Mitten in der Klimakrise bzw. dem, was Experten als das 6. Massenaussterben in der Geschichte des Lebens auf der Erde bezeichnen, werden in Deutschland neue Fernstraßen gebaut, als gäbe es kein Morgen. A20, A49, A14, B190n, A39, A143… (die Liste ließe sich fortführen), die Planungen und Bauarbeiten gehen voran, ohne dass die neue Bundesregierung hier einen Unterschied ausmachen würde.
Ein anschauliches Beispiel ist das sogenannte Hosenträger-Projekt. Zwischen Berlin und Hannover liegt noch das größte autobahnfreie Gebiet Deutschlands, doch wo heute Rotwild durch die Wälder zieht und Störche über die Wiesen stolzieren, soll mit dem Neubau der A39, der B190n und der A14 eine ganz neue Landschaft entstehen, eine Betonlandschaft.
Allein entlang der A14 planen anliegende Gemeinden Gewerbegebiete auf einer Fläche von mehreren tausend Hektar. Während die Bagger rollen und eine Schneise der Verwüstung durch die Landschaft ziehen, dutzende Schutzgebiete planieren (die Bezeichnung Schutz ist hier offensichtlich irreführend) oder meterhohe Dämme aufschütten, enden die Busverbindungen der Region heute noch an der ehemaligen, innerdeutschen Grenze, mühen sich örtliche Bürgerinitiativen vergeblich die Bahntrassen stillgelegter Zugverbindungen freizuhalten.
Ließen sich vor der Bundestagswahl noch Forderungen nach einem Autobahnmoratorium aus den Reihen der Bundesgrünen vernehmen, scheint das Thema Verkehrswende mittlerweile für die neue BReg kaum noch eine Rolle zu spielen.
Täglich werden in Deutschland 60 Hektar Boden versiegelt, das entspricht einer Fläche von etwa 100 Fußballfeldern. Die katastrophalen Folgen der Flächenversiegelung auf Klima, Artenvielfalt oder die Ressource Wasser sind hinlänglich bekannt, doch der Ausgang ist immer der Gleiche, es wird gerodet, die Bagger kommen und mit ihnen die Begehrlichkeiten der anliegenden Gemeinden, mit eigenen Gewerbegebieten von den großen Infrastrukturprojekten zu profitieren.
Klagen hingegen haben keine Aussicht auf Erfolg, geklagt werden kann höchstens gegen einzelne Bauabschnitte, so gelingt es vielleicht einzelne Nachbesserungen bspw. bei sogenannten Ausgleichsmaßnahmen zu erwirken, verhindern können solche Klagen die Fernstraßenprojekte des BVWP hingegen nicht. Im Falle einer Niederlage droht die komplette Kostenübernahme durch die Kläger, während der zu beklagenden DEGES bei der Finanzierung zusätzlicher Fachgutachten kaum Grenzen gesetzt sind.
Verkehrswende? Fehlanzeige! In den meisten Regionen, besonders im ländlichen Raum, passiert heute immer noch genau das Gegenteil dessen, was angesichts der immensen Herausforderung durch Klimakrise, Artensterben und Ressourcenknappheit nötig wäre. Die Landschaft in Deutschland wird immer mehr versiegelt, das Artensterben setzt sich dramatisch fort, die Emissionen im Verkehrssektor sinken nicht und die Bundesregierungen setzten weiterhin gigantische Summen ein, mit denen die Abhängigkeit vom motorisierten Individualverkehr noch befördert wird.
Was hat es mit der, durch die Ampelkoalition angekündigten, Überprüfung des BVWP auf sich, welche Implikationen haben die jüngsten Gerichtsureile im Bereich Klimaschutz für den Verkehrssektor und welche Mittel hat die Zivilgesellschaft, sich der anhaltenden Bodenversiegelung zu widersetzten?