaube ich ein paar Sozialstunden.

Aus meiner Erfahrung ist es daher für den Laien sehr schwierig einzuschätzen, wann man sich durch das Filmen strafbar macht und wann nicht.

Viele Grüße

Vor dem Hintergrund, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft (und teils wohl auch die Gerichte) § 201 StGB als einschlägig halten, finde ich, dass man in der LdN nochmal hierauf hinweisen sollte. Denn damals wurde ja gesagt, dass man bedenkenlos filmen sollte/kann. Oder @vieuxrenard stellt nochmal seine Sichtweise dar, wie man sich am besten beim Filmen verhalten soll bzw. wie man aus seiner Sicht reagieren soll?

Hallo an alle und auch wenn ich deutlich später hier in dieses Thema einsteige, danke für die sehr informativen Inputs. Ich weiß noch nicht mal, ob ein neuer Beitrag überhaupt noch sichtbar bleibt, aber probieren wir es mal:

Ich spreche als juristischer Laie, daher verzeiht mir Schnitzer, die nicht absichtlich passieren, wenn sie passieren :slight_smile:

  • Wie soll in der Realität von heutigen Smartphones eine Videoaufnahme ohne Ton gemacht werden, ganz gleich ob eine faktische Öffentlichkeit entstehen sollte? Dazu kommt noch, dass Polizeibeamte - selbst bei guter Kenntnis der Rechtslage der betroffenen Zivilist*innen - doch recht einfach die mögliche Verbreitung der Aufzeichnungen „vermuten“ können.

  • Grundsätzlich haben Polizist*innen natürlich auf das Recht auf die Vertraulichkeit des hier gesprochenen Wortes. Gleichzeitig üben sie in ihrem Beruf die staatliche Exekutive aus und sind nun mal exponierter. Als Zivilist will ich durch meine Aufnahme meine Rechtsgüter schützen. Nimmt man dann noch den Einsatz von Bodycams hinzu, wird das Argument doch etwas fragil…

  • Zudem, was bleibt mir dann als Betroffener denn sonst effektiv für eine Möglichkeit, mögliche Verstöße der Polizei nachzuweisen (insb. wenn keine Bodycams eingesetzt werden)? Die 1/1000 Chance, dass der/die Kolleg*in des Beamten mich schützt oder später eine Aussage gegen den Beamten macht? Good luck with that.

  • Ich nehme wirklich nicht die USA als super Vorbild was Polizeiarbeit anbelangt, aber wenn man sich z.B. Auswertungen wie z.B. „Audit the Audit“ (hier ein Beispiel: Officer Pulls Guy Over and Seriously Regrets It - YouTube) anschaut, dann sehe ich den deutlichen Mehrwert des Rechtes von Bürgern die Begegnung mit der Polizei aufzuzeichnen. Das Argument der Privatsphäre der Polizeibeamten kann ich da nicht nachvollziehen. Vielleicht müssten wir nicht so weit gehen, dass eine Veröffentlichung erlaubt sein sollte; jedoch bin ich der Ansicht, dass die Polizei als Mitträgerin des staatlichen Gewaltmonopols sich durchaus gefallen lassen muss, dass die Bürger einen Check auf ihre Arbeit in der Hand haben, grade weil so oft Grundrechte betroffen sind.

Finalement, denke ich, dass wenn sinnvolle Aufzeichnung von Polizeieinsätzen (ich bin da viel mehr bei direkter Begegnung zwischen Polizei und Bürger (also Kontrollen u.ä., nicht Demonstrationen)) möglich sein soll - also immer auch mit Ton - dann braucht es da eine Anpassung der Rechtsnormen oder der niedergeschriebenen Regeln der Polizeiarbeit (i.e. die Polizei darf EXPLIZIT nicht die Video- und Tonaufnahmen verhindern).

Vielleicht übersehe ich hier auch irgendwas, dann lasse ich mich sehr gerne aufklären. LG Farshad

Interessantes und immer noch aktuelles Thema. Was die Frage möglicher Konsequenzen angeht ist m. E. der wichtige Unterschied, dass man berücksichtigen muss, dass m. E. vielfach die Polizisten nicht adäquat ausgebildet werden. Es werden, wenn vielleicht auch eher im praktischen als im theoretischen Teil der Ausbildung, vielfach Halbwahrheiten und pauschale Regelauslegungen kultiviert, die nur bedingt mit der geltenden Rechtslage vereinbar sind. Eine Frage die ich mir hier stelle ist, ob das Argument der prozessualen Waffengleichheit hier trägt, denn eine Begründung zum Einsatz der Bodycams ist ja der Schutz der Beamt_innen und Sicherung von Beweismitteln, um Straftaten gegen die Beamt_innen zu verfolgen.

Aus meiner Sicht wäre ein Hotfix, zumindest für NRW (mit der Situtation in den anderen Bundesländern bin ich noch weniger vertraut), wo es Bodycams gibt, eine Pflicht jeden Einsatz zu filmen und die Aufnahmen für eine bestimmte Anzahl an Tagen/Wochen vorzuhalten. Ja, dann sind die Daten bei der Polizei, aber immerhin gibt es dann Daten. Der tödliche Ausgang eines Einsatzes in Dortmund hat z. B. auch zu Diskussionen darüber geführt, warum die Bodycams nicht aufzeichneten.

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